Carl Schmitts berühmter Satz, souverän sei, wer über den Ausnahmezustand bestimme, klang den Bewohnern der BRD immer heroisch-fremd in den Ohren, hatte den Geschmack überwundener Kriege und Totalitarismen. Die demokratische Wählerschaft empfand sich selbst als Souverän, definierte ihre eigene Zuständigkeit allerdings über Begriffe wie »Partizipation« und »Demokratie« statt über »den Ausnahmezustand«.
Das Jahr 2020 stellt prima facie einen Bruch dar. Es handelt sich, wie ich darlegen will, aber nicht um den Bruch mit Demokratie und Grundgesetz. An deren Realexistenz hat das BRD-Volk einige Jahrzehnte geglaubt. Mir ist im Lauf dieses Jahres immer wieder schmerzlich bewußt geworden, wie stark das Narrativ von »unserer Demokratie« und deren Verteidigung in beiden politischen Lagern wirkt: Die Adepten der Neuen Weltordnung verteidigen sie gegen »Verschwörungsextremisten, Reichsbürger und Querdenker«, und die so titulierte Opposition schwenkt hilflos das Grundgesetz oder trägt es symbolisch zu Grabe.
Wenn 2020 also bürgerliche Grundrechte (zuerst ging es um Versammlungsfreiheit: die »Coronademos«, dann um Meinungsfreiheit: das Framing kritischer Bürger als »Coronaleugner«, dann um die Reisefreiheit: Grenzschließungen innerhalb Europas, später Übertritt nur mit nachfolgender Quarantäne oder Test, dann um Redefreiheit: die Löschung »coronakritischer« YouTube-Kanäle und Netzpräsenzen, dann um das Gleichbehandlungsgesetz: Nichtgeimpfte dürfen diskriminiert werden, dann um körperliche Unversehrtheit: die »Coronaimpfung«) ausgesetzt wurden, dann kam diese Entwicklung nicht unerwartbar. Der »demokratische Widerstand« (es gibt sogar eine neue Partei, die sich entsprechend nennt) zehrt von einer Illusion, und er wird – in Abwandlung des Böckenförde-Diktums – auch noch geraume Zeit davon zehren können, nämlich genau so lange, wie ökonomische Sättigung und Propaganda »unsere Demokratie« als Fassade gewährleisten können.
Aus dem Geschehen hinter der Fassade hat der politische Journalist Paul Schreyer in seinem jüngst erschienenen Buch Chronik einer angekündigten Krise einen wichtigen Teil herauspräpariert. Mit diesem Buch läßt sich erklären, weshalb es sich bei dem, was derzeit umgesetzt wird, nicht um einen Bruch handelt, sondern um eine Kulmination.
Schreyer schildert, wie die »Pandemie«, die im Januar 2020 in China ausgebrochen sein soll, in sogenannten (erst rein militärischen, später gleichzeitig gesundheitspolitischen) Planspielen vorbereitet worden ist. »Vorbereitet« bedeutet hier präzise, daß natürlich jederzeit reale Pandemien ausbrechen können durch Krankheitserreger, zudem in Zeiten der ABC-Kriegsführung Biowaffen (besonders in den Händen nichtstaatlicher Kriegsparteien) eine ständige Bedrohung darstellen, so daß diese beiden Möglichkeiten es plausibel abstreitbar machen (plausible deniability), man plane eine solche Pandemie. Die prinzipielle Planbarkeit liefert also, dies gilt es festzuhalten, keinen Beweis für die Geplantheit just dieser »Covid-19-Pandemie«. Krisenplanspiele eines verantwortungsbewußten Staates oder Auslotung manipulativer Möglichkeiten? Wer der Regierung nicht mehr viel glaubt, gerät in einen vagen Zwischenzustand und hält fast alles für plausibel.
Der »Kampf gegen die Viren«, so Schreyers Recherche, begann schon in den 1990er Jahren als »Kampf gegen den Bioterror«. Seither wurden in Planspielen immer wieder Pandemie-Szenarien geprobt, erst in den USA, später international abgestimmt, auch mit deutscher Beteiligung. Beteiligt waren stets hochrangige Behörden- und Regierungsvertreter sowie bekannte Journalisten, zuletzt, bei »Event 201« im Oktober 2019, auch Vorstandsmitglieder großer Weltkonzerne. In den »Drehbüchern«, so Paul Schreyer, tauchten schon vor 20 Jahren Passagen wie diese auf: »Der Anblick von bewaffneter Militärpräsenz in amerikanischen Städten provoziert Proteste gegen die Beschneidung der bürgerlichen Freiheiten […] Die Frage ist, wie und in welchem Maße wir diese Dinge durchsetzen. Wieviel Gewalt wendet man an, um die Menschen in ihren Häusern zu halten?« Im Falle einer Pandemie könnten »grundlegende Bürgerrechte wie das Versammlungsrecht oder die Reisefreiheit nicht länger für selbstverständlich« genommen werden. Freiheitsbeschränkungen, aber auch Massenimpfungen, waren regelmäßiger Bestandteil der Planspiele.
