Kritik der Woche (29): Umgekehrter Totalitarismus

Umgekehrter Totalitarismus: Der Frankfurter Westend Verlag neigt bei diesem Titel zur Ausführlichkeit.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

Über­bor­dend ist der Unter­ti­tel, aus­ho­lend das fast 50seitige Vor­wort Rai­ner Maus­felds (vgl. Sezes­si­on 88 und 102), umfas­send das eigent­li­che Manu­skript des Poli­tik­wis­sen­schaft­lers Shel­don S. Wolins (1922 – 2015). Er lehr­te unter ande­rem in Ber­ke­ley und leg­te sein Haupt­werk bereits 2008 vor: Demo­cra­cy Incor­po­ra­ted: Mana­ged Demo­cra­cy and the Spec­ter of Inver­ted Tota­li­ta­ria­nism liegt nun also erst­mals auf deutsch vor.

Lohnt sich das, 14 Jah­re nach dem Erst­erschei­nen? Die­se Fra­ge drängt sich förm­lich auf, weil das The­men­feld »Tota­li­ta­ris­mus« in die­ser Zeit­span­ne natur­ge­mäß durch die Ereig­nis­se (fort­schrei­ten­de digi­ta­le Über­wa­chung, Coro­na-Kri­se, Geset­zes­ver­schär­fun­gen, woke Rase­rei etc.) gene­ral­über­holt wurde.

Man kann die­se Fra­ge zwei­ge­teilt beant­wor­ten. Die Über­set­zung durch Juli­en Karim Aker­ma hat sich – ers­tens – durch­aus gelohnt, weil eini­ge grö­ße­re Strän­ge der Wolin­schen Arbeit von aktu­el­len Pro­zes­sen unbe­rührt blei­ben. Die Dar­le­gung der glo­ba­lis­ti­schen Ent­gren­zung US-ame­ri­ka­ni­scher Macht ist von blei­ben­dem Wert, die Beschrei­bung der Rol­le von Kon­zer­nen als »tota­li­sie­ren­den Mäch­ten« neben dem Staa­ten­ge­fü­ge ein­leuch­tend, die Skiz­ze der »gelenk­ten Demo­kra­tie« über­zeu­gend, die Aktua­li­sie­rung der – auf den in den 1960er und frü­hen 1970er Jah­ren stark rezi­pier­ten Polit­den­ker Johan­nes Agno­li (1925 – 2003) zurück­ge­hen­de – »Involutions«-These west­li­cher Struk­tu­ren (von frei­heit­lich-demo­kra­tisch kon­sti­tu­ier­ten Enti­tä­ten hin zu diri­gis­ti­schen Appa­ra­ten) schlagend.

Die spä­te Über­set­zung des vor­lie­gen­den Wer­kes bringt indes auch Pro­ble­me mit sich. Tei­le der Kern­the­se Wolins sind tat­säch­lich durch his­to­ri­sche Pro­zes­se über­holt wor­den. Wenn ­Wolin die im Neo­li­be­ra­lis­mus wesen­haft ange­leg­te »Ent­po­li­ti­sie­rung« der Bür­ger beschreibt und dar­in ein Kern­ziel des glo­bal reüs­sie­ren­den Politik‑, Gesell­schafts- und Wirt­schafts­mo­dells erblickt, spürt man deut­lich, daß die­ses Buch eini­ge Jah­re auf dem Buckel hat. Denn im zeit­ge­nös­si­schen Sta­di­um des woken und auto­ri­tä­ren Libe­ra­lis­mus ver­hält es sich gera­de umge­kehrt: Der ein­zel­ne west­li­che Bür­ger erfährt eine Rundum­po­li­ti­sie­rung frei Haus – ob er das gou­tiert oder nicht. Ent­po­li­ti­sie­ren­der Neo­li­be­ra­lis­mus scheint somit von ges­tern, Kri­tik an die­sem Kon­strukt wohl­feil, aber sie trifft, bleibt man auf dem Argu­men­ta­ti­ons­stand von 2008, einen Dahingegangenen.

Zeit­los der­weil, und dies allein sichert die­sem Buch sei­ne ein­ge­schränk­te Lese­emp­feh­lung, bleibt die zen­tra­le Wolin-The­se vom »umge­kehr­ten Tota­li­ta­ris­mus« an sich. Denn daß wir es mit einem »Sys­tem« zu tun haben, »das vor­gibt, das Gegen­teil des­sen zu sein, was es in Wahr­heit ist«, indem es sei­ne »wah­re Iden­ti­tät« ver­leug­ne und dar­auf ver­traue, daß »sei­ne abwei­chen­den Ten­den­zen als ›Ver­än­de­run­gen‹ nor­ma­li­siert wer­den«, kann 2008 wie 2022 gut begrün­det werden.

