Bauen und Denken

von Jörg Seidel -- PDF der Druckfassung aus Sezession 114/ Juni 2023

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Wer von Woh­nen und Bau­en im archi­tek­to­ni­schen Sin­ne spricht, der darf von den Gren­zen nicht schwei­gen. Schon die ein­fa­che Mau­er macht das faß­bar; ver­lei­hen wir ihr das tie­fe Wort »Umfrie­dung«, dann um so mehr.

Men­schen brau­chen Gren­zen und bau­en sich die­se, ihr indi­vi­du­el­les und sozia­les Sein ist davon defi­niert – inso­fern finis (lat.) die Gren­ze meint. Bereits die Bio­lo­gie dik­tiert dies. Ver­fol­gen wir die dem­nach wahr­nehm­ba­ren Kon­ti­nua von innen nach außen, so dürf­ten wir – ganz grob – fol­gen­de Grenz­mar­kie­run­gen set­zen: Haut – Klei­dung – Decke – Raum / Zim­mer /Zelt – Woh­nung – Hüt­te / Haus – Dorf / Stadt – (Hei­mat) – Land. Nach­fol­gend soll das mitt­le­re Feld, jenes, das archi­tek­to­nisch bear­bei­tet wird, im Zen­trum der Auf­merk­sam­keit ste­hen und bedacht werden.

Das Gegen­teil der Archi­tek­tur war bei den Grie­chen das Cha­os (χάος), die klaf­fen­de Lee­re, die Kluft, der end­lo­se lee­re Raum. Der Archi­tekt – zusam­men­ge­setzt aus ἀρχή (Anfang, Ursprung, auch Lei­ter, Obers­ter) und τέκτων (Hand­wer­ker, Bau­meis­ter) – ist jener Schöp­fer, der mit Hil­fe einer Tech­nik, einer Kunst oder einer Kunst­fer­tig­keit – τέχνη als Wort­stamm – Ord­nung ins Cha­os bringt. Tek­to­nik ist dem­nach einer­seits die klu­ge, geplan­te, kom­pe­ten­te Her­vor­brin­gung, ande­rer­seits ein ers­ter Auf­stand gegen die natür­li­che Form, denn nichts, was Men­schen bau­en und kon­stru­ie­ren, gleicht den For­men der Wol­ken, Ber­ge, Bäu­me, Wel­len – zumin­dest bis in die Moder­ne hin­ein. (1)

Schon das Prin­zip Haut als ursprüng­li­che Gestalt tritt natür­li­cher­wei­se über­all auf, wo For­men sich bil­den. Die Plat­ten­tek­to­nik ist nichts ande­res als ein zäher und kon­ti­nu­ier­li­cher Pro­zeß des Auf­stei­gens hei­ßer Mate­rie, der Abküh­lung, Ver­krus­tung und wie­der Ein­schmel­zung. Sie ver­leiht der Erde die Form. Die Zel­le am ande­ren Spek­trum bedarf eben­so der Zell­wand, die­se leis­tet im klei­nen bereits, was die Haut als das kom­ple­xes­te und größ­te Organ des Men­schen voll­bringt: Sie grenzt ab, schützt, sichert das inne­re Gleich­ge­wicht, garan­tiert aber auch die Wär­me­regu­la­ti­on, besitzt eine Immun­funk­ti­on und stellt den Stoff­wech­sel sicher. Die Wor­te »Haut« und »Haus«, »Hüt­te«, aber auch »Hose« las­sen sich ety­mo­lo­gisch auf den glei­chen Wort­stamm zurückführen.

