Zunächst zu den Stärken: Der Jungen Freiheit bzw. ihrem Autor Felix Krautkrämer gelang es, die – naheliegende – Verquickung antifaschistischer Sozialdemokraten mit antifaschistischen Linksradikalen anhand eines prominenten Beispiels aufzuzeigen.
Das lief so ab: Krautkrämer machte vergangene Woche öffentlich, daß Faeser, amtierende Bundesinnenministerin und damit Schirmherrin des Verfassungsschutzes, für ein extrem linkes Blatt einen Gastbeitrag geschrieben hatte. Im Juli 2021, als das betreffende Heft erschien, war sie zwar »nur« SPD-Chefin in Hessen, nicht Bundesministerin. Dennoch: ein Schulterschluß mit Tragweite.
Krautkrämer insistierte deshalb beim Bundesinnenministerium (das nicht antwortete), und auch die Bild-Zeitung, die sich derzeit besonders Ampel-kritisch vertut, griff die Geschichte am vergangenen Wochenende auf. Nicht nur aus AfD und Umfeld, sondern auch aus den eher hinteren Reihen von CDU/CSU kam wütender Protest, den man hier nachlesen kann; er entzündete sich an der Rolle der Zeitschrift antifa bzw. ihrer Herausgeber, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA).
Der JF-Autor führt aus:
Der bayerische Verfassungsschutz führt die VVN-BdA in seinem aktuellen Jahresbericht als „die bundesweit größte linksextremistisch beeinflußte Organisation im Bereich des Antifaschismus“. Zudem bescheinigt er ihr, „mit offen linksextremistischen Kräften“ zusammenzuarbeiten. Die VVN-BdA vertrete einen Antifaschismus, der letztlich sogar die parlamentarische Demokratie als faschistisch betrachte und deshalb bekämpfe.
So weit, so richtig. Auch wenn normalerweise der Verfassungsschutz nicht als Quelle herangezogen werden sollte, wenn man an anderer Stelle verständlicherweise bemüht ist, dessen Legitimation und Neutralität begründet in Zweifel zu ziehen, ist es an dieser Stelle verständlich: Denn Faeser ist als Innenministerin der BRD anderen Maßstäben zu unterziehen als, beispielsweise, oppositionelle Coronaprotestler (doch dazu später mehr).
Faesers Reaktion zeigt das enorme Selbstbewußtsein antifaschistischer Akteure. Sie twitterte am 6. Februar:
Die von der „Jungen Freiheit“, der AfD und anschließend der BILD-Zeitung und CDU-Abgeordneten erhobenen Vorwürfe sind durchschaubar. Ich habe immer klare Kante gegen Rechtsextremismus und alle Feinde der offenen Gesellschaft gezeigt – und werde das auch weiterhin tun.
Damit weicht sie dem gegnerischen Vorwurf – »linksextremes Medium!« – einfach aus. Und verlagert den Fokus auf das Konsensprinzip der neuen Bundesrepublik – »klare Kante gegen Rechtsextremismus und alle Feinde der offenen Gesellschaft« –, womit sie tatsächlich eine breite Allianz von Zivilgesellschaft und Parteienpolitik bis hin zu Ausläufern des radikal linken Spektrums herstellen konnte.
Der Skandal konnte sich nicht ausweiten, weil nur dieselben Protagonisten es überhaupt für einen Skandal hielten, daß Faeser für die antifa zur Feder griff: Bild, CDU/CSU-Einzelfälle, die vereinigte liberalkonservative und authentische konservative Rechte und darüber hinaus.
Faeser lehrt ihren rechten Kritikern eine Lektion. Auf die einprasselnden Vorwürfe reagierte sie gelassen, wie die JF – ein wenig verblüfft? – ihren Lesern mitteilt:
Statt den Beitrag zu bedauern und zu erklären, sie habe nicht gewußt, um was es sich für eine Organisation handelt, die für die Zeitschrift verantwortlich ist, sprach sie von „durchschaubaren“ Vorwürfen und legte nahe, es handle sich um eine Kampagne gegen sie – ausgelöst von der JUNGEN FREIHEIT, der AfD und der Bild-Zeitung.
So geht Krisenmanagement. Das soll nicht die VVN-BdA entschuldigen oder ihre Wurzeln kaschieren, aber rein formal leistet Faeser das, was kein BRD-Konservativer in vergleichbarer Rolle zustande brächte: Angreifer delegitimieren. Standhalten. Weitermachen.