Das expli­zit Neue an die­ser Form des Tota­li­ta­ris­mus läßt sich nach Wolin somit in jener Kon­stel­la­ti­on ding­fest machen, wonach hier der Bruch mit einem inau­gu­rier­ten Verfassungs­system nicht mehr als Macht- und Kraft­akt gefei­ert (wie unter Hit­ler oder Sta­lin), son­dern wort­reich, unter Zuhil­fe­nah­me einer »loya­len Intel­li­gen­zi­ja« in Wis­sen­schaft, Jour­na­lis­mus und Unter­neh­men, ver­schlei­ert wird.

Scha­de nur, daß Shel­don S. ­Wolin auch in sei­ner letz­ten Lebens­pha­se rest­lin­ke Mythen nicht über­win­den konn­te. Sie wer­den für den Leser dann greif­bar, wenn Wolin dar­auf ver­weist, daß heu­ti­ge Ten­den­zen zum Tota­li­ta­ris­mus »nicht nur [!] von der ›Rech­ten‹« kom­men (kom­men von dort über­haupt wel­che?), oder wenn er bekrit­telt, daß Gemein­schaft­lich­keit suk­zes­si­ve auf­ge­löst wird und der moder­ne Demos als for­ma­ler Sou­ve­rän nur noch »flüch­ti­gen Cha­rak­ters« ist – ohne aber die nahe­lie­gen­de Fra­ge zu stel­len, wel­chen ganz prak­ti­schen Anteil an der Auf­lö­sung aller Din­ge mul­ti­kul­tu­ra­lis­ti­sche und links­li­be­ra­le Ideo­lo­gie­bau­stei­ne haben dürften.

– – –

Shel­don S. Wolin: Umge­kehr­ter Tota­li­ta­ris­mus. Fak­ti­sche Macht­ver­hält­nis­se und ihre zer­stö­re­ri­schen Aus­wir­kun­gen auf unse­re Demo­kra­tie. Mit einer Ein­füh­rung von Rai­ner Maus­feld, ­Frank­furt a. M.: West­end 2022. 462 S., 36 €.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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Kommentare (16)

Umlautkombinat

14. Juni 2022 10:04

Ich habe seit einiger Zeit das Original hier liegen (noch nicht durchgelesen), sehe aber in dem Punkt zur Entpolitisierung keinen Widerspruch. Die heutige Form der Politisierung bedarf eines vorher entpolitisierten Buergers. Waere er politisch gebildet und mit wirklichem Eigeninteresse und Langzeitgedaechtnis versehen, wuerde das nicht funktionieren. Wolin selbst war natuerlich klar, dass dieser kindliche Status Zielen dient, das ist ja der eigentliche Inhalt des Buches.

An vielen Stellen werden auch Beispiele, Anlaesse und Zwaenge fuer das Zeigen des klassischen totalitaeren Gesichts besprochen, wenn die verschleiernde Maske des dem Buch seinen Namen gebenden Systems nicht mehr genuegt. Und Werkzeuge und Charakteristika von Ersterem waren Wolin natuerlich nicht unbekannt. Propaganda und Gleichschaltung heutiger Form als notwendiger naechster Schritt nach der Entleerung des Kopfes (da muss immer wieder etwas rein, die Natur hasst Systeme fernab vom Gleichgewicht!) duerften ihn kaum ueberrascht haben. Er starb, bevor das richtig los ging, aber das zeigt eigentlich keinen Bruch.  

brueckenbauer

14. Juni 2022 10:46

Wie verhält sich denn Wolin zu den traditionellen Totalitarismustheorien? Da gab es ja, laut Nolte, vier: eine projüdische, eine antideutsche, eine strukturelle und eine genetische. Und was sagt Wolin zu den vielen Gegnern, die jeden Begriff von Totalitarismus ablehnen, weil er die Kommunisten zu schlecht aussehen lässt?

Imagine

14. Juni 2022 22:18

Für den, der es sehen will, ist es manifest, dass die Gesellschaften im Stadium einer Verbrecherherrschaft angekommen sind. Es wird gelogen und betrogen. Statistiken werden gefälscht. Wenn es um den Profit geht, wird wenig Rücksicht auf Gesundheit und Leben genommen.

