Nationaler Bildungsbericht

Der aktuelle nationale Bildungsbericht sieht in der sogenannten Pandemie den Grund für verschärftere Defizite.

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

Selbst­ver­ständ­lich haben die im Zuge der exe­ku­ti­ven Maß­re­ge­lungs­po­li­tik ohne Not durch­ge­führ­ten rigo­ro­sen Schul­schlie­ßun­gen irrever­si­ble Schä­den ver­ur­sacht. Schuld dar­an sind jedoch allein die Pro­fi­lie­rungs­be­dürf­nis­se der pra­xis­fer­nen Funk­tio­nä­re der Lan­des­re­gie­run­gen und ihrer Kultusbürokraten.

Nun lau­fen die Trost-Kam­pa­gnen: „Lern­stands­er­he­bun­gen“ etwa, die unnö­tig sind, weil sie ohne­hin nach frag­wür­di­gen Kri­te­ri­en mes­sen und das Desas­ter so umfas­send ist, daß pro­pa­gan­dis­tisch auf­ge­zo­ge­ne Ein­zel­ak­tio­nen nichts bewir­ken. Die Bil­dung war schon vor Coro­na krank.

Statt auf red­li­che Arbeit und Sub­stanz zu set­zen, wird mit übli­chen Phra­sen auf­ge­trumpft: Ganz­tags­be­treu­ung, also Inter­nie­rung der Kin­der über den Stun­den­plan hin­aus, Digi­ta­li­sie­rung, als wenn teu­re elek­tro­ni­sche Smart-Boards und Tablet-Klas­sen allein schon guten Unter­richt sichern, miß­ver­stan­de­ne Inklu­si­on, bei deren Umset­zung die wirk­sams­te Inklu­si­ons­in­sti­tu­ti­on, die För­der­schu­le, in ihrem Grund­be­stand bewußt zer­schla­gen wur­de, obwohl deut­sche Son­der­päd­ago­gen in Aus­bil­dung und Pra­xis welt­weit als vor­bild­lich galten.

Die Defi­zi­te in der ‚Bil­dungs­re­pu­blik‘ (Ange­la Mer­kel) sind weni­ger „pan­de­mie­ver­ur­sacht“ als bereits all­zu lang­fris­tig systembedingt.

Aus frag­wür­di­gen Gerech­tig­keits­vor­stel­lun­gen her­aus wur­den die Inhal­te der Fächer – mit Aus­nah­me der poli­ti­schen Bil­dung und der von ihr aus­ge­hen­der Pro­jekt-Insze­nie­run­gen – seit Jahr­zehn­ten aus­ge­dünnt, im Zuge des­sen die Anfor­de­run­gen gesenkt, die Maß­stä­be auf­ge­weicht und die Bewer­tun­gen infla­tio­niert. So gute Abi-Schnit­te wie nie ste­hen also ganz logi­scher­wei­se nicht für errun­ge­ne Erfol­ge, son­dern für den Schwund an Befä­hi­gun­gen. Eti­ket­ten­schwin­del, für den die Absol­ven­ten nicht ver­ant­wort­lich sind, son­dern die Ministerien.

Daß Bil­dungs­ab­schlüs­se gegen­wär­tig eher juris­tisch garan­tiert statt enga­giert erar­bei­tet wer­den, führt zu der Grund­an­nah­me, sie stün­den ein­fach jedem zu, der nur phy­sisch anwe­send ist. Damit geht Hal­tung verloren.

Allein schon die jahr­zehn­te­lan­ge Ver­teu­fe­lung des Fron­tal- oder auch nur leh­rer­zen­trier­ten Unter­richts hat die deut­sche Schu­le inso­fern dys­funk­tio­nal wer­den las­sen, als das leben­di­ge Dar­stel­len, das Zei­gen, das Vor- und Mit­ma­chen sowie das Üben unter Anlei­tung ent­schie­den zu kurz kom­men, ange­fan­gen beim Erler­nen einer leser­li­chen Schrift bis hin zum Erwerb qua­li­fi­zier­ter Tech­ni­ken des Lesens, Schrei­bens, Den­kens und des dif­fe­ren­zier­ten Argu­men­tie­rens und Urteilens.

Sprach­li­che Leg­asthe­nie bedingt geis­ti­ge Selbst­ent­mün­di­gung. Aber ver­tre­ten wird: Die Schü­ler erschlie­ßen sich Erkennt­nis­se selbst, der Leh­rer soll­ten allen­falls hand­lungs­ori­en­tiert coachen.

Gleich­falls über Jahr­zehn­te hin­weg wur­de die Prio­ri­tät von den Inhal­ten und der in Übun­gen und Wie­der­ho­lun­gen voll­zo­ge­nen Ent­wick­lung ech­ten Kön­nens auf die Metho­de ver­scho­ben. Viel­fach geht es nur­mehr ums blo­ße Machen, das euphe­mis­tisch als „Kom­pe­tenz­er­werb“ bezeich­net wird.

Haupt­sa­che, es tut sich was, gern ohne sin­ni­gen Bezug und jen­seits einer den Wis­sens­auf­bau sichern­den Sys­te­ma­tik. Aller­dings sind ohne das Wis­sen-über kei­ne Kom­pe­ten­zen zu erwer­ben, so wie man das Stri­cken eben nicht ohne Wol­le erlernt. So sol­len Abitu­ri­en­ten im Fach Geschich­te anspruchs­vol­le Quel­len­kri­tik betrei­ben, ohne hin­rei­chend zu wis­sen, was his­to­risch über­haupt genau geschah. Sie for­mu­lie­ren also artig die vom Leh­rer gehör­ten Deu­tungs­mus­ter nach.

Das Ergeb­nis: Das Sprach- und Lese­ver­mö­gen nahm beängs­ti­gend ab und ent­spricht dem Niveau eines Ent­wick­lungs­lan­des – mit auf­fal­len­dem Rück­stand gegen­über den eins­ti­gen Ent­wick­lungs­län­dern, u. a. in Ost­asi­en und Ost­eu­ro­pa, die gera­de straff auf Qua­li­fi­zie­rung ihrer jun­gen Gene­ra­ti­on setzen.

