Entängstigung

PDF der Druckfassung aus Sezession 102/ Juni 2021

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

Das Wort von der »Ent­ängs­ti­gung« ent­nahm ich für mein kapla­ken-Bänd­chen Selbst­ret­tung einem Vor­trag Rudolf Stei­ners aus dem Jah­re 1923, in dem er von den Kräf­ten des Erz­engels Micha­el, des Schutz­pa­trons Deutsch­lands, spricht. Wir brauch­ten – vor hun­dert Jah­ren wie heu­te – drin­gend regel­rech­te »Ent­ängs­ti­gungs­fes­te«, um in uns ein »frei­es, star­kes, tap­fe­res Wol­len« zu ent­wi­ckeln. Im Juni 2020 erschien an die­ser Stel­le ein Text mit der­sel­ben Über­schrift. Damals konn­te ich nur andeu­ten, wor­über – der­sel­ben angst­ein­flö­ßen­den Lage aus­ge­lie­fert – nach­zu­den­ken und zu dis­ku­tie­ren nun ein Jahr lang Zeit war.

Auf den »Coro­na­de­mos« im Lau­fe eines Jah­res kam es mir mehr­mals mit­ten­drin so vor, als dien­ten die­se spon­ta­nen Mas­sen­aus­brü­che aus den Zumu­tun­gen und Zurüs­tun­gen des neu­en Maß­nah­men­staa­tes im Grun­de nichts ande­rem als unse­rer Ent­ängs­ti­gung. End­lich ein­mal für einen kur­zen Moment aus­stei­gen aus dem Sys­tem, angst­frei und »mas­ken­los durch die Stadt« lau­fen, ein­an­der wie­der­tref­fen und umar­men, ein Fünk­chen Hoff­nung, daß der Spuk doch noch aufhöre.

Vor­der­hand trifft die­se Beschrei­bung der Demons­tra­tio­nen als Fes­te der Ent­ängs­ti­gung einen Nerv, vie­le Teil­neh­mer haben sie so emp­fun­den. Ich tei­le die­se Emp­fin­dun­gen, weiß aber, daß sie ein­ge­hen­der Bear­bei­tung bedür­fen. Bei den Emp­fin­dun­gen dür­fen wir nicht ste­hen­blei­ben. Sowohl Angst und Wut, die einen zur Demo trei­ben, als auch Befrei­ungs- oder Macht­ge­füh­le und Enthu­si­as­mus, die man dort womög­lich emp­fin­det, sind pri­mä­re Affekte.

Die Außen­welt tritt mir immer wid­ri­ger und feind­li­cher ent­ge­gen. Ich ent­wick­le eine tief­ge­hen­de Furcht vor dem, was da kom­men wird und wor­auf wir offen­sicht­lich stu­fen­wei­se kon­di­tio­niert wer­den sol­len. Ein im Netz kur­sie­ren­der Car­toon zeigt ein Schaf, das stram­pelnd ange­sichts einer Mas­ke aus­ruft: »Hier ist mei­ne rote Linie!« Im nächs­ten Bild sieht man es, bereits mas­ken­ver­hüllt, das­sel­be rufen ange­sichts der dro­hen­den Impf­sprit­ze. Nächs­tes Bild: bio­me­tri­scher Chip, letz­tes Bild: der Zug ins Inter­nie­rungs­la­ger. Der »wid­ri­gen Welt­ge­ge­ben­heit« (Niko­lai Berdja­jew) will ich mich erweh­ren, ich will das bekämp­fen und aus der Welt schaf­fen, was mir Angst einflößt.

Wäh­rend die aller­meis­ten Men­schen in Angst vor dem Virus erstarrt sind, treibt unser­ei­nen bis­wei­len eine ganz ande­re, aber nicht min­der gro­ße Angst see­lisch in die Enge. Ety­mo­lo­gisch stammt das Wort »Angst« von »Enge« (lat. angus­ta) ab. Ist ein Mensch buch­stäb­lich eng ein­ge­schnürt, regen sich phy­si­sche Abwehr­re­fle­xe: er stram­pelt und schreit, ringt nach Luft und ver­sucht, die Fes­seln her­un­ter­zu­zer­ren. Das Bild einer Gebä­ren­den, die unter die Mas­ke gezwun­gen wird, dürf­te hier genug Asso­zia­tio­nen ermög­li­chen. See­li­sche Ein­schnü­rung folgt den­sel­ben Mechanismen.