Die Opfer haben keine Möglichkeit, sich gegen diese Verbrechen mittels des Rechtsstaats zu wehren. Richter, die rechtsstaatlich gegen Regierungsmaßnahmen urteilen, werden mit Repressionen eingeschüchtert.

Beim Ukraine-Krieg sehen wir eine Kriegstreiberei und Eskalation, die vor kurzer Zeit noch undenkbar gewesen werden, zumal von Journalisten und Politikern, die sich in einer linken und grünen Tradition sehen, die früher für Frieden stand..

Aus meiner Sicht ist es die entscheidende Schwäche des Buchs von Sheldon S. Wolin, dass es veraltet ist und den qualitativen Wandel des Totalitarismus nicht erfasst.

kikl

15. Juni 2022 07:28

Auf dem Weg in den "demokratischen", "vielfältigen", "bunten" und "toleranten" Totalitarismus schreitet die Bundesregierung voran. 

Julian Reichelt - Ex-Bild-Chefredakteur sagt es folgendermaßen:

"Wir haben das Innenministerium gefragt, ob man als Kritiker der Klima-Politik zum Verfassungsschutz-Fall werden kann. Die Antwort lautet: Ja. Genau so ist es.

Faeser will also ganz offiziell den Verfassungsschutz einsetzen dürfen, wenn die Regierung einfach ihre Ruhe will."

Bei Herrn Reichelt ist offenbar ein Licht aufgegangen. Reinhören lohnt sich:

https://twitter.com/jreichelt/status/1536764182179237889?cn=ZmxleGlibGVfcmVjcw%3D%3D&refsrc=email

 

kikl

15. Juni 2022 07:45

Herr Reichelt legt nach. Die neue Stasi richtet jetzt eine Verleumdungsstelle für Falschdenker und Verschwörungstheoretiker ein. Die totale Kontrolle über das Denken und Sprechen einschließlich Umerziehung wird angestrebt:

"Nancy Faeser will eine zentrale Meldestelle („Beratungsangebot“), bei der man Bekannten, Kollegen, Nachbarn, Freunde, seine Familie denunzieren kann, wenn man etwas „beobachtet“ hat oder „vermutet“, dass sie sich „Verschwörungsideologien zuwenden“. Horror!"

https://twitter.com/jreichelt/status/1536933210029969414

Umlautkombinat

15. Juni 2022 09:22

> Aus meiner Sicht ist es die entscheidende Schwäche des Buchs von Sheldon S. Wolin, dass es veraltet ist und den qualitativen Wandel des Totalitarismus nicht erfasst. 

"aus Ihrer Sicht"? Ich kann nicht erkennen, dass Sie das Buch ueberhaupt in der Hand hatten. Der qualitative Wandel ist gerade das Hauptthema des Buches, wie selbst ohne eigenes Lesen aus dem Artikel deutlich geworden sein sollte. Zur Veraltung hatte ich selbst auch noch etwas dazugeschrieben.

Mal ganz bluntly: Die nahezu absolut dominierenden  generischen nicht themenbezogenen Inhalte Ihrer Beitraege lassen jeden chatbot als Quelle von Variationsfaehigkeit erscheinen. Das ist wie ein Staatsbuergerkundebuch der Klasse 8 oder wahlweise eine Schulungsunterlage zum verpflichtenden "Gesellschaftswissenschaftlichen Grundstudium" der DDR-Hochschulen aufzuschlagen. Und das bis tief in die Diktion hinein. Man muss von Glueck sprechen, hier ausnahmsweise einmal keinen Dreiteiler vorzufinden. 

 

 

Imagine

15. Juni 2022 10:15

Mein Beitrag ist stark gekürzt worden und daher mag meine letzte These für manche nicht nachvollziehbar sein.

Entscheidend ist, wie der Totalitarismus des Kapitalismus zuvor existierende rechtliche, kulturelle und moralische Grenzen überschritten hat. Zum Zwecke profitabler Kapitalverwertung hat man Verfassungsrechte, Menschenrechte, individuelle Freiheitsrechte und kulturelle Selbstbestimmungsrechte ignoriert und mittels der „neoliberalen Revolution von oben“ außer Kraft gesetzt.

Jeder Schritt dieser Überschreitung rechtlicher, kultureller und moralischer Grenzen war ein paar Jahre zuvor undenkbar gewesen.

