Folgt man einer im oppositionellen Milieu gängigen Argumentation, so gilt die Abgrenzung vom Eliminatorischen als eines der Hauptkriterien zur Unterscheidung der Neuen Rechten vom Nationalsozialismus. Daß die gleichgeschaltete Öffentlichkeit dieser Unterscheidung nicht folgt, sondern das Eliminatorische vielmehr zum Wesenskern der gesamten Rechten erklärt, bedarf an dieser Stelle ebensowenig näherer Ausführungen wie die Tatsache, daß sich Vertreter der Systemmedien die Hände reiben, wenn es ihnen gelingt, Aussagen zu erbeuten, mit denen sich das gewünschte Bild zementieren läßt. Im September vergangenen Jahres lieferte ihnen Christian Lüth, wenige Monate zuvor noch Leiter der Pressestelle der AfD-Bundestagsfraktion, unfreiwillig Material, als er gegenüber einer mit dem Fernsehen konspirierenden Ex-IB-Sympathisantin ausführte, wie fürderhin mit den in Deutschland befindlichen Migranten verfahren werden könne, nachdem – dies implizit – eine politische Wende vollzogen sei. »Wir können die nachher immer noch alle erschießen. Das ist überhaupt kein Thema. Oder vergasen, oder wie du willst. Mir egal!« (Zitiert nach der ProSieben-Produktion Rechts. Deutsch. Radikal, ausgestrahlt am 28. September 2020, in der Lüths Identität noch im dunkeln blieb.)
Die Aussage ist exemplarisch für eliminatorische rechte Rhetorik im Sinne des »Man sollte«, des »Man müßte« oder des »Wenn es soweit ist, werden wir«. Nun ist die eliminatorische Rhetorik bekanntlich kein rechtes Phänomen, sondern wuchert dank guter Düngung um so üppiger auf der Gegenseite. Dennoch wäre es unredlich, vorzugeben, man kennte keine Personen, die sich im nichtöffentlichen Raum der Lüthschen Formulierungen bedienen. Natürlich kennt man sie; nennen wir sie der Einfachheit halber »die Eliminatorischen«, auch wenn Leute unter ihnen sind, die keiner Fliege etwas zuleide tun. In jedem Fall wäre es ein Irrtum, anzunehmen, es seien die besonders Dogmatischen, die weltanschaulich Militanten oder die der NS-Affinität Verdächtigen, die sich auf diesem Gebiet hervortun.
Statt dessen kann man erleben, wie Personen, die derlei Aussagen tätigen, bereits im nächsten Atemzug die Hoffnung äußern, »der Merz« werde bald »die Merkel« ablösen, damit die CDU wieder wählbar werde, sei doch die AfD »wegen dem Höcke« indiskutabel. Diese Beobachtung bestätigt und widerlegt das mediale Stereotyp gleichermaßen: Einerseits ist die Lüthsche Vernichtungsphantasie tatsächlich sehr viel weiter verbreitet, als die Wortführer sowohl der parlamentarischen als auch der aktivistischen Rechten gerne eingestehen; andererseits geht dies aber offenbar keineswegs zwingend mit praktischen Handlungsabsichten oder einer entsprechenden ideologischen Aufrüstung einher. »Verbalradikalismus« ist, um einem Diktum von Heiko Maas vom Februar 2016 zu widersprechen, eben nicht »immer auch die Vorstufe zu körperlicher Gewalt«. Deshalb soll an dieser Stelle auch nur von eliminatorischer Rhetorik die Rede sein, und höchstens am Rande von den Taten, die mit ihr in einen kausalen Zusammenhang gestellt werden.
Tatsächlich scheinen die Eliminatorischen im Regelfall nicht davon auszugehen, daß ihre Aussagen praktische Folgen haben werden, wenigstens keine in dem von ihnen angeregten Sinne. Was aber bewegt sie dann dazu, diese Aussagen zu tätigen? Vier mögliche Gründe kommen in Betracht, von denen der erste und der dritte sowie der zweite und der dritte oftmals miteinander zu tun haben dürften:
1. Maulheldentum. Dies setzt ein Milieu voraus, das bereits eine gewaltaffine Rhetorik kultiviert hat, so daß derjenige, der sich ihrer bedient, auf Zustimmung rechnen kann. Die Gefährlichkeit von Maulhelden hängt grundsätzlich von der Dynamik ebenjenes Milieus ab, das sich im heutigen Deutschland jedoch auf Kleinstgruppen und abgeschottete Zirkel beschränkt. Daß solche Zirkel auch Psychopathen anziehen, ist zumindest wahrscheinlich; ebenso wahrscheinlich ist jedoch, daß diese sich in kurzer Frist von dem nur kaschierten Mangel an Tatbereitschaft abgestoßen fühlen.
