Die afrikanische Misere

von Peter J. Preusse -- PDF der Druckfassung aus Sezession 113/ April 2023

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Für die anhal­ten­de Mise­re des Schwar­zen Kon­ti­nents und des isla­misch gepräg­ten Nahen und Mitt­le­ren Ostens gibt es eine gro­ße Zahl mög­li­cher Kau­sal­fak­to­ren. Zu den popu­lärs­ten gehö­ren Kor­rup­ti­on, Staats­ver­sa­gen, Kolo­ni­sie­rungs­fol­gen, kapi­ta­lis­ti­sche Aus­beu­tung, Kul­tur, ver­fehl­te Ent­wick­lungs­po­li­tik und die ver­meint­li­che Klimakatastrophe.

Selbst wenn kei­nes die­ser The­men­fel­der irrele­vant und nur Begleit­phä­no­men sein soll­te: War­um aus­ge­rech­net Afri­ka und der Nahe und Mitt­le­re Osten? War­um nicht das viel­fach geschun­de­ne Süd­asi­en und Süd­ame­ri­ka? War­um nicht der indi­sche Subkontinent?

Es gibt in der gesam­ten Sozio­psy­cho­lo­gie kei­ne Kor­re­la­ti­on, die stär­ker und ein­deu­ti­ger wäre als die zwi­schen Intel­li­genz und sozio­öko­no­mi­schem Erfolg, gemes­sen unter ande­rem an Ein­kom­men, Gesund­heit, Lang­le­big­keit, Kin­der­sterb­lich­keit, Bil­dung, Sicher­heit, sozia­ler Sta­bi­li­tät und gerin­ger Kri­mi­na­li­tät. Der Demo­kra­ti­sie­rungs­grad und selbst der Frei­heits­grad der Wirt­schaft lan­den weit abge­schla­gen auf den hin­te­ren Plät­zen. Boden­schät­ze, Vege­ta­ti­ons­kraft und sons­ti­ge geo­gra­phi­sche und kli­ma­ti­sche Bedin­gun­gen spie­len nur Nebenrollen.

Ent­schei­dend ist dage­gen die Fähig­keit, sach­ge­recht und vor­aus­schau­end zu den­ken und zu han­deln, wozu neben einer guten all­ge­mei­nen Intel­li­genz auch die Fähig­keit gehört, auf sofor­ti­ge Beloh­nung zuguns­ten einer spä­te­ren und umfas­sen­de­ren zu ver­zich­ten. In Öko­no­mie und Psy­cho­lo­gie heißt das: gerin­ge Zeit­prä­fe­renz und hohe Gewis­sen­haf­tig­keit mit den Facet­ten Fleiß und Ord­nung; Eigen­schaf­ten, die nicht iden­tisch, aber oft ver­bun­den sind mit der indi­vi­du­el­len Intelligenz.

Wenn man, dem Stand der Wis­sen­schaft fol­gend, davon aus­geht, daß die tat­säch­lich indi­vi­du­ell ver­füg­ba­re Intel­li­genz zu min­des­tens 50 Pro­zent das Ergeb­nis des Zusam­men­wir­kens einer Viel­zahl von Genen ist und also zu höchs­tens 50 Pro­zent, eher nur zu 20 bis 30 Pro­zent, durch Umwelt und ins­be­son­de­re Erzie­hung beein­flußt wird, fin­det man inner­halb einer gene­tisch durch­misch­ten Groß­grup­pe die Intel­li­genz­ver­tei­lung regel­mä­ßig der Gauß­schen Nor­mal­ver­tei­lung ange­nä­hert, was sich gra­fisch als die soge­nann­te Glo­cken­kur­ve darstellt.

Bei den wis­sen­schaft­lich eta­blier­ten Defi­ni­tio­nen für die diver­sen Tests wie IQ, PISA (Pro­gram­me for Inter­na­tio­nal Stu­dent Assess­ment) und TIMSS (Trends in Inter­na­tio­nal Mathe­ma­tics and Sci­ence Stu­dy) fin­det man inner­halb einer sol­chen gene­tisch durch­misch­ten Grup­pe einen Medi­an­wert, dem gegen­über die Hälf­te der Test­per­so­nen bes­ser und die ande­re Hälf­te schlech­ter abschnei­det. Nach gän­gi­ger Pra­xis gilt für ein euro­päi­sches Publi­kum eine Abwei­chung über zwei Stan­dard­ab­wei­chun­gen nach unten als geis­ti­ge Behin­de­rung, ab zwei Stan­dard­ab­wei­chun­gen nach oben fängt die Hoch­be­ga­bung an. Jeweils etwa zwei Pro­zent einer sol­chen Groß­grup­pe lie­gen unter respek­ti­ve über die­sen Grenzen.