Im Affekt bin ich schon im Nah­be­reich und im klei­nen nicht ich selbst, son­dern bloß das Sub­jekt (lat. subiec­tum: das Dar­un­ter­ge­wor­fe­ne) mei­ner Lei­den­schaf­ten, gera­te in Streit, ver­zweif­le an mei­nen Nächs­ten oder bela­ge­re sie mit Angst­sze­na­ri­en. Inmit­ten mei­ner Lei­den­schaft kann ich mei­ne Kräf­te nicht rich­tig ein­schät­zen: ich ver­fal­le ent­we­der in Angst­star­re und Depres­si­on, oder die affek­ti­ve Dys­ba­lan­ce nimmt die umge­kehr­te Aus­drucks­rich­tung: Ich gehe in offe­nen äuße­ren Wider­stand und will mög­lichst vie­le Gleich­ge­sinn­te mit­rei­ßen. Der Traum von der Macht, mit der ich das Übel ver­nich­ten kann, tritt an die Stel­le wirk­li­cher Macht.

Es ist unmög­lich, etwas, das exis­tie­ren soll, gegen etwas, das bereits exis­tiert, zu mani­fes­tie­ren. Lei­de ich bei­spiels­wei­se unter einer Krank­heit, kann ich hef­tig wol­len, daß die­se ver­schwin­det und ich wie­der gesund bin. Dies wird in dem Maße unmög­lich sein, als ich nicht bereit bin, zu akzep­tie­ren, daß ich unter die­ser Krank­heit lei­de. Die Krank­heit anzu­neh­men heißt also weder, sie pas­siv hin­zu­neh­men (also nichts mehr gegen sie tun zu wol­len), noch, sich ein­zu­re­den, es gäbe weder die Krank­heit noch das Lei­den, ich hät­te also in Wirk­lich­keit gar kein Problem.

Ent­ängs­ti­gung müß­te mit­hin als Selbst-Ent­ängs­ti­gung auf einer höhe­ren Ebe­ne anset­zen, auf der der Mensch in der Lage ist, den Mecha­nis­men, die ihn steu­ern und durch die er steu­er­bar ist, aktiv etwas ent­ge­gen­zu­set­zen. Dabei wäre nicht allein den­je­ni­gen Refle­xen, die er selbst als unan­ge­nehm erlebt (Angst­ge­füh­le, Ohn­macht, Ver­zweif­lung), son­dern auch den­je­ni­gen, die er pri­ma facie für sein not­wen­di­ges Rüst­zeug gegen die Angst hält (Wut, Aktio­nis­mus, Auto­sug­ges­ti­on von Macht), Ein­halt zu gebie­ten. Denn es ist für den Kampf gegen den äuße­ren Feind zwin­gend not­wen­dig, die inne­re Unbe­herrscht­heit zu bekämp­fen. Der Feind liegt also auch in mir selbst.

Die­se Front­li­ni­en­ver­la­ge­rung sieht für den affek­tiv gela­de­nen Wider­ständ­ler aus wie Rück­zug, wie Schwä­che und Auf­ge­ben des Kamp­fes. Der deut­sche Mys­ti­ker Tho­mas von Kem­pen (1380 – 1471) hat in sei­ner Schrift von der Nach­fol­ge Chris­ti die­se Pro­vo­ka­ti­on in Wor­te gefaßt, die unse­rer gegen­wär­ti­gen Lage sehr nahe­kom­men: »Es ist die Not­wen­dig­keit, dir selbst abzu­ster­ben, für dich fast in kei­nem Stück so groß als in dem, was du täg­lich wider dei­nen Wil­len sehen und lei­den mußt, beson­ders wenn dir Din­ge befoh­len wer­den, die dir wider­stre­ben oder min­der nütz­lich schei­nen. Und weil du, dei­nen Obern unter­ge­ord­net, es nicht wagen willst, der höhe­ren Gewalt zu wider­ste­hen, so wird es dir schwer, immer nur nach dem Wink eines andern zu wan­deln und stets dei­ne eige­nen Emp­fin­dun­gen zu ver­leug­nen.« (Tho­mas von Kem­pen: Vier Bücher von der Nach­fol­ge Chris­ti, 49. Hauptstück).

