In Götz Kubitscheks Buch Provokation, das für viele meiner Generation eine wichtige Lektüre war, findet sich eine einprägsame Metapher. Die Rede ist von der »Rolle des erfolglosen Belagerers.« Kubitschek führte sie in einem Vortrag folgendermaßen aus: »Man kann in der Rolle des erfolglosen Belagerers heimisch werden, und ich möchte sagen: Diese Rolle ernährt seltsamerweise ihren Mann, und das ist verlockend und hat furchtbare Konsequenzen (…)«.
Sich in einer rentablen Protestsimulation einzurichten und an der imaginierten Front primär die Nachschublieferungen zu verwalten ist tatsächlich die denkbar ärgste Verfallsform des Widerstands. Auch Rolf Peter Sieferle beschreibt in seinem Epochenwechsel (zu dem gerade ein digitaler Lesekreis stattfindet) eine ähnliche Dynamik. Laut ihm weist die »systemische Gesellschaft« eine absolute Revolutionstoleranz auf, die jeden aktiven Widerstand gegen sie zur eigenen Stabilisierung nutzt. Die »vitalen Rebellionen« werden nach Sieferle zu machtlosen, maximal störenden Gesten des Widerstands. Es geht nur darum, einen Zipfel an Aufmerksamkeit zu erhalten, die einem die eigene Existenz bestätigt. Tatsächlich stabilisiert dieser ziellose Pseudo-Widerstand – ob in Form des ohnmächtigen Terrors oder des folgenlosen Protests – die systemische Welt gerade durch seinen scheinbaren Störfaktor. Sieferle: »Ihr Wunsch, die Systeme zu verflüssigen, schlägt in sein Gegenteil um. Den Systemen werden neue Ebenen eingezogen, ihre Komplexität wird gesteigert, was ihnen eine Zähigkeit verleiht, welche weit über das hinausgeht, was zuvor der Fall war.«
Tatsächlich müssen wir eine beeindruckende Fähigkeit des westlich-liberalen Wohlfahrtsstaates zur Einbindung, Kommerzialisierung und Nutzbarmachung extremistischer Bewegungen feststellen. Während die fragile DDR jede Form einer offenen Rebellion (von Rockern, über Hippies bis zu Skinheads) unterdrücken mußte, konnte es sich die BRD »leisten«, all diesen Gruppen einen unterschiedlich großen Spielraum zu gewähren. Der westliche Liberalismus duldete mit mütterlicher Langmut die extremistischen Bocksprünge politischer und kultureller Randgruppen. Am Ende wurden sie gar zu Garanten und Beweismaterial seiner »Buntheit«.
Jede westliche Großstadt, die etwas auf sich hält, »leistet« sich heute ein linkes Hausprojekt wie ein feudaler Schloßherr eine Schmuck-Eremitage. Das Erfolgsrezept der systemischen »Antifragilität« lautet: maximale Duldung durch ideologische Indifferenz bei gleichzeitig maximaler Wohlstandssteigerung, Vermarktung und Kommerzialisierung. Diese Strategie rottete rebellische Ideologien gründlicher aus als die offene Repression des Kommunismus. Die Binsenweisheit, daß die postsowjetischen Länder viel patriotischer, konservativer und religiöser sind als der liberale Westen, beruht auf deren Fragilität und dem damit verbundenen offenen Totalitarismus.
Nehmen wir Kubitscheks Metapher beim Wort und überlegen uns, welchen Nutzen ein militärisch harmloses, feindliches Feldlager vor der Stadt für deren Herrscher haben könnte. Die nackte Präsenz des Feindes »ante Portas« wäre der Grund dafür, die Stadt im ständigen Belagerungszustand zu halten. Sie wäre die Rechtfertigung für die innere Überwachung, ebenso für den Erhalt des äußeren Schutzwalls. Rasch wird uns klar, was diese metaphorische Ebene in der Realität bedeuten könnte. Die hysterisch übertriebene »Gefahr« von Rechts, der »brown scare«, dient der »Friedensvolksgemeinschaft gegen Rechts« als ideologischer Kitt. Die Bewältigungsindustrie braucht die »rechtsextremen Belagerer« als Anschauungsmaterial. Das Parteienkartell nutzt sie als Abschreckungsobjekte.
