Ein Grund ist, daß die Partei Die Linke in Deutschland traditionell mit »dem Volk« fremdelt. Sie stellt antifaschistische Ideologie über immaterielle und materielle Interessen des »kleinen Mannes«, den sie für potentiell »rechts« und »kleinbürgerlich« hält, jedenfalls nicht zwingend für vertrauenswürdig.
Ein weiterer Grund, der mit dieser Haltung freilich verbunden ist, bleibt auch lange nach »2015« die Apologie der offenen Grenzen »für alle«. Diese abstrakte Forderung mündete nun, ausgerechnet in Sachsen, in eine konkrete Tat.
Marcel Leubecher berichtet in der Tageszeitung Die Welt (v. 12.9.2022) darüber, daß ein Linkspartei-Büro »offenbar bei Einschleusungen« half. Was war passiert?
Am vergangenen Samstagabend wurden laut Kreisen des Landtags sieben Nordafrikaner bei der unerlaubten Einreise aus Polen nach Görlitz von Polizisten beobachtet. Kurz daraufhielt nach Dokumenten, die WELT vorliegen, ein Skoda Octavia an und fuhr zunächst vier der sieben Personen zum lokalen Büro der Linkspartei,
womit das »Bürgerbüro« eine gänzlich neue Funktion findet, indem die Wähler von morgen dort versammelt werden.
Leubecher führt aus:
Als der deutsche Fahrer wenig später zu den übrigen drei Migranten fuhr, um sie abzuholen, wurde er demnach von der Bundespolizei angehalten. Gegen ihn wurde ein Strafverfahren wegen Einschleusens von Ausländern eingeleitet, wie die Staatsanwaltschaft Görlitz WELT bestätigt.
Handelt es sich bei den Geflüchteten um Ukrainer aus dem Donbass oder gar Armenier aus Bergkarabach? Nein:
Bei den sieben Migranten handelt es sich um sechs Ägypter und einen Algerier,
also um Menschen, die keineswegs aus Kriegsgebieten stammen, sondern aus Handelspartnern der Europäischen Union.
Pikant:
Auf dem Handy des Algeriers befand sich auch die Telefonnummer, mit der die Abholung durch den deutschen Fahrer organisiert wurde,
und diese Handynummer ist, man ahnt es bereits,
auf den Görlitzer Linke Abgeordneten Mirko Schultze angemeldet, zu dessen Büro die Migranten Samstagabend gefahren wurden.
Schultze zeigt sich gegenüber der Zeitung keiner Schuld bewußt. Es gebe »immer mal wieder die Situation«, in der sein Büro um Hilfe gebeten werde:
Es gibt in Görlitz eine Gruppe von Ehrenamtlichen, die Ersthilfe leistet, ihnen stelle ich mein Büro zur Verfügung. In meinem Büro werden die Menschen in der Regel mit einem heißen Getränk versorgt und beraten, wo sie Polizisten finden, um einen Asylantrag zu stellen.
Nur sein Auto sei es nicht gewesen, obschon das Nummernschild die Initialen »MS« aufweist und damit einen entsprechenden Verdacht nährt.
Ein Einzelfall oder die Linke als Teil einer Schleuserallianz?
So oder so:
Seit vergangenem Sommer nimmt die Asylzuwanderung nach Deutschland wieder deutlich zu,
und das kann man dem Bürger künftig nur schwerlich erklären, denn jeder Neuankömmling, so illegal sein Aufenthaltsstatus sein mag, wird durch die Allgemeinheit finanziert. Eine Allgemeinheit, die zunehmend an die Grenzen des finanziell Erträglichen gelangt.
Aus der Linkspartei sind mir keine kritischen oder positiven Wortmeldungen zu diesem Vorfall bekannt. Das ist aber auch naheliegend; die Partei hat andere Sorgen – Existenzsorgen.
Im Motor des grünen Vorfelds, der taz (v. 12.9.2022), liest man bei Pascal Beucker über »die gute Miene zur tiefen Spaltung« bei der parteilinken Konkurrenz.
Spaltung? Davon wollen die (Noch)-Parteichefs Janine Wissler und Martin Schirdewan (noch) nichts wissen. Sie beschwören die »Einheit der Partei«.
Wissler:
Deswegen appelliere ich an alle, wirklich dieses historische Projekt nicht zu gefährden.