Mir wer­den seit über einem Jahr Din­ge befoh­len, die mir wider­stre­ben, die ich täg­lich wider mei­nen Wil­len sehen und lei­den muß, ich muß dau­ernd nach dem Wink eines ande­ren wan­deln. Und nun soll ich »mir selbst abster­ben« und mei­ne Emp­fin­dun­gen ver­leug­nen? Soll ich etwa zu einem der Obrig­keit unter­ge­ord­ne­ten Schaf wer­den, das es nicht wagt, der höhe­ren Gewalt zu wider­ste­hen? Genau hier fin­det das expe­ri­men­tum cru­cis statt. Hier befin­det sich der Punkt, der den inne­ren vom äuße­ren Wider­stand unter­schei­det. Erst nach Durch­gang durch die­sen Punkt ist Ent­ängs­ti­gung möglich.

Schau­en wir uns die Zumu­tung des Tho­mas von Kem­pen ein­mal genau­er an: Mir begeg­net höhe­re Gewalt, der ich mich nicht beu­gen will. Es steht Wil­le gegen Wil­len (auch wenn der frem­de Wil­le die Form einer über­per­sön­li­chen Macht­struk­tur hat, mit Max Weber gespro­chen ein »stahl­har­tes Gehäu­se der Hörig­keit« dar­stellt). Der frem­de Wil­le will mei­nen Wil­len bre­chen und hält ihn bereits fest in sei­ner Hand. Ich bin ihm in die­ser Kon­stel­la­ti­on von vorn­her­ein aus­ge­lie­fert – aus nichts ande­rem ent­ste­hen mein Enge­ge­fühl und mein Wider­stands­be­dürf­nis. Wie ver­schlie­ße ich mei­ne See­le gegen den Zugriff des frem­den Willens?

Die Angst und den ohn­mäch­ti­gen Wider­stands­af­fekt zuzu­las­sen, geschieht aus Schwä­che. Die not­wen­di­ge Stär­ke, um mei­ne See­le gegen den Zugriff des frem­den Wil­lens zu ver­schlie­ßen, kann ich zunächst nicht allein auf­bie­ten. Ich muß mir hel­fen las­sen. Um aber zulas­sen zu kön­nen, daß mir gehol­fen wird, muß ich alles hin­aus­schaf­fen aus mei­ner See­le, was die­ser Hil­fe im Wege steht: und das ist nun ein­mal der von Pri­mär­af­fek­ten gebeu­tel­te Wil­le, das nie­de­re Selbst. Das nie­de­re Selbst muß unter­wor­fen wer­den, doch nicht vom äuße­ren Feind (indem ich aus Schwä­che brav »nach dem Wink eines ande­ren wand­le« und mich an die Erpres­sung gewöh­ne), son­dern durch mein eige­nes höhe­res Selbst, das den Wil­len in Zucht neh­men kann.

Das höhe­re Selbst ist mir nicht ein­fach­hin gege­ben, son­dern es will errun­gen sein. Es kann mir nur in dem Maße Got­tes Gna­de zuteil wer­den, als ich sel­ber dar­um kämp­fe. Erge­ben­heit unter Got­tes Wil­len ist die Vor­aus­set­zung dafür, den eige­nen Wil­len in Zucht neh­men zu kön­nen, sich selbst füh­ren zu kön­nen. Die christ­li­che Tra­di­ti­on nennt es (neben vie­len ande­ren For­mu­lie­run­gen für den­sel­ben Ver­wand­lungs­pro­zeß) »Sich-selbst-Abster­ben«: das nie­de­re Selbst töten, damit dar­aus das höhe­re, das füh­ren­de ent­ste­hen kann. Die Auf­er­ste­hung Chris­ti fin­det hier ihre klei­ne Ent­spre­chung inner­halb der ein­zel­nen Seele.

