Wagner war damals mit dem Essay Es reicht. Gegen den Ausverkauf unserer Werte hervorgetreten. Ich mochte von seinen früheren Romanen vor allem Habseligkeiten (2004) und Das reiche Mädchen (2007).
2011 veröffentlichte er zusammen mit Thea Dorn das faszinierende Buch Die deutsche Seele, das lexikalisch aufgebaut ist und über das ihn ein größerer Teil unserer Leser kennenlernte. Im Verlauf unserer Gespräche war die Arbeit an diesem Buch eines der Themen – ein anderes war natürlich seine rumänien-deutsche Herkunft aus dem Banat. Wagner war mit der späteren Nobelpreisträgerin Herta Müller verheiratet.
In den Monaten Februar und März 2010 führten Wagner und ich einen Briefwechsel, der dann in der 35. Sezession abgedruckt werden konnte. Man liest so etwas heute, als wären es Signale aus dem Pleistozän. Aber aus Anlaß des gestrigen Todes von Richard Wagner und in Erinnerung an ihn sei der Briefwechsel heute wiedervorgelegt
– – –
Schnellroda, 9. II. 2010
Sehr geehrter Herr Wagner,
nach unserem guten und offenen Gespräch, für das ich mich sehr bedanke, möchte ich einen Punkt aufgreifen, den wir – zu meiner Überraschung – so en passant besprachen, ohne merkliche Differenz, sondern so, wie man sich einmal rasch über die Spielregeln auf dem Bolzplatz verständigt. Ich spreche den Punkt auch unter dem Eindruck der Lektüre eines Beitrags an, den Sie auf der „Achse des Guten“ veröffentlichten: den über „Demokratie, (große) Literatur und Meinungsfreiheit“. Sie schütteln meiner Meinung nach mehr als zurecht den Kopf über die Naivität der Zeit-Schreiberin Julia Schoch, die ich hier nochmals zitieren will, damit wir anknüpfen können:
Nichts mehr zu delegieren. Das faustschüttelnde Fluchen gilt keinem Staatschef mehr, keiner übermächtigen Vätergeneration oder gar Gott. Wir: unser eigener Feind. Wo die jahrhundertealte Gängelung und Bedrohung verschwunden sind, das Individuum aus den Klauen von Disziplinarmächten befreit wurde und die Verpflichtung zur Eigeninitiative zur Regel erhoben wird, stehen wir – seltsam allein gelassen – nur noch uns selbst und unserem eigenen Unvermögen gegenüber.
Nach der Lektüre des Beitrags und vor allem dieser Zeilen von Julia Schoch war ich auch sofort überzeugt, daß intellektuelles Glücklichsein bei ihr wohl in einer Mischung aus Beschränktheit des Vorstellungsvermögens und Wirklichkeitsverweigerung besteht. Ich bin mir also sicher, daß Frau Schoch wirklich keinen Begriff über den Zustand unseres Landes im Allgemeinen und über das Ausmaß der Gesinnungskontrolle im Besonderen hat. Wie auch? Sie scheint aber darüber hinaus auch nicht zu begreifen, daß sie mit dieser Ende-der-Dringlichkeit-Philosophie sich selbst und den Schriftsteller an sich zum „Pausenclown“ degradiert (um ein Wort von Ihnen aufzugreifen).
Jedenfalls kann ich das, was Sie dann im folgenden schreiben, Satz für Satz unterschreiben: Auch ich bin der festen Überzeugung, daß unsere Gesellschaft nicht frei ist, jedenfalls nicht so frei wie sie es gerne von sich behauptet; den „meßbaren Unterschied zwischen der öffentlichen und der veröffentlichten Meinung“, den Sie ansprechen, kann ich jederzeit belegen; auch den Vorwurf der Paranoia kenne ich, obwohl mir Ihre Erfahrung der Autorschaft in Ceausescus Rumänien samt Umstellung durch Securitate-Spitzel abgeht – noch nicht einmal ein paar gediegene Jahre DDR kann ich vorweisen, nur westdeutsche Erfahrungen mit der „Schweigespirale“ (Noelle-Neumann) und der „Mauer aus Kautschuk“ (Armin Mohler).
Aber genau damit bin ich bei dem entscheidenden Punkt unseres Gesprächs angelangt: Sie sagten da, daß Sie bei einer Frage von mir nach einem Beitrag für die Sezession oder nach einem Interview ins Abwägen kämen – inwiefern es Ihnen selbst und Ihren anderweitigen Publikationsmöglichkeiten guttäte, wenn Sie sich in der Sezession äußerten. Diesen Vorgang einer – ich nenne es jetzt einmal so – „inneren Zensur“ könnten Sie mir doch einmal beschreiben. In Ihrem oben erwähnten Beitrag für die „Achse des Guten“ schreiben Sie, daß es einen „Wie-sage-ich-es-Kodex“ gebe, in meinen Worten: eine Art Prüfliste des Sagbaren (zum einen) und eine Landkarte geistiger No-Go-Areas (zum anderen).