Hier­zu­lan­de sind mitt­ler­wei­le zwan­zig Pro­zent aller Fünf­zehn­jäh­ri­gen funk­tio­na­le Analpha­be­ten, so vie­le wie nie in der deut­schen Bil­dungs­ge­schich­te seit Ein­füh­rung der Schul­pflicht. Fatal dabei: Sie sind es eher wegen als trotz des Unter­richts, aber dar­über gibt es nir­gend­wo einen Dis­kurs. Man ver­spricht mit Erken­nen der “Bedar­fe” ein­fach wie­der Nach­hil­fe und Ausgleich.

Die Mathe­ma­tik­kennt­nis­se erschei­nen schon in der Grund­schu­le so man­gel­haft, daß Ergeb­nis­se von Klau­su­ren und Abschluß­prü­fun­gen im nach­hin­ein mehr­fach geschönt wur­den. Als Grund wer­den „unan­ge­brach­te Här­ten“ genannt. Ent­täu­schun­gen und die wich­ti­ge Erfah­rung eige­nen Schei­terns sol­len ver­mie­den wer­den. Här­ten darf es nicht geben, und schlech­te Noten wer­den als Dis­kri­mi­nie­rung empfunden.

Wo es als cool gilt, für Mathe­ma­tik zu blöd zu sein, lei­det der gesamt MINT-Bereich der Aus­bil­dung. In Ergeb­nis des­sen kön­nen all­zu vie­le Lehr­lin­ge nicht mes­sen und kal­ku­lie­ren, und Abitu­ri­en­ten haben Schwie­rig­kei­ten in Natur- und Inge­nieur­wis­sen­schaf­ten. So fehlt Deutsch­land genau das Fach­per­so­nal, dem das roh­stoff­ar­me Land sei­ne eins­ti­ge Inno­va­ti­ons­kraft ver­dank­te – befä­hig­te Fach­ar­bei­ter und klu­ge Techniker.

In den geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Fächern und in Rest­be­stän­den des Lite­ra­tur­un­ter­richts gilt wie­der mal das kor­rek­te Bekennt­nis gemäß vor­ge­ge­be­ner „Über­zeu­gun­gen“ mehr als die Her­aus­bil­dung dif­fe­ren­zie­ren­der Urteils­kraft. So wird das blo­ße Mei­nen wie in der Talk­show-Kul­tur mit dem Argu­men­tie­ren verwechselt.

Auf­schluß­reich, daß sich Abitur­anfor­de­run­gen im Fach Deutsch vor­zugs­wei­se auf die soge­nann­te Text­ana­ly­se, also auf das Rezi­pie­ren beschrän­ken; pro­blem- oder text­be­zo­ge­ne Erör­te­run­gen sind eben­so Ver­gan­gen­heit wie der alte deut­sche Schul­auf­satz, also das frei begrün­den­de und somit schöp­fe­ri­sche Schrei­ben zu einer The­ma­tik. Lite­ra­ri­sche Erör­te­run­gen fol­gen sehr engen Vor­ga­ben, gewis­ser­ma­ßen einer Art Regel­poe­tik, die vor­her ein­ge­übt wird. So kann eben nicht frei inter­pre­tiert werden.

In nicht­gym­na­sia­len Schu­len erfol­gen selbst Deutsch­prü­fun­gen weit­ge­hend im Mul­ti­ple-Choice-Ver­fah­ren. Feh­ler­quo­ten gibt es nicht mehr; jeder schreibt, wie er kann und mag.

Leh­rer der jün­ge­ren Gene­ra­ti­on rin­gen zudem mit dem Dilem­ma, daß ihnen die Schu­le, die sie durch­lie­fen, regel­kon­for­mes Schrei­ben nicht mehr ver­mit­teln konn­te bzw. woll­te. Sie selbst kön­nen dar­in nicht sicher sein, haben dafür aber „metho­disch aller­lei drauf.“

Es fehlt aber nicht nur an Wis­sen und Kön­nen, son­dern wegen man­geln­der Erzie­hung zu Anstren­gungs­kraft und Selbst­über­win­dung all­zu oft am Ver­mö­gen, eine trag­fä­hi­ge Idee vom eige­nen Selbst zu entwickeln.

Adi­po­si­tas, Bewe­gungs­man­gel und Medi­en­sucht offen­ba­ren äußer­lich, wor­an es inner­lich man­gelt: Ori­en­tie­rung auf ech­te Sinn­ge­bung, Ent­wick­lung nicht nur der eige­nen Moti­va­ti­on, son­dern über­haupt der sen­su­el­len Wach­heit, der Lei­den­schaft und des Emp­fin­dens von ech­ter Freu­de. Die Erre­gungs­am­pli­tu­den ver­lau­fen all­zu flach, das Sen­so­ri­um ver­ödet trotz oder eher wegen der Reiz­über­flu­tung. Statt drau­ßen im Leben die Aben­teu­er und Her­aus­for­de­run­gen zu suchen, ver­schwin­den zu vie­le Her­an­wach­sen­de in ihren Screens.

Daher die Ersatz­hand­lun­gen im Voll­zug eines ora­les Not­pro­gramms – im enge­ren Sin­ne die Über­fres­sen­heit mit Zucker, Salz und Fett, im wei­te­ren das pas­si­ve Kon­su­mie­ren digi­ta­len Drecks. Das alles lähmt und macht unglück­lich. Diät und Umstel­lung fal­len schwe­rer, gera­de wenn stoff­li­che und nicht­stoff­li­che Süch­te hinzukommen.

Kur­ze, aber star­ke Rei­ze und schnel­le Wech­sel sind über Medi­en wie „Tik Tok“ aner­zo­gen. Beschränk­te Auf­merk­sam­keits­öko­no­mie, der sich Unter­richt anzu­die­nen ver­sucht, um irgend­wie modern und jugend­lich zu wir­ken. Flot­te Metho­den­wech­sel, mög­lichst viel digi­tal, kun­ter­bunt ani­miert und hyper­ki­ne­tisch bewegt. Das mag unter­hal­ten, bie­tet aber kaum Mög­lich­kei­ten für Ver­tie­fung und Ori­en­tie­rung. Eher ver­stärkt es ADHS.