Zu den Wurzeln der vor exakt 75 Jahre gegründeten VVN-BdA sind derweil noch Krautkrämers Hinweise hilfreich, der sich extremismustheoretische Expertise einholte:
Auch der Politikwissenschaftler und Extremismusexperte Rudolf van Hüllen bescheinigt ihr, „vor allem aus alten stalinistischen Widerstandskämpfern, kommunistischen Funktionären und deren Mitläufern aus Ost und West zusammengesetzt“ zu sein, „die geistig im ‘verordneten Antifaschismus’ der DDR stehengeblieben sind“. So nachzulesen in einer Ausarbeitung für die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung.
Die VVN-BdA sei lange Jahre von der DKP gesteuert und von der SED finanziert worden. Nicht nur deswegen hatte Faesers Partei bereits 1948 auf Initiative ihres damaligen Vorsitzenden Kurt Schumacher einen Unvereinbarkeitsbeschluß zwischen der Mitgliedschaft in der VVN und der SPD beschlossen, der erst 2010 aufgehoben wurde. Und noch immer nutzt die Organisation laut van Hüllen den Faschismusvorwurf in kommunistischer Manier als politischen Kampfbegriff,
womit ihre Position tatsächlich in der Mitte der bundesdeutschen Gesellschaft des Jahres 2022 angelangt ist.
Interessant ist Krautkrämers Ergänzung, erneut in der JF, über Faesers Nachbarn im Inhaltsverzeichnis »ihrer« antifa-Ausgabe
vom Juli 2021, in der Faesers Gastbeitrag erschien. Darin findet sich auch ein Interview mit einem sächsischen VVN-BdA-Mitglied zum Prozeß gegen Lina E. Die 26jährige muß sich derzeit vor dem Oberlandesgericht Dresden wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung „militanter linksextremistischer Ideologie“ und gemeinsam verübter gewaltsamer Übergriffe auf Angehörige der rechtsextremen Szene verantworten.
In der antifa wird suggeriert, Lina E.s Verhaftung stehe im Zusammenhang mit „aufgedeckten rechten Strukturen bei Polizei und Militär“. Der Interviewpartner fährt fort: „Es ist doch so: Staatliche Strukturen sind aus der extremen Rechten nicht wegzudenken.“ Antifaschistischer Selbstschutz sei daher wichtiger denn je „gegen die Bedrohung durch Neonazis und angesichts der Verwicklungen und der Tatenlosigkeit der staatlichen Behörden“. Als VVN-BdA stelle man sich daher entschieden gegen solche Maßnahmen wie die Verhaftung der mutmaßlichen Linksterroristin,
was eine Nancy Faeser gelesen haben dürfte, sollte sie ihr obligatorisches Belegexemplar aufgeschlagen haben. Aber das ficht sie nicht an, und hier endet das politische Verständnis vieler Akteure rechts der Mitte.
Der Tenor, den man in den Kommentarspalten all der berichtenden liberalkonservativen Medien vernehmen konnte, war fast ausnahmslos so gestaltet, daß man sich fragte, wann Faeser denn endlich zurücktrete. Das müsse sie doch, schließlich habe man ihr doch nachgewiesen, daß sie mit VS-beobachteten Akteuren kein Problem habe. Skandal aufgedeckt, Skandal nachgewiesen, Skandalfolge: Rücktritt. So habe das zu laufen.
Nur: So läuft das nicht im linken Lager. Das ist sowohl eine Machtfrage als auch eine Frage des eigenen Verständnisses von Partei und Vorfeld. Diesbezüglich gilt links der Mitte:
Wenn es gegen Rechts geht, ist nahezu jeder Partner und jeder Verbündete recht,
wie es Krautkrämer in einem weiteren JF-Beitrag auf den Punkt bringt. Und weil das so ist, tritt auch kein Sozialdemokrat zurück, nur weil es seine Gegner verlangen. Daß Teile der Rechten glauben, daß es aber so sein müßte, zeigt nur, welch eminent gestörtes politisches Bewußtsein man vielerorts hat.
Hier, an dieser Stelle, kann man also, nein muß man also von »den Linken« lernen, womit wir bei den Schwächen des eigenen Milieus wären (nach den moderaten Stärken: klares Aufzeigen gegnerischer Verfehlungen).
In meinem im März erscheinenden kaplaken-Band (fertiggestellt Ende 2021 und damit lange vor dem Faeser-Skandälchen, was für die allgemeinen Lehren, die zu ziehen sind, freilich belanglos ist), führe ich hinsichtlich innerlinker Solidarität gegenüber dem gemeinsamen Gegner u.a. aus:
Fehlende »Distanzeritis« und souveränes Agieren im Angesicht des politischen Gegners schaffen überdies jenes auch durch temporäre Wahlniederlagen nicht ansatzweise gefährdetes tragende Fundament, auf Basis dessen man überhaupt immer wieder gesamtgesellschaftlich »ausgreifen« kann.