Dieser Kodex, so schreiben wiederum Sie, ist aber nicht „Ergebnis einer Verschwörung hinter den Kulissen“, sondern „informeller Natur“. Bitte: Beschreiben Sie mir diesen Vorgang der „inneren Zensur“ einmal, und: Was bedeutet das so recht eigentlich für die geistige und die politische Auseinandersetzung in unserem Land. Das, was Sie hier und da andeuten ist ja eine Ungeheuerlichkeit: daß jede Aussage und jeder Publikationsort auf ihre Hygiene untersucht werden – aber nicht von einem benennbaren Gremium, sondern durch einen inneren Zensor, der uns wie ein Krebsgeschwür besiedelt und uns zu Duckmäusern macht.
Mit freundlichem Gruß!
Götz Kubitschek
– – –
Berlin-Schöneberg, 17. 2. 2010
Sehr geehrter Herr Kubitschek,
man muß, so meine ich, nicht Erfahrungen mit einer Diktatur haben, um die Freiheit schätzen zu können. Vielmehr geht es darum, was man mit der Freiheit verbindet, und was man sich von ihr erhofft und verspricht. Auch Freiheit kann vieles bedeuten und wenig ergeben.
Wer möchte nicht frei sein? Man kann von etwas frei sein, und für etwas. Frei von allen Sorgen, und frei für eine Sache, an der einem liegt. Diese Sache wiederum kann eine Modelleisenbahn sein, oder das Vaterland. Man kann frei sein wie Heidi Klum oder wie Peter Sloterdijk.
Frei zu sein ist ein Anliegen, aber alles ist das sicherlich nicht. Über seine Freiheit entscheidet man nicht allein, im besten Fall kann man die eigene Freiheit und die Vorstellungen davon vorbringen. Das wäre praktizierte Meinungsfreiheit, mehr nicht.
So gesehen, steht die Meinungsfreiheit im Mittelpunkt der Demokratie. Wumm! Dieser Mittelpunkt ist ein Verfassungs- und damit ein Verfaßtheits-Mittelpunkt. Das aber sagt noch lange nichts über die gängige Praxis aus. Die Demokratie wäre eine wunderbare Angelegenheit, gäbe es nicht die Demokraten. Der tiefere Grund?
Diese Spezies hat besonders in Deutschland eine scharf umrissene Gestalt angenommen, die des Bürgers. Sie hat ihn abgelöst. Der deutsche Demokrat unserer Zeit ist nicht in der Gegenwart zu Hause, er mischt darüber hinaus in der Zukunft mit, und steht erklärtermaßen unter dem Eindruck der Vergangenheit. So bereitet die Zukunft ihm Sorge, was ihn zum Klimatologen werden läßt, und die Vergangenheit läßt ihn nicht los. Sie eignet sich so gut zum Vergleichen. Beides hat Folgen für die Gegenwart. Sie sind nicht selten belastend und entlastend zugleich.
Deutschland ist eines der prosperierenden, friedfertigen Länder dieser Welt, aber die Bilder, die von diesem Deutschland im Umlauf sind, nimmt der deutsche Demokrat stets mit Sorge zur Kenntnis. Er lebt in der ständigen Angst, daß ihm die Demokratie entgleiten könnte. Als hätte sie ein Machtinstrument zu sein, und nicht eine Umgangsform. Als wäre sie bloß politisch und nicht zivilisatorisch.
Die Wahrheit ist: Fünfundsechzig Jahre nach der Abschaltung des Führerbunkers ist man als Deutscher in Hollywood immer noch Nazi. Das kann einem einen Oscar bescheren, den deutschen Demokraten nimmt es aber auch in die Pflicht. Als sei die Demokratie ein Drehbuch und unterliege damit der freiwilligen Selbstkontrolle, der FSK. Es ist ein folgenreiches Mißverständnis, das die Selbstzensur legitimiert.
Interessant ist, daß zu den größten Zweiflern an der deutschen Gesellschaft der Demokrat gehört. Er hat sich bis heute eine Eigenschaft erhalten, die seinerzeit im Stalinismus als „Wachsamkeit“ bezeichnet wurde. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint immer noch alles, was in Frage kommt, von den Institutionen bis zum eigenen Glauben, permanent gefährdet zu sein. Die Gefährdung aber, die nicht so recht in Erscheinung treten will, sucht man in den Meinungsäußerungen aufzuspüren, wie Schüler, die sich beim Lehrer selbst anzeigen, um auf sich aufmerksam zu machen. Deutschland sucht Deutschland.
Das Problem kommt, wie ich meine, daher, daß die Bundesrepublik, und das ganze Drum und Dran nach 1945, nur als Verlegenheitslösung gedacht werden konnte. Da man keine Wahl hatte, sondern nur das Recht zu wählen, fand man sich mit dem kleineren Übel ab. Man richtete sich so pragmatisch wie möglich ein und machte aus dem Rest der Republik Alltag pur. Als hätte man im Tausch für eine irrige Weltanschauung eine mustergültige Gebrauchsanweisung erworben.