Lust- und Lei­den­schafts­lo­sig­keit, Antriebs­schwä­che, Lethar­gie und eine um sich grei­fen­de Jugend-Depres­si­on sind die Fol­ge. Die psych­ia­tri­schen und psy­cho­so­ma­ti­schen Kli­ni­ken haben für Schü­ler kaum noch Kapa­zi­tä­ten frei.

Die an den Schu­len sug­ge­rier­ten Gerech­tig­keits­vor­stel­lun­gen und das Feh­len ech­ter Vor­bil­der machen nicht nur bequem, sie las­sen letzt­lich die Her­an­wach­sen­den im Stich.

Die Viel­zahl der Abbre­cher schei­tert nicht an den anfor­de­rungs­re­du­zier­ten Prü­fun­gen, son­dern eher am Unver­mö­gen, mor­gens über­haupt hoch­zu­kom­men und All­tags­an­stren­gun­gen durch­zu­ste­hen. Es geben nicht nur Schü­ler und Azu­bis, son­dern eben­so Stu­den­ten auf. Laten­te Erschöpft­heit: An der Uni­ver­si­tät Greifs­wald etwa war­fen 2021 83 Pro­zent aller Lehr­amts­stu­den­ten hin. 83 Prozent!

Daß Schu­le, frü­her durch­aus wis­sen­schaft­lich und „poly­tech­nisch“ vor­ori­en­tie­rend und daher für wache Her­an­wach­sen­de echt inter­es­sant, im Zuge der Ideo­lo­gi­sie­rung der Ber­li­ner Repu­blik zu einem poli­ti­schen Lehr- und Expe­ri­men­tier­feld umge­stal­tet wur­de, in dem die Phra­se noch rigo­ro­ser regiert als in der Gesell­schaft, ent­frem­de­te sie nahe­zu völ­lig ihrer frü­he­ren Auf­ga­be, als Insti­tu­ti­on ruhi­gen Lebens­erns­tes auf die Her­aus­for­de­run­gen des erwach­se­nen Lebens vor­zu­be­rei­ten. Ergeb­nis ist die signi­fi­kan­te Infantilisierung.

Heu­te wird an den Schu­len mehr Demo­kra­tie gelebt, als daß es dort um die Pfle­ge von Spra­che, die Aus­bil­dung im Mathe­ma­ti­schen und um tie­fe Ein­bli­cke in die Natur- und Geis­tes­wis­sen­schaf­ten gin­ge. Wer sich dort den­noch ent­wi­ckeln will, muß gera­de­zu exis­ten­tia­lis­tisch auf Eigen­ver­ant­wor­tung set­zen. Das gilt für aus­bil­den­de Leh­rer eben­so wie für aus­zu­bil­den­de Schüler.

Auf das Sys­tem selbst ist nicht mehr zu hof­fen. Ein kul­tu­rell ver­lo­re­nes Gelän­de, in dem ein paar Idea­lis­ten durch­hal­ten, die nach eige­nen Maß­stä­ben anstän­dig arbei­ten wol­len. Gera­de Talen­tier­te blei­ben sich selbst über­las­sen, da der Schwer­punkt auf der För­de­rung der zu inklu­die­ren­den Schwach­ma­ten liegt. Leh­rer schrei­ben För­der­plä­ne, gewäh­ren Nach­teils­aus­glei­che und wid­men sich all den neu defi­nier­ten För­der­schwer­punk­ten. Damit sind sie nicht nur aus‑, son­dern über­las­tet. Wer mehr will, muß sich selbst helfen.

Erfolg­reich wird sein, wer sich eige­ne Zie­le setzt und ein kri­ti­sches Selbst­ver­ständ­nis ent­wi­ckelt. Schließt sich die Tür zum Unter­richts­raum, kön­nen Erfol­ge immer noch selbst, gewis­ser­ma­ßen also anti­zy­klisch gene­riert wer­den, da die „Schul­auf­sichts­be­hör­de“ glück­li­cher­wei­se drau­ßen bleibt und sich ihren poli­ti­schen Fik­tio­nen und selbst­er­fül­len­den Pro­phe­zei­un­gen überläßt.

Wer Initia­ti­ve ent­wi­ckelt, wird nicht gebremst. Das Sys­tem ist zwar ins­ge­samt nicht mehr refor­mier­bar, aber immer noch kön­nen Leh­rer­per­sön­lich­keit sinn­voll und inspi­rie­rend wir­ken, solan­ge sie die Ideo­lo­gi­sie­rung der Bil­dung hin­neh­men und sich auf ihre Fach­be­rei­che konzentrieren.

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

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Kommentare (29)

RMH

27. Juni 2022 09:35

In dem Artikel steckt sehr viel Wahres drin und man merkt, dass H.B. ein Lehrer aus Leidenschaft ist (evtl. auch ein Grund, warum er nicht mehr an Schulen gelassen wird - Perfektionisten, die auch Kritik abseits des Gewollten sachlich üben können, sind wohl eher störend). Aber: Es gibt an den Schulen in Deutschland nach wie vor nicht "die Bildung". In Bayern, Sachsen und Thüringen dürfte nach wie vor einiges anders laufen, als bspw. in NRW oder Bremen.  Ich habe noch 2 Kinder in der Schule in Bayern auf dem, was man früher Oberrealschule oder Realgymnasium genannt hat. Wenn ich in die Unterlagen schaue, ist bspw. der Fremdsprachenunterricht deutlich anspruchsvoller, als zu meinen Zeiten. Auch die Lehrer verfügen so gut wie alle über im Ausland erworbene Sprachkenntnisse. Ich nehme auch keine großen Rücksichtnahmen wahr (gibt ja Fachkräftemangel außerhalb des akademischen Bereichs - das beruhigt das Gewissen beim rausprüfen. Das schreibe ich, auch wenn meine Kinder nicht betroffen sind).