Gerade da, wo Rechte sich über unverhältnismäßiges Medienecho für kleine Aktionen freuen, sind sie womöglich Opfer dieser Dynamik. Sie werden in einem durch und durch überwachten »Szenetierpark« vom ideologischen Staatsapparat als politische Nutztiere gehalten. In ritualisierten, periodisch wiederkehrenden »Schlägen gegen die rechte Szene« wird ein unglückliches Opfer aus dem Gehege gezogen und öffentlichkeitswirksam hingerichtet, um als Sündenbock für die Erbschuld der ganzen Gesellschaft zu büßen. Die Rolle als erfolgloser Belagerer ist im schlimmsten Fall zu einem unfreiwillig systemstabilisierenden Bestandteil der linken Medienrituale geworden.
Eine ganze Reihe an rechten Denkern (von Nils Wegner über Caroline Sommerfeld und Rod Dreher bis zu David Engels) empfehlen daher, die Füße still zu halten. Ihr strategischer Minimalkonsens läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: Im Rahmen des Bestehenden ist es absolut unmöglich, aktivistisch Wesentliches zu verändern. Im Gegenteil: Offene Widerstandsakte liefern dem System den lebensnotwendigen Feind. Sie machen das eigene Potential sichtbar und setzen es der Repression aus. Stattdessen sei möglichst schonender, latenter Aufbau von nachhaltigen Strukturen das Gebot der Stunde. Die eigene Position soll materiell untermauert und ideologisch verfeinert werden, um die derzeitige Phase zu »überwintern«. Indem man nicht mehr mitspielt, wirkt man destabilisierend und erhält die eigene Identität für eine Zeit danach.
Diese Haltung ist auf mehreren Ebenen zu kritisieren. Die These der Antifragilität und die Klage über die komplexe moderne »Gesellschaft des Spektakels«, die in einem Netz aus »Simulacra und Simulation« eine klassische kommunistische Revolution unmöglich mache, ist eine ganz spezifische Erfahrung des westlichen Marxismus. Sie ist auch Folge des realpolitischen Scheiterns im Augenblick maximaler metapolitischer Macht. Die Linken hatten 1968 ihre Chance. Die Universitäten und die gesamte Jugendszene waren ideologisiert und so radikal, daß sich in ihnen sogar ein hochfunktionales Terrornetzwerk etablieren konnte. Das Ergebnis der revolutionären Mobilisierung war am Ende nicht viel mehr als der hedonistische Kulturbruch hin zum »dionysischen Individuum«, wie Sieferle beschreibt.
Das Erbe von SDS, RAF und APO sind breite »Bündnisse gegen Rechts«, staatlich subventionierte »autonome« Jugendzentren und von Coca Cola finanzierte Konzerte. Diese Verschmelzung der Linken mit dem Gestell ist kein zufälliges Scheitern, sondern Ergebnis der Ideengeschichte. Linke Ideologie und liberale Wirtschaftsform bilden einen dynamischen Aggregatszustand, dessen scheinbare Widersprüchlichkeit gerade seine Antifragilität ausmacht. Kapitalistische Wirtschaft und linke Moral, der universale Markt und die universalistische Jugendrebellion bilden eine Symbiose. Im Satz »Wer mit 20 kein Revolutionär ist, hat kein Herz, wer mit 40 immer noch einer ist, kein Hirn«, ist sie perfekt zusammengefaßt. Das »linksrevolutionäre Herz« der Gesellschaft und das »rechtsliberale Hirn« harmonieren, vereint durch die Seele des Universalismus in Aufklärung und Fortschrittsdenken über alle Widersprüche hinweg. Die klassische Biographie der linksbewegten Aktivistin, die aus reichem »konservativ«-bürgerlichen Elternhaus stammt, ist daher kein Widerspruch, sondern äußerst folgerichtig.
Dem rechten Widerstand fehlt diese Erfahrung des Scheiterns nach einem Zenit ebenso wie die der Symbiose. Da seine Ideen eine andere DNA in sich tragen, werden sie vom Körper der systemischen Gesellschaft nicht angenommen. Die linksterroristische Antifa ist auf eine ganz andere Weise in die systemische Gesellschaft eingebunden als rechte Aktionsgruppen. Während die staatlich subventionierte, medial verharmloste Schlägergruppe eingebunden wurde, antwortete man auf rechte Rebellen immer schon mit Repression und totaler Dämonisierung. Diese offene Repression offenbart eine potentielle Fragilität des Systems an der rechten Flanke. Die rebellischen Rechten werden unterdrückt, hingehalten und eingehegt. Die Linken sind ins System eingefügt, die Rechten werden von ihm eingesperrt.