Auf diesem Minimal-Programm beruht der Erfolg der Bundesrepublik, auf dieses fatale Minimum geht aber auch die Problematik unserer heutigen Gesellschaft zurück. Denn hinter dem Alltag ist die Bluescreen. Die immerwährende Drohkulisse. Nicht selten hört man den Satz: Darf man das überhaupt sagen?
In einem Land, das die Meinungsfreiheit in seiner Verfassung anführt, sollte sich eine solche Frage erübrigen, wir aber haben uns daran gewöhnt. Unsere Leitkultur ist die Tabuisierung.
Sie sortiert vor. Sie sagt, du darfst, und es wird gerne gehört.
Das hat damit zu tun, daß die Demokraten in Deutschland nicht nur Bürger sind, sondern auch Partei. Eine Partei, die gegen einen imaginären Feind kämpft. Dieser Feind ist die Vergangenheit. Er wirft immer neue Regimenter in die Schlacht, Regimenter, die von uns beschworen, herbei eilen. So lange die Demokraten das Gemeinwesen als gefährdet ansehen, wird kaum ein unbelasteter Blick auf die Angelegenheiten der Gegenwart möglich sein. Das aber kommt Manchen durchaus gelegen.
Die Macht des Gegners besteht in seiner Abwesenheit. Wer aber ist „wir“? Daß „wir“ in Deutschland, so mein Eindruck, meint nicht die Gemeinschaft der Bürger, dieses „wir“ stellt die Phalanx der Guten. Sie rufen ab und zu, nie wieder Krieg und nie wieder Faschismus oder einfach nur nie wieder. Sie rufen es wie zur Selbstvergewisserung. Während uns die Werbekampagne zuflüstert: Du bist Deutschland, fragt man sich unwillkürlich: Wer ist hier eigentlich der Gegner, und vor allem, wer braucht ihn und wozu?
Ist das der neue kalte Bürgerkrieg, in dem alle Demokraten sein wollen und keiner den Schurken geben will? Nicht einmal in der Rolle des advocatus diaboli? Selbst Mephisto ist in diesem Deutschland Demokrat.
Der öffentliche Raum verfällt durch Verbote, er verödet aber auch durch Opportunismus. Alles wird Kulisse. Bluescreen. An seinen verwahrlosten Rändern stapeln sich die Schubladen, die die Namen der Regelverletzer und die Namen der Regelverletzungsthemen beinhalten, in der Mitte aber erfreut man sich am großen Feuerwerk, in dessen prachtvollem Licht selbst die Ecke rund erscheint, und wer will bei einem solchen Licht schon die Schubladen sehen?
Es gilt die Angst vor dem falschen Verhalten. Wie leicht könnte man sich doch vergaloppieren! Diese Angst wiederum zwingt zur Sprachregelung. Wem die kollektive Seelenruhe fehlt, der braucht den Kodex. So wird die Gegenwart zur Projektionsfläche einer im Konsens formulierten Hysterie, aber auch zum Spielball diverser Interessengruppen. Mit Meinung wird schließlich Geld gemacht, und so ist die Wahrheitssuche immer weniger gefragt, statt dessen wird regelmäßig der Tabubruch ausgerufen. So wird die Freiheit zum Häppchen gemacht, und die öffentliche Meinung zum kalten Büffet geladen, das jedes Mal mit den üblichen Mahnungen und Warnungen eröffnet wird. Sie besagen: Wer dabei ist, gehört dazu. Bonne Appetit bei den Sushi des Guten!
Bleibt die Frage: Was ist Freiheit angesichts des Diktums „Du darfst“ und im Ergebnis der freiwilligen Selbstkontrolle?
Freundlich grüßt
Richard Wagner
– – –
Schnellroda, 21. II. 2010
Sehr geehrter Herr Wagner,
danke für Ihre ausführliche Antwort. Was Sie sagen und mit Ihrer letzten Frage aufwerfen, muß sofort zurückweisen, wer den offenen und keiner Gesinnungskontrolle ausgesetzten Dialog in unserem Land für verwirklicht hält.
Ihre Frage, was „Freiheit“ sei, wenn sie von außen durch das „Du darfst“ und von innen durch die „freiwillige Selbstkontrolle“ zurechtgeschnitten wird, will ich in drei Aspekte teilen: Zum einen stellt sich die Frage, ob die von uns thematisierte Behinderung der freien Meinungsäußerung dem Gemeinwesen – in diesem Falle: unserer Nation und unserem Volk – dienlich ist oder nicht. Zum zweiten ist zu fragen, ob diese Grenzziehung (und die Bewehrung dieser Grenzen durch Tabus) bemäntelt ist. Und drittens – und das ist für mich eine entscheidende Frage – muß jeder von uns die Antwort geben, ob er grundsätzlich gegen die in den beiden ersten Fragen bestimmte Grenzziehung ist oder ob er sie dann für gut befindet, wenn sie der eigenen Gesellschafts- und Staatsidee entspricht.