2. Provokation. Die kollektive Vernichtung einer Volksgruppe zu wünschen ist bekanntlich das größte dem autochthonen Deutschen auferlegte Tabu und das maximale Meinungsverbrechen, insbesondere dann, wenn es mit einer Adaption jener Tötungsmethode einhergeht, die mit der NS-Vernichtungspraxis synonym geworden ist. Daß hiervon seit jeher ein Reiz ausgeht, dem sich unruhige, verächtliche, meist jugendliche Geister nicht entziehen können, ist leicht nachzuvollziehen. Sie benötigen ein Umfeld, das sich darüber noch entsetzen kann, mithin dem des Maulhelden konträr sein muß.
3. Ohnmacht. Unter dem Eindruck dieses Gefühls, das beträchtliche Teile der systemkritischen Bevölkerung erfaßt hat, ist man leicht verleitet, zu rhetorischen Mitteln zu greifen, die kompensatorischen Zwecken dienen und einem wenigstens kurzzeitige Erleichterung versprechen. Das bezeichnet man gemeinhin als Schimpfen; die eliminatorische Rhetorik ist in diesem Falle eine Sonderform des Schimpfens mit ausgeprägtem Drohcharakter. Diejenigen, die diesem Drang nachgeben, sind in der Situation eines Schuljungen, der von mehreren älteren in den Staub des Pausenhofes gedrückt wird und, dadurch aufs äußerste gedemütigt, seine Peiniger mit den schrecklichsten Drohungen für den Fall bedenkt, daß er wieder auf die Beine kommt.
4. Planmäßige Diskreditierung. Je öffentlichkeitswirksamer eliminatorische Rhetorik gebraucht wird, insbesondere von anonymen Gestalten, die sich am Rande oppositioneller Kundgebungen und vor den Kameras der Systemmedien äußern, desto näher liegt natürlich der Verdacht, daß es sich bei ihnen um eingeschleuste Störer und Agenten handelt.
Unter den genannten Motiven ist die Ohnmacht eindeutig das hauptsächliche; dies sollte begriffen werden, damit ein angemessener Umgang mit eliminatorischen Äußerungen gefunden werden kann. Für ihre Beurteilung dürfte wesentlich sein, daß in ihnen nicht eine Gewalt‑, sondern eine Machtphantasie zum Ausdruck kommt: die Vorstellung, mit großer Wirkung einen Schalter umzulegen, der die Bedrohung in Luft auflöst. Daher steht auch nicht der Vollzug der Tat, sondern deren angestrebte Wirkung im Vordergrund. Plastisch formuliert: Wer vom Eliminieren spricht, der phantasiert nicht vom Genickschuß am Grubenrand oder vom Verriegeln der Gaskammer. An solchen Handgriffen delektieren sich die Psychopathen; die Eliminatorischen jedoch sind weder sadistische noch übermäßig morbide Naturen. Für den absoluten Großteil von ihnen ist »das Vergasen« ebenso wie »das Erschießen« eine quasimagische Chiffre; sie beruht auf dem Wunschdenken, man könne jedes Problem in den Griff bekommen, wenn die Schritte, die man ergreife, nur drastisch genug seien.
