Der Interessierte kann sich so ein Urteil über sein Schaffen bilden, das Kritikern aufgrund angeblicher antisemitischer Untertöne als kontaminiert gilt. Bellocs katholisch-konservativer Ansatz, insbesondere seine wirtschaftliche Gedankenwelt, richtete sich gegen liberale wie kollektivistisch-kommunistische Vorstellungen. Man zählt ihn, auf der Linie Othmar Spanns, üblicherweise zur distributionistischen Denktradition.
Für Belloc, der sich in wichtigen Teilen seines Œuvres mit der Moderne auseinandersetzte, war seine Beschäftigung mit der Französischen Tradition zentral. Sein besonderes Interesse im Rahmen dieser komplexen Themenstellung galt dem Verhältnis von »Revolution und Kirche«. Diese Problematik brachte auch in der deutschen Debatte längst klassisch gewordene Schriften, von Karl-Dietrich Erdmann bis Hans Maier, hervor.
Belloc gelingt es, verschiedene wichtige Aspekte der vielschichtigen Sachverhalte in seine Erörterungen einzubeziehen. Am Anfang stellt er in Grundzügen das Theoriegebäude der Revolution dar. In dessen Mittelpunkt steht zumeist der Gedanke der Volksvertretung durch bestimmte Körperschaften. Jean-Jacques Rousseaus Radikalismus zeigt sich nicht zuletzt darin, daß er mit solchen Absichten der Reformer bricht, die in dieser Hinsicht Vorbilder in anderen Regionen der Welt, vor allem in den damals jungen Vereinigten Staaten, gefunden hatten. Angesichts seiner Stellung ist die ausführliche Berücksichtigung des Verfassers des Contrat social begreiflich.
Belloc verbindet die personen- mit der strukturgeschichtlichen Betrachtungsweise. So werden herausragende Vordenker und Aktivisten der Umwälzung porträtiert, radikalere wie gemäßigte, neben anderen Mirabeau, Danton, Marat und Robespierre. Ausführlich erörtert der Autor die verschiedenen Phasen des revolutionären Geschehens.
Für den als »monarchischen Reaktionär« bekannt gewordenen Verfasser ist seine im Grunde genommen wohlwollende Bewertung der Ereignisse überraschend. Erstaunlich ist ebenso, daß die (teilweise prominenten) Gegner der Revolution übergangen werden, die ihre heftige Opposition vor allem auf die fundamentalen Angriffe auf christliche Glaubensüberlieferungen und die einschneidenden genozidalen Auswüchse gründeten.
In der Tat sympathisierte ein großer Teil des niederen Klerus im Vorfeld der Rebellion mit Ideen und Taten der Aufständischen. Diese Übereinstimmung ist primär in der Zustimmung zur Kategorie der Gleichheit zu suchen. Sie empfing aus der christlichen Tradition wesentliche tugendethische Impulse, aber erst in der Neuzeit wurde der Gedanke der Egalität in strukturenethischer Hinsicht sukzessive umgesetzt. »1789« fungierte als großer Katalysator.
Konsensfähig ist Bellocs Ansicht, erst die Radikalisierung im Verlauf der Geschehnisse habe zu einer weitreichenden Diastase von Glaube und Revolution geführt. Der Eid auf die Zivilkonstitution war bezüglich dieser Entwicklung eine zentrale Etappe. Daran schloß sich die erste Christenverfolgung der Moderne in Europa an. Unstrittig ist die Argumentation Bellocs, daß die letzte Phase des Ancien régime nicht als Blütezeit der katholischen Glaubenslehre und ‑praxis charakterisiert werden kann. Das ist schon an der Dominanz der gallikanischen Nationalkirche zu erkennen. Sie agierte offen romfeindlich und wirkte weithin nur als Zierde eines Systems, dessen Niedergang lange vor seiner faktischen Abschaffung kaum zu übersehen war.
Bellocs Ausführungen zum Thema sind durchaus lesenswert. Aber Wesentliches zur bekannten Problematik der Französischen Revolution können sie nicht beitragen. Auch Meisterautoren sind nicht immer in der Lage, ihre Grenzen zu verbergen.
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Hilaire Belloc: Die Französische Revolution. Wendepunkt der Geschichte, Bad Schmiedeberg: Renovamen-Verlag. 304 S., 16 €
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