Woran das liegt? An der Lage der Dinge, die, denkt man über sie nach, ganz furchtbar ist. Sie ist furchtbar, weil die Bewegungsgesetze der Gesellschaft unserer Zeit es vermochten und immer gründlicher vermögen, das, was wir einander sein könnten, durch Verwertungsverdacht zu ruinieren. Immer steht die Frage im Raum: Was will der andere gewinnen, wenn er sich bei uns beteiligt, was haben wir ihm abgenommen, wenn er wieder geht?
Ist das schwer zu verstehen? Unser Sommerfest liefert Beispiele:
1. Der ehemalige Linke und Dramaturg Anselm Lenz, ein kreativer Kopf und vor allem ein Bürger mit seltenen Eigenschaften, setzte sich am Fest-Sonntag mit dem AfD-Fraktionschef Christoph Berndt (Brandenburg) auf ein Podium, um über den Corona-Maßnahmen-Staat und den Widerstand dagegen zu diskutieren – moderiert von Martin Lichtmesz, der sich in unseren Reihen als akribischer Beobachter und Protokollant des Ausnahmezustands hervorgetan hat.
Warum luden wir Lenz ein? Aus demselben Grund wie Berndt: weil beide sich konsequent gegen die Angsterzählung der wohl ersten Pandemie wandten, deren tödliche Bedrohlichkeit man den Menschen einreden, einbläuen, einimpfen mußte. Uns leitete im Hinblick auf dieses Podium der Wunsch, an die Mikrophone drei Männer zu setzen, deren Erfahrung mit der Kriminalisierung von Protest, Opposition und abweichender Meinung sich vielen Lesern mitteilen sollte.
Daß diese Diskussionsaufstellung einer jener Momente war, der vor und nach unserem Fest ganz im Sinne einer “Gesellschaft des Spektakels” skandalisiert wurde, war jedenfalls in der Vorbereitung kein Motiv für uns. Wir haben das vermeintlich Skandalöse daran weder einkalkuliert noch darauf spekuliert. Aber natürlich irritierten der abtrünnige Lenz und der Graswurzel-Politiker Berndt die Gegner (Gegner, die ebenso wie wir ins politische Spektakulum integriert sind und ihre Rolle zu spielen haben).
2. Der ehemalige Politiker und mittlerweile langjährige Journalist Mathias Brodkorb hatte als einziger Medienvertreter außerhalb der mit uns sympathisierenden freien Publizisten eine Akkreditierung für unser Sommerfest erhalten. Warum? Vielleicht hat er nicht so saublöd angefragt wie die anderen, sondern besser vorbereitet, substantiell kritisch, bereit zur Diskussion über Sichtweisen, Perspektiven, unerklärliches Anders-Sein, das also, was abweicht.
Ohne, daß jemand bisher eine halbe Zeile von dem hat lesen können, was Brodkorb zu Papier bringen wird, bewertet das uns feindlich gegenüberstehende Milieu dessen journalistische Herangehensweise als Konsensstörung: zu uns könne man nur reisen, wenn man mit einer “Haltung” auftrete. Diese empfohlene Wahrnehmungshaltung kennen wir genau: Sie ist vor allem die Haltung einer Vorverurteilung. Sie sieht selektiv denunziatorisch, folgt dem Rudel, käut wieder, wagt keinen freien Blick, lutscht am Ausgelutschten, bringt den fertigen Artikel sozusagen zur Recherche mit, wiederholt Chiffren.
Brodkorb ist keiner von uns, mitnichten, und vielleicht ist sein Beitrag, der irgendwann über dieses Fest geschrieben sein wird, viel ungemütlicher für uns als der immergleiche Senf, mit dem andere Publizisten hervortreten. Sie schreiben im Grunde voneinander ab, wagen nichts, tun vielmehr alles, um sich von den Leithammeln ja nicht zu unterscheiden.
Brodkorb in Schnellroda: Spekulierten wir auf einen Skandal? Nein, wieso sollten wir die Anwesenheit von Journalisten thematisieren? Bloß war klar: Selbst journalistische Anwesenheit würde, bevor ein Wort gefallen und ein Satz geschrieben wäre, bereits als “Statement” interpretiert werden, Recherche ohne überdeutlich antifaschistische Haltung nicht ins Hygienekonzept der Gegner passen.
3. Ukraine: Selbstredend konnte unser Sommerfest ohne ein Podium zu diesem Thema nicht auskommen. Wir luden Dr. Daniel Zerbin (MdL in NRW) und Dr. Hans-Thomas Tillschneider (MdL in Sachsen-Anhalt) ein, Gegenpole mit Berührungsflächen. Lehnert moderierte. MdB Sebastian Münzenmaier war vorgesehen gewesen, hatte aber am Vortag abgesagt.