Meine Antworten: 1. nein, die derzeit praktizierte Grenzziehung durch die sanften und weniger sanften Meinungsrichter und die internalisierte Selbstkontrolle dient dem Fortbestand unserer Nation und unseres Volkes nicht. Sie dient noch nicht einmal der Freiheit; 2. ja, Grenzziehung und Tabuisierung sind bemäntelt, sind nicht „hart“ im Sinne offensichtlicher, jedermann sofort als Repression erkennbare Maßnahmen. Vielmehr werden Kritiker der Meinungsunterdrückung (also in diesem Falle: wir) für paranoid erklärt, weil es weder Grenzen noch Tabus gebe. Und der Ort der Strafe für das dennoch gesprochene, freie Wort ist weder die Gefängniszelle, noch das Lager oder der Besuch eines Schlägertrupps (wie beispielsweise im Rumänien der 70er-Jahre): Die Strafe ist vielmehr die ortlose Durchtrennung der Kommunikationskabel und die Zersetzung des Lebensgefüges – letztlich also doch wieder Werkzeuge, die man aus dem Fundus der Staatssicherheit repressiver Staaten kennt.
Die dritte Frage ist am schwierigsten zu beantworten, oder besser: Sie ist leicht zu beantworten, setzt aber eine vielleicht schwer nachvollziehbare Feinderklärung voraus: Ich halte das anything goes des Liberalismus für die eigentliche Gefährdung der Freiheit, so wie ich sie verstehe. Jede Freiheit nämlich muß rückgebunden sein, sonst ist sie nicht mehr als eine rücksichtslose Jugendlaune. Jede auf Dauer angelegte Freiheit hat sich also auf ethische Vorgaben und eine Staatsidee oder ein Bild von der eigenen Nation zu stützen – denen es in ernsthafter Selbstkontrolle (hier ist Ihr Wort wieder!) zu entsprechen gilt.
Erziehung (und Selbsterziehung) ist nichts anderes als die Anverwandlung von Gesetzen und Regeln in die eigene Überzeugung und den eigenen Maßstab hinein. Das ist a) notwendig für jede Gesellschaft, die ihre allgemeinverbindlichen Grundlagen betont, b) zwingend notwendig für jedes Gemeinwesen, das mit „Massen“ fertigzuwerden hat, c) das Fundament dessen, was ich „preußische Freiheit“ nennen möchte. Ich weiß nicht, wer das sagte, aber es heißt etwa so: Freiheit ist, das tun zu wollen, was getan werden muß. Oder pathetischer: die Pflicht freiwillig erfüllen, sich aus Überzeugung einpassen, die Grenzziehung als gedeihlich anerkennen und innerhalb dieses Rahmens die Entfaltung suchen.
Diese Überzeugung (von der ich nicht weiß, ob Sie sie teilen) macht die Sache so kompliziert: Ich habe, um die gedeihliche Rahmung des staatsbürgerlichen Lebens zu schützen, zunächst die ungedeihliche Rahmung der jetzt herrschenden Verhältnisse anzugreifen. Das soll dann auch meine hergeleitete Antwort auf Ihre Frage sein: Im Angesicht des Diktums „Du darfst“ und im Ergebnis der „freiwilligen Selbstkontrolle“ kann „Freiheit“ nur im Widerstand nach außen (gegen das Märchen vom herrschaftsfreien Diskurs) und nach innen (gegen die eigene Bequemlichkeit und die Zufriedenheit mit Kuchenkrümeln) verwirklicht werden.
Und wenn ich so darüber nachdenke, will ich doch eine sehr konkrete Frage anschließen, die eher Ihre, weniger meine Widerstandsfähigkeit auf die Probe stellt. In Ihrem Buch Es reicht. Gegen den Ausverkauf unserer Werte schreiben Sie (wobei Sie sowohl Karlheinz Weißmann als auch mich namentlich nennen):
„Die Neue Rechte stößt ein weiteres Mal auf ihr altes Problem. Sie schafft es nicht, eine Trennungslinie zum rechtsradikalen Pöbel sichtbar zu machen. Das wiederum läßt ihren Beitrag zur Gesellschaftsdebatte diskursunfähig erscheinen.“
Sehen Sie das wirklich so? Glauben Sie an scharf ziehbare Trennungslinien? Halten Sie uns tatsächlich für diskursunfähig?
Mit Gruß und Dank,
Götz Kubitschek
– – –
Berlin, 25. 2. 2010
Sehr geehrter Herr Kubitschek,
ich greife zunächst die Stelle am Ende ihres Briefes auf, in der Sie mich mit der Bemerkung über die Trennungsmöglichkeiten der Neuen Rechten vom rechtsextremen Pöbel zitieren. Mein Verweis auf das Verschwimmende des Aufbegehrens meint nicht, daß die Neue Rechte dadurch diskursunfähig sei, sondern daß sie diskursunfähig erscheine.
Was ist schon der Diskurs? Ist er nicht wie die Kassen am Ausgang des Supermarkts? Was man mitnimmt, hat man zu bezahlen. Natürlich weist jeder Rand seine Unebenheiten auf. Ränder gelten meist als Unregelmäßigkeit, ihnen wird gleichermaßen Unordnung und Drohgebärde nachgesagt. Aber braucht man wirklich eine Extrakasse?