Paul Schreyers gedankliche Folie ist allerdings »unsere Demokratie«, herrührend aus einem sehr amerikanischen Grundverständnis von bürgerlicher Freiheit (»Erst das gemeinsame, alle Menschen umfassende Erkenntnisinteresse hält die Gesellschaft zusammen«), was seine einzelnen historischen Beobachtungen nicht schmälert. Ich fasse Schreyer zusammen: Die Maschine war seit langem schon einsatzbereit, 2020 wurde nur der Vorhang zurückgezogen.
Der Souverän ist unterderhand, ohne daß es die Öffentlichkeit bemerkt hat, nach oben gewandert: Nicht mehr die Nationalstaaten sind die Global players, sondern supranationale Organisationen, Privatfirmen, sogenannte philanthropische Stiftungen und die daraus rekrutierten Beraterstäbe der Regierungen. Sowohl die Verächter des Nationalstaats als auch seine Verteidiger streiten womöglich um einen toten Gaul. Der Souverän ist ein Geflecht aus Experten, Finanziers und in dieses Geflecht eingewobene, durch die Selektionsprinzipien der Macht emporgekommene Politiker. Die Planspiele sind bloß eine medial jederzeit einsehbare öffentliche Ausdrucksform dieser Neuen Weltordnung, ihr fiktionaler Charakter löst jegliche Verantwortung für etwaige Realisierung auf.
Ich warte an dieser Stelle mit zwei Desillusionierungszumutungen auf. Erstens: Es ist nicht innerhalb eines Jahres die Demokratie abgeschafft und die »Coronadiktatur« eingeführt worden – was die Hoffnung der unbeirrbaren Demokraten zunichte machen könnte. Genausowenig sind zweitens die Nationalstaaten erstarkt, weil sie plötzlich sehr wohl Grenzen schließen konnten, den Ausnahmezustand ausgerufen haben und ihn mit harter Hand verwalten – was die Hoffnung der unbeirrbaren Konservativen zunichte machen könnte.
Unter dem Titel »10 Strategien, die Gesellschaft zu manipulieren« findet sich eine ziemlich genaue Bauanleitung zu einem Gesellschaftsmodell, von dem ich im Sommer 2019 in einem Blogartikel auf Sezession im Netz annahm, daß es bereits verwirklicht ist (daraus wird zusätzlich erkennbar, daß die Zäsur des vergangenen Jahres keine abrupte ist). Das Manual geht auf eine Schrift zurück, deren Ursprung obskur ist. Sie soll 1986 in einem ausgemusterten Kopierer der US-Streitkräfte gefunden worden sein und wird seitdem in Truther-Kreisen unter dem Namen »Silent Weapons« im Internet als Handreichung für Social engineering gehandelt. Auch wenn der Inhalt älteren Weltherrschaftsanleitungen aus trüber Quelle gleicht, wirken die Aussagen für diejenigen, die nach einem Sinn im gegenwärtigen Geschehen suchen, wie der Schlüssel zum Schloß. Aber die Tür wird sich nicht öffnen. Hier gilt das Prinzip der rückwirkenden Prophezeiung: Sie ist gleichzeitig relativ (im Wust der geleakten, gestreuten, vergessenen und aufgetauchten Pläne findet sich immer ein gerade passender) und absolut (das Beschriebene wird heute tatsächlich Punkt für Punkt ausgeführt). Auch hier ist der Beobachter in einem Vexierbild gefangen.
1. Von großen Problemen durch Nebenschauplätze und »Haltet den Dieb«-Manöver ablenken – Das sind aktuell die Maskenzwang-Diskussion und die atemberaubende Gleichsetzung von Terrorismus, Rechtsextremismus und »Verschwörungstheorien«, in deren Schatten der Great Reset installiert wird.
2. Probleme schaffen, deren Lösung man dann selber anbietet – Das ist die »Plandemie«, die unverzüglich weltumspannende Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung einfordert, oder auch die »Corona-Finanzhilfen« für Lockdown-Pleiten aus dem Staatsbudget, das seinerseits u. a. durch ewige Anleihen bei der Weltbank aufrechterhalten wird.
3. Stückelung der durchzusetzenden Maßnahmen in Scheibchen, die alle nach und nach geschluckt werden – Das ist die Steigerung Maske – Test – Impfung. Hinzu kommt das expertokratische »Andiskutieren« möglicher, zuerst vehement ausgeschlossener, dann wie selbstverständlich umgesetzter Maßnahmen nach der Devise: »Niemand hat die Absicht …«.