Skeptiker

27. Juni 2022 12:27

Der Artikel nennt viele richtige Aspekte und zeugt von fundierter Kenntnis der deutschen Bildungslandschaft. Im letzten Teil verdeutlicht er jedoch auch, dass gute Bildung und Erziehung von engagierten Lehrkräften auch heute noch möglich ist. Neben den zahlreichen Versäumnissen der Schulaufsichtsbehörden und den Verfehlungen der Lehrerausbildung, machen sich die Folgen der Digitalisierung immer deutlicher bemerkbar. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Generation, die nur eine Welt mit Internet kennt, auf eine Lehrerschaft trifft, die von Zeiten romantisiert, die nie wiederkommen werden. Auch in diesem Forum sind bei den teilweise höchst eigentümlichen Positionierungen einzelner die Überforderungen durch das digitale Zeitalter vielfach spürbar!

heinrichbrueck

27. Juni 2022 13:56

Ferien verursachen "irreversible Schäden"? Ich glaub, es hakt! 
Die G7 haben wieder ein Paket geschnürt. Da bin ich doch gleich für längere Sommerferien, mindestens vier Wochen. 
Unterricht bis 13 Uhr, alles darüber hinaus ist gesundheitsschädlich. Sollten gewisse Freiheiten nicht gewährt werden, sind Antiterrormaßnahmen einzuleiten. 

Andrenio

27. Juni 2022 15:04

Ich rege eine Stiftung Privatschule an.

Bei Geburt eines Kindes oder Enkels könnte per Dauerauftrag monatlich eingezahlt werden.

Kommen genügend Unterstützer zusammen, könnte eine geeignete Immobilie für einen Internatsbetrieb erworben und sukzessive ausgebaut werden.

Herr Bosselmann wird hiermit für den Posten des zukünftigen Direktors vorgeschlagen.

 

URN

27. Juni 2022 15:40

Heino Bosselmann schreibt von "rigorosen Schulschließungen". Sie, Heinrichbrueck, klappern "Ferien" in Ihre Tastatur. Bei wem es "hakt", ist offensichtlich.

Karl

27. Juni 2022 19:07

Dieser Artikel beschreibt sehr gut die derzeitige Misere der schulischen Bildung. Es drängt sich zumindest für mich jedoch die Frage auf, wie und weshalb es so weit kommen konnte. Diese Misere findet ihr Äquivalent in den Universitäten, den Ausbildungsberufen, in der Medienlandschaft. Auch die Idiokratie ist Ausdruck davon. Kommt all dies über uns per Zufall? Geschieht dies durch unabhängige aber  ineinandergreifende, sich ergänzende Vektoren? Folgt dies einem langfristigen Plan? In diesen Kontext gehören die Folgen der Migrationskrise, der Aufbau totalitärer gesellschaftlicher Strukturen und das Verschwinden der gesellschaftlichen Gewaltenteilung und lang gehegte Pläne zur Deindustrialisierung Deutschlands. Das Mosaik hat viele Facetten. Verstanden ist es nicht. Also in Ergänzung zu deskriptiven Texten wie diesem fehlen mir explikative Versuche, die den Leser zumindest nicht nur angesichts des Phänomens erschüttert zurücklassen, sondern das Woher und vielleicht auch das Wohin thematisieren.

Imagine

27. Juni 2022 19:50

1/2

Herr Bosselmann, ihre Texte enthalten gute Beobachtungen und interessante Beschreibungen von Lebensräumen.

Aber was ich immer vermisse, ist das In-Beziehung-Setzen eines Ausschnitts der Gesellschaft zum gesellschaftlichen Ganzen. Es ist so, wie der Volksmund sagt, dass man den Wald vor Bäumen nicht sieht.

Unklar ist immer, warum sich die Bildungsbürokratie so verhält, welche Analysen, Pläne und Vorgaben dahinter stehen.

Im Bildungssystem sehen wir eine staatliche Planwirtschaft. Dahinter stehen Analysen und Planungen, die Bildungsforschungsinstitute machen, seien es universitäre oder private wie die Bertelsmann Stiftung.

Um ein Beispiel zu geben, sei die Bologna-Reform angeführt.
Der Begriff geht auf eine 1999 von 29 europäischen Bildungsministern im italienischen Bologna unterzeichnete politisch-programmatische Erklärung zurück.
Bereits 5 Jahre vorher war ich auf einer Tagung, wo Bildungsplaner das ECTS und die gestuften Studiengänge vorstellten.

In den Medien war dies alles überhaupt noch nicht thematisiert worden. Niemand hatte zuvor etwas vom „European Credit Transfer System“ gehört. Aber die Strukturplanung war im Wesentlichen bereits abgeschlossen. Wir erfuhren auch die Gründe und Ziele. Unsere Einwände und Bedenken interessierten nicht wirklich.

Imagine

27. Juni 2022 19:51

2/2

Man kann davon ausgehen, dass die Zustände an den Schulen genau so gewollt sind, wie sie heute sind..

Selbstverständlich haben die Planer in den Thinktanks konkrete Vorstellungen über die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung. Man weiß, dass entgegen den Fake-News in den Medien der Bedarf an Arbeitskräften durch Automatisierung und Roboterisierung drastisch sinken wird.

Ein großer Teil der heutigen Schüler wird zum Heer der überflüssigen Menschen gehören. Diese an guten Schulen kognitiv zu qualifizieren, würde nur Probleme schaffen und es wäre zum großen Teil hinausgeworfenes Geld.

Denn das heutige Wirtschaftssystem wird zu einer neo-feudalen Postwachstumsökonomie werden. Das wissen wir, es wird offen beim „Great Reset“ formuliert. So wird die „grüne Revolution“ aussehen.

Damit kommen wir zur Frage, in welchem Zusammenhang die gentechnischen Impfungen mit der zu erwartenden Zunahme der Massen von überflüssigen Menschen stehen?

Am besten nicht darüber nachdenken? Sondern den Kopf in den Sand stecken? Einfach positiv denken? An Gott und seinen Weltenplan glauben?

 

Hartwig aus LG8

27. Juni 2022 20:24

1)

Geehrter Herr Bosselmann,

bzgl. des "großen Bildes" will ich Ihnen nicht widersprechen. Dennoch kann ich auch @RMH unterstützen. Ich habe noch zwei Stiefsöhne in der Schule; der eine müht sich um ein sogenanntes Fachabitur, der andere quält sich zum zweiten mal durch die elfte Klasse; Gymnasium, Sachsen.