Zum Beispiel hat man noch wenige Monate vorher die Zwangsimpfung mit experimentellen gentechnischen Stoffen als völlig undenkbar und verfassungsrechtlich inakzeptabel abgelehnt und dann wurden sogar Kinder, die gesundheitlich durch Corona überhaupt nicht gefährdet sind, gentechnisch behandelt, trotz aller Befürchtungen und bereits vorhandener Erfahrungen hinsichtlich  gefährlicher und ggf. tödlicher Nebenwirkungen.

Diese Grenzüberschreitungen zeigen eine qualitative Entwicklung des Totalitarismus, der vor 14 Jahren so noch nicht erkennbar war und selbst in den schlimmsten Alpträumen nicht für möglich gehalten wurde.

Wie wird dies weitergehen?

Umlautkombinat

15. Juni 2022 11:41

> Diese Grenzüberschreitungen zeigen eine qualitative Entwicklung des Totalitarismus

Sie verwenden einen persoenlichen Qualitaetsbegriff, der nichts mit dem des besprochenen Buches zu tun hat, schon deswegen koennten Sie moeglicherweise nicht verstanden werden. Unabhaengig davon ist er auch generell keiner, sondern einer der Quantitaet. In dieser Form kann sich auch jeder 'klassische' Totalitarismus zuspitzen und hat es auch - mit den dazu jeweils zur Verfuegung stehenden Mitteln - in der Vergangenheit getan. Was z.B. dazu gefuehrt hat, dass mancher gelernte DDR-Buerger den Braten eben doch schon zu den Zeiten gerochen hat, zu denen es fuer Sie "unvorstellbar" war.

Die gesamte charakteristische Nachdruecklichkeit von Beginn an in ganz ausgewaehlte enge Korridore hinein stellt bei Leuten mit der genannten Vergangenheit sofort die Antennen auf, das ist generisches totalitaeres Denken, klassisch oder Wolin - belanglos. Es ist eine Grundqualitaet aller Auspraegungen.

Je  umfassender dabei das Repertoire an Druck, Propaganda und Verschleierung ist, desto deutlicher wird dieser Eindruck. Denn der Grad der Umfassendheit und Vielfalt der versuchten Einflusstechniken, die immer weiter beschleunigte Besetzung von immer mehr Bereichen der gesellschaftlichen Grundlagen auf die sie angewendet werden - dieser Grad wird zwingend direkt  proportional zum Umfang des Interesses der ausloesenden Kreise und damit der Staerke der eigenen Bedrohung wahrgenommen.

 

Imagine

15. Juni 2022 13:55

Dass der „neue“ Totalitarismus sich in seiner Erscheinungsform und seinen Methoden vom Hitler-Faschismus und vom Stalinismus unterscheiden wird, diese Erkenntnis ist ein alter Hut.

Schon vor über einem halben Jahrhundert kannte man den Adorno zugeschrieben Satz: „„Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr des Faschisten in der Maske des Faschisten, sondern vor dessen Rückkehr in der Maske des Demokraten.“

Erinnert sei auch an das Buch aus dem Jahr 1971 von Reinhard Lettau: „Täglicher Faschismus: Amerikanische Evidenz aus 6 Monaten.“

Der Pinochet-Faschismus wurde 1973 von seinen rechten Gesinnungsfreunden in CDU CSU begrüßt, aber erlebte massenhaft Widerstand in der Bevölkerung.

Der „neue“ Totalitarismus konnte folglich nicht wie zuvor „rechts“ auftreten, sondern verkleidete sich linksgrün und trat als ökologischer Weltenretter auf. Auch dies wurde früh erkannt. Wolfgang Pohrt thematisierte im SPIEGEL 52/1980 „Das braune Grün der Alternativen“.

Am „neuen“ Totalitarismus ist nur die Verkleidung neu, die Hintermänner und Finanziers sind dieselben.

Imagine

15. Juni 2022 17:18

@Umlautkombinat    15. Juni 2022 11:41
„Sie verwenden einen persoenlichen Qualitaetsbegriff …
Unabhaengig davon ist er auch generell keiner, sondern einer der Quantitaet.“

Es gibt qualitative Stadien des politischen Kampfes, wenn z.B. die Grenze zur körperlichen Unversehrtheit oder zur Freiheitsberaubung etc. überschritten wird.