Unter die­sem Blick­win­kel betrach­tet, kann sich der äuße­re Zwang durch­aus als dien­lich erwei­sen, um das nie­de­re Selbst in sei­ne Schran­ken zu wei­sen. Durch ihn erfah­re ich zwar uner­träg­li­che Krän­kung, die­se Krän­kung scheint aber in einem gewis­sen Sin­ne not­wen­dig zu sein, weil nur durch sie schmerz­lich erfahr­bar ist, daß ich vom nie­de­ren Selbst beherrscht wer­de, was ich andern­falls nicht bemer­ken würde.

War­um es über­haupt wich­tig ist, daß ich »mir selbst abster­be«, kann ich vor­sich­tig tas­tend durch den fol­gen­den Gedan­ken ermit­teln. Neh­men wir an, daß die Hoff­nung auf kurz­fris­ti­ge Sie­ge und auf »eine bes­se­re Gesell­schaft« in der Zukunft eitel ist. Immer feind­li­cher stellt sich im Lau­fe der mensch­li­chen Ent­wick­lung die Welt um uns. War­um ist das so? Dies läßt sich teleo­lo­gisch den­ken, wie ich in Selbst­ret­tung bereits ange­deu­tet habe. Die Not muß zuneh­men, damit die Müh­sal, sich dar­aus empor­zu­ar­bei­ten, grö­ßer wird, damit unse­re Kraft wächst. Hier­aus Quie­tis­mus abzu­lei­ten, sich also nicht mehr zu bemü­hen, weil alles ver­ge­bens ist, ist der fal­sche Schluß. Denn auf das Höher­kämp­fen selbst kommt es an, nicht auf die ver­gäng­li­chen Ziele.

Es kann sein, daß wir in weni­ger als einem Jahr mit dem Rücken zur Wand ste­hen und uns und unse­re Kin­der imp­fen und digi­tal kom­plet­ter­fas­sen las­sen müs­sen, um uns in die­ser Welt noch bewe­gen zu kön­nen. Bis dahin gekämpft und sein eige­nes Den­ken, Füh­len und Wol­len nach Kräf­ten geläu­tert zu haben, das ist erfor­der­lich, um dies und alles wei­te­re dann ertra­gen zu kön­nen und nicht inner­lich gebro­chen zu wer­den. Es gilt zu kämp­fen, ohne den Sieg anzu­stre­ben – den eige­nen Kampf als Opfer dar­zu­brin­gen. Ernst Jün­gers »ver­lo­re­ner Pos­ten« von 1938 drückt die­se Hal­tung aus, eben­so Hen­ri de Mon­t­her­lants »nutz­lo­ses Die­nen« oder die Hal­tung des Jüng­lings Arju­na in der Bha­ga­vad­gi­ta, an den der gött­li­che Rat ergeht: Du kämpfst nicht für das Ergeb­nis, son­dern weil das Kämp­fen das rich­ti­ge ist.

Was auch immer uns in den Weg gestellt wird, ist dazu ange­tan, in uns gedeih­li­che Wir­kung zu ent­fal­ten. Es muß zunächst erkannt wer­den, sodann unter­schie­den wer­den in Din­ge, deren Zugriff ich abweh­ren kann und Din­ge, die sich voll­zie­hen müs­sen. Die­se Unter­schei­dung gelingt nur dem­je­ni­gen Men­schen, der ruhig durch­at­men und dann von einer höhe­ren War­te aus die inne­re und äuße­re Lage über­bli­cken kann.