Die Jungs können lesen und schreiben, und auch 1 und 1 zusammenzählen. Der abverlangte "Stoff" ist nicht simpel. Allgemeinbildung wäre extrem ausbaufähig. Aber das liegt dann auch am Elternhaus .... was habe ich mich bemüht (das geht beim Inhalt eines Werkzeugkastens los ... ), aber man kämpft gegen alles mögliche, insbesondere gegen Smartphone, "Gaming-Laptop" etc.  Ich kenne die Mühen der Ebene und bitte auch nicht um Ratschläge und Belehrungen.

                                                                                                      .....

Hartwig aus LG8

27. Juni 2022 20:26

2)

Frontalunterricht: Hatte ich fast ausnahmslos während meiner Schulzeit. Kenne nichts anderes und halte die Alternativen für überbewertet.

Aber dann: Vor wenigen Wochen ein dreitägiges Fortbildungsseminar. Vortrräge und Schulungen mit Frontalunterrichtscharakter. Spätestens zur Mittagspause war ich platt  und fragte mich, wie Kinder so etwas aushalten. Na, vielleicht, weil es Kinder sind ...  Und dann doch am dritten Tag um 13 Uhr die Bestätigung einer alten Erkenntnis: Ein kleiner und eher rundlicher Herr betrat dem Raum und berichtete gemäß Seminarplan vom derzeitigen Beschaffungswesen (IT-Hardware). Seine Augen funkelten, immer ein verschmitztes Lächeln im Gesicht, ganz ohne ppt auskommend, frei vortragend ... lebendig, witzig, rhetorisch begabt, ein plastischer Vortrag mit Pointen und echtem Erkenntnisgewinn für die Zuhörer.

Es kommt eben immer auf denjenigen an, der vorträgt und vermittelt .... den Lehrer.

Laurenz

27. Juni 2022 22:44

@Imagine

Ihre These zum Neo-Feudalismus, aus dessen Ursprung, dem Feudalismus, noch das Beamtentum (Karriere nach Bildungsstatus & nicht nach Leistung) stammt, ist zur üblichen, exakten HB-Realität des Artikels, in meinen Augen die beste. Umso mehr Nachkommen aus dem Volk ins Bildungs-Prekariat kommen, umso größer sind die Chancen privat unterrichteter Nichtsnutze aus der Ober- & politischen Schicht. Auch die fiktionalen Genderwissenschaften bieten akademische Abschlüsse für Linke um im Beamtentum, ohne jegliche Leistung, Karriere zu machen. Das gesamte Bundeskabinett hat keinen Lebenslauf, der zu einer privatwirtschaftlichen Anstellung ausreichen würde. Bärbock, (Zitat Tim Kellner:) das intellektuelle Stalingrad oder Hiroshima, ist so dumm wie Bohnenstroh. Die permanente, medial vorgetragene Ahnungslosigkeit von Bärbock oder Lambrecht, ist nicht zu ertragen.  https://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/lebenslaeufe-der-aktuellen-kabinettsmitglieder/

RMH

28. Juni 2022 09:03

"Das gesamte Bundeskabinett hat keinen Lebenslauf, der zu einer privatwirtschaftlichen Anstellung ausreichen würde." (Laurenz).

Stimmt so pauschal nicht, allen voran der Bundeskanzler Scholz hätte auch weiter als Anwalt arbeiten können (immerhin Fachanwalt - bekommt man auch nicht auf Zuruf, sondern nur gegen Zusatzprüfung und erhebliche Praxisnachweise). Aber Scholz ist eher ein Auslaufmodell, womit die These so langsam von der Wirklichkeit eingeholt wird. Insbesondere jüngere Politiker setzen vom Studium an alles auf die Karte Dauerpräsenz in der Partei, um dort dann Karriere zu machen - darüber wird dann auch das Studium vernachlässigt und wenn es, spöttisch formuliert, dann nicht zum Ghostwriter reicht, gibt man dann eben zumindest "ehrlicherweise" das Studium ohne Abschluss auf (auf rechter Seite darf an M. Sellner erinnert werden - hat er sein Jus-Studium über seine Laufbahn als "Aktivist" zu Ende gebracht?). Wenn Parteien so abgekoppelt vom realen Leben ihren Nachwuchs heranzüchten, setzt sich das langfristig eben durch. Der AfD selber sollte das eine Warnung sein - aber leider ist sie auch auf jeden angewiesen, der sich noch traut zu exponieren, so das Wunschvorstellungen wie, einen Listenplatz bekommt bei uns nur, wer mindestens 10 Jahre echte Berufserfahrung hat, Wunschvorstellungen bleiben werden.

Imagine

28. Juni 2022 11:01

1/2

Mir fehlt das gesellschaftliche Gesamtbild, man sieht den Wald vor Bäumen nicht.

EU, Euro, Griechenland“rettung“, muslimische Massenimmigration, Corona-Despotie, gentechnische Zwangsimpfungen, Stellvertreterkrieg gegen Russland mit Kriegseskalation, Psywar und Wirtschaftskrieg gegen China, wirtschaftszerstörende Sanktionen, Sonderkredite fürs Militär, Bildungskatastrophe, katastrophale Zustände in der Infrastruktur, durch Bullshit-Jobs verschleierte Massenarbeitslosigkeit, Erhöhung der gesellschaftlichen Spannungen in den USA durch Abtreibungsverbot, Great Reset  usw. usf.

Das sind die einzelnen Bäume, aber dahinter steckt ein Gesamtplan, nämlich Totalumbau des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems.

Aber die Medien schweigen dazu. Es gibt zwar vereinzelte Intellektuellen, die auf den Gesamtzusammenhang hinweisen, aber die Massen wollen dies gar nicht wissen. Die Parteien – einschließlich Linkspartei und AfD – thematisieren dies nicht. Auch nicht das oppositionelle systemkonforme, linkssozialdemokratische Milieu (z.B. NDS). Oder das rechte Milieu.

Sie alle stecken den Kopf in den Sand, denken positiv und hoffen, dass alles gut geht.

Imagine

28. Juni 2022 11:03

2/2

Was haben die Gesellschaftsplaner und –entscheider vor? Was soll mit den Millionen der überflüssigen Menschen geschehen, die man in subventionierte Arbeitsplätze bringt oder in unproduktiven Bullshit-Jobs hält oder als Sozialhilfeempfänger alimentiert?