Wenn willkürlich inhaftiert, gefoltert und gemordet wird und es keinen Schutz mehr durch den Rechtsstaat gibt, weil dieser in der Praxis nicht mehr existiert. Weil Gesetze verändert und das Verfassungsrecht nur noch auf dem Papier steht, Richter korrumpiert oder eingeschüchtert wurden. Wenn Gewalt bis hin zum Mord zur Alltagsnormalität wird.

Das hatten wir schon einmal alles in Deutschland Und beim Corona-Szenario ist deutlich geworden, dass es heute keine rechtsstaatlichen, intellektuellen und moralischen Dämme mehr zu geben scheint, die eine Wiederkehr dieser barbarischen Zustände verhindern.

Umlautkombinat

15. Juni 2022 17:42

> Am „neuen“ Totalitarismus ist nur die Verkleidung neu

Also keine neue Qualitaet? Sie muessen sich schon entscheiden. Genauso wie zwischen

> dass es veraltet ist

und einer dann notwendigen - nicht erfolgten - Angabe besserer neuerer Beurteilungen. Stattdessen bringen Sie Autoren aus Ihren formativen Jahren und meinen, damit waere nun fuer alle Ewigkeiten alles gesagt.

Dem ist nicht so. Wolin  unterzieht sich der Muehe - und das merken Sie schon vom ersten Artikel und der dortigen Analyse der Instrumentalisierung des 11. September an (durch z.B. Mittel wie das Heben ins Religioese) an - damals Aktuelles, Unbeendetes zu untersuchen. Und wenn Sie seine Meinung zu den konkreten(!) formativen Prozessen der US-Massenmedien im genannten Kapitel lesen, werden Sie einige deja-vus erleben, die hochaktuell sind. Da hilft Ihnen kein Adorno. DAS sind die Dinge, die das Buch interessant machen. Verbindet man das mit andersgelagerten Beschreibungen des inneren Zustands der modernen amerikanischen Gesellschaft wie in z.B. "The Unwinding" von George Packer, dann  wird noch klarer welche sich durchziehenden konkreten (wieder '!') Schwaechen dieser Gesellschaft dieses Instrumentarium adressierte und warum es erfolgreich war. Die spezielle Kombination von Uebereinstimmung UND Unterschieden zur deutschen Gesellschaft und deren eigenen Art von Anfaelligkeiten ist uebrigens frappant.

 

Umlautkombinat

15. Juni 2022 18:41

> Es gibt qualitative Stadien des politischen Kampfes, wenn z.B. die Grenze zur körperlichen Unversehrtheit

Ich muss noch einmal darum bitten, nicht die Begriffe zu verwischen. Um dieses Buch zu diskutieren, sollte man zuerst bei dessen Thema und hier konkret der Art qualitativer Unterschiede bleiben, die es beschreibt. Es ist etwas, was mich in diesem Forum oft stoert, die Undiszipliniertheit darin, an dem jeweiligen Thema dranzubleiben. Das schliesst andere Dinge natuerlich nicht aus - Bereicherungen sind immer willkommen, Entgleisungen/Abgleitung zu tolerieren - in vernuenftigem Mass. Letztlich sollte der Wille zu sehen sein, wieder zum Ausgangspunkt zurueckzukehren und v.a.D. im Konfliktfall dessen Inhalten statt eigenen Vorlieben den Vorrang einzuraeumen.

Innerhalb der Begrifflichkeiten des Buches entwickeln sich die genannten Grenzueberschreitungen ja auch genauso wie in einer direkten totalitaeren Gesellschaft. Das wird doch dort aufgezeigt. Das Thema ist aber der spezifische verschleiernde Charakter, der seziert wird. Das ist mit Allgemeinplaetzen a'la "alter Wein in neuen Schlaeuchen" nicht wegzuwedeln und wird der Arbeit des Buches ueberhaupt nicht gerecht. Da sind neue und sehr relevante Dinge dabei, die weder Marx noch Heidegger schon kennen konnten.

Imagine

15. Juni 2022 19:03

@Umlautkombinat

Sie denken eindimensional und begreifen daher nicht die qualitative Differenz.

Der Begriff des Totalitarismus enthält zwei unterschiedliche Aspekte,  nämlich Herrschaft mit Durchdringung aller Lebensbereiche, zum anderen die Überschreitung von zivilisatorischen Grenzen durch terroristische Herrschaftsausübung (vgl. Hannah Arendt).

Beides ist nicht identisch.

Wolin weist mit seinem Begriff des „Inverted Totalitarianism“ auf Veränderungen in der Erscheinungsform und den Methoden totalitärer Herrschaft im Vergleich zu den historischen Formen hin. Diese Herrschaftstechnik ist softer, verdeckter und durch weniger manifeste physische Gewalt gekennzeichnet.

