weil er – als einstiger Kader der maoistischen Splittergruppe KPD / AO – eine konzise Geschichte der 68er-Bewegung samt ihren unterschiedlichen Fortbeständen und Ausläufern vorlegte.
Der gläserne Sarg (Berlin 2018) war spannend zu lesen, speziell auch für Nichtzeitgenossen im allgemeinen und Nichtlinke im besonderen. Aufschlußreich war unter anderem, daß Jasper das Phänomen der Karrierewege jener Ex-Maoisten und Ex-Linksradikalen anschnitt, die heute das Establishment durchziehen und ihre alten Ideologien zugunsten markt- oder linksliberaler Agenden abstreiften. Letzteres trifft unterdessen auf Jasper selbst zu, wie sein neues Buch Faust oder Mephisto? unterstreicht.
Eine »aktuelle Krisengeschichte« europäischer Intellektueller soll es qua Eigenanspruch darstellen; eine einigermaßen zusammenhanglose Schau linker bzw. linksliberaler Intellektueller ist es geworden. Daß ein dezidiert politischer Autor parteiisch ist, seinen Gegenstand empathisch behandelt und klare Standpunkte ergreift, wäre dabei für sich genommen naturgemäß kein Problem; wenn Jasper indes eine kurze Geschichte linker Intelligenz vorlegt, die mit fast jeder ihrer Zeilen langweilt, schon.
Gewiß: Der Einstieg Jaspers über die Dreyfus-Affäre am Ende des 19. Jahrhunderts und die auf sie folgende langlebige Teilung des geistigen Frankreichs in eine republikanische, linke, später antifaschistische Intelligenz und ein rechtes, gegenrevolutionäres, gelegentlich philofaschistisches Pendant ist interessant, aber beileibe kein Alleinstellungsmerkmal.
Die folgenden losen Gedankenfolgen über Goethe, EU-Europa oder »Transnationalismus« ermüden den Rezensenten, der allenfalls dadurch für einen flüchtigen Augenblick in Wallung zu geraten droht, weil er sich über banale Fehler (Sarah Wagenknecht statt Sahra, Neue Züricher Zeitung statt Neue Zürcher Zeitung) oder nicht minder banale Ideologieeinsprengsel ärgert (Ernst Jünger und Friedrich Sieburg, die daran arbeiteten, den Hitler-NS »salonfähig« zu machen).
Immerhin die Schlußpassage bietet wissenswerte Stellen über einen linken Dissidenten. Doch hat man die darin enthaltenen Informationen über Rudolf Bahro als Leser anderswo längst prägnanter aufbereitet bekommen.
Willi Jaspers Neuerscheinung ist damit weder für politisch interessierte Zeitgenossen im allgemeinen noch für Nichtlinke im besonderen lesenswert. Es hält für beide möglichen Zielgruppen schlichtweg keinen Erkenntnisgewinn bereit, und schlecht geschrieben ist es auch.
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Willi Jasper: Faust oder Mephisto? Europas Intellektuelle – eine aktuelle Krisengeschichte, Bonn: Dietz Verlag 2021. 182 S., 22 €
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