Ich meine auch nicht die Beschaffenheit des Randes, ich meine seinen Auftritt und seine Fähigkeit zur Zugehörigkeit. Damit komme ich zu etwas fatal Banalem: Die Rechte ist nicht die Mitte. Und die Mitte ist nicht die Rechte. Die Idee vom politischen Spektrum folgt mehr einem Bild als einer Gegebenheit.
So kommt es, daß man in der allenthalben sanften Tour, in der die Diskurse formuliert werden, gerne von Mitte-Rechts und von Mitte-Links spricht. Ist das aber mehr als nur ein Echo auf früher einmal Geltendes, das sich Rechts und Links zu nennen wagte? Es ist, wie es ist. Mehr ist heute vielleicht auch gar nicht im Angebot.
Wenn Sie von Nation und Volk sprechen, meinen Sie ja auch nicht irgendwelche Ränder, nicht einmal bestimmte Markierungen, sondern Sie meinen, wie ich vermute, das solide Ganze. Wie ordnet man sich ein in dieses Ganze, und worin besteht es tatsächlich? Ist das pünktliche Zahlen der Steuern schon ein preußischer Aspekt von Freiheit? Der Kölner Klüngel bereits ein Ausdruck der Selbstaufgabe?
Folgenreich ist der Vorgang, der alles, jede Idee, zunächst einmal einheimisch werden läßt. Liberalismus in Deutschland war nie der Liberalismus, wie ihn Amerika versteht, oder die angelsächsische Welt allgemein. Wir hatten, wenn ich nicht irre, einen National-Liberalismus. Und der ist uns abhanden gekommen. Es kam zwar zur Verwandlung des Reichsgedankens, aber in die Reichskanzlei. Richtig, ich spreche von der Vernichtung der rechten Staatsidee durch den extremistischen Pöbel.
Der Liberalismus tritt nirgends ohne Begleitung auf. Er hat stets seinen ergänzungswilligen Koalitionspartner dabei. Selbst in den Vereinigten Staaten wäre der Liberalismus, ohne das ausgeprägte religiöse Gewicht der Freikirchen und ihrer Werte-Militanz nicht zu halten.
Das macht den Gedanken des selbständig Wirtschaftens überzeugender. Heute, da Individualität und Individualismus auseinanderfallen, ist Verbindlichkeit nicht nur verstärkt gefragt, sie ist auch tatsächlich schwerer zu vermitteln. Wenn sie mit Preußen gelten soll, dann muß es aber ohne Kommando gehen können. Das aber bedeutet, daß es mehr denn je auf das angesprochenen Selbst ankommt. Früher, als die Rechte noch praktikable Staatsmodelle zu entwerfen suchte, konnte sie durchaus vom Überschaubaren ausgehen.
Sie benennen dieses auch weiterhin ganz selbstverständlich mit den Worten Nation, Volk, Masse. Wer aber ist heute die Masse, und wer ist das Volk? Wie läßt sich die Nation definieren? Auch Volk und Nation sind so vielfältig parzelliert und verschachtelt, daß sie kaum noch als Phänomen feststellbar sind. Das letzte Mal, als das Volk in berechtigter Verfassung auf dem Marktplatz erschien, war 1989, und zwar in einer Diktatur, in jener der DDR, als es dort hieß: Wir sind das Volk. Sie waren das Volk und auch die Masse, und zu ihnen sprachen nicht ohne Demut die Nomenklatura und die Intelligenzija. Wer aber ist im Jahr 2010 in Deutschland das Volk? Ist es das Publikum von RTL Zwei, sind es die Anhänger von „Schlag den Raab“? Und die Masse? Sind das etwa die per Gerichtsbeschluß nicht streikenden Lufthansa-Piloten? Die WM-Feiernden vor dem Brandenburger Tor?
Wen und was auch immer sie verkörpern möchten, alle treten sie auf leisen Sohlen in die Runde, als sollte Barbarossa nicht in seinem Schlaf gestört werden. Die Runde aber ist der Verfassungsbogen. In ihm hat alles seinen festen Platz. Weil die Gesellschaft, die das Volk beerbt hat und dieses Volk nun mit Gebrauchsanweisungen versorgt, es mehrheitlich so will oder so zu wollen glaubt.
Es ist, wie es ist, und der Rand ist tatsächlich kein Limes. An dieser Stelle kann man sich jetzt mit Politik herausreden. Sich dem Problem der Vierten Partei zuwenden, oder meinen Sie das mit der NPD ein Staat zu machen wäre? Ist es nicht ein bißchen wie das Verhältnis der linken Intellektuellen zu den Bolschewiken?
Man sollte die Angelegenheit aber gar nicht erst auf das Politische runterbrechen. Man sollte sie kulturell prüfen. Dann ist man schnell bei einem noch größeren Problem, das sich sozusagen automatisch ergibt. Ich meine das Problem, daß die rechte Fragestellung sich zu einem Gestus des Protestes verkleinert. Der Protest ist letzten Endes nichts weiter als Manövermunition. Wer mitreden will, muß hinter dem Vorhang hervortreten (können).
