Auch der Staatsdenker Thomas Hobbes, der die Rechte des englischen Königs in Flugschriften verteidigt und dafür mehr als ein Jahrzehnt im Exil verbracht hatte, stand unter wechselnden Systemen dauernd unter Ketzereiverdacht.
Spätestens nach der Restauration der Monarchie galt der Einzelgänger vielen als Häretiker; der geistige Herold eines radikalen Absolutismus (wohl) ohne Widerstandsrecht mußte nun eine Ausflucht finden, um sich nicht abermals im Exil oder vor einem Kirchengericht wiederzufinden. Vor diesem Hintergrund und angesichts eines konkreten Angriffs durch einen anglikanischen Bischof entstand die Historical Narration concerning Heresy, And the Punishment thereof, veröffentlicht posthum 1680 und in der hier besprochenen Ausgabe erstmals ins Deutsche übersetzt.
Der schmale Band fügt diese Verteidigungsschrift in eigener Sache zusammen mit einem Auszug aus dem Dialog De Heresi (Nachtrag zum Leviathan, Kap. 2, erschienen 1668) sowie einem kundigen Nachwort des Wiener Philosophie-Emeritus Peter Kampits, dem aber anzumerken ist, daß es allzuviel über diese kurzen Schriften nicht zu sagen gibt. Statt dessen gibt der Autor einen Überblick über Hobbes’ Werk, insbesondere die Staatstheorie des Leviathan. Seine Historical Narration läßt Hobbes mit einem Rückblick auf die Begriffsgeschichte der »Häresie« und die Entwicklung der hellenistisch-römischen Philosophie beginnen.
Den breitesten Raum nimmt dann eine detailreiche Nacherzählung der Interpretations- und Dogmenstreitereien ein, die das frühe Christentum zu bewältigen hatte; eine gewisse Ironie kann man der Abhandlung nicht absprechen. Die Darstellung der frühchristlichen Heterodoxien flicht Hobbes übersichtlich und geschickt in die Abschnitte des aus diesen Kämpfen heraus entstandenen apostolischen Glaubensbekenntnisses. Weniger überzeugend erscheint seine Herleitung aus den Ergebnissen dieser (zu seinen Lebzeiten schon weit über 1000 Jahre zurückliegenden) Geschehnisse sowie der englischen Geschichte, warum er gar kein Ketzer sein oder aber jedenfalls deswegen nicht bestraft werden könne.
Für den heutigen Leser interessanter sind die hier abgedruckten, kurzen Auszüge aus dem Dialog De Heresi zu den Themen Verantwortung und Strafe, Sünde und Verbrechen. Geistreich liest sich Hobbes’ auf Grundlage seiner skeptischen Anthropologie zu nachsichtigen Urteilen kommende Unterscheidung von positivem Recht (Abweichung: Verbrechen) und Naturrecht (Abweichung: Sünde).
Fachleuten werden diese Anhänge zum Hauptwerk schon bekannt gewesen sein; in der Übersetzung dienen sie nun auch interessierten Laien zum besseren Verständnis der entsprechenden Kapitel aus dem Leviathan (v. a. Kap. 26 und 27) und dürften in Zukunft mit diesen zusammen gelesen werden.
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Thomas Hobbes: Über die Ketzerei und die Bestrafung derselben. Mit einem Nachwort von Peter Kampits, Wien / Leipzig: Karolinger Verlag 2021. 72 S., 18 €
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