Walter Tributsch: Schafft der Papst die Kirche ab?

von Felix Dirsch --

Seit mittlerweile fast einem Jahrzehnt fungiert Franziskus als Oberhaupt der katholischen Kirche.

 Druckausgabe

Beitrag aus der Druckausgabe der Sezession. Abonnieren Sie!

Daß die Ent­schei­dung des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums von 2013 einen Epo­chen­bruch dar­stellt, wird von Freund und Feind nicht bestrit­ten. Wich­ti­ge Ver­än­de­run­gen in der Amts­füh­rung im Ver­gleich zu der Papst Bene­dikts XVI. sind offen­kun­dig. Sie waren schon am Anfang des Pon­ti­fi­kats sicht­bar, als der Neu­ge­wähl­te auf die rote Mozet­ta, das Sym­bol des Mar­ty­ri­ums des ­Petrus und der Juris­dik­ti­on, sowie auf die pries­ter­li­che Sto­la ver­zich­te­te. Beob­ach­ter zogen dar­aus weit­rei­chen­de Schlüsse.

Doch die Ver­än­de­run­gen blie­ben nicht auf die sym­bo­li­sche Ebe­ne beschränkt. Der Jour­na­list Wal­ter ­Tri­butsch hat nun ein fun­diert-kri­ti­sches Buch über den Lebens­weg Jor­ge Mario Berg­o­gli­os vor­ge­legt. Als jun­ger Mann enga­gier­te sich der ange­hen­de Kle­ri­ker bei den sozia­lis­ti­schen Pero­nis­ten, deren Wir­ken für vie­le einen faschis­ti­schen Grund­zug offen­bar­te. Spä­ter trat er in die Gesell­schaft Jesu ein und stieg, trotz eini­ger Rück­schlä­ge in der Ordens­kar­rie­re, in der Kir­che Argen­ti­ni­ens schnell auf, bis zum Erz­bi­schof von Bue­nos Aires und zum Vor­sit­zen­den der argen­ti­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz. Er galt als kon­ser­va­ti­ver Geg­ner der Befrei­ungs­theo­lo­gie. Den­noch besa­ßen die Belan­ge der Armen und der Kampf gegen Kor­rup­ti­on für ihn einen hohen Stellenwert.

Der 2001 zum Kar­di­nal ernann­te ­Berg­o­glio ver­füg­te früh über ein­fluß­rei­che Netz­wer­ke im Vati­kan. Beson­ders die Kon­tak­te zu Kar­di­nal Car­lo Mar­ti­ni, dem frü­he­ren Erz­bi­schof von Mai­land und beken­nen­den Refor­mer, wer­den erwähnt. Der Auf­stieg des Süd­amerikaners mit ita­lie­ni­schen Wur­zeln ist nicht ohne bekann­te (meist libe­ra­le) Per­sön­lich­kei­ten denk­bar, die sich auch in ver­schie­de­nen Grup­pen orga­ni­siert haben, etwa in der als »St.-Gallen-Mafia« ver­schrie­nen Kon­spi­ra­ti­on. Fran­zis­kus ist »gemacht« und auf­baut wor­den, wie es der Autor beschreibt – in beson­de­rer Wei­se von den Geg­nern Joseph Ratzingers.

Tri­butsch will aber nicht nur Fak­ten über den Wer­de­gang des der­zei­ti­gen Paps­tes präsen­tieren; er betrach­tet ihn als eine Art rea­len Wie­der­gän­ger einer Figur, die der ehe­ma­li­ge Jesu­it und Schrift­stel­ler Malachi Brendan Mar­tin (1921 – 1999) in sei­nem Roman Der letz­te Papst aus den 1990er Jah­ren kon­tu­riert hat. In die­ser Erzäh­lung beschreibt der tra­di­tio­na­lis­tisch aus­ge­rich­te­te Geist­li­che die Rol­le von Glo­ba­lis­ten, Frei­mau­ern und Sata­nis­ten im Vati­kan sehr dras­tisch. Eben­so wer­den pädo­phil-homo­se­xu­el­le Exzes­se von Kle­ri­kern gera­de in nach­kon­zi­lia­rer Zeit lite­ra­risch aus­ge­schmückt. Den­noch dürf­ten vie­le die Schrift Mar­tins eher als rea­lis­ti­sche denn als fik­ti­ve Dar­stel­lung gele­sen haben.

Tri­butschs Ver­öf­fent­li­chung über­geht die vie­len hei­ßen Eisen nicht, die mit katho­li­scher Kir­che und Vati­kan gera­de in poli­ti­schen Dis­kus­sio­nen ver­bun­den wer­den: Homo­sexualität, Pädo­phi­lie, Frei­mau­re­rei, die Rol­le Satans und wei­te­re bri­san­te Fel­der. Nicht zuletzt die unkla­ren und theo­lo­gisch oft zwei­deu­ti­gen Aus­sa­gen des jet­zi­gen Nach­fol­gers Petri sind dem Ver­fas­ser, der aus einer from­men Fami­lie stammt, ein Dorn im Auge.

Das Urteil des Autors ist an Klar­heit kaum zu über­bie­ten: Fran­zis­kus’ Kurs des spi­ri­tu­el­len Umstur­zes scha­det der Kir­che. Etwas zuge­spitzt zitiert Tri­butsch Papst Leo den Gro­ßen: »Die Wür­de des hei­li­gen Petrus geht auch in einem unwür­di­gen Erben nicht ver­lo­ren«. Die Publi­ka­ti­on des öster­rei­chi­schen Jour­na­lis­ten ist (unge­ach­tet des rei­ße­ri­schen Titels) emp­feh­lens­wert. Sie lie­fert weit­ge­hend prüf­ba­re Fak­ten. Gleich­zei­tig mei­det sie die bei man­chen Vati­kan-Bericht­erstat­tern belieb­ten Aus­schmü­ckun­gen kon­spi­ra­ti­ver Hin­ter­grün­de, die indes­sen aber nicht ganz aus­ge­blen­det wer­den kön­nen, weil Abspra­chen in klei­nen Krei­sen auch im Vati­kan nicht bedeu­tungs­los sind. Es kommt jedoch auf die Art und Wei­se an, wie über Ver­schwö­run­gen berich­tet wird, die man ja meist weder bele­gen noch wider­le­gen kann, mit­hin also im Bereich der Mut­ma­ßun­gen anzu­sie­deln sind. Hilf­reich ist das Per­so­nen­re­gis­ter am Ende des Buches.

– – –

Wal­ter Tri­butsch: Schafft der Papst die Kir­che ab? Katho­li­scher Glau­be und libe­ra­le Geis­tes­hal­tung, Graz: Ares Ver­lag. 245 S., 19,90 €

 

Die­ses Buch kön­nen Sie auf antaios.de bestellen.

 

 Druckausgabe

Beitrag aus der Druckausgabe der Sezession. Abonnieren Sie!

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)