Die so gewon­ne­nen Roh­da­ten wer­den dann je nach Test­sys­te­ma­tik ver­schie­den auf­ge­ar­bei­tet: Beim soge­nann­ten Intel­li­genz­quo­ti­en­ten wird der Medi­an­wert als IQ 100 defi­niert mit einer Stan­dard­ab­wei­chung von 15 Punk­ten; die Wer­te IQ 70 und IQ 130 bezeich­nen die unte­re und die obe­re Zwei-Pro­zent-Gren­ze. Bei PISA mit einem Medi­an von 500 Punk­ten und einer Stan­dard­ab­wei­chung von 100 Punk­ten lie­gen die mitt­le­ren 96 Pro­zent aller Test­ergeb­nis­se zwi­schen 300 und 700 Punk­ten. Im Bereich von plus / minus einer Stan­dard­ab­wei­chung, IQ 85 bis 115 respek­ti­ve PISA 400 bis 600, lie­gen jeweils etwa 68 Pro­zent der Kan­di­da­ten. Dies gilt, wie gesagt, inner­halb jeder gene­tisch durch­misch­ten Groß­grup­pe und sagt zunächst weder etwas über irgend­ein spe­zi­fi­sches Indi­vi­du­um noch über das Gesamt­ni­veau der Grup­pe aus.

Aller­dings kann man natür­lich sol­che Groß­grup­pen zuein­an­der in Bezie­hung set­zen, indem man die Roh­da­ten ver­gleicht und auf die IQ-Ska­la einer ande­ren Groß­grup­pe umrech­net. Als inter­na­tio­na­les Eich­maß dient his­to­risch bedingt Groß­bri­tan­ni­en. Gene­ra­tio­nen von Wis­sen­schaft­lern haben viel Sorg­falt dar­auf ver­wen­det, die Ver­gleich­bar­keit zu gewähr­leis­ten, indem die Auf­ga­ben mög­lichst kul­tur­neu­tral aus­ge­wählt wur­den. Dar­über hin­aus hat man unter der Annah­me, daß Intel­li­genz geschlechts­neu­tral sei, die Auf­ga­ben so gemischt, daß trotz unter­schied­li­cher Schwer­punk­te Män­ner und Frau­en den glei­chen Medi­an erreichen.

Der iri­sche Psy­cho­lo­ge Richard Lynn und der fin­ni­sche Poli­to­lo­ge Tatu Vanha­nen haben 2002 in einer groß­an­ge­leg­ten Meta­ana­ly­se alle welt­weit ver­füg­ba­ren 147 Stu­di­en aus 82 Län­dern mit 307 505 unter­such­ten Per­so­nen aus­ge­wer­tet. Daß von die­sen 147 Unter­su­chun­gen nur zwei mit reprä­sen­ta­ti­ven Stich­pro­ben arbei­te­ten, wirft ein trü­bes Licht auf den For­schungs­zweig. Dabei fan­den sie, gewich­tet nach Pro­ban­den­zahl, fol­gen­de Mit­tel­wer­te für die Kon­ti­nen­te, jeweils mit Höchst- und Tiefst­wer­ten für ein­zel­ne Lan­des­mit­tel in Klam­mern: Euro­pa 98 (102 – 90), Nord­ame­ri­ka und Aus­tra­l­asi­en 98 (100 – 97), Ost­asi­en 105 (107 – 100), Süd- und Süd­west­asi­en 87 (103 – 81), Süd­ost­asi­en und pazi­fi­sche Inseln 87 (89 – 84), Latein­ame­ri­ka und Kari­bik 88 (98 – 79), Afri­ka 72 (85 – 59), davon Sub­sa­ha­ra-Afri­ka 71 (77 – 59).

Mit gerin­gen Abwei­chun­gen und glei­cher Ten­denz wur­den die­se Ergeb­nis­se mitt­ler­wei­le mehr­fach bestä­tigt, ins­be­son­de­re von Hei­ner Rin­der­mann 2018 sowie von Richard Lynn und David Becker 2019 in einer Zusam­men­stel­lung aller welt­weit ver­füg­ba­ren Daten. Mit den Jah­ren ist die Empi­rie sta­bi­ler und sind die Daten bes­ser ver­gleich­bar gewor­den – in dem Maß, in dem das Inter­es­se an der Erhe­bung reprä­sen­ta­ti­ver und signi­fi­kan­ter Daten nicht durch Angst vor Ergeb­nis­sen ver­nach­läs­sigt und behin­dert wur­de, wel­che mit dem nor­ma­tiv ver­stan­de­nen »All men are crea­ted equal«-Glaubenssatz offen­sicht­lich kollidieren.