Werden diese ein BGE bekommen oder – wie andere befürchten – wird es einen Genozid geben? Z.B. mit Biowaffen und Gentechnik, getarnt als Pandemie. Es wäre nicht der erste Genozid in der Menschheitsgeschichte.

Oder macht man den Großteil der Gesellschaft zu Sozialhilfeempfängern auf dem Niveau eines Dritte-Welt-Landes?

Wir kennen noch nicht die konkreten Zukunftsvorstellungen und –pläne der herrschenden transnationalen Klasse.

Was jedem Menschen mit einem Rest von Intelligenz klar sein dürfte: Wir befinden und inmitten eines Totalumbaus des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems.

Maiordomus

28. Juni 2022 11:38

Die kritischen Beiträge, dass Schule wohl kaum mehr je das werden kann, was sie zur Zeit des Humboldtschen Gymnasiums noch war, auch nicht zur Vor-68-er Zeit, ändern nichts an der durchaus möglichen Realisierung alternativer, stärker leistungsorientierter hochhumanistischer Bildungsmodelle. Auch bleibt es dabei, dass es vielerorts soga im heutigen Bildungssystem Nischen gibt, einzelne Fachlehrer, die auf ihre Weise durchaus da und dort als charismatische Erwecker wirken können, welch letztere selbst  zur Zeit des Porta-Schülers Nietzsche eine Ausnahme bildeten, in der Regel zumindest umstritten waren. Mir ist indes noch aufgefallen, dass zur Zeit des 3. Reiches bei einem von Nonnen geführten Mädchengymnasium in Dillingen, wo u.a. eine hervorragende Historikerin wirkte (sie war in der Aussenwirkung damals zwar durchaus umstritten) , der Einfluss des NS-Systems weit geringer war als heute der zeitgeistige Einfluss praktisch an jeder beliebigen Schule. 

Umlautkombinat

28. Juni 2022 11:38

Sie haengen viel zu stark an dem Planungsaspekt, Imagine. Ein typisch marxistischer Fehler. Von oekonomischen Gesetzen reden (also sich unabhaengig durchsetzend), aber letztlich subjektiven Dirigismus durch Leute als vollstaendig entscheidend proklamieren. Beides geht nicht. Genau das hat der "real existierende Sozialismus" gezeigt. Aber beim naechsten Mal wird sicher alles besser.

"Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten."

Die Umbauer sind nicht Gott. Dinge entwickeln Eigendynamik, schon Oekonomie allein ist dahingehend eisern.

 

Maiordomus

28. Juni 2022 11:55

PS. Ob HB , wie hier angeregt, vielleicht mal Direktor einer wirklich guten privaten Schule werden kann, würde auch davon abhängen, ob er eher eine pädagogische Führungspersönlichkeit ist oder doch vielmehr ein schlicht origineller begeisternder Lehrer, z.B. als charismatischer Erzähler Meister des Frontalunterrichts, wie von Canetti einer seiner Zürcher Gymnasiallehrer in der "Geretteten Zunge" beschrieben. Das sind sehr unterschiedliche Begabungen. Auch wären die Führungseigenschaften eines pädagogischen Genies wie Pestalozzi heute nicht nur umstritten, wahrscheinlich echt nicht mehr praktikabel. War oder wäre HB wirklich ein so begeisternder Lehrer, wie er sich hier theoretisch andeutet, würde durch sein oder ähnlich andere Berufsverbote ein unbezahlbarer Millionenschaden angerichtet, der eines Tages in der berechtigten Forderung nach Genugtuung gipfeln könnte. So weit Forderungen jedoch in die Millionen gehen, müssten sie statt z.B. an die Erben hauptsächlich in Investitionen in entsprechende Schulen fliessen. Eher als HB könnte ich mir BH als Schulrektor vorstellen, was ich hier wiederholt angeregt habe. 

Imagine

28. Juni 2022 12:53

Überall in der Top-Politik und in Großunternehmen gibt es Planungsabteilungen und Stäbe. Otto Normalo sowie die KMUs haben meist keine Ahnung, wie die Planungen und Entscheidungen auf Top-Ebene getroffen werden. Denn das ist nicht ihre Welt und sie haben auch keinen Zugang zu Informationen, sondern es ist die hermetisch abgeschirmte Welt der internationalen Eliten.

Jede Planung auf diesem Niveau beinhaltet Analysen und die Darstellung von vermuteten Szenarien, einschließlich der unwahrscheinlichen und von GAUs. Darauf aufbauend gibt es ein Spektrum von Interventionsplänen (Plan B, C …)

Damit ist noch nicht determiniert, welchen Plan die Entscheider im konkreten Fall zu Anwendung bringen.

Zugleich stellt sich damit die Frage, wer sind die Entscheider, wie und wo entscheiden sie.

Umlautkombinat

28. Juni 2022 13:53

> Damit ist noch nicht determiniert, welchen Plan die Entscheider im konkreten Fall zu Anwendung bringen.

Sie sehen, glaube ich, den Unterschied immer noch nicht, auf den es mir ankommt. Natuerlich wird geplant und dann wird versucht (Unterschied!), diesen Plan zur Anwendung zu bringen. Im selben Moment erfolgt spaetestens der Kontakt zur Realitaet. Die haelt sich bei den Gesellschaftsdoktoren letztlich oefter nicht an deren Plaene, als dass sie es tut. Speziell nicht, wenn dessen Voraussetzungen fehlerhaft sind (s.o.). Und allgemeiner nicht, wenn sich wesentliche Randbedingungen irreversibel geaendert haben. Wenn z.B. Mehrwert zu immer groesserem Teil in eine Staats(auch Ueberstaats)-/Finanz-/Konzernfettschicht abgezogen wird und der Bevoelkerung immer weniger bleibt. Ironischerweise macht es gerade das zentralistisch regierte China besser, welches Hunderte Millionen aus absoluter Armut gehoben hat, mit bei allen totalitaeren Grundfasern des Systems letztlich trotzdem einem Plus im Vergleich zum Westen. Dazu das Ganze noch auf der Ebene der materiellen Produktion erreicht und vorangetrieben, mit gleichzeitigem Verlust auf eben diesen Gebieten im Westen. Mal sehen, wer unter diesen Voraussetzungen besser durch die naechsten Jahrzehnte kommt.

