Wer als Mutter bewußt zu Hause beim Kind bleibt, erntet Spott von denen, die ihr Kind früh in die Krippe geben („Muttchen“, „Heimchen am Herd“). Wer beizeiten sein Kleines fremdbetreuen läßt, erntet Augenrollen und Stirnrunzeln von den anderen („karrieregeil“.)
So geht das quasi endlos weiter, mindestens bis ins Schulalter: „Waas, eure Tochter schläft nicht bei euch? Okay, interessant.“ –„Echt, du läßt Deinen Sohn im Stehen pinkeln? Pff, naja…“ – „Du nimmst Stoffwindeln? Huh. Mir persönlich wär das ja zu unhygienisch.“ – „Warum darf L. nicht essen, wann er will? Sorry, ich frag ja nur.“
Vermutlich gibt es kaum etwas Toxischeres als junge Mütter, die nun erstmals einen eigenen Plan haben – und ein Objekt, an dem sie sich ausprobieren können. Neu ist nur, daß sie diesen Plan oft anhand von Instagram-Posts (et al) gefaßt haben.
Es geht auf keine Kuhhaut, wie sehr sich gerade junge Frauen von selbstbewußt vorgetragenen Beiträgen in den Sozialen Medien leiten lassen. Meinungsstarke Jungmütter schwärmen für den Kaiserschnitt, anderen ist die Hausgeburt ein Nonplusultra, ein Dazwischen gibt es selten.
Als frischgebackene Mutter ist man naturgemäß besonders verwundbar. Während man noch im Wochenbett liegt, treffen die ersten Kommentare ein: „Stammhalter!”; “kein Stammhalter, dann sicher beim nächsten Kind!“; „hat ja gar nichts vom Vater“; „ooh, die Kartoffelnase von der Müllerseite, wie süß!“
Halt, Zuspruch und Orientierung finden die fragilen Frauen gern auf den grassierenden Mamaseiten in den Sozialen Medien.
Man sagt „zwei Handwerker, drei Meinungen“ – unter Müttern ist das Kampfgeschehen viel drastischer und intoleranter. Motto: Wer von meinen Erziehungsvorstellungen (obwohl, nein, der Begriff ‚Erziehung´ ist eigentlich out) auch nur im geringsten abweicht, tickt a) verkehrt, ist b) recht eigentlich ein Unmensch und sollte c) im Grunde vor den Kadi.
Das beste Beispiel hierfür ist das Buch Jedes Kind kann schlafen lernen. Irgendwann in den Neunziger Jahren wurde es erstmals publiziert. Mittlerweile ist es in der zehnten Auflage erhältlich. Grob zusammengefaßt geht es hier darum, wie Eltern, die einfach nicht mehr können, ihr kleines Kind (nein, es geht nicht um Neugeborene) zu einem gesunden Schlafrhythmus anleiten. Nichts daran ist brutal, es geht um einen sanften, aber autoritativen Prozeß.
Wer Lust hat, kann sich in den Sozialen Medien anschauen, wie dieser Ratgeber (hundert‑, tausendfach!) dämonisiert wird. Frauen, die Abtreibung befürworten und ihren Nachwuchs gern dem Streß der Frühkrippe aussetzen, halten dieses fundierte und ziemlich harmlose Buch für „Kindesmißbrauch.“
Seit ein paar Jahren gibt es nun – und hier wird die Schraube hysterisiert einen Zacken weitergedreht – die Warnung vor „rechten Eltern“.
Bereits vor fünf Jahren hatte die einschlägige, staatsfinanzierte „Amadeu Antonio Stiftung“ Alarm geschlagen:
Hier sollte man „völkische Kinder“ noch daran erkennen, daß sie besonders streng erzogen werden. Die Beschreibung Aussätziger war 2018 noch so verzopft wie stereotypisch. (Das Geleitwort zum Pamphlet schreib übrigens Franziska Giffey.)
Das hat sich geändert. Aufgedeckt wurde nun, daß auch „rechte Eltern“ (sicher „pseudo“-) liebevoll mit ihren Kindern umgehen. Ein unverschämter Trick!
Die enorm erfolgreiche Influencerin, Journalistin und Buchautorin (u.a. Mein kompetentes Baby) Nora Imlau, stämmige Vierfachmutter in Jeans, hat bereits 2020 vor „bindungsorientierter Elternschaft als Einfallstor für rechte Ideologien“ gewarnt.