Ein zwei­fel­los beson­ders wich­ti­ger Punkt zur Beur­tei­lung der Befun­de ist der soge­nann­te Flynn-Effekt. Mit die­sem Namen wird das Phä­no­men bezeich­net, daß inner­halb von sechs Gene­ra­tio­nen von 1830 bis 1990 der durch­schnitt­li­che IQ in den Län­dern, die die Indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on getra­gen hat­ten, kon­ti­nu­ier­lich stieg. Heu­te ver­dich­tet sich die Ansicht, daß neben posi­ti­ven Effek­ten der sozia­len Umwelt wie Kul­tur, Bil­dung und Tech­ni­sie­rung vor allem nega­ti­ve Effek­te wie spe­zi­fi­sche Aspek­te der embryo­na­len und früh­kind­li­chen Man­gel­er­näh­rung in der Lage waren, das vol­le Aus­schöp­fen der gene­tisch mög­li­chen Intel­li­genz zu verhindern.

Sofern das zutrifft, kann die­ser Effekt bei güns­ti­ger Ent­wick­lung auch ande­re Erd­tei­le betref­fen; man spe­ku­liert mit einer mög­li­chen ernäh­rungs­be­ding­ten Zunah­me bis etwa eine Stan­dard­ab­wei­chung, also 15 IQ-Punk­te, für sol­che Gegen­den, in denen früh­kind­li­che Man­gel­er­näh­rung eine Rol­le spielt. Dafür könn­te auch spre­chen, daß Afro­ame­ri­ka­ner – »wei­ße Schwar­ze« aus afri­ka­ni­scher Sicht – mit durch­schnitt­li­chem IQ 85 etwa eine Stan­dard­ab­wei­chung über dem schwarz­afri­ka­ni­schen pro­banden­ge­wich­te­ten Durch­schnitt von 71 liegen.

Hin­ter dem empi­risch fest­stell­ba­ren phä­no­ty­pi­schen IQ steht, begriff­lich klar, aber nicht direkt meß­bar, der geno­ty­pi­sche; das ist das unzwei­deu­ti­ge Ergeb­nis jahr­zehn­te­lan­ger For­schun­gen, ins­be­son­de­re anhand der Beob­ach­tung an früh getrenn­ten ein­ei­igen Zwil­lin­gen und deren nach der Ado­les­zenz stark kon­ver­gie­ren­den kogni­ti­ven Ent­wick­lun­gen sowie in Adop­ti­ons­stu­di­en, die klar die sozia­len und gene­ti­schen Kom­po­nen­ten tren­nen lassen.

Der IQ ist dem­zu­fol­ge nicht nur das bereits ab dem Grund­schul­al­ter sta­bils­te psy­cho­lo­gi­sche Merk­mal über­haupt, so der deut­sche Psy­cho­lo­ge Det­lef H. Rost, son­dern dar­über hin­aus in jeder Per­spek­ti­ve, vom Ein­zel­we­sen über eth­ni­sche Grup­pen bis zu gan­zen Natio­nen und Erd­tei­len, der bei wei­tem wich­tigs­te Ein­zel­fak­tor für die Ent­wick­lung des Pro-Kopf-Ein­kom­mens und für den in vie­len Dimen­sio­nen gemes­se­nen sozio­öko­no­mi­schen Erfolg.

Anhand einer sehr gro­ßen Daten­ba­sis errech­ne­ten Lynn und Vanha­nen in der bereits erwähn­ten Meta­ana­ly­se, daß der natio­na­le Durch­schnitts-IQ 55 Pro­zent des Brut­to­so­zi­al­pro­dukts pro Kopf erklärt; die Berück­sich­ti­gung des Index der öko­no­mi­schen Frei­heit und des Demo­kra­ti­sie­rungs­in­dex erklärt wei­te­re acht Pro­zent, wobei der Bei­trag der Demo­kra­ti­sie­rung gering zu sein scheint. Das geht so weit, daß nied­ri­ge Intel­li­genz und nied­ri­ge Gewis­sen­haf­tig­keit den kom­pa­ra­ti­ven Arbeits­kos­ten­vor­teil zunich­te machen kön­nen, wes­halb zum Bei­spiel indi­sche Baum­woll­spin­ne­rei­en in der Früh­zeit der Indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on nicht gegen die eng­li­schen bestehen konnten.