Für linke Denker ist es nur folgerichtig, diesen Zustand als unausweichlich hinzunehmen. Weder der parlamentarische Weg noch die metapolitische Revolution oder der politische Terrorismus haben zum Erfolg geführt, obwohl sie systematisch durchexerziert wurden. Auch das Gegenmodell des »real existierenden Sozialismus« fiel keinem Angriff von außen, sondern der inneren Schwäche zum Opfer. Das linke Revolutionslatein ist tatsächlich vorerst am Ende. Rechte sollten nicht den Fehler begehen, den revolutionstheoretischen Abgesang poststruktureller Linker ungesehen zu übernehmen. Sie hatten ihre Rebellion gegen die systematische Gesellschaft und haben auf allen denkbaren Fronten versagt. Rechter Widerstand jedoch war niemals auch nur ansatzweise so bedeutend, als daß man seine Strategien als erprobt und gescheitert betrachten könnte.
Generell fehlt es im rechten Lager seit eh und je an Revolutionstheorien. Dem inhärent reaktionären Denken scheint es nach wie vor fremd zu sein, die eigenen Chancen und Möglichkeiten realistisch zu betrachten, verschiedene Wege zur Macht aufzulisten und gegeneinander abzuwägen. Die Frage nach revolutionärem Subjekt und revolutionärer Situation, die jeder marxistische Theoretiker in seinem Werk beantworten muß, wenn er ernstgenommen werden will, stellt sich in den meisten konservativen Debatten gar nicht. Ihre Strategie oszilliert meist zwischen esoterisch-religiösen Hoffnungen auf einen Tag X, Romantisierung der Gewalt und des Bürgerkriegs sowie der völligen Resignation und inneren Emigration.
Der Aufruf zum Abbruch der Aktion und die Absage an die politische Bewegung, der nun wieder laut wird, ist Ergebnis des revolutionstheoretischen Vakuums. Hier will ich die beiden offensichtlichsten Schwachstellen dieser Strategie aufzeigen.
Die Idee, man könne durch Rückzug in einen apolitischen Raum das Überleben der ethnokulturellen Identität vom Staat abkoppeln, ist illusorisch. Oft werden hier migrantische Parallelgesellschaften als Vorbilder angeführt. Diese sind in der Regel unpolitisch und fokussieren sich ganz auf den Aufbau autarker Strukturen, die Erziehung ihrer Kinder und die Bewahrung ihrer Identität. Es gibt jedoch einen guten Grund, warum diese Strategie für Migranten funktioniert. Die Anarchotyrannei unseres Systems verhält sich gegen die Parallelgesellschaften, die patriarchalisch, tribalistisch und ethnozentrisch in den Nischen unseres Wohlfahrtsstaates leben, indifferent bis verständnisvoll. Islamische Terroristen wurden von uns demnach »an den Rand gedrängt«, gewalttätige Migranten bekamen »zu wenig Chancen« etc.
Zudem ist die Ersetzung der Mehrheitsgesellschaft durch diese tribalistische Ersetzungsmigration das Ziel der derzeitigen Bevölkerungspolitik. Daß migrantische Parallelgesellschaften existieren, ist staatlich gebilligt bis gewünscht. Versuchen indigene Identitäre, eigene Parallelstrukturen zu bilden, wird das jedoch sofort als aggressiver, politischer Akt gewertet. Daß die Handballnationalmannschaft oder gar der ganze »Osten« zu weiß sind, ist von der medialen Elite unerwünscht. Selbstverständlich kann der sanfte Totalitarismus Familien nicht davon abhalten, viele Kinder in die Welt zu setzen. Doch für die indigene Bevölkerung bedeutet dieses Ziel aufgrund der ideologischen Indoktrinierung, der wirtschaftlichen Situation und der Überfremdung des Schulsystems notwendig einen organisatorischen Aufwand. Das macht sicht- und angreifbar. Der Kinderreichtum migrantischer Parallelgesellschaften liegt dagegen in der starken ethnoreligiösen Prägung der Migranten, die sich in ihren Enklaven aller »Integration« zum Trotz sogar noch verstärkt. Jedes rechte Kultur‑, Schul- oder Siedlungsprojekt auf deutschem Staatsgebiet wäre naiv, wenn es darauf setzt, nicht als politischer Akteur verstanden und bekämpft zu werden.