So gese­hen ist die Klei­dung die ers­te »Aus­wei­tung unse­rer Haut«, denn sie dient der Unter­stüt­zung und Inten­si­vie­rung die­ser Auf­ga­ben, sie ist – nach Mar­shall McLuhan – ein Medi­um, ver­stan­den als Aus­wei­tung des Men­schen. (2) Die nächt­li­che Decke mag als wei­te­re Exten­si­on gel­ten; daß sie mehr als ein Wär­me­ga­rant ist, erahnt man, wenn man sieht, daß auch in tro­pi­schen Gefil­den Men­schen das Bedürf­nis haben, sich zuzu­de­cken. Vie­le wäh­len dabei zu Beginn die embryo­na­le Stel­lung oder zie­hen die Decke über den Kopf. Wir erken­nen dar­an zwei wei­te­re Funk­tio­nen der arti­fi­zi­el­len Abgren­zun­gen und Aus­wei­tun­gen: Sie ver­rin­gern den Ein­fluß der Außen­welt­rei­ze, geben uns ein Gefühl des Allein­seins, schüt­zen vor frem­den Bli­cken, Geräu­schen, Erwar­tun­gen und Gefah­ren, stel­len aber auch eine Wie­der­her­stel­lung der prä­na­ta­len Situa­ti­on her. Sogar ein dün­nes Zelt in wil­der Natur ver­sorgt uns noch mit die­sem Gefühl der Unsichtbarkeit.

Bei allen Umhül­lun­gen, die der Mensch sich schafft (das soll­te man stets prä­sent haben), spielt das meist wohl unbe­wuß­te Ver­lan­gen nach der seli­gen Ruhe der ers­ten Dya­de oder Sphä­re – wie Slo­ter­di­jk sie nennt (3) – im Mut­ter­leib eine wesent­li­che Rol­le, selbst das beweg­lichs­te Arte­fakt, das Auto, zieht aus sei­ner Umhül­lungs­funk­ti­on als »rol­len­der Ute­rus« (4) Tei­le sei­ner Attraktion.

Man kann hier der Weis­heit der deut­schen Spra­che ver­trau­en. Fast alle höhe­ren Tie­re bau­en sich im wei­tes­ten Sin­ne ein Nest, nis­ten sich ein. Auch die befruch­te­te Eizel­le nis­tet sich in der Gebär­mut­ter ein, sie wohnt sich ein: Wir ken­nen das schö­ne Wort des »Bei­woh­nens« für den inti­men Akt. In der Phi­lo­so­phie wie­der­um hat Mer­leau-Pon­tys geheim­nis­vol­ler Satz »Der Leib ist nicht im Rau­me, er wohnt ihm ein« (5) rege Dis­kus­sio­nen aus­ge­löst; Slo­ter­di­jk inter­pre­tier­te das Verb »ein­woh­nen« als ein »Ver­hält­nis der Teil­ha­be, das offen­kun­dig älter und tie­fer ist als jede Orts­be­stim­mung, zu wel­cher die Weis­heit der Geo­me­trie und die Ein­woh­ner­mel­de­äm­ter gelan­gen könn­ten«. (6)

In sei­nem Roman Der Scherz beschreibt Milan Kun­de­ra, wie sein Held nach einem lan­gen Kaser­nen­le­ben end­lich Aus­gang bekommt und wie schön es ist, wie­der drau­ßen unter offe­nem Him­mel zu sein, »aber nicht nur das: zum ers­ten Mal seit einem vol­len Jahr befand ich mich wie­der in einem klei­nen Raum; ein betö­ren­der Hauch von Inti­mi­tät weh­te mir ent­ge­gen, und sei­ne Inten­si­tät warf mich fast um.« (7) Auch hier ver­rät uns die Spra­che die Auf­lö­sung des Rät­sels, denn sie kennt den Begriff der »Decke« auch in der Bedeu­tung des Bau­teils, der obe­ren Raum­be­gren­zung, letzt­lich des Daches, des schüt­zen­den Daches über dem Kopf. Der klei­ne, Inti­mi­tät schaf­fen­de Raum ist zuvor­derst der nach oben begrenz­te, der uns aus der kos­mi­schen in die irdi­sche Dimen­si­on versetzt.