Nun, dafür dürfte es zu spät sein. Das mitteldeutsche Antifa-Trio um Katharina König-Preuss (Thüringen), Juliane Nagel (Sachsen) und Henriette Quade (Sachsen-Anhalt) haben eine innerparteiliche Initiative gestartet, Sahra Wagenknecht – als Personifizierung der Spaltung – aus der Bundestagsfraktion auszuschließen, ferner die Fraktionsspitze ihrer Ämter zu entheben.
Die taz berichtet über die Hintergründe des neuerlichen Risses durch die dunkelrote Seele:
Seit dem umstrittenen Bundestagsauftritt Sahra Wagenknechts vergangene Woche, bei dem die Ex-Fraktionsvorsitzende der Bundesregierung vorgeworfen hatte, einen Wirtschaftskrieg gegen Russland “vom Zaun” gebrochen zu haben, brodelt es heftigst in der Partei. Für etliche ist nun endgültig die Schmerzgrenze überschritten.
Beucker gibt die Position des Antifa-Trios wieder:
Mit ihrer Rede habe Wagenknecht „die Verteilungsungerechtigkeit in Deutschland gegen die angegriffene Bevölkerung in der Ukraine ausgespielt, damit Putin in die Hände gespielt und die Redezeit für rechtsoffene populistische Plattitüden verschwendet”.
Die drei werden weiter ausführlich zitiert (ohne Gegenstimmen, versteht sich):
Die Grenze des Erträglichen ist mit Blick auf das Gebaren von Sahra Wagenknecht und ihrer Getreuen schon lange erreicht.
Konsequenzen gab es bisher nicht wie gewünscht. Zwei prominente Austritte haben aber jedenfalls auch nicht zur Entspannung beigetragen: Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, hat die Linkspartei verlassen – auch als Zeichen gegen Wagenknecht, womit er aber König-Preuss et al. keinen Gefallen tat.
Doch Die Linke schrumpft nicht nur auf der einen Flanke. Gewissermaßen auf der anderen Seite der Partei hat mit Fabio De Masi der profilierteste Finanzpolitiker der Linken das Handtuch geworfen. Der Deutsch-Italiener, der in Sachen Wirecard und CumEx deutschlandweit für Furore sorgte, wird oftmals als Wagenknecht-nah gelabelt. Nun ist auch er (vorerst?) parteilos.
Ist dieser Prozeß des Niedergangs zu stoppen? Das wird in dieser Form kaum möglich sein. Dementsprechend frustriert fallen Wortmeldungen aus dem Rest der Partei aus. Die Freie Presse aus Chemnitz (v. 15.9.2022) berichtet:
Die sächsischen Landesvorsitzenden Susanne Schaper und Stefan Hartmann sprachen auf Anfrage von „fruchtlosen Debatten um Personen”. Zu den „Hauptbaustellen” gehöre derzeit anderes — sich in Parlamenten, Verbänden, Vereinen und auch auf der Straße für die Abmilderung der „schlimmsten Auswirkungen dieser Explosion der Lebenshaltungskosten” einzusetzen.
Aber wie soll diese Partei, die so zerrissen ist und kontinuierlich schrumpft, das Zepter auf der Straße in der Hand halten und beispielsweise Bürgerprotest in ihre Bahnen lenken?
Die Süddeutsche Zeitung (v. 14.9.2022) berichtet daher mit einiger Berechtigung darüber, wie »die Linke zerbröselt«.
Auch Boris Herrmann macht naturgemäß Sahra Wagenknecht als zentrale Spaltungspersonalie aus:
Dass die ehemalige Fraktionsvorsitzende Wagenknecht seit geraumer Zeit in der Linken eine Art innerparteiliche Oppositionsbewegung anführt, das weiß nun wirklich fast jeder. Dass sie in Fragen der Wirtschaftssanktionen gegen Russland im Speziellen und des Umgangs mit Wladimir Putin im Allgemeinen eine Position vertritt, die der Beschlusslage ihrer Partei diametral widerspricht, dürften auch die meisten mitbekommen haben,
also: auch die Fraktionsspitze. Herrmann fragt folgerichtig:
Warum in der Haushaltswoche des Bundestags die einzige Rednerin der Linken zur Wirtschafts- und Energiepolitik dann ausgerechnet Sahra Wagenknecht hieß? Das ist ein Rätsel, welches die Partei vermutlich noch länger beschäftigen wird,
also: sofern sie den Krisenherbst und ‑winter in dieser Form überleben sollte.