Gustav Grambauer

28. Juni 2022 18:42

"2010, als ich in Kasan war, habe ich mich mit einem Kameraden unterhalten, der schon mehr als 10 Jahre in Amerika unterrichtet. Er hat gesagt: 'Ich verstehe nicht, was mit den Amerikanern los ist. Ich dachte, sie schmeißen mich nach einem Jahr raus, weil ich nicht einmal die Sprache beherrscht habe. Aber die haben gesagt:

– Nein, unterrichte weiter!

– Aber ich habe denen doch überhaupt nichts beigebracht.

– Du musst denen nichts beibringen.

– Wieso das denn? Wofür bezahlt ihr mich denn dann?

– Wissen Sie, diese Frage hat uns auch lange beschäftigt. Wir hatten ja ganz normale Schulen. Aber uns wurde dann klar, dass diese ganze Masse, die in die Schule geht, später einfach im Supermarkt an den Kassen sitzt, als Verlader oder an Tankstellen arbeitet. Wozu brauchen diese Leute die Gesetze der Physik, Chemie und Astronomie? Und das ist eine große Herausforderung für uns in der Zukunft. Die Regierung Amerikas hat einfach verstanden, dass es billiger ist, Schulen zu bauen als Gefängnisse. So sieht die Alternative aus – entweder Schule oder Gefängnis. Andernfalls kommt die ganze Jugend, wenn man sie nicht hinter ihre Schreibtische klemmt, auf die schiefe Bahn.'

Darauf fußt ihre liberale Vielfalt." - Zaznobin, zitiert bei Pjakin

- G. G.

Kurativ

28. Juni 2022 23:03

Ich habe mir das Lesen und Schreiben zumeist selber beigebracht. Zuerst über Werbeplakate, dann über Magazine und Zeitungen. In der Schule hatte ich nichts verstanden und nicht gepunktet. Es gab mehrere Lehrerwechsel in einem "modernen" SPD-Bundesland und das war es dann. Dafür war der Mathematikunterricht sehr gut. Die Inhalte waren "modern", die Form war traditionell frontal.

Vor einigen Jahre habe ich zufällig einen Unterricht (5 Klasse?) in Polen beobachtet. Sehr strukturiert, sehr übersichtlich, vorausberechenbar, diszipliniert, Frontalunterricht natürlich.

Jungen Menschen brauchen Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und sie müssen wissen, was kommt und was sie tun müssen um zum Erfolg zu kommen. Alles andere bedeutet Stress und führt zu Störungen und Aggressionen.

Die Kreativität kann später kommen. Erst braucht man das Handwerkszeug.

Imagine

29. Juni 2022 08:38

@Umlautkombinat   28. Juni 2022 13:53
„Ironischerweise macht es gerade das zentralistisch regierte China besser, welches Hunderte Millionen aus absoluter Armut gehoben hat, mit bei allen totalitaeren Grundfasern des Systems letztlich trotzdem einem Plus im Vergleich zum Westen. Dazu das Ganze noch auf der Ebene der materiellen Produktion erreicht und vorangetrieben, mit gleichzeitigem Verlust auf eben diesen Gebieten im Westen.“

Im Unterschied zum Sowjetkommunismus besitzt China kein zentralwirtschaftliches System, wo oben geplant und entschieden wird und dann top-down umgesetzt wird. Es ist eher so, dass die KPCh dafür sorgt, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten nicht im Widerspruch zum Gemeinwohl und den sozialistischen Zielen stehen.

Anders als die Sowjetunion, in der nie bei den Massen das Wohlstands- und Konsumniveau wie im Westen erreicht werden konnte, geschweige denn überholt wurde, ist China in diesem Punkt eine echte und zudem zunehmende Systemkonkurrenz.

Maiordomus

29. Juni 2022 11:02

@Imagine. Interessant, wie Sie mit dem Staatszweck "Gemeinwohl" gleiche prinzipielle Auffassung betonen wie Aristoteles, Thomas von Aquin, Pufendorff und Oswald von Nell-Breuning, bei dem die kluge Foristin @Monika studiert hat. Dabei haben Chefideologen der neoliberalen Schule, so  Hayek u. Milton Friedman sowie Popper (hörte von diesen dreien Vorträge, echt interessant, stellen Sie sich vor, Sie hätten noch Marx gehört!) in ihrer Eigenschaft als Klassiker Begriffe wie "Gemeinwohl" und "gerechter Lohn" abgelehnt, und zwar als absolut "metaphysisch", wie eines ihrer Lieblingsschimpfwörter lautete. Ob es Röpke es auch so hielt, der klar konservativer war als die genannten, von Ihnen auch deswegen als völlig veraltet kritisiert,  ist mir nicht bekannt, weil er in dem Jahre (1966), da ich mich für diese Zusammenhänge zu interessieren begann, an einer Herzattacke betr. Ärger über unerfreuliche Entwicklungen, verstorben ist. Es gab aber bei ihm, wie bei Ihnen, Kriterien "jenseits von Angebot und Nachfrage" (Buchtitel).

Maiordomus

29. Juni 2022 11:18

@Imagine. Zu Ihrer Begrifflichkeit "Gemeinwohl", die ich keineswegs grundsätzlich kritisiere: Ist es möglich, dass Sie in Ihrem Studium neben moderneren Autoren noch Ernst Bloch konsultiert, sogar gehört haben? Ein eindrucksvoller Titel von ihm, aus dem ich aber nicht auswendig zitieren kann, lautet "Naturrecht und menschliche Würde", was sowohl scholastisch als auch kantianisch tönt. Für ein gegenwärtiges Projekt ist  für mich von Bloch "Atheismus im Christentum" wichtiger. Bin gespannt, ob dies für Sie auch mal eine Orientierung war. Dabei betonte der brit. Kardinal Mannings, von Röpke zitiert, dass wichtige polit. Meinungsverschiedenheiten theologische Meinungsverschiedenheiten seien. Dies hat EricVoegelin bei Analyse der Frühschriften von Marx nachgewiesen, mit dem für den selben wichtigen prometheischen Satz "Ich hasse alle Götter", was mit einem dumpfen Vulgäratheismus natürlich so wenig zu verwechseln ist wie Nietzsche. Die marxistisch orientierten Theologen kennen jedoch diese Frühschriften nicht und im Gegensatz zu Bloch auch nicht das Gnosisproblem, welches bei Christentum und Marxismus viele unhaltbare Ideologeme produziert hat.  Die wenigsten von denen sind so belesen und auch ähnlich desillusioniert wie Sie, geschätzter Kollege. 