Freundlich grüßt,
Richard Wagner
– – –
Schnellroda, 1. III. 2010
Sehr geehrter Herr Wagner,
ich halte uns (also: eine Neue Rechte) durchaus für diskursfähig: Das, was wir sagen, ist erstens genau erwogen (weil wir im Schnitt doch Verantwortungsethiker sind und keine Maulwerksburschen), und es ist zweitens oft mit Karrierebrüchen verbunden: Da wägt man doch lange ab, bevor man zu dem Schluß kommt, daß man sich trotz aller „sozialen“ Kontrolle äußern muß.
Alles, was wir treiben (publizistisch, aktionistisch, akademisch) kann so auf dreifache Weise wahrgenommen werden: zum einen als konkreten Aufbau einer „Traditionskompanie“ (vgl. dazu den Aufsatz „Biblische Lektionen“ von Karlheinz Weißmann, Sezession 13/2006, Kopie liegt bei); zum zweiten als völlig im Verfassungsbogen angesiedelten Meinungsbeitrag zum Diskurs über den Zustand und die Zukunft unseres Landes (oder vielleicht sogar: der Weltgemeinschaft); drittens so, daß Sie hinter den Beiträgen und Projekten den je Einzelnen identifizieren, der etwas leiser oder etwas lauter spricht: etiam si omnes ego non (wenn auch alle andern: ich nicht).
Entschuldigen Sie bitte gleich, daß mir Punkt zwei polemisch geraten ist: Er ist ja gar nichts wert, dieser Punkt, denn was sollte das sein – ein Meinungsbeitrag zum Diskurs? Was trägt er denn aus, dieser Diskurs? Von Carl Schmitt stammt der Satz, daß die „Entwicklung der modernen Massendemokratie die argumentierende öffentliche Diskussion zu einer leeren Formalität“ gemacht habe. Wenn er recht hat, dann schreiben und sprechen Sie und ich und Peter Sloterdijk bloß um unser täglich Brot, keinesfalls aber für Veränderungen. Dann liegt der Zugang zur Macht irgendwo im politisch-administrativen System, und nicht in den Spalten einer Zeitung oder zwischen zwei Buchdeckeln.
Aber ich gehe jetzt – wie Sie! – nicht davon aus, daß alles Schreiben und Denken für die Katz ist, und sehe zwei Wege für den (metapolitisch tätigen) Intellektuellen, der seine Themen beackert und sehr ernsthaft eine Position ausbaut: Entweder nämlich er liegt damit in der Entwicklungstendenz der nivellierenden Massenkonsum-Gesellschaft, ist also en vogue (sowie zynisch oder beschränkt) und flutscht mit; oder er wird immer dann von der Entwicklung überlaufen, wenn man gerade dabei ist, sehr ernsthaft einen Haltepflock einzuschlagen – dann ist man nicht mit im Rennen, sondern auf den (papierenen) Protest festgelegt.
Diesen Protest nennen Sie nun ein Schießen mit „Manövermunition“. Ich meine, daß dieser Vergleich nicht stimmt. Ich denke vielmehr, daß das, womit die Diskutanten in den talkshows und den Pseudodiskussionen im Bundestag aufeinander schießen, Platzpatronen sind. „Wer mitreden will, muß hinter dem Vorhang hervortreten (können)“, schreiben Sie weiter. Ich möchte ergänzen: „und für diesen Schritt bewiesen haben, daß er nur mit Platzpatronen schießt“. Ich denke, daß Sie dieser Ergänzung zustimmen können, sie liegt auf der Linie Ihrer Ausführungen zur „Freiwilligen Selbstkontrolle“ und zum „Du darfst“.
Dem, was ich von Ihnen bisher gelesen habe, entnehme ich, daß gerade Sie nicht leichten Fußes durch die Diskurs-Schranken tänzeln. Sie haben – nicht nur im totalitären Rumänien, sondern auch im demokratischen Deutschland – die Erfahrung der Gesinnungskontrolle gemacht. Lag das jeweils am lauten Knall Ihrer Manövermunition? Oder sind Sie nicht doch zum scharfen Schuß fähig und wollten das nicht verbergen? Wenn es nach Ihnen ginge: Bekäme die deutsche Massengesellschaft vielleicht nicht doch eine integrative Idee vorformuliert und ins Bild gesetzt, die weit mehr mit dem Einzelnen vorhätte, als ihn als Konsumenten bei Laune und kaufkräftig zu halten?
Falls Sie behaupten würden, daß Sie bloß nicht die richtigen Leute kennen, die einem den Zugang zu den Futtertrögen weisen: Ich nähme Ihnen das nicht ab. Immerhin verlegen Sie bei Aufbau, bloggen mit Hendryk M. Broder und waren – verzeihen Sie mir, es gehört in diese Auflistung – verheiratet mit der Nobelpreisträgerin Herta Müller. Wenn Sie also sagen, daß das deutsche Meinungsklima so frei nicht ist, wie es sich präsentiert, dann hat das ein ganz anderes Gewicht – zumal, wenn Sie es in der Sezession sagen.