Die in der Haft ver­faß­ten Tage­bü­cher des evan­ge­li­schen Theo­lo­gen Diet­rich Bon­hoef­fer haben vom Her­aus­ge­ber den Titel Wider­stand und Erge­bung erhal­ten. Am 21. Febru­ar 1944 notiert Bon­hoef­fer: »Ich habe mir hier oft Gedan­ken dar­über gemacht, wo die Gren­zen zwi­schen dem not­wen­di­gen Wider­stand gegen das ›Schick­sal‹ und der eben­so not­wen­di­gen Erge­bung lie­gen. […] Ich glau­be, wir müs­sen das Gro­ße und Eige­ne wirk­lich unter­neh­men und doch zugleich das Selbst­ver­ständ­lich- und All­ge­mein-Not­wen­di­ge tun, wir müs­sen dem ›Schick­sal‹ – ich fin­de das ›Neu­trum‹ die­ses Begrif­fes wich­tig – eben­so ent­schlos­sen ent­ge­gen­tre­ten wie uns ihm zu gege­be­ner Zeit unter­wer­fen. Von ›Füh­rung‹ kann man erst jen­seits die­ses zwie­fa­chen Vor­gangs spre­chen. Gott begeg­net uns nicht mehr als Du, son­dern auch ›ver­mummt‹ im ›Es‹. […] Die Gren­zen zwi­schen Wider­stand und Erge­bung sind also prin­zi­pi­ell nicht zu bestim­men; aber es muß bei­des da sein und bei­des mit Ent­schlos­sen­heit ergrif­fen wer­den. Der Glau­be for­dert die­ses beweg­li­che, leben­di­ge Han­deln. Nur so kön­nen wir die jewei­li­ge gegen­wär­ti­ge Situa­ti­on durch­hal­ten und frucht­bar machen.«

Gott begeg­net uns auch »ver­mummt« in der wid­ri­gen Welt­ge­ge­ben­heit. Man könn­te sagen: gera­de da begeg­net er uns, wo ein Schick­sal uns ereilt, das wir bekämp­fen wol­len, des­sen Not­wen­dig­keit wir zunächst par­tout nicht ein­se­hen wol­len. Es ist für einen Chris­ten jedoch nicht mög­lich, die gesam­te Schöp­fung abzüg­lich just der­je­ni­gen Din­ge, die ihm beson­ders wider­wär­tig sind, zu lie­ben. »Durch das Böse hin­durch«, wie Simo­ne Weil for­mu­lier­te, die Schöp­fung zu lie­ben ist eine Grund­zu­tat der Entängstigung.

Äuße­rer Kampf ver­hin­dert in den meis­ten Fäl­len den inne­ren Kampf, weil er von die­sem ablenkt durch ver­füh­re­ri­sche Nah- und Fern­zie­le. Aus­ge­schlos­sen ist es aller­dings nicht, daß er – auf Umwe­gen – zur Ent­ängs­ti­gung bei­tra­gen kann. Demons­tra­tio­nen bei­spiels­wei­se kön­nen durch­aus einen ers­ten Keim der Ent­ängs­ti­gung säen, der die Leu­te ein­an­der erken­nen und auf­wa­chen läßt. Unter die »Coro­na­leug­ner« sor­tiert zu wer­den führt womög­lich zu einem Exis­tenz­ge­fühl des Anders­seins, das sehr viel dazu bei­tra­gen kann, daß jemand den inne­ren Kampf auf­nimmt. Wer nicht wenigs­tens klei­ne Akte des äuße­ren Wider­stands leis­tet, spürt leib­lich zu wenig von der rie­si­gen Anspan­nung, die der­zeit die Welt in Angst und Schre­cken hält. Das Herz­klop­fen, die Atem­be­klem­mung, die Wut, das unmit­tel­ba­re Weg­schaf­fen- und Bekämp­fen­wol­len des Bösen müs­sen zuerst da sein, um dann durch­ge­ar­bei­tet zu wer­den – nur so kön­nen sie geläu­tert wer­den. Aus Unmit­tel­bar­keit muß Mit­tel­bar­keit werden.

Ent­ängs­ti­gung ist – aus allem Gesag­ten läßt sich dies ablei­ten – nicht durch hef­ti­gen Frei­heits­drang und affek­tiv auf­ge­la­de­ne Mut­mach­ver­an­stal­tun­gen zu gewin­nen, genau­so­we­nig allein durch sach­li­che Auf­klä­rung oder durch schön­red­ne­ri­sches Ver­ste­cken vor der Wirk­lich­keit. Wir sind auf­ge­for­dert, dem Schick­sal eben­so ent­schlos­sen ent­ge­gen­zu­tre­ten, wie uns ihm zu gege­be­ner Zeit zu unter­wer­fen, und zwi­schen bei­den Not­wen­dig­kei­ten unter­schei­den zu lernen.

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)