Imagine

29. Juni 2022 15:07

1/2

@Maiordomus

So wie die meisten meiner Freunde und Bekannten, komme ich aus einem christlichen Elternhaus. Die wenigsten dieser Familien waren parteipolitisch ausgerichtet, sondern „weder links noch rechts“. Ich selbst ging gerne und regelmäßig in den Kindergottesdienst und später in den Konfirmationsunterricht. Das dort vermittelte Menschenbild einer Menschheitsfamilie aus brüderlichen, solidarischen und hilfsbereiten Menschen („alle Menschen sind Gottes Kinder“) hat mich sehr angesprochen. „Gemeinsinn geht vor Eigensinn“ war eine Maxime, die in unserer Familie vertreten wurde.

Unser Gymnasium war konservativ im christlich-humanistischen Sinne. Es gab einen Nazi unter unseren Lehrern, der stolz darauf war, SA-Mann gewesen zu sein. Er war ein nationalsozialistischer Idealist, der uns vor den Lügen übers nationalsozialistische Deutschland schützen wollte.

Ansonsten gab es einen Konsens: „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“. Rassismus und Chauvinismus waren verpönt, ebenso Egoismus, Geiz und Geldgier.

Als Schüler schwärmten wir für die deutschen Tugenden. Viele waren freiheitsorientiert und verfassungsidealistisch. Daher wollten wir die von der Verfassung garantierten individuellen Freiheitsrechte gegen deren Einschränkungen oder Abschaffungen durch die Notstandgesetze verteidigen. Damals entstand die APO, eine verfassungskonservative Bewegung, die sich politisierte und die immer systemkritischer wurde.

Imagine

29. Juni 2022 15:10

2/2

Zur Schulzeit waren wir nationalkonservativ, liberal und antikommunistisch eingestellt gewesen, durch die APO und die Beschäftigung mit soziologischer Wissenschaft wurden wir zu Kapitalismuskritikern.

Diese Entwicklung war möglich, weil wir von Elternhaus und Schule nicht einseitig indoktriniert worden waren. Das ist anders bei Kindern, die aus rechten, linken oder marktradikalen Milieus kommen.

Daher konnten wir uns undogmatisch und sachorientiert der gesellschaftlichen Wirklichkeit nähern.

Marx habe ich erstmals im Studium gelesen. Unser Zugang zu Marx war ein ganz anderer als in der DDR. Iring Fetscher et al. haben damals ganz wesentlich das Marxverständnis der undogmatischen Linken beeinflusst.

Die Maxime der Gemeinwohlorientierung ist bei mir entscheidend durch mein christlich-humanistisches Umfeld beeinflusst worden.

Imagine

29. Juni 2022 19:37

1/2

@Umlautkombinat   28. Juni 2022 13:53
Sie sehen, glaube ich, den Unterschied immer noch nicht, auf den es mir ankommt. Natuerlich wird geplant und dann wird versucht (Unterschied!), diesen Plan zur Anwendung zu bringen. Im selben Moment erfolgt spaetestens der Kontakt zur Realitaet. Die haelt sich bei den Gesellschaftsdoktoren letztlich oefter nicht an deren Plaene, als dass sie es tut.“

Aus meiner Sicht muss man zweierlei unterscheiden, nämlich einerseits die Pläne und deren Umsetzung sowie die Frage der Zielerreichung, zum anderen den Gesellschaftsprozess.

Das primäre Ziel der Oligarchen ist, ihre Herrschaft und das System zu erhalten, welches sie reicher und mächtiger macht.

Genau dies funktioniert. Die Reichen, insbesondere die Superreichen, werden reicher und mächtiger. Sie haben die Demokratie und den Rechtsstaat zu Fassaden gemacht, so dass die große Mehrheit der Bevölkerung sich nicht dagegen wehren kann, dass sie entrechtet und ärmer werden. Zu mehr als ineffektiver Symbolpolitik sind die oppositionellen Aktivisten nicht in der Lage.

 

Imagine

29. Juni 2022 19:47

2/2

Eine andere Frage ist, ob das herrschende Establishment den Gesellschaftsprozess so steuern will und kann, dass das Ganze nicht zu einem Zusammenbruch der zivilisatorischen Matrix und in eine Menschheitskatastrophe führt, so wie dies in Europa beim WKI und WKII der Fall gewesen war.

Der Gesellschaftsprozess als Ganzes – so meine These –ist in den kapitalistischen Gesellschaften „out of control“ und im Stadium nicht mehr steuerbarer eigengesetzlicher Selbstorganisation. Es wird für die kapitalistischen Gesellschaften kein Happy End geben, sondern der Prozess geht in Richtung Zivilisationszusammenbruch und barbarische Despotie.

Genau dies meint Robert Kurz, wenn er von der kapitalistischen Gesellschaft als der größten Selbstmordsekte der Weltgeschichte spricht.

Für das herrschende Establishment gibt es keine roten Linien mehr. Die individuellen Freiheitsrechte werden genauso wenig gewahrt wie die körperliche Unversehrtheit und die Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Das zeigt das Corona-Szenario.

 

Maiordomus

29. Juni 2022 21:09

@Imagine. Ihre Antwort finde ich beeindruckend, falls Sie sich bei Frau K. erkundigen, erfahren Sie meine private Mailadresse, welche Sie betr. die Ihre, falls interessiert, dort auch an mich weitergeben könnten. Persönlich finde ich den Gemeinwohlbegriff zum Beispiel via Pufendorff, der auch Rousseau beeindruckte, besonders interessant, weil derselbe nicht vom Katholizismus her, sondern von der deutsch-protestantischen Aufklärung geprägt war, indes noch klar vorkantisch und auf seine Weise aber erst recht idealistisch, unweit Leibniz, aber stärker via das praktische Gemeinwohl orientiert. 

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