Gruß!
Götz Kubitschek
– – –
Berlin-Schöneberg, 5. 3. 2010
Sehr geehrter Herr Kubitschek,
man kann sicherlich aus vielen Gründen schreiben und damit auch zu den erstaunlichsten Ergebnissen gelangen. Wahr ist, daß es nie nur einen einzigen Grund fürs Schreiben gibt, daß die Schreibgründe sich gerne mischen. Aber auch diese Entscheidung trifft man, wie für alles Öffentliche, nicht allein. Unsere Gesellschaft fördert, nicht zuletzt beim Schreibenden, die Selbstdarstellung. Das ruft von vornherein eine bestimmte Sorte von Autoren auf den Plan, es schafft aber auch eine dementsprechende Lesererwartung.
Und das, meine ich, ist vielleicht sogar die folgenreichste Weichenstellung für die öffentliche Kommunikation. Gehört doch die Wunschwelt des Lesers zum festen Argumentationsbestand bei der redaktionellen Entscheidungsfindung. Jedenfalls in ihrem unverschlüsselten Teil. Dort wird man ständig mit der sogenannten Lesererwartung konfrontiert. Diese Lesererwartung ist eine Ideologie, jedenfalls kommen ihre Autorität und ihre Wirkung einer Ideologie gleich. Es ist die Richtlinie, die sich aus der Sozialisation ergibt. Der Leser ist in der Offenen Gesellschaft das, was im Kommunismus das Volk war.
Wer aber verbirgt sich hinter dem Leser, wenn nicht der Redakteur? Man kann auch sagen, er versteckt sich hinter diesem Volksvertreter. Wenn dem Redakteur etwas nicht passt, wenn er es nicht haben will, beruft er sich auf den Leser. So wird dieser zum Wächter, ohne davon zu wissen. Es ist die banalste und zugleich erfolgreichste Form der Kontrolle schriftlicher Reflexion.
Was aber leitet den Redakteur bei seinen Entscheidungen, was treibt ihn an, was treibt ihn um? Weiß er, im Unterschied zum Leser, welche Rolle er spielt? Man kann davon ausgehen, daß er es weiß. Und man kann auch davon ausgehen, daß er weiß, was es heißt, aus der Rolle zu fallen. Dem Redakteur geht es also darum, Redakteur zu bleiben, egal worum es geht. So hat an seiner Publikationsentscheidung die Überlegung, ob ein Thema und die damit verbundene Botschaft seiner Karriere, seinem Ruhm, seiner Selbstdarstellung nützt oder schadet, einen gewichtigen Anteil.
Vielleicht wird es mit der Zeit, mit seiner Professionalisierung, zu einem für ihn mühelos zu bewältigenden Problem. Vielleicht erscheint es ihm gar nicht mehr als ein wirkliches Problem. Vielleicht ist es einfach nur so, daß er denkt, er müsse sich etwas einfallen lassen, um die Leute, die Leser, bei Laune zu halten. Als ließe sich aus dem Zeitungsblatt eine Wundertüte drehen.
Vielleicht denkt er sogar an seinen Chefredakteur und an den Herausgeber auch nicht anders, als an einen Leser. Wer die Leute bei Laune halten will, kommt in unserer Gesellschaft schnell auf den Gedanken, immer mehr Leute bei Laune halten zu wollen. Mehr Leute bedeutet ja auch mehr Geld. Vielleicht ist der Konformismus, der ständig zunimmt, ja wirklich auf diese Kleinigkeiten zurückzuführen. Auf die Angst, den Job einzubüßen, die den Menschen offenbar vorsichtiger macht, als die Aussicht auf Knastjahre. Es muß unendlich schmerzhafter sein, die Standards nicht genießen zu können, als die Freiheit einzubüßen.
Der Redakteur, und mit ihm sein Autor, sind längst zum Diener ihrer Bedürfnisse geworden. Nicht ihr Anliegen, sondern das Lifestyle-Muster diktiert das Verhalten. Man wird nicht mehr zum Denker, man wird zum VIP. Damit aber kann man nur ungenau von Diskursen sprechen, man muß viel mehr auf deren Jargonisierung achten. Ist aber nicht auch das eine Gebrauchsanweisung für den ordnungsgemäßen Erfolg?
Es ist schwer geworden, ein Anliegen publizistisch öffentlich zu machen. Man muß das Anliegen nicht nur dem Adressaten nahe bringen, man muß es auch am Jargon vorbei schmuggeln. Das gelingt manchmal, und manchmal gelingt es nicht. Für beide Situationen gibt es zahlreiche Gründe. Man muß davon ausgehen, daß fast alle, an die man sich wendet, höchst gelangweilt sind. So, als hätten sie das alles, und noch viel mehr, längst gehört und gewußt. Ihnen sollte man es nicht recht machen wollen.