Auf die Umsetzung dieser Schritte, die Frage der Machbarkeit, verwenden die Eliminatorischen zumeist keine Gedanken. Wer schimpft, äußert viele Dinge, die er bereits in dem Moment, in dem er sie ausspricht, nicht in die Tat umzusetzen gedenkt. Stehende Wendungen wie »Ich könnte ihn / sie erschlagen / erwürgen« legen davon Zeugnis ab. So erklärt sich auch, daß das Phantasma der Ohnmächtigen meist nicht einmal von denjenigen ernst genommen wird, die es beschwören. Tatsächlich sind die Eliminatorischen in der Regel einverstanden damit, daß ihr Umfeld über ihre Äußerungen mit den gleichen Reaktionen hinweggeht, die auch einem besonders deftigen Fluch gelten, nämlich mit pikiertem, nachsichtigem oder zustimmendem Schweigen; dann kann das Gespräch fortgesetzt werden, als wäre das eliminatorische Wort nie gefallen, an das man auch später ungern erinnert wird. Es ist durchaus glaubwürdig, daß Christian Lüth die eigene Wortwahl im Rückblick als »aufgeheizt, ironisch und übersteigert« empfindet, wie er in einer medial verbreiteten Stellungnahme beteuerte. Auch fällt es nicht schwer, sich in ihn hineinzuversetzen, nachzuempfinden, wie er gegenüber seiner attraktiven Gesprächspartnerin eine breite Brust zur Schau stellen und über die eigene Ohnmacht hinwegtäuschen wollte – darüber, daß er in Wahrheit nicht die leiseste Ahnung hat, wie die immer bedrohlichere Umrisse annehmenden Konflikte gelöst oder entschärft werden können. Bei umgekehrter Rollenverteilung tritt übrigens ein Sonderfall ein, der hier nur gestreift werden soll, jedoch der näheren Beschäftigung wert wäre. Auch wenn die Funktion im wesentlichen die gleiche bleibt, unterliegt der eliminatorischen Rhetorik dann ein Vorwurf an den männlichen Zuhörer, dem wenig mehr übrigbleiben wird, als beschämt zu schweigen.
Daß sich eigentlich kultivierte, eigentlich friedfertige Menschen eliminatorisch äußern, ist, wenngleich erklärlich, ein Warnsignal, das nicht bagatellisiert werden darf: Es ist symptomatisch für jenes Stadium des Vor-Bürgerkriegs, in dem sich die Lager unwiderruflich voneinander abgrenzen. Dabei haben diejenigen, denen die Drohung gilt, das gleiche Recht, darüber alarmiert und entrüstet zu sein, wie wir, wenn, was oft genug der Fall ist, unsere Vernichtung gefordert wird. Man kann zu den Aussagen der Eliminatorischen daher sittlich-moralisch stehen, wie man will, man kann sie als charakterschwach, als anstands- oder disziplinlos geißeln – aber man schafft sie damit nicht aus der Welt; man verlangsamt nicht einmal ihre der eskalierenden gesamtgesellschaftlichen Entwicklung folgende Verbreitung. Aufrechter und vorausschauender wäre daher ein entkrampfter Umgang mit ihnen, der den Skandalisierungsstrategien des politisch-medialen Komplexes den Boden entzieht. Die Feindschaft liegt ja offen zutage; von ihr zu sprechen heißt nicht, sie zu mehren, insbesondere dann nicht, wenn man ihre Ursachen verortet und sich dabei einer sachlichen Sprache bedient.
Richtig gekontert, fällt die von Systemvertretern oft gestellte, besonders scheinheilige Frage, woher der Haß oder die Wut bloß kämen, auf diese zurück. Denn es ist ja ihr System, das ebenjene ursächliche Ohnmacht erzeugt; ihr System, das durch ständig erhöhten ethnokulturellen Verdrängungsdruck, durch Repressionen und Meinungsgesetzgebung, durch Aushebelung des Rechtsstaates, durch Gleichschaltung und ideologische Durchdringung sämtlicher Lebensbereiche die potentiellen und tatsächlichen Widersacher – das heißt: Nonkonformisten und Oppositionelle, Skeptiker und Zweifler – in die Rolle eines unfreiwilligen Zuschauers drängt, der der Zerstörung seiner Zukunft und seiner Kultur beiwohnen muß, während das System gleichzeitig die Kohorten und Vollstrecker des gesellschaftlichen Umbaus unter seinen Schutz stellt, ja ihnen besondere Pflege angedeihen läßt. Wenn aber das System für die Entstehung und die Verbreitung der Ohnmacht verantwortlich ist, so muß es auch verantwortlich sein für die Folgen, die daraus erwachsen.