4. »Opfer bringen für das höhere Ziel« schweißt die Geopferten zusammen und macht sie gefügig – Das ist das »One world together at home«, die Weltvolksgemeinschaft im Kampf gegen den unsichtbaren Feind, gegen den, eben weil er nicht menschlich ist, wenn man Carl Schmitt weiterdenkt, ein »Krieg bis zur äußersten Unmenschlichkeit getrieben werden« kann.
5. Infantilisierung der Sprache vernebelt Zusammenhänge und gibt griffige Formeln fürs Volk aus – Das sind der »Babyelefant«, »deine Alltagsmaske« und der neue deutsche Gruß »Bleiben Sie gesund!«; das Sprachregime befleißigt sich aber auch tiefergehender Metaphorik, z. B. die Grundrechte in »Sonderrechte für Geimpfte« umzubenennen oder die »neue Normalität« als vollendete Tatsache zu kommunizieren.
6. Emotionalisierung der Politik biegt diese aufs Subjektiv-Persönliche zurück – Das Argument: »Sonst sterben Menschen!« dient als Passepartout-Holzhammer und führt zu einer Eskalation der Gewaltrhetorik (»Ich wünsche Ihnen, daß Sie ohne Beatmung elend krepieren!«) und der schwarzen Pädagogik (»Du willst doch, daß Oma Weihnachten noch lebt?«).
7. Unbildung durch systematische Nivellierung des Bildungssystems – Autoritätshörigkeit gegenüber der Wissenschaft bei gleichzeitiger Ausschaltung der »Irrtumswahrscheinlichkeit« (Peter Strohschneider); das Narrativ der »Infodemie« schaltet Kritik aus zugunsten »verläßlicher Quellen« aus derselben ideologisierten Wissenschaft. Die Virus-Metapher läßt unter der Wahrnehmungsschwelle Medien- und Medizinsystem miteinander verschmelzen.
8. Verblödung: Man befeuere das Volk, seine eigene Primitivisierung, Barbarisierung und Proletarisierung »geil« zu finden – Die Helden des »Coronawinters 2020« sind – so trug es eine geniale Propagandakampagne der Bundesregierung in jedes Wohnzimmer – die Normalameisen, die auf dem Sofa gammeln, schnelles Futter angeliefert bekommen, ihrem Sexualtrieb frönen und zur Abwechslung Netflix-Serien schauen. Also: nach innen Faulheit, Konsumabhängigkeit und Mediensucht, nach außen Herdenverhalten und Aggressivität gegenüber den neuen Sündenböcken – das ist als neue Gemeinschaftsmoral besonders den entsprechend vorideologisierten Generationen leicht vermittelbar.
9. Schuldkult: Wer den Leuten einreden kann, an irgend etwas schuld zu sein, macht sie erpreßbar – Schon Kinder lernen, sich selbst als gefährliche Seuchenüberträger zu sehen; das Verhalten der Normabweichler dient als Rechtfertigung für immer härtere Maßnahmen. Die Kombination: »Die Politiker sind dafür, daß alle Leute immer Maske tragen, weil sie wollen, daß wir Kinder weiter zur Schule gehen dürfen, und nicht wegen der Blöden ohne Masken zu Hause bleiben müssen.«
10. Gläserne Menschen: über den einzelnen mehr zu wissen, als er selber weiß, und ihm dies subtil zu verstehen zu geben – Soziale Kontrolle mit Hilfe von Kontaktverfolgung, Gesichtserkennung, Gesundheitsdatenspeicherung, E‑Impfpaß etc. wird als neue Selbstverständlichkeit kommuniziert. Der wesentliche Mechanismus ist dabei, daß man zu Wohlverhalten nicht offen gezwungen wird, sondern sich selbst zwingt, weil man Angst vor den Folgen hat, oder umgekehrt für Wohlverhalten belohnt werden möchte.
Ausweglosigkeit haben wir uns immer anders vorgestellt: verlorene Posten, Verteidigung, Selbstversorgung, Zurückgeworfensein auf die eigenen physischen und geistigen Bestände, auf Disziplin und Maß. Im Grunde genommen sind dies die Siebensachen der Konservativen Revolution.
Der Souverän bestimmte den Ausnahmezustand nun anders, und unsere daraus resultierende Ausweglosigkeit ist eine andere. Wir befinden uns mitten im Manipulations- und Planspiel, und dieses wird auch lange noch nicht an sein Ende kommen. Andere Siebensachen werden nötig sein.
Rudolf Steiner beschreibt in einigen Vorträgen des Jahres 1919, an welchen Stellen der heutige Mensch dafür empfänglich ist, sich Manipulationen hinzugeben und sich bereitwillig verplanen zu lassen, sowohl von konkreten Mitmenschen als auch von übergeordneten Prinzipien.