Im Gegen­satz zur Intel­li­genz, deren Defi­ni­ti­on und repro­du­zier­ba­re expe­ri­men­tel­le Quan­ti­fi­zie­rung die Psy­cho­lo­gie schon seit 1905 (Alfred ­Binet) umtreibt, ist im Bereich des Fünf-Fak­to­ren-Modells der Per­sön­lich­keits­psy­cho­lo­gie und spe­zi­ell der Gewis­sen­haf­tig­keit mit den Teil­aspek­ten Fleiß, Zeit­prä­fe­renz und metho­di­sche Ord­nung die quan­ti­ta­ti­ve Mes­sung weit weni­ger in der Brei­te eta­bliert. Ent­spre­chend schei­nen empi­ri­sche Daten, die par­al­lel zu den Intel­li­genz­be­fun­den in Bezie­hung zu sozio­öko­no­mi­schen Erhe­bun­gen gesetzt wer­den könn­ten, noch rar zu sein. Immer­hin wird die­ser immer mit­zu­den­ken­de Erfolgs­fak­tor, des­sen kul­tu­rel­len Aspekt die Weber­sche Arbeits­ethik beschreibt, in der deut­schen Wiki­pe­dia auf­grund von Stu­di­en aus den Jah­ren 2003 und 2010 zur Hälf­te »bis zu zwei Drit­tel […] auf gene­ti­sche Ein­flüs­se« zurückgeführt.

Wenn man etwa aus der ganz bana­len all­täg­li­chen Erfah­rung mit den vie­len und stän­dig neu dazu­kom­men­den Hun­de­ras­sen gelernt hat, daß es bei Tie­ren inner­halb von weni­gen Gene­ra­tio­nen mög­lich ist, durch kon­se­quen­te Selek­ti­on der gewünsch­ten Eigen­schaf­ten ein gene­tisch halb­wegs sta­bi­les, neu­es Kör­per- und Wesens­pro­fil her­an­zu­züch­ten, dann will es einem abwe­gig erschei­nen, daß inner­halb der min­des­tens 1500 bis 2000 Gene­ra­tio­nen seit dem Aus­zug des Homo sapi­ens aus Ost­afri­ka die Evo­lu­ti­on außer ein paar Haut­far­ben- und Augen­form­va­ri­an­ten und der­glei­chen Ober­fläch­lich­kei­ten nichts Wich­ti­ges her­vor­ge­bracht haben soll.

Dazu waren ganz offen­sicht­lich schon die natür­li­chen Selek­ti­ons­be­din­gun­gen in der Savan­ne, im tro­pi­schen Urwald, im gemä­ßig­ten Kli­ma und in den ­pol­na­hen und hoch­ge­le­ge­nen vege­ta­ti­ons­ar­men Zonen zu unter­schied­lich, ganz zu schwei­gen von kul­tu­rel­len Beson­der­hei­ten wie der über lan­ge Zeit­räu­me hier­ar­chisch sta­bi­len Gesell­schaft des chi­ne­si­schen Rie­sen­rei­ches, den noma­di­sie­ren­den Vieh­züch­tern und Händ­lern des Nahen Ostens mit ihrer Unter­wer­fungs­re­li­gi­on und den Dia­spo­ra-Juden mit ihrer Wert­schät­zung der Schrift und des spitz­fin­di­gen Strei­tes mit ihrem Gott um sei­ne Geset­ze. Es ist Stand der Wis­sen­schaft, daß Evo­lu­ti­on fort­lau­fend, mas­siv und regio­nal wirkt.

Das Leben ist für alle Spe­zi­es außer für den Men­schen der Moder­ne ein gna­den­lo­ser Kampf um knap­pe Res­sour­cen: Jede Art wächst und ver­mehrt sich an ihrem Stand­ort so lan­ge, bis die Knapp­heit der einen oder ande­ren Lebens­be­din­gung wei­te­ren Nach­wuchs nicht ent­ste­hen und groß wer­den läßt: Man­gel­fak­to­ren wie Raum, Licht, Nah­rungs­an­ge­bot, Epi­de­mien und Fein­de sor­gen dafür, daß zwar gezeugt, geschlüpft, gebo­ren respek­ti­ve gekeimt wer­den kann, aber eben nicht in belie­bi­ger Zahl mit einem über das Sta­di­um der Eichel, der Kaul­quap­pe, des Reh­kit­zes oder des Klein­kin­des hin­aus­ge­hen­den Gedei­hen. Und das bedeu­tet, gege­be­nen­falls auch im gro­ßen Maß­stab, zu ster­ben, ohne eine hin­rei­chen­de Zahl selbst­re­pro­du­zie­ren­der Erben zu hin­ter­las­sen. Dazu kom­men im Fall des Men­schen der ver­lust­rei­che Krieg um Res­sour­cen und die bewuß­te Tötung unge­bo­re­ner und neu­ge­bo­re­ner Kin­der, bevor­zugt Mädchen.