Das tatsächlich Neue an der Situation ist, daß Konformismus und Nonkonformismus nicht mehr voneinander getrennt erscheinen. Die Medien haben ihr Kunsteis dazwischen geschoben, auf dem sich jederzeit das Wasser mühelos überqueren ließe, wie man uns versichert. Nun muß man dieses Kunsteis ja nicht betreten, wenn man nichts vorhat, zumindest nichts auf dem Eis, aber eine Garantie ist es nicht. Es ist letzten Endes kein Beweis für die Behauptung, man sei zuhause geblieben. Es wird immer Leute geben, die behaupten, sie hätten einen auf dem Kunsteis gesehen, am Nachmittag, beim Pirouettendrehen und bei etlichen anderen Waghalsigkeiten. Und andere werden behaupten, man habe sich an besagtem Nachmittag vergeblich aufs Kunsteis begeben, mit den Pirouetten und dem ganzen Rest an Waghalsigkeiten sei man auch nicht weit gekommen. Die Frage aber ist, wie soll man sich gegen diese Behauptungen über das Verhalten auf der Eisbahn wehren, wenn man gar nicht erst hin gegangen ist, und alle anderen einen doch vor Ort gesehen haben wollen.
Es ist richtig, bei seinem Anliegen zu bleiben und den Konformismus zu meiden. Nur sollte man das, was der eigenen Botschaft entgegen steht, besser nicht unterschätzen. Denn alles ist schubladengerecht eingeordnet, so daß das Ganze bisweilen wie eine Apotheke aussieht, ohne aber eine zu sein. Die Schubladenbearbeitung hat unter Umständen mit der Realität wenig zu tun, nicht mehr als die Apotheke mit der Cocktailbar. Schubladen sind nicht nur zum Sortieren da, sondern auch um abzulegen und abzutun.
Und es ist immer noch nicht alles, was den so genannten Diskurs bestimmt. Schublade ist das, was jemand zugeschrieben wird. Darüber hinaus kommt es immer noch auf sein Anliegen an und dabei nicht zuletzt auf die Art, wie er es zu verpacken versteht. Das Problem ist, dass seine Verpackung nicht die einzige Verpackung seiner Botschaft bleibt. Diese kann immer wieder wechseln, je nachdem was der Leser und seine Anhängerschaft sich so einfallen lassen. Angesichts dieses Tatbestands kann man sich bei allem weiteren nur Glück wünschen.
Freundlich grüßt,
Richard Wagner
– – –
Schnellroda, 8. III. 2010
Sehr geehrter Herr Wagner,
danke für Ihre unverzügliche Antwort. Was Sie schreiben, klingt vernünftig und liest sich wie ein Ratschlag, den Veröffentlichungsbetrieb genau zu studieren, seine Mechanismen zu begreifen und im richtigen Moment geschickt ein zwar nicht konformistisches, jedoch geschmeidiges Stück Text ins Getriebe zu werfen.
Verzeihen Sie: Aber dafür lohnt es sich doch nicht, intellektuell zu arbeiten oder überhaupt Gegnerschaft herauszufordern. Das vorsichtige Signal, „Selbstdenker“ zu sein, ist nämlich noch nicht mehr als das, was Sie im ersten Absatz Ihres Schreibens mit „Selbstdarstellung“ bezeichnet haben.
Ich will es anders sagen: Das ist ein Programm für solche, die im Kulturbetrieb mitschwimmen und sich zu diesem Zweck ein paar Alleinstellungsmerkmale zulegen wollen. Sie selbst sollten die Stufe der Abhängigkeit von einem Redakteur oder „dem Leser“ doch längst hinter sich gelassen haben, oder? Ist es nicht so, daß der Nobelpreis für Herta Müller eine Wahrnehmungsschneise auch für Sie und Ihre Kollegen der ehemaligen Banater Autorengruppe geschlagen hat? Ich frage das auch, weil ich Ihre Enttarnungstätigkeit gegen ehemalige Securitate-Mitarbeiter (Werner Söllner, Peter Grosz und andere), die mittlerweile in Deutschland leben, natürlich mitverfolge: Sie haben da Plattformen in der Neuen Züricher Zeitung und der FAZ, aber auch im Fernsehen: von Ausgrenzung zumindest in dieser Thematik keine Spur.
Aber ist dies Ihr Eigentliches, jetzt, etwas, wovon Sie sagen: Das ist mein Beitrag als Schriftsteller zur Durchdringung unserer Zeit und zur Vertiefung des Bewußtseins über ihren Zustand? Bitte verstehen Sie mich richtig: Wo ist das Ganze, was ist es wert?
Gruß!
Götz Kubitschek
ede
Uih, Florett. Das war mal ein Kampf. Wagner hat sich schon hervorragend geschlagen, wenngleich er nach meiner Wahrnehmung dem Augenblick der Wahrheit ausgewichen ist. Ich denke, er war biografie - und krankheitsbedingt schon ermüdet, und wird wohl auch sonst nicht ohne erhebliche Sorgen in die Zukunft geblickt haben.