Folgerichtig wird daher jedes Projekt, das ethnokulturelles Überleben vom Staat abkoppeln will, wirtschaftlich ruiniert oder juristisch zerschlagen. Jeder Quadratzentimeter des deutschen Staatsbodens und jedes Bit der digitalen Kommunikation wird überwacht. Selbst im dichten Schwarzwald kann sich ein Aussteiger nur wenige Tage verstecken. Private Chatgruppen führen zu Razzien der politischen Polizei. Die herrschende Politik sieht keine patriotischen Enklaven vor und wird jeden Ansatz zu solchen Inseln zu verhindern wissen.
Das einzig Mögliche ist der Rückzug ins private Biedermeier. Die rechte Landflucht in die kleinfamiliäre Idylle wird geduldet, solange sie nicht zum Aufbau sichtbarer Parallelstrukturen führt. Die Stadtflucht geht auf Kosten der nächsten Generation. Die Kinder der Fliehenden wird es aber zum Studium und zur Arbeit zurück in die aufgegebenen Städte ziehen. Die »Strategie« des Abkoppelns hofft am Ende auf Schonung aufgrund der eigenen Unsichtbarkeit, die gleichzeitig ihre Wirkungslosigkeit impliziert. Effektive Projekte zur eigenständigen Bildungs- und Bevölkerungspolitik wären für die Eliten weder verborgen noch harmlos. Nur im Windschatten aktivistischer Kämpfe, die als Schild und Ablenkung den Fokus der Repression auffangen, ist ihre Bildung überhaupt möglich.
Die zweite offensichtliche Schwachstelle dieser Strategie ist noch fataler, selbst wenn man es schaffen könnte, von der Repression ignorierte Enklaven aufzubauen, in denen man einen »großen Zusammenbruch« aussitzen könnte. Wer verbürgt, daß dieser jemals eintritt? Die meisten Varianten dieses Denkens implizieren, daß es einen inhärenten Selbstzerstörungstrend des Bestehenden gäbe. Ich bin in diesem Punkt pessimistischer. Wir befinden uns in einer seltsam stabilen Synthese der rationalistischen Sozialtechnik mit einer atavistischen Zivilreligion, des apolitischen Hedonismus mit der universalistischen Moral. Statt einer schicksalshaften Konvergenz der Katastrophen, naht eher der »große Sabbat« des letzten Menschen. Ohne einen unabsehbaren »deus ex machina« meldete sich die »Verhausschweinung« in einer globalen, denaturierten, digitalisierten, transhumanistischen Weltgesellschaft an. Das Ende der Geschichte hat in den Zentren der multikulturellen Metropolen bereits begonnen und breitet sich von dort über den Planeten aus. Die Wüste wächst. Die Sehnsucht und das Leiden, aus denen unsere Kritik erwächst, könnten für diese Welt einfach unverständlich und irrelevant sein.
Worin besteht nun eine strategische Handlungsoption für Kritiker dieser schönen neuen Welt? Ich stimme akzelerationistischen Thesen in einigen Punkten zu. Es gibt kein Zurück, die Bremse rettet uns nicht, und wir können auch nicht vom fahrenden Zug abspringen. Ich sehe jedoch eine entscheidende Schwachstelle, die im ideologischen Kern des Systems liegt. Durch Analyse und gezielten Druck auf diesen Schwachpunkt könnte das Unvorhersehbare erneut in die Geschichte eintreten.
Unsere Rolle als erfolgloser Belagerer und unfreiwillige ideologische Stütze der Antifa-Gesellschaft ist wie ein Schicksal. Die Alternative dazu ist nicht der Rückzug in eine verlockende, aber irreführende Pseudostrategie des apolitischen Biedermeiers und der reinen Metapolitik. Nur ein metapolitischer Ansatz, dessen unverbrüchliches Ziel die realpolitische Gestaltungsmacht bleibt, ist die Opfer wert, die er mit sich bringt.