Denn auch die mensch­li­che Spe­zi­es ver­mehrt sich nach dem 1798 von Tho­mas Mal­thus ent­deck­ten Gesetz der Popu­la­ti­on bis zum Errei­chen der jewei­li­gen Sub­sis­tenz­gren­ze, und danach fängt die Selek­ti­on an, die dar­über bestimmt, wer als der bes­ser Ange­paß­te mehr Kin­der bis zum Repro­duk­ti­ons­al­ter durch­brin­gen kann. Die Grau­sam­keit und Här­te der Selek­ti­on erschre­cken uns behü­te­te Wohl­stands­bür­ger zutiefst, aber unse­re Vor­fah­ren waren ihr wie alle ande­ren Wesen bestän­dig aus­ge­setzt, beson­ders in Zei­ten von kli­ma- oder wet­ter­be­ding­tem Man­gel und sons­ti­ger Kon­tin­genz – bis end­lich, eben durch Selek­ti­on von Intel­li­genz und Gewis­sen­haf­tig­keit, eine nicht­ma­gi­sche, eine wis­sen­schaft­lich-ratio­na­le Welt­sicht mög­lich wur­de und in der Indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on die ange­stau­te Inno­va­ti­ons­kraft ent­fes­selt und gebün­delt wur­de. Die Indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on hat uns ein so umfas­sen­des und nach­hal­ti­ges Wachs­tum unse­rer Sub­sis­tenz­mit­tel beschert, daß die Erde fast zehn­mal mehr Men­schen trägt und ernährt als zuvor und die meis­ten vom unmit­tel­ba­ren Kampf ums Dasein ent­bun­den sind.

Das heißt aber, daß zumin­dest die wei­te­re gene­ti­sche Höher­ent­wick­lung ohne den natür­li­chen Selek­ti­ons­druck ins Sto­cken gerät, sofern es nicht gelingt, auf kul­tu­rel­le Wei­se für einen repro­duk­ti­ven Vor­teil der bes­se­ren Ange­paßt­heit durch sta­bi­le­re Gesund­heit, höhe­re Intel­li­genz und fried­lich-koope­ra­ti­ven und gewis­sen­haf­ten Cha­rak­ter zu sor­gen. Die empi­ri­sche Wirk­lich­keit ist gar die, daß im natio­na­len wie inter­na­tio­na­len Maß­stab die Zahl der weni­ger Bil­dungs­ori­en­tier­ten, weni­ger Intel­li­gen­ten und weni­ger Erfolg­rei­chen über­pro­por­tio­nal zunimmt respek­ti­ve in den meis­ten Indus­trie­län­dern weni­ger schnell abnimmt.

Der gesund­heit­li­che Effekt kul­tu­rell akzep­tier­ter Ver­wand­ten-Ehen und die bes­se­re Über­le­bens­chan­ce Erb­kran­ker unter west­lich-zivi­len Bedin­gun­gen kom­men dazu. Das zusam­men ist bedroh­lich. Denn in dem Maß, wie sich Intel­li­genz und für den sozio­öko­no­mi­schen Erfolg bedeu­ten­de Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten ver­er­ben und die­se für den tat­säch­li­chen Erfolg durch­schla­gen, wer­den das wirt­schaft­li­che Wohl­erge­hen, die Sicher­heit des Lebens mit sei­nen kom­ple­xen Anfor­de­run­gen an Nah­rung und Schutz und Bil­dung Scha­den neh­men, wenn und wo das Durch­schnitts­ni­veau besag­ter Eigen­schaf­ten sinkt.

Fürs grund­sätz­li­che Erfin­den neu­er Tech­no­lo­gien mag es welt­weit mit rela­tiv weni­gen Hoch­be­gab­ten hin­rei­chen, die als ein­zel­ne in allen Eth­ni­en vor­kom­men, wenn auch kei­nes­wegs in glei­cher Häu­fig­keit. Aber bis sol­che Leis­tun­gen sich in der Brei­te wohl­stands­meh­rend aus­wir­ken kön­nen, müs­sen zahl­rei­che Zwi­schen­ebe­nen wie Aus­ar­bei­tung, Tes­tung, Kon­struk­ti­on, Bau, Ver­wal­tung, War­tung, Ver­mark­tung und Bedie­nung funk­tio­nie­ren. Und jede hat ihre spe­zi­fi­sche, wenn auch empi­risch nicht scharf zu zie­hen­de Unter­gren­ze des Anfor­de­rungs­pro­fils. Ein mitt­le­rer IQ zum Bei­spiel der Schwar­zen Süd­afri­kas von 66 bedeu­tet, wie der deut­sche Intel­li­genz­for­scher Volk­mar Weiss an der Glo­cken­kur­ve der Nor­mal­ver­tei­lung demons­triert, daß nicht mehr als 0,01 Pro­zent von ihnen den kri­ti­schen Wert von IQ 105 über­schrei­ten, der für eine erfolg­rei­che Selb­stän­dig­keit im Wirt­schafts­le­ben not­wen­dig ist.