Eine Zugriffsstelle der Widersacherkräfte ist die schier grenzenlose Autoritätshörigkeit in Form der Wissenschaftsgläubigkeit. Es ist ebendeshalb überhaupt erst möglich geworden, fast die gesamte heutige Menschheit in das »Pandemie«-Szenario zu verwickeln, weil die materialistische Wissenschaft unumstößliche religiöse Autorität erlangt hat. Ganz ähnlich wie bei der Verteidigung der Demokratie, die sowohl von den Eliten als auch von ihren Gegnern vorgebracht wird, verhält es sich mit der Wissenschaft: Der Ausdruck »evidenz-« oder »faktenbasiert« wird exzessiv ins Feld geführt, und zwar, ohne daß die jeweilige Gegenseite sich davon beirren ließe.
Die zweite offenliegende Zugriffsstelle für den ahrimanischen Gegengeist ist die Spaltung der Gesellschaft. Divide et impera ist sein uraltes Herrschaftsprinzip. Was wir 2017 in Mit Linken leben als Riß zwischen Vertrauen und Mißtrauen in die Massenmedien, zwischen Identitären und Globalisten, zwischen Realisten und Utopisten beobachtet hatten, war bereits eine krasse Polarisierung. Dieser Riß ist noch vertieft worden durch das politische Großnarrativ »Corona«. Eine gespaltene Gesellschaft läßt sich trefflich regieren und unbemerkt umgestalten, während sie sich in Lagerkämpfen zerreibt, die Feindmarkierung wirkt stabilisierend.
Die dritte Zugriffsstelle ist metaphysischer Natur. Solange die Beschreibung des Status quo auf den Ebenen der Wissenschaft und der Politik liegenbleibt und »Religion« als moralisch-psychologischer Kitt für die Risse verwendet wird (»Die Krise hat uns alle achtsamer gemacht, es gibt eine neue Solidarität«, heißt es fürs Volk, die Eliten schlagen aus der menschlichen Verletzlichkeit unter dem Schlagwort Vulnerability perverse Profite), sind die Leute leichte Beute des unsichtbaren Bösen.
Was hilft dagegen?
Im Denken: Zuvörderst der unablässige Versuch, mit weit aufgesperrten Augen die Zeitläufte zu beobachten, keiner ungeprüften Vorstellung Einlaß in das eigene Bewußtsein zu gewähren. Die medialen Meldungen auch insoweit zu überdenken, wie sie in einem selbst Antipathie und Sympathie erzeugen, also den Bestätigungsfehler bei der Rezeption der eigenen Lieblings-»Verschwörungstheorien« mitzureflektieren. Dazu gehört, eigene alte Illusionen und Notnägel des Denkens loszuwerden, aber nicht vorschnell etwa »die Wissenschaft« oder »die Demokratie« zu verwerfen. Diese wären als regulative Ideen im Kantschen Sinne zu verstehen.
Im Fühlen: Hier sind Sympathie und Antipathie eigentlich beheimatet. Interessant zu beobachten war im Sommer 2020 die Einschätzung vieler Rechter gegenüber den »Querdenkern«. Massenbegeisterung steckt an und schreckt ab: Diese Mechanismen gilt es, auf sich wirken zu lassen, indem man etwa vor Ort die Emotionen aufsucht und sich dabei nicht anstecken läßt. (Das ist fast wie eine Meditationsübung.) Die Lagerspaltung immer wieder zu unterlaufen und zu probieren, noch mit den vernageltsten »Zeugen Coronas« oder den verängstigtsten Impfgegnern ohne Polemik ins Gespräch zu kommen, schult die eigene Menschenkenntnis. Wer sich in dieser sozialen Praxis übt, verstellt dem Teile-und-herrsche-Prinzip den Weg.
Im Wollen: Die göttliche Tugend der Hoffnung wird derzeit besonders hart auf die Probe gestellt. Das Spiel gaukelt ständig sein eigenes Ende vor (»Erst mit der Impfung ist die Krise vorbei«), doch einmal installierte Machtmechanismen haben die Tendenz, nicht mehr zu verschwinden. Die Devise sollte lauten: die Lage als Wirklichkeit annehmen und nicht utopisch wegflitzen in die Zeit »nach Corona« oder, invers-utopisch, in die Zeit davor, »als alles noch heile war«. Die Hoffnung richte sich also nicht auf Loswerden des Unglücks, sondern auf seine heilsame Wirkung: am Unglück erst zu bemerken, daß der Mensch auf Gnade angewiesen ist. Die Hoffnung auf Erlösung nicht mehr politisch zu denken, sondern auf Gott hinweisend, würde die dritte offene Zugriffsstelle des Bösen zu verschließen helfen.