Aber was macht Wagenknechts Rede so anstößig, jenseits dessen, daß sie eben eine Wagenknecht-Rede war?
Sie hat – von meinem Standpunkt aus – Richtiges und Falsches gesagt. Scharf, aber korrekt war der Angriff in Richtung Regierung:
Das größte Problem ist Ihre grandiose Idee, einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen.
Falsch war die Bezeichnung als »dümmste Regierung«. Denn »dumm« (oder auch unwissend, naiv, unfähig etc.) sind falsche Gewichtungen in bezug auf die grün dominierte Ampel, wie sie auch in AfD-Kreisen zu oft verwendet werden.
Die Grünen wissen, was sie tun. Ihre Politik ist zugleich moralpolitisch grundiert und ideologisch interessengeleitet. Habeck, Baerbock und Co. demnach Unwissenheit oder situative Dummheit vorzuwerfen, entlastet sie sogar von der Verantwortung. Nein: Das innen- wie außenpolitische Desaster dieser Regierung ist konsequent der grünen Norm folgend, was Wagenknecht aber sicherlich ahnt.
Mit ihrer Rede hat sie die Frage der Fragen in der Linken auf Top 1 der innerparteilichen Tagesordnung katapultiert: Wann tritt sie aus? Und folgen ihr mehr als drei Bundestagsabgeordnete?
Falls es mehr als drei Abgeordnete wären, würde die Linke ihren Fraktionsstatus im Bundestag verlieren,
weiß die Süddeutsche, aber weiß auch Wagenknecht und wissen die meisten der Parteifunktionäre. Wohl auch deshalb bleibt – bisher – der ganz große Knall aus. Es geht um Geld, Posten, Arbeitsplätze und Außenwirkung. Letztere ist aber ohnehin dabei, zerstört zu werden.
So oder so: Sahra Wagenknecht wird als »Public Intellectual«, als Medienfigur und wohl auch als Politikerin die Linkspartei überleben.
Ihre Rolle ist – aus unserer Perspektive – durchaus ambivalent zu bewerten.
Einerseits ist sie die beliebteste Politikerin in der AfD-Wählerschaft. Sie vertritt Standpunkte, die hervorragend zur AfD, mindestens im Osten, passen. Es sind souveränistische, populistische und globalisierungskritische Aspekte, die ich in meinem kaplaken-Band Blick nach links analysiere und Schritt für Schritt auf Kompatibilität mit dem Solidarischen Patriotismus abklopfe.
Wagenknecht öffnet – zum Ärger antifaschistischer Türsteher – den Diskursraum für entsprechende weltanschauliche Ansätze und speist zudem realpolitische Impulse in die politische Öffentlichkeit ein. Da kann man ansetzen; das hilft.
Andererseits ist Wagenknecht – aller interner Selbstzerstörung zum Trotze – nach wie vor in der Linkspartei, wo ihre Strömung für maximal 25 Prozent der Mitglieder sprechen darf. Der Bundeskurs der Partei Die Linke ist Wagenknechts Kurs kraß entgegengesetzt.
Indem sie also für die Linke weiter in TV und anderswo agiert, führt sie mit volksnahen Argumenten und konsequent sozialem Kurs potenzielle Wähler ausgerechnet zu einer Partei, in der volksverneinende, woke und linksglobalistische Programmatik weiterhin dominiert. Das ist eine Art Etikettenschwindel, den es als solchen zu benennen gilt.
Meine Prognose lautet: Das erledigt sich von selbst. Ich denke, daß die Linkspartei in dieser Form, wie sie am 15. September existiert, den »heißen Herbst« und den eiskalten Winter nicht überleben wird.
Das Feld um Wagenknecht wird sich neu sortieren. Eine Liste Wagenknecht kann dabei keine Erfolgsgarantie für sich beanspruchen – könnte aber zur latenten Bedrohung für die AfD im Osten der Republik werden, wo die Zustimmungswerte zu Wagenknechts Positionen und AfD-Positionen erstaunlich kongruent zu verlaufen scheinen.
2022 bleibt spannend.
Mitleser2
Die Linke im Parlament ist ja potentiell auch durch die Wahlmanipulationen/Fälschungen bei der Bundestagswahl in Berlin gefährdet. Davon hört man nichts mehr. Soll wohl von den Blockparteien ausgesessen werden. Kann die AfD da nicht lauter werden?