Andreas Kalckoff: Was geschah in Saaz und Postelberg im Juni 1945?

von Olaf Haselhorst --

Über die Vertreibung der Deutschen aus ihren angestammten Siedlungsgebieten ist umfangreich berichtet worden.

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Bis­her unbe­kannt waren Dar­stel­lun­gen von sei­ten der Täter. Das anzu­zei­gen­de Werk beleuch­tet nun anhand von tsche­chi­schen Quel­len ein beson­ders schreck­li­ches Ver­trei­bungs­ver­bre­chen, das sich nach Kriegs­en­de im 1938 ans Deut­sche Reich abge­tre­te­nen Sude­ten­land ereig­ne­te. Der tsche­cho­slo­wa­ki­sche Nach­kriegs­prä­si­dent Edvard Beneš hat­te bereits im Okto­ber 1943 aus sei­nem Lon­do­ner Exil gedroht: »Den Deut­schen wird mit­leid­los und ver­viel­facht all das heim­ge­zahlt wer­den, was sie in unse­ren Län­dern seit 1938 began­gen haben.« Und Mili­tär­be­fehls­ha­ber Ser­gej Ingr hetz­te die Tsche­chen im Novem­ber 1944 im bri­ti­schen Rund­funk gegen die Deut­schen auf: »Schlagt sie, tötet sie, laßt nie­man­den am Leben.« Die­se öffent­li­chen Auf­ru­fe tsche­chi­scher Regie­rungs­stel­len fie­len auf frucht­ba­ren Boden. Kurz vor und nach der Kapi­tu­la­ti­on der Wehr­macht im Mai 1945 kam es im gan­zen Land zu Exzes­sen und Mas­sa­kern an der deut­schen Zivil­be­völ­ke­rung. Am 3. Juni 1945 befahl das tsche­chi­sche Mili­tär in Saaz rund 5000 männ­li­chen Deut­schen, sich auf dem Markt­platz zu ver­sam­meln, und dann ging der Marsch unter Dro­hun­gen, Schlä­gen und Schüs­sen ins 15 Kilo­me­ter ent­fern­te Pos­tel­berg. Zwei Tage spä­ter wur­de die ers­te Kolon­ne der gefan­ge­nen Deut­schen zum Erschie­ßen geführt. Tage­lang hör­te man immer wie­der Gewehr­sal­ven. Eine unbe­kann­te Zahl von Män­nern wur­de plan­mä­ßig und ziel­stre­big erschos­sen. Das größ­te Mas­sen­grab mit knapp 500 Lei­chen fand sich spä­ter in dem abseits der Stadt gele­ge­nen Fasa­nen­gar­ten, einer frü­he­ren Fasa­ne­rie. Skru­pel über­fiel die Täter nicht. Die Mor­de waren von hoher mili­tä­ri­scher Stel­le ange­ord­net wor­den: Der Kom­man­deur der tsche­cho­slo­wa­ki­schen 1. Divi­si­on, Gene­ral Spa­ni­el, hat­te befoh­len, die Regi­on von Deut­schen zu »säu­bern«, erklär­te der Lei­ter des Abwehr-Nach­rich­ten­diens­tes Jan Cup­ka. Der Gene­ral habe gesagt: »Je weni­ger von ihnen übrig­blei­ben, um so weni­ger Fein­de wer­den wir haben.« Nach Deutsch­land ver­trie­be­ne Über­le­ben­de berich­te­ten davon, und auch in Pos­tel­berg und Saaz selbst woll­ten Erzäh­lun­gen und Gerüch­te über das grau­sa­me Gesche­hen nicht ver­stum­men. Im Juli 1947 sah sich das Par­la­ment in Prag ver­an­laßt, eine Unter­su­chungs­kom­mis­si­on ein­zu­set­zen. Die damals ent­stan­de­nen Akten wer­den in die­sem Werk in deut­scher und tsche­chi­scher Spra­che prä­sen­tiert. Etli­che ­Sol­da­ten und Anwoh­ner wur­den ver­nom­men. Die Zeu­gen­aus­sa­gen sind eben­so doku­men­tiert wie die Erkennt­nis­se eines Vor­aus­kom­man­dos des Innen­mi­nis­te­ri­ums, das fest­ge­stellt hat­te, daß für die­se Bes­tia­li­tä­ten vor allem die Ange­hö­ri­gen der Armee und des Armee­nach­rich­ten­diens­tes ver­ant­wort­lich zu machen sind. Das Vor­ge­hen der Sol­da­ten sei bei der tsche­chi­schen Bevöl­ke­rung aller­dings auf gro­ße Zustim­mung gesto­ßen, sei es doch als »ver­dien­te Ver­gel­tung für die Roh­hei­ten der Deut­schen« ver­stan­den worden.

757 Opfer wur­den exhu­miert und foren­sisch unter­sucht. Die Gescheh­nis­se sind exakt auf­ge­zeich­net wor­den. Täter wur­den ermit­telt, sie aber vor Gericht zu stel­len war nie vor­ge­se­hen, denn die Mor­de von Saaz und Pos­tel­berg gal­ten als »Voll­zug der gerech­ten Rache an den Deut­schen«. Mit Macht­über­nah­me der Kom­mu­nis­ten 1948 wur­de der Unter­su­chungs­be­richt zur Geheim­sa­che. Hier liegt er nun end­lich der Öffent­lich­keit vor.

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Andre­as Kalck­off (Hrsg.): Was geschah in Saaz und Pos­tel­berg im Juni 1945? Gehei­me Doku­men­te und Zeit­zeu­gen­be­rich­te ent­hül­len das Unfaß­ba­re, Leip­zig: Tschirner & Koso­va 2022. 530 S., 49,80 €

 

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