Die Geschichte der organisierten Gegenwehr wird zwingend aus der Opferperspektive erzählt. Die Linken haben dies stets meisterlich verstanden – und ihre Verbrechen im Namen der Geknechteten und Unterdrückten aller Herren Länder, als deren selbsternannte Wohltäter und Erlöser begangen. Während die Zigmillionen von ihnen Hingemordeten in der öffentlichen Wahrnehmung effektiv unsichtbar gemacht wurden, sind die Toten, die man der Rechten zur Last legt, omnipräsent – mit der Folge, daß, wie Konstantin Fechter ausführte, die bundesrepublikanische Öffentlichkeit Gewalt ohne Bezug zum Nationalsozialismus nicht mehr thematisieren könne, geschweige denn überhaupt als Gewalt erkenne.
Diese Feststellung unterstreicht die entscheidende Bedeutung, die der Popularisierung gegenläufiger Narrative zukommt. Unnötig zu sagen, daß diese gesetzmäßig, unzweideutig und jedem verständlich sein müssen. Eines könnte folgendermaßen lauten: Wenn die von den Eliten planmäßig betriebene Ersetzungsmigration unsere Lebensgrundlagen zerstört, so muß jede gegen diesen Prozeß und die dafür Verantwortlichen gerichtete Äußerung oder Aktion, wenn schon nicht ihrer Methode, so doch ihrer Intention nach berechtigt sein; auch eliminatorische Äußerungen müssen daher als Akte der Gegenwehr, die Eliminatorischen selbst als Opfer des Systems gelten.
Manchen dürfte diese Argumentation unangenehm an jene mindestens stillschweigende Solidarität erinnern, die der linke Extremismus in seinem Milieu genießt; sie mögen sich aber auch daran erinnern, daß die Robustheit und die Ausdehnung dieses Milieus eben darauf basieren, daß hier, bei programmatischen Zwistigkeiten und auseinanderstrebender Wahl der Mittel, über wesentliche Ziele und insbesondere über Feindbilder eine sehr weit gehende Einigkeit herrscht. Man halte es daher ebenso und distanziere sich bei Bedarf höchstens von den Mitteln oder vom Tonfall, niemals jedoch unter Verwendung jener Begriffsschablonen wie Extremismus, Rassismus, Menschenfeindlichkeit, Verschwörungstheorien usw., die die Deutungsmacht des politisch-medialen Komplexes bekräftigen. Man übe Kritik an der Methode, wo diese – wie das Vergasen, Erschießen – unzweckdienlich ist, schädliche Illusionen schürt oder auf falschen Voraussetzungen beruht, belaste sich aber ansonsten keinesfalls weiter mit den Auswüchsen jenes Hasses / jener Wut, die das System erzeugen und die allein dem Konto dessen verheerender Politik zugeschlagen werden müssen. Nicht nur im Umgang mit eliminatorischer Rhetorik, sondern auch mit Verzweiflungstaten wie der des Stephan Ernst, von deren Art weitere zu erwarten sind, wird diese Strategie gute Dienste leisten.
Soweit der Umgang mit den Eliminatorischen nach außen; nach innen sollte eine Disziplinierung über die Einsicht erreicht werden, daß Drohungen, hinter denen keinen Macht steht, wertlos sind und auf denjenigen, der sie ausspricht, zurückfallen. Auch sollte unmißverständlich klargemacht werden, daß, wer für die Massenvernichtung die Trommel rührt, nicht nur die eigene Seele vergiftet, sondern auch mit unserer Volksseele bricht, die zwar bereit war (und ist?), für eine Sache bis zum Letzten zu streiten – aber nicht gegen Frauen und Kinder, nicht gegen Alte und Schutzwürdige. Wichtig bleibt indes, die Ohnmächtigen nicht zu pathologisieren, sondern die Berechtigung ihrer Gefühle anzuerkennen, gleichzeitig aber darauf hinzuwirken, daß sie für ihren Groll andere, sinnvolle Ventile suchen. Ohnmacht ist nichts Ehrenrühriges, zumindest dann nicht, wenn man nach ihrer Überwindung strebt. Der Schuljunge, der in den Staub gedrückt wurde, muß Methoden erlernen, sich seiner Peiniger zu erwehren. Er muß Allianzen mit seinesgleichen schmieden, sich für die nächste große Pause, die entscheidende Auseinandersetzung rüsten – und vor allem muß er Disziplin, muß er zu schweigen lernen.