Wo liegt nun die realistische Handlungsoption des rechten Lagers? Nur ein »methodologischer Pessimismus« kann alle falschen Hoffnungen auf einen »deus ex machina« beseitigen, um den archimedischen Punkt offen zu legen, an dem wir ansetzen müssen. Jede Erwartung eines Zusammenbruchs, jedes Hoffen auf Schonung durch den Gegner und jeder theoretisch verklärte »Faktor X« muß aus der Analyse ausgeschlossen werden. Auch die Beschwörung einer »schweigenden Mehrheit« und eines spontanen »Aufwachens« gehört dazu. Stattdessen muß – frei von jeder Beschönigung – im faktisch Bestehenden der innere Widerspruch ausgemacht und verstärkt werden.
Über diesen Ansatzpunkt kann und soll man wortreich streiten. Ich vermute ihn im Widerspruch zwischen der versprochenen Meinungsfreiheit und der herrschenden Leitideologie. Die Demokratie, untrennbar mit der Idee eines Nationalstaates und dem Volk als Abstimmungsgemeinschaft verbunden, ist ein unverzichtbarer Teil der modernen Metaerzählung. Sie steht in krassem Widerspruch zur Zivilreligion der Schuld und dem »Geist der Rache«, der den ideologischen Kern unserer Gesellschaft bildet. Daß tatsächlich eine undemokratische Ideologie den Westen beherrscht und als globalistische Ideologie seine Zukunft längst vorgeschrieben hat, ist mit der demokratischen Legitimation der Macht unvereinbar. Eine komplexe Meinungskontrolle und Demokratiesimulation kaschiert den Konflikt zwischen demokratischer und universalistischer Metaerzählung. Ihr Widerspruch bleibt solange unsichtbar, solange die Masse dank medialer Meinungskontrolle das wählt, was für sie vorgesehen ist. Abweichende Entscheidungen wie der Brexit, das »Nein« zum UN-Pakt und das »Ja« zu Trump sind Interferenzen. Sie werden als Betriebsunfälle gewertet, die durch »Aufklärung«, sprich Propaganda, wiedergutgemacht werden müssen. Hier gerät das System in Erklärungsnot.
Aufgabe eines rechten Aktivismus muß es sein, diese Momente in Quantität und Qualität zu steigern. Durch gezielte Provokation wird die nötige offene Zensur ständig erhöht werden, bis sie entweder der Meinungsfreiheit nachgibt oder offen totalitär wird. Die demokratische Metaerzählung muß reklamiert und gegen die universalistische Ideologie mobilisiert werden. Am Ende müssen die ideologischen Ursupatoren die direkte Demokratie selbst für »rechtsextrem« erklären. Diese »Repressionsakzeleration« kann nur absolut legal, gewaltfrei und demokratisch sein.
Jede Form der Militanz wirkt retardierend und systemstabilisierend. Sie rechtfertigt Repression, verringert die Unterstützerbasis und läßt das Widerstandspotential verkümmern. Man muß den Gegner dazu bringen, die eigenen Spielregeln zu verletzen. Gewaltlosigkeit und Abgrenzung von jeglichem Extremismus werden so zur schlimmsten Drohung für die Elite. Der Druck muß so moderat wie möglich und so radikal wie nötig sein. Er muß für uns langfristig tragbar, für den Gegner aber unerträglich sein. Um ihn aufrechterhalten zu können, braucht es ebenfalls Refugien, Rückzugsräume, Gegenkultur und Theoriearbeit, die aber nicht als Selbstzweck, sondern als Ergänzung fungieren. Gerade weil der »Repressionsakzelerationismus« in seiner gewaltlosen Front Aufmerksamkeit bindet und Schläge abfängt, kann der Freiraum für solche Enklaven entstehen.
Dieser Weg führt aber nicht in die ländliche Unsichtbarkeit. Er führt uns in die Städte und die Universitäten, auf die Straßen und Dächer der gegnerischen Machtzentren. Er führt nicht weg von der Repression, sondern mitten in sie hinein und durch sie hindurch. Er entstellt das System zur Kenntlichkeit und macht seine Fragilität sichtbar. Der »Repressionsakzelerationismus« will keine Bremse ziehen und kein Zurück zum status quo ante. Er vertraut nicht naiv auf Rechtsstaatlichkeit und die Fairneß des Gegners. Seine Hoffnung lebt im Wissen, daß wir, anders als die rebellischen Linken, noch nicht beim Versuch der Veränderung gescheitert sind. Wir haben es noch nie wirklich versucht. Es gibt keinen Grund zur Flucht, es sei denn, sie geht nach vorne.