Was die Autorin „Humanismus“ nennt, nennen andere „Globohomo“ oder „Neue Weltordnung“.
Wenig hat Monika Hausammanns Feindbild mit dem Erziehungs- und Menschenverbesserungsprogramm der frühen Neuzeit zu tun. Ihr „biblisches Denken“ ist ein nicht-ideologisches, vielleicht vorpolitisches, das die Tatsachen ansieht und sich zugleich metaphysisch in eine sinnhafte, der Verfügung durch den Menschen entzogene Weltordnung hineingestellt weiß. Insofern dürfte es auch Nichtchristen zugänglich sein.
Ausgehend von diesem festen Grund erarbeitet sich Hausammann zunächst eigentlich höchst banale Einsichten: Diskriminierung heißt Wahl, ohne Wahl keine Freiheit. – Ordnung ist kein Fetisch, sondern gesund, während unüberschaubare Unordnung Menschen in die Psychiatrie führen kann. – Die „soziale Gerechtigkeit“ endet, wenn die Inflation die alimentierenden Mittel aufgefressen hat. – Als „frei“ gilt in der vermassten Gesellschaft nur, wer sich der vermeintlich (allein) einsichtigen Elite unterwirft. –
So ließe sich noch viel paraphrasieren, Seite um Seite. Schnell wird dem Leser deutlich: Hier hat sich jemand sehr, sehr gründlich eingelesen und nachgedacht; das Buch ist alles andere als ein feuilletonistischer Schnellschuß. Pfeil um Pfeil entnimmt die Autorin ihrem reich gefüllten Köcher, zielt auf die Zumutungen der Gegenwart und trifft fast immer ins Schwarze. Sie tut das ohne Diskussionen, sondern apodiktisch, aber dennoch argumentsatt. Lange Herleitungen und Beweisführungen sind ihre Sache nicht.
In dieser Prägnanz und Kürze liegt die große Stärke des Buches. In sieben kurzen Kapiteln springt die Autorin über die großen Themen der (politischen) Philosophie hinweg. Ihre Kurz-Schlüsse sind erstaunlich plausibel, ihre Welterklärung ist hochkonzentriert und von mitreißender Fröhlichkeit zugleich. Sie deklassiert die „Tyrannen der Buntheit“, weil sie sie zwar als Gefahr, nicht aber als intellektuelle Gegner auf Augenhöhe ernst nimmt. Humanitätsduselei im Sozialstaat? Nichts als „Brot und Spiele“ und das Ende echter Caritas! Verantwortungsabschub auf „die Umstände“? Reine Sklavenmentalität! Der moderne Personbegriff? Ein trauriger Versuch der „Ich-Herrschaft“ angesichts existentiell gefährdender Einsamkeit und Überforderung! Die Prämissen der Genderistik auf anderthalb Seiten als widersprüchlichen Unsinn zerlegen? Für Hausammann eine Fingerübung.
Dies ist die politische und philosophische Seite des Buches. Grandios ihre Nietzsche-Auslegung en miniature, ihre Darlegung von Verwirrung als psychopolitischer Methode zur Machtdurchsetzung und generell ihre drastische Abgrenzung von inszenierten öffentlichen Debatten gegenüber echtem Denken – „wer denkt, ist ein Staatsfeind“.
Je länger der thematische Parforce-Ritt dauert, desto mehr begleiten die Fragen nach Gnade und Seligkeit den Text. Hausammann sieht eine von Angst, Neid, Unbildung, Gleichgültigkeit und Einsamkeit geprägte Zeit heraufgekommen. Für sie sind es die unausweichlichen Folgen eines Lebens ohne Gott. Der Ausweg steht jedem offen, auch ohne Glaubenserfahrung oder Kultus: Wer freiwillig nach Gott fragt, steht bereits im Heilsgeschehen. In diesem Sinne möchte sie ihren Aufruf zur Bibel verstanden wissen, „ihr [der Heiligen Schrift] Ruf zum Streit, zum Widerstand und zum klaren Positionsbezug gegen das Wahnhafte des Zeitgeistes“ kann von jedem gehört werden.
Freilich hat ein solches, angesichts der enormen Themenfülle geradezu grotesk dünnes Buch seine Schwächen. Hausammanns „Humanismus“-Begriff ist angreifbar, ihr dagegengestelltes biblisches Denken nur sehr knapp (und für Nichtchristen vielleicht unzureichend) erklärt, ihre Endnoten wirken wahllos. Auch die Sprache der „Ansage“ holpert manchmal und changiert zwischen ausgefeilten Sätzen und Alltagsjargon. Dennoch – Die große Verkehrung ist ein ungemein kluges, im Zugriff tolldreistes, radikal um die Wahrheit bemühtes und damit überraschend lesenswertes Buch.
Die Schweizerin Monika Hausammann ist ohnehin gewissermaßen ein Wunderkind: Die erfahrene Kommunikationstrainerin und seit Jahren Wahl-Französin schaut aus wie ein Model und hat sich bereits belltristische Meriten erworben: Unter dem Pseudonym Frank Jordan veröffentlichte sie eine erfolgreiche Krimireihe.
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Monika Hausammann: Die große Verkehrung. Dem Humanismus mit biblischem Denken begegnen. Eine Ansage, Basel: Fontis 2022. 143 S., 15 € — hier bestellen
Lausitzer
Danke für diese Kritik. Hört sich nach guter Munition für einen Lutheraner an. Nicht nur außerhalb der Kirche muss man sich der Globohomo-Ideologie erwehren. Auch die Kirchen sind von dieser Krankheit schwer befallen und ich rede hier schon gar nicht mehr von der EKD, die ich als komplett verloren betrachte. Gerade die unpolitischen Glaubensgenossen haben es schwer nachzuvollziehen, dass das Gendern der Abschaffung der göttlichen Schöpfungsordnung dient.