Auch wenn man davon aus­geht, daß wegen der mise­ra­blen Lebens­be­din­gun­gen der Flynn-Effekt bei den Schwar­zen Süd­afri­kas sich noch nicht voll aus­wir­ken konn­te und ihr geno­ty­pi­scher IQ 80 beträgt, über­schrei­ten nur 0,6 Pro­zent den IQ-Schwel­len­wert 105, gegen­über rund 30 Pro­zent bei einer Bevöl­ke­rung mit dem Medi­an IQ 100. Das sind schlicht zu weni­ge qua­li­fi­zier­te Schwar­ze, um in der fort­ge­schrit­te­nen Indus­trie­ge­sell­schaft Süd­afri­kas die zahl­rei­chen Arbeits­stel­len von Wei­ßen mit hoher und mitt­le­rer Qua­li­fi­ka­ti­on zu beset­zen und Gewer­be zu betrei­ben, ohne die Wirt­schaft zu rui­nie­ren – was im Namen der Anti­apart­heid aber auf brei­ter Front pas­siert. Selbst für den Erhalt der aus der Kolo­ni­al­zeit über­kom­me­nen Infra­struk­tur reicht das vor­han­de­ne Human­ka­pi­tal nicht aus, wie man über­all in Afri­ka etwa an ver­fal­len­den Eisen­bahn­li­ni­en bewun­dern kann.

Es gibt ein Phä­no­men der Ungleich­heit abseits aller poten­ti­el­ler metho­di­scher Zwei­fel­haf­tig­keit, und das ist die schlich­te Tat­sa­che, daß es in Schwarz­afri­ka vor dem Erschei­nen der Euro­pä­er kei­ne erfolg­rei­che, eigen­stän­di­ge schrift­li­che Auf­zeich­nung von Spra­che gab. Ein mensch­heits­ge­schicht­lich fast über­all sonst statt­ge­fun­de­ner Über­gang von einer anschau­li­chen Gedächt­nis­kul­tur zu einer einer­seits pro­fa­nier­ten, ande­rer­seits dif­fe­ren­zier­ten abs­trak­ten und fixier­ten Begriffs­kul­tur auf all­täg­li­cher, künst­le­ri­scher und tech­nisch-wis­sen­schaft­li­cher Ebe­ne hat es in Afri­ka schlicht nicht gege­ben. Die Schöp­fungs­my­then Afri­kas wur­den aus­schließ­lich münd­lich tra­diert, bis Ende des 17. Jahr­hun­derts Euro­pä­er began­nen, sie aufzuzeichnen.

Die mensch­li­che Fähig­keit zur Abs­trak­ti­on, auf den Begriff gebracht und zum jeder­zei­ti­gen Gebrauch bereit­ge­hal­ten in der Schrift­lich­keit, hat erst die Höhen von Kogni­ti­on, Kunst, Arbeits­tei­lung, Wis­sen­schaft und Tech­nik ermög­licht. Gibt es, so lau­tet die drin­gen­de Fra­ge, eine Mög­lich­keit, ohne die natür­li­che Bru­ta­li­tät der Selek­ti­on durch mas­sen­haf­ten Tod, im Inter­es­se einer selbst­tra­gen­den afri­ka­ni­schen Ent­wick­lung die nöti­gen gene­ti­schen Vor­aus­set­zun­gen für Intel­li­genz, Gesund­heit und mora­li­schen Cha­rak­ter ent­ste­hen zu lassen?

Durch die Seg­nun­gen der tech­ni­schen, wirt­schaft­li­chen und hygie­ni­schen, kurz der zivi­li­sa­to­ri­schen Fort­schrit­te, die als Fremd­leis­tung per Kolo­ni­sie­rung und Ent­wick­lungs­hil­fe Afri­ka erreich­ten, ist die­ser Selek­ti­ons­druck, der dank der natür­li­chen Üppig­keit des Kon­ti­nents zumin­dest in die­ser Hin­sicht schon bis­her gerin­ger war als im größ­ten Teil des Rests der Welt, ganz auf­ge­ho­ben wor­den. Die Bevöl­ke­rung hat sich in den 70 Jah­ren bis 2020 von 0,25 auf 1,3 Mil­li­ar­den Men­schen ver­fünf­facht: weit vor­wie­gend auf­grund ver­bes­ser­ter Über­le­bens­chan­cen durch Imple­men­tie­rung der Früch­te des in Jahr­tau­sen­den gewach­se­nen euro­päi­schen gene­tisch-kul­tu­rell-öko­no­mi­schen Humankapitals.