Der Saal war überfüllt, die Luft zum Schneiden, die Diskussion hart genug, die Standpunkte deutlich verschieden. Über eines aber herrschte Einmütigkeit: daß über den Ukraine-Krieg nicht sprechen sollte, wer vom Ukraine-Konflikt nichts wissen wolle. In den Gesprächen nach der Debatte wurde oft selbstkritisch geäußert, daß man sogar als kritisch geschulter Medienkonsument aufgrund des offiziellen Trommelfeuers aus Propaganda, Begriffsetzung und Verteufelung fast vergessen habe: Auch dieser Krieg hat eine Vorgeschichte.
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Drei Beispiele – so wenig reicht für eine Skandalisierung aus, und nun haben wir noch gar nicht auf das im Feuilleton immer wieder aufgespießte Literarische Trio verwiesen, das Susanne Dagen und Ellen Kositza am Sonntag vor großem Publikum zusammen mit dem Gast und Verleger Konrad Weiß bestritten.
Der eigentliche Skandal spielte sich indes vor dem Einlaß auf unser Festgelände und vor der Tür in den Vortragssaal des Gasthofes ab: Zwar waren weniger als zehn Antifa-Typen da (die dennoch zugestanden bekamen, für zwei Stunden die Ortsdurchfahrt mit einem Infostand auf der Mitte der Straße zu blockieren); hart ging es uns aber an, daß vier als Journalisten auftretende Fotografen jeden, wirklich jeden Teilnehmer aus nächster Nähe fotografieren durften und daß diese Bildergalerien nun im Netz veröffentlicht sind.
Die Einsatzleitung der Polizei, die mit viel zu vielen Kräften unsere Veranstaltung vor dem gewaltbereiten halben Dutzend schützen zu müssen vermeinte, unterband dieses Fotografieren nicht: Es gehöre zur Freiheit der Presse. Wir stellen das seit Jahren infrage. Jeder Bildbericht über unser Fest käme nämlich mit fünf, sieben, zehn Aufnahmen aus – der Einlaß, die Stellwände, das Zelt, ankommende Teilnehmer, der Gasthof, ein Büchertisch, Prominenz.
Porträtaufnahmen von einzelnen Teilnehmern gehören überhaupt nicht zu dieser Darstellungsfreiheit, die von den Fotografen reklamiert wird. Dies wird bereits daraus deutlich, daß sie diese Porträts gar nicht veröffentlichen dürfen. Warum schießen sie sie dann überhaupt? Sie schießen sie, weil sie die Bildergalerien natürlich trotzdem veröffentlichen – bloß ist es keinem von uns möglich, diese anonym ins Netz gestellten Galerien genau diesem oder jenem Fotografen zuzuordnen.
Das ist schon der ganze Trick. Er wird seit Jahren angewandt und wird von den staatsabhängigen Medien nicht thematisiert.
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Zurück zum Verwertungsverdacht: An der “Gesellschaft des Spektakels” haben wir uns mit unseren Buchmesse-Auftritten, mit Aktionen, mit provokanten Reden und prominent besetzten Veranstaltungen beteiligt, obwohl wir von einem schlichten Sommerfest ausgingen. Wir werden es wieder tun, werden wieder ein Fest organisieren, zum Stein des Anstoßes werden – und dabei zusehen können, wie unsere Gegner nicht ihre, sondern unsere Fahne wieder ein Stück weiter nach oben ziehen.
Jenseits von solchen Erwägungen, weit entfernt davon, war unser Sommerfest wirklich ein Fest für unsere Leser. Über 400 kamen, über 20 Helfer sorgten für einen reibungslosen Ablauf. Der Wirt schenkte aus, der Metzger stopfte, als es knapp wurde, nächtlich Würste nach, der Platz-Chef rollte Fässer, “fröhliche Patrioten” schnitten Kuchen auf, spülten Tassen, belegten Brote und regelten den Verkehr.
Im Saal stets jeder Platz besetzt, neun mitgeschnittene Veranstaltungen, ein breitgefächertes Programm, eng getaktet – mancher wünschte sich ausufernde Debatten ohne zeitlichen Rahmen: Das wäre mal was. Im großen Fest den kleinen Kreis: Solches wünschten sich im Nachgang etliche, bloß geht das nicht mit 400 Gästen.
Ich darf nun den Termin fürs kommende Jahr nennen, bitte vormerken: Wir feiern am 8. und 9. Juli und werden für das gesamte Programm und für Essen und Trinken wieder 30 €, vielleicht auch 35 € nehmen – das rechnen wir durch, sobald wir alle Ausgaben von diesem Jahr untereinander geschrieben haben. Das Motto bleibt dasselbe – Steigerungsformen:
FranzJosef
Gibt es irgendwo ein Video von der Diskussion mit Lenz, Berndt und Lichtmesz?
Antwort Redaktion:
Kommt alles, abonnieren Sie den "Kanal Schnellroda" auf youtube. bereits veröffentlicht ist das Literarische Trio. Link:
https://www.youtube.com/c/kanalschnellroda