Das gilt jedoch nicht für das heute erreichte Stadium totalitärer Herrschaft, die durch manifeste Zwänge und Übergriffe gekennzeichnet ist, wie: Impfzwang, Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung, Freiheitsberaubung durch Reiseverbote und Ausgangssperren, Exklusion vom Arbeitsprozess, ökonomische Erpressung etc.

Dazu kommt jetzt noch die Eskalation durch kriegerische Maßnahmen, wie Waffenlieferungen und Sanktionen.

Demnächst wird konsequent gegen die Gefährder, Staats- und Verfassungsfeinde vorgegangen werden. Welche Vorstellungen da existieren, hat man beim Corona-Szenario bezüglich der „Querdenker“ und Impfverweigerer gesehen.

Das ist dann nicht mehr ein „inverted“, sondern offener, brutaler und (staats)terroristischer Totalitarismus.

Umlautkombinat

15. Juni 2022 19:46

> Sie denken eindimensional und begreifen daher nicht die qualitative Differenz.

Dann lesen Sie noch einmal, und dann reden wir noch einmal darueber, wer hier wen nicht begreift :-)

Ihre gesamten weiteren Ausfuehrungen repetieren nur, was sie schon sagten. Was gibt es an ihnen nicht zu begreifen? Meinen Sie, Sie verteilen hier Raketenwissenschaft?

Es geht IN DIESEM BUCH nicht darum, OB das beschriebene Regime soft, verschleiernd etc. ist, das ist eher fast schon die Praemisse. Es geht darum, WIE man das konkret aufgesetzt hat, wie es die Psyche einer gesamten Gesellschaft ausnutzt und sie 'fit' fuer jede weitere Abscheulichkeit macht. Und diese Mechanismen sind weiter in Amerika wie auch hier wirksam. Wenn man sie nicht in ihrer konkreten(!) Darreichungsform durchschaut, kann man sie nicht bekaempfen und auch nicht die nackte Totalitaritaet, die darunter liegt.

Dabei helfen Ihnen und mir weder ein paar Totalitarismusdefinitionen von Hannah Ahrendt (die Bildungshuberei hier ist ein Thema fuer sich) noch das Bestreben, die Diskussionen auf eigene Begriffe umlenken zu wollen.

Imagine

16. Juni 2022 11:38

Die entscheidende Frage wurde von B.K. gestellt:
„Lohnt sich das, 14 Jahre nach dem Ersterscheinen? Diese Frage drängt sich förmlich auf, weil das Themenfeld »Totalitarismus« in dieser Zeitspanne naturgemäß durch die Ereignisse (…) generalüberholt wurde.“

Die Herrschaftstechnik hat sich seitdem verändert, auch qualitativ. Dieses Defizit des Buchs kann auch das gute Vorwort von Rainer Mausfeld nicht kompensieren (zu lesen bei Amazon „Blick ins Buch“).

Inszenierungen spielen eine wesentliche Rolle. Das beginnt bei 9/11 und den anschließenden Kriegen (Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien), dann das Migrations- und Umvolkungsszenario, die Fakedemie, das Ukraine-Szenario beginnend mit dem Regime-Change 1914 …

Das sind Szenarien, die generalstabsmäßig lange vorher geplant und organisatorisch vorbereitet wurden. Man musste die Regierungen, die Medien und die entscheidenden Institutionen mit entsprechenden Leuten besetzen (UNO, WHO, Kontrollinstitutionen des Gesundheitswesen, Wissenschaft, höchste Gerichte etc.).

Die Behauptung von @Umlautkombinat, „dass mancher gelernte DDR-Buerger den Braten eben doch schon zu den Zeiten gerochen hat, zu denen es fuer Sie "unvorstellbar" war“ , ist nur lächerlich und dummes Geschwätz.

Wer hat denn von den "gelernten DDR-Bürgern" das Migrations- oder das Corona-Szenario „gerochen“?

Umlautkombinat

16. Juni 2022 12:55

> Wer hat denn von den "gelernten DDR-Bürgern" das Migrations- oder das Corona-Szenario „gerochen“?

Das erste waere schwierig gewesen, das Zweite nicht und dazu habe ich sogar angedeutet, wie das geschah. Eine propagandistische ideologische Welle folgt in ihrem Aufbau Mustern, die man mit Erfahrung darin erkennen kann.

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