Bei einem Land­flä­chen­an­teil von 20 Pro­zent und einem Bevöl­ke­rungs­an­teil von 17,5 Pro­zent beträgt der Anteil am Welt­so­zi­al­pro­dukt gera­de ein­mal 3,1 Pro­zent. Das ent­spricht einem Pro-Kopf-Ein­kom­men von knapp drei­ein­halb Pro­zent des nord­ame­ri­ka­ni­schen und sechs­ein­halb Pro­zent des euro­päi­schen (Sta­tis­ta, UNCTAD). Zwar gibt es in Afri­ka gegen­über bei­spiels­wei­se Bra­si­li­en und der Domi­ni­ka­ni­schen Repu­blik ein weni­ger stark aus­ge­präg­tes Miß­ver­hält­nis von Frucht­bar­keit und Bil­dungs­ni­veau, dafür miß­lingt hier der soge­nann­te demo­gra­phi­sche Über­gang von hoher Frucht­bar­keit bei hoher Sterb­lich­keit zu gerin­ge­rer Frucht­bar­keit und gerin­ge­rer Sterb­lich­keit, weil fast nur die Sterb­lich­keit abge­nom­men hat. Wäh­rend die Zivi­li­sa­ti­on der »alten wei­ßen Män­ner« ihren »Abgang ins pla­ne­ta­re Alten­teil« vor­be­rei­tet, ope­riert der Wes­ten gegen­über dem Schwar­zen Kon­ti­nent erfolg­los, denn »die Blut­bah­nen der magi­schen Welt­sicht durch­zie­hen auch das moder­ne und glo­ba­li­sier­te Afri­ka« (Frank Böckelmann).

Ohne nach­hal­ti­ge Ver­bes­se­rung von all­ge­mei­ner Intel­li­genz und Gewis­sen­haf­tig­keit läßt sich lang­fris­tig kei­ne Per­spek­ti­ve vor­stel­len für eine selbst­tra­gen­de Ent­wick­lung zum Posi­ti­ven. Was bleibt an Möglichkeiten?

Die, die sich abzu­zeich­nen scheint, ist wohl eine zwei­te Kolo­nia­li­sie­rung durch Chi­na mit aus­ge­spro­chen unüber­sicht­li­chen und wenig zim­per­li­chen Per­spek­ti­ven für die auto­chtho­ne Bevöl­ke­rung und ihre Repro­duk­ti­on. In sei­ner sys­te­ma­ti­schen Unter­su­chung der euge­ni­schen Tech­ni­ken spricht Lynn hier von der Mög­lich­keit einer rasan­ten Intel­li­genz­ent­wick­lung mit bis zu 15 mög­li­chen IQ-Punk­ten pro Gene­ra­ti­on etwa im auto­ri­täts­ge­wohn­ten Ost­asi­en, das schon jetzt zur Intel­li­genz-Ober­schicht gehört, etwa durch chir­ur­gisch / medi­ka­men­tös-rever­si­ble Hem­mung der Frucht­bar­keit, staat­li­che Fort­pflan­zungs­li­zenz für eine IQ- und Sozi­ale­li­te sowie über­wach­te Embryo­nen-Selek­ti­on. Der posi­ti­ven Intel­li­genz­ent­wick­lung hier ste­he auf­grund der dys­ge­ni­schen Fer­ti­li­tät in den euro­pä­isch gepräg­ten und den Ent­wick­lungs­län­dern eine wei­te­re Min­de­rung der gene­ti­schen Basis gegen­über. Als Fol­ge des so ver­schärf­ten Migra­ti­ons­drucks wird auch die west­li­che Welt tie­fer in die Abwärts­spi­ra­le gezogen.