Wer über eine gesicherte Festung verfügt, kann unbekümmert ausreiten, seine Energie positiv einsetzen und nach vorne blicken; bei wem hingegen selbst die eigene Zitadelle von fremden Damen und Herren kommandiert wird, richtet sich der Blick argwöhnisch nach hinten. Denn derjenige muß jederzeit damit rechnen, hinterrücks gemeuchelt zu werden. In einem solchen Fall muß man zunächst die jeweiligen Burgherren (und ‑damen) austauschen.
Letzteres ist in diesen Tagen vor allem der AfD anzuempfehlen, in der seit Jörg Meuthens Abgang, der so kam, wie er kommen mußte, beinahe schon meuthenianisch durchregiert wird. Es ist dies eine höhnisch daherkommende Dialektik der Bundes-AfD: Meuthen geht, aber die Erfolge seiner Anhänger werden dadurch erst in der ganzen Tragweite möglich; der Ballast ist von Bord, nun kann man unbekümmert schalten und walten.
Dabei ist das Problem an VS-ähnlichen Gutachten über Oppositionsplattformen oder an permanenten Parteiordnungsverfahren gegen verdiente Leuchttürme ja gar nicht nur dieses machtpolitische Durchregieren im Bundesvorstand. Und auch der Umstand, daß man gegen dynamisch wachsende Konkurrenten wie die »Freien Sachsen« nicht objektiv triftige Gründe (die es aus AfD-Sicht wohl tatsächlich geben dürfte) zusammenträgt, sondern sich die Belege via Verfassungsschutz, taz und linker Regionalmedien zusammengoogelt, wäre trotz der erwiesenen Unbrauchbarkeit der dies zu verantwortenden Dossier-Autoren vernachlässigbar, bliebe es ein Einzelfall.
Das ist es aber nicht. Das Problem reicht viel tiefer, es sitzt in den Köpfen der oft Altparteien- oder sogar apolitisch sozialisierten Granden innerhalb bestimmter AfD-Gremien, die ernstlich glauben (oder: ernstlich vorgeben, zu glauben), man könnte mit ständigen Selbstdemütigungen Fairneß seiner Gegner ergattern: Fairneß der Medien, Fairneß des Verfassungsschutzes, Fairneß der Kartellparteien. Bei so viel demonstrativer Politikferne frappiert es, daß die Partei bundesweit immer noch bei 12 Prozent steht.
Manfred Kleine-Hartlage hat jedenfalls dazu alles Notwendige ausgeführt:
Wer sich den Satz »Ich bin erpreßbar« geradezu aufs T‑Shirt schreibt, wird naturgemäß immer weiter erpreßt. Egal, wie tief der Kotau ist, zu dem ein solcher Konservativer sich nötigen läßt – die Gegenseite wird immer einen Grund finden zu behaupten, er sei noch nicht tief genug ausgefallen.
Statt sich also in dieser selbst gewählten Spirale aus ständigen Pro-forma-Kapitulationen einzurichten, sollte man sich daran erinnern, für wen man die Politik betreibt, die man von einer Alternative erwartet, und die Antwort ist: nicht für die Bosse der Verfassungsschützer, nicht für die Leitmedien, nicht für die Anwälte der Gegenseite.
Die Themen für die AfD liegen auf der Straße: die Coronamaßnahmen, das einstürzende Kartenhaus der Lauterbach-Drosten-Richtung, die fatale Energiepolitik, die wachsende Vermögenskluft zum Nachteil der Mehrheit, die anhaltende Zuwanderung, die kommende Änderung der Einwanderungsgesetze durch Faeser und Co. – überall dort gilt es, seine Energie zu bündeln und den gegnerischen Komplex, so mächtig er derzeit sein mag, inhaltlich professionalisiert anzugreifen.
Wer aber bei jedem Schritt, den er zaghaft setzt, zuerst darüber sinniert, was wohl jene Verfassungsschützer dazu meinen werden, die ausgerechnet VVN-BdA-Genossin Faeser unterstellt sind, hat bereits verloren. Denn er spielt dann nach Spielregeln, die der Gegner aufgestellt hat; Spielregeln, deren Quintessenz es ist, daß das nicht-linke Lager verlieren muß.
Wer diese linke Falle ahnt und dennoch entsprechend handelt, spielt nicht nur das Spiel des Gegners; er zementiert dessen Sieg. Und ist somit Teil des Problems. Daran sollten sich allen voran die AfD-Delegierten im Jahr des Bundesparteitages erinnern.
ukbahner
Das hab selbst ich als Liberal-Konservativer verstanden. Die Frage ist ob es die AFD versteht ?