Sie deckte auf: „Nazis“ liebten schon immer „Familienthemen“, da
diese im Gegensatz zu Ausländerhaß und Demokratiezersetzung ungeheuer anschlußfähig
seien. Diesen Rechten gehe es aber ausschließlich um die „heteronormative weiße Versorgerehe“, die natürlich pfui ist (auch wenn Imlau selbst zumindest weiß und heterosexuell erscheint).
Gemeinsam mit dem antifaschistischen Kinderarzt Herbert Renz-Polster hatte Imlau 2016 ein „sanftes Einschlafbuch“ verfaßt. Derselbe Renz-Polster hatte 2019 (Erziehung prägt Gesinnung. Wie der weltweite Rechtsruck entstehen konnte) noch behauptet, eine „bindungs- und bedürfnisorientierte Ausrichtung von Kindheiten“ werde einer rechten Entwicklung entgegenwirken.
Nun: anscheinend nicht. Rechte erkennt man nun nicht mehr an Glatzen und Springerstiefeln, und man erkennt sie auch nicht mehr daran, daß sie ihre Kinder züchtigen und schulen. Rechte – jetzt wird es wirklich vertrackt – indoktrinieren die Kinder, indem sie sie emotional an sich binden.
Die „bindungsorientierte Elternszene“ sei unterwandert worden, hieß es in Imlaus Text von 2020:Und zwar von rechts. Mehr noch:
Die Blase hat ein ‘Naziproblem‘.
Die Blase? Szene? Gemeint sind Teile des Milieus, das Imlau selbst bespielt: Mütter, die für selbstbestimmte Geburt plädieren, stillen, „achtsam“ mit den Kleinen umgehen. Frau Imlau klärt auf:
Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: Ich bin der Faschismus.
Er wird sagen: Es ist doch einfach auch fürs Kind wichtig, in einer richtigen Familie mit Mama und Papa groß zu werden, Muttermilch statt Pulverpapp zu bekommen und nicht fremdbetreut, zwangsgeimpft und frühsexualisiert zu werden.
Da müssen wir einhaken, jedes einzelne Mal. Nein sagen, stopp schreien.
Auch ein langer WELT-Artikel “entlarvte” 2020, daß sich hinter „bindungsorientierten“ Müttern oft “rechte Ideologinnen” verbergen, die nicht mal vor Impfkritik zurückschreckten und beispielweise Mütter von „neurodiversen“ Kindern ausgrenzten.
2022 warnte Imlau in der Süddeutschen erneut vor reaktionärem Gedankengut, das stillende, achtsame Mütter leicht entwickeln könnten. (Der Text ist hinter einer Bezahlschranke, Anklicken lohnt dennoch: Die Illustration nämlich ist überaus beachtlich.)
Im Juni 2023 erschien nun auf zeit.de der Text einer Autorin namens Lisa Kreuzmann, der ins gleiche Horn stieß:
Stillen, Familienbett, Kitaskepsis: Bindungsorientiertes Erziehen gilt als sanft und achtsam, ist aber auch westlich und elitär. Das spricht zunehmend Rechtsextreme an.
Die Autorin klagt:
Die Szene ist entgegen ihrer lautesten Stimmen mehrheitlich weder liberal noch divers. Es sind vor allem weiße Frauen aus der Mittelschicht, die dort aushandeln, was Mutterschaft bedeutet, wer Verantwortung für die Kinder trägt und was daraus folgt. Darunter nur wenige Mütter, die sich als Feministinnen oder Antirassistinnen verstehen…und schließlich Frauen, denen es darum geht, die traditionelle Mutterrolle zu ehren.
Die Rhetorik von der sicheren Bindung werde
dort gezielt herangezogen, um konservative und oftmals mütterzentrierte Politik zu machen, die in Teilen von einem biologistischen Familienbild geprägt ist,
hat Frau Kreuzmann ermittelt. Es bleibt vertrackt für junge Mütter, oder?
Dabei ist konservative Erziehung, die von einem traditionellen Familienbild geprägt ist, eigentlich gar kein Problem. Übrigens auch nicht für weiße Menschen. Denn es bleibt so einfach: Right is right and left is wrong.
Mütter: Macht Euer Ding! Es gibt nichts Wichtigeres!
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Bewährter Lesetip: Caroline Sommerfelds Wir erziehen
Schobbepetzer
Das Einzige, was noch fehlt, ist die Definition, welche Stellung/Position beim "Kindermachen" eindeutig zu rechten Kindern führt. Da könnte man "Zufalls-Rechte" vermeiden! Bin gespannt, wann der erste Soziologie Professor dazu eine Forschungsarbeit erteilt.