Viel­leicht soll­ten Intel­lek­tu­el­le der bedroh­ten west­li­chen Welt ange­sichts sol­cher Kulis­se noch ein­mal über­den­ken, ob »der Wert des Men­schen als sol­cher« ihn hin­dert, sei­nen indi­vi­du­el­len, gemein­schaft­li­chen und vor allem kul­tu­rel­len Lebens­wil­len nach­hal­tig ernst zu neh­men? So sicher eine freie Ent­fal­tung des auf­ge­klär­ten Indi­vi­du­ums in einer der­art dys­to­pi­schen Welt des dann wohl auto­ri­tä­ren Welt­staa­tes für alle Zeit undenk­bar wird, genau­so sicher sind Über­le­gun­gen legi­tim, durch gebur­ten­pla­ne­ri­sche Ein­wir­kung zukünf­ti­ge Gene­ra­tio­nen von auf­ge­klär­ten und in der Tra­di­ti­on des Abend­lan­des ste­hen­den Zeit­ge­nos­sen immer­hin zu ermög­li­chen – und genau­so legi­tim sind sie für die Zukunft eines afri­ka­ni­schen Kon­ti­nents, der dem vor­ge­zeich­ne­ten Weg in die exis­tenz­be­droh­te unters­te Eta­ge der Kom­man­do­wirt­schaft ent­ge­hen will. Ein geziel­tes För­dern der Ver­meh­rungs­freu­de der (sel­ten vor­han­de­nen) Hoch­be­gab­ten bringt kei­ne spe­zi­fi­schen ethi­schen Pro­ble­me mit sich.

Anders sieht das bei allen Zwangs­maß­nah­men aus, deren Wirk­sam­keit even­tu­ell eine Ver­su­chung dar­stel­len könn­te, ethi­sche Unsau­ber­kei­ten der Macht­aus­übung bil­li­gend in Kauf zu neh­men. Die Abwä­gung zwi­schen zwei Übeln ist immer­hin aus der Vogel­per­spek­ti­ve mög­lich und kann des­to eher zuguns­ten der pla­ne­ri­schen Per­spek­ti­ve aus­fal­len, je schär­fer man sich klar­macht, daß der Schutz der Wür­de des Men­schen nichts zu tun hat mit einem all­ge­mein­sprach­lich ver­stan­de­nen glei­chen »Wert« aller Menschen.

Von sei­ner wol­ki­gen Aura befreit, kann der Begriff »Wert« kon­kret nur das bezeich­nen, was als Kon­sens zwei­er Tausch­part­ner beim Abwä­gen von Optio­nen des Eigen­tums­über­gangs ent­steht: Mein Geld wird gegen dein Gemü­se nur dann getauscht, wenn gera­de jetzt in die­ser Lage der Umstän­de dir mein Euro und mir dei­ne Kar­tof­fel mehr wert ist als vice ver­sa. Weder die Euro noch die Kar­tof­feln besit­zen einen intrin­si­schen Wert an sich, son­dern erst die Opti­on des Tau­sches evo­ziert die Not­wen­dig­keit der Ein­ord­nung der Tausch­ge­gen­stän­de in die jewei­li­ge per­sön­li­che und momen­ta­ne Ska­la von Präferenzen.

Ein »Wert« ist also immer rela­tiv zu einem Wer­ten­den, näm­lich einem Hand­lungs­op­tio­nen prü­fen­den Men­schen, und gleich­zei­tig kom­pa­ra­tiv, indem die­ser die Opti­on mit alter­na­tiv ver­füg­ba­ren ver­gleicht. Von da aus hat es kei­nen Sinn, den »Wert des Men­schen« bedroht zu sehen, wenn sei­ne sozia­le Nütz­lich­keit in den Augen von ande­ren zur Rede steht. Sei­ne tausch­ba­re Leis­tung, sein ver­äu­ßer­ba­res Eigen­tum unter­liegt in der Tausch­si­tua­ti­on und nur dann der Wer­tung ande­rer, nie­mals aber er selbst als nicht tausch­ba­re Per­son – der Tausch einer gan­zen Per­son im Skla­ven­han­del wur­de nur von der abend­län­di­schen Auf­klä­rung über­wun­den, woge­gen die Ver­skla­vung von Men­schen weit eher eine Sache von Afri­ka­nern und Ara­bern gewe­sen ist.

Das zu schüt­zen­de Gut, das wohl im Grun­de auch die Werta­po­lo­ge­ten mei­nen, ist eher die ein­ma­li­ge Stel­lung des Men­schen als Wesen, wel­ches abs­trak­te Begrif­fe formt, ver­bin­det und sprach­lich kom­mu­ni­ziert, und sich damit die Mög­lich­keit des ratio­na­len kom­mu­ni­ka­ti­ven Han­delns, der pro­duk­ti­ven Arbeits­tei­lung und der Res­sour­cen­zu­tei­lung, eben des Eigen­tums, erwor­ben hat und damit über den rein phy­sisch erlang­ten und ver­tei­dig­ten Besitz hin­aus­ge­kom­men ist: Damit erst ist er fähig zum Frieden.

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