Um zu erfas­sen, was ein Raum als Lebens­raum ist, kann es hel­fen, sich in sei­ne äußers­ten Extre­me hin­ein­zu­ver­set­zen, dort, wo von Men­schen geschaf­fe­ne Räu­me in unwirt­li­chen, an sich lebens­feind­li­chen Umge­bun­gen exis­tie­ren, in ganz gro­ßer Tie­fe etwa oder in ganz gro­ßer Höhe: U‑Boot und Raum­sta­ti­on. Neben Anfor­de­run­gen an star­ke Wän­de, Tem­pe­ra­tur, sinn­vol­ler Aus­stat­tung fällt der atmo­sphä­ri­sche Aspekt sofort ins Auge, wes­halb dem Air-Con­di­tio­ning als zukünf­ti­ger Auf­ga­be des Woh­nens und des Lebens beson­de­re Bedeu­tung zukommt. (8)

Wir ver­ste­hen dann auch den onto­lo­gi­schen Sta­tus des Stock­wer­kes und der Eta­ge: Das natur­ge­bun­de­ne, noch der ein­fa­chen Tech­nik ver­bun­de­ne Haus ist die Hüt­te, ist eben­erdig. Der Stock hin­ge­gen stellt bereits in sei­ner ein­fa­chen Form die Fra­ge der Grün­dung, ist er doch eine Umran­dung, Ummaue­rung des »Nichts«, der Luft – er schafft einen phy­si­schen Raum, den es an sich nicht gibt. Das Uner­hör­te die­ses Aktes wird uns in den Wol­ken­krat­zern augen­fäl­lig, die auch in Hun­der­ten Metern Höhe – wo bereits ande­re kli­ma­ti­sche Bedin­gun­gen herr­schen – Räu­me aus der Lee­re aus­schnei­den. Ohne tech­ni­sches Air-Con­di­tio­ning und Ele­va­tor sind die­se Woh­nun­gen – sofern es noch wel­che sein kön­nen – nicht mehr bewohn­bar, bei­des wird bau­li­che Bedin­gung;  (9) es sind Räu­me, die uns an sich nicht zuste­hen; man könn­te Rous­se­au para­phra­sie­rend aus­ru­fen: Der ers­te, der ein Stück Höhen­luft mit einer Mau­er umgab und auf den Gedan­ken kam »Dies gehört mir …«, ist der eigent­li­che Begrün­der archi­tek­to­ni­scher Hybris.

Einen Raum für sich allein zu haben und »five hundred a year« war für Vir­gi­nia Woolf die Vor­aus­set­zung dafür, Gedich­te oder Roma­ne zu schrei­ben, also künst­le­risch schöp­fe­risch zu sein. Das galt beson­ders für die Frau­en, Woolfs bahn­bre­chen­der Essay A Room of One’s Own wur­de zu einem frü­hen Mani­fest des Femi­nis­mus, der die sys­te­mi­sche All­tags­un­ter­bre­chung und Ablen­kung der Frau durch Haus, Kin­der, Ehe und gesell­schaft­li­che Rol­le, die kein pri­va­tes Zim­mer ihr Eigen nennt, beklagt. Das ist nicht falsch, greift aber zu kurz, denn Woolf zeigt auch dies: »Frau­en haben Mil­lio­nen Jah­re lang in geschlos­se­nen Räu­men geses­sen, so daß inzwi­schen sogar die Wän­de durch­drun­gen sind von ihrer Schaf­fens­kraft«, und die­se krea­ti­ve Macht unter­schei­det sich maß­geb­lich von der männ­li­chen, zum ande­ren hat gera­de die unge­nü­gen­de Lage mit­un­ter – etwa im Fal­le Jane Aus­tens – jene groß­ar­ti­ge Lite­ra­tur erst her­vor­ge­bracht. (10)

Es ist auf­schluß­reich, daß Heid­eg­ger in sei­nem maß­geb­li­chen Vor­trag »Bau­en Woh­nen Den­ken« (11) die­sen Aspekt nicht bedenkt! Bekannt­lich hat er das Wesen des Woh­nens und des Bau­ens aus dem »Zuspruch der Spra­che« und im Wech­sel­spiel des »Gevierts« – Erde, Him­mel, Gött­li­che, Sterb­li­che – auf das Sein rück­be­zo­gen und dabei das Hegen­de, Pfle­gen­de und Scho­nen­de des Woh­nens her­aus­ge­ar­bei­tet. Er gibt uns zum Schluß das Bei­spiel eines bäu­er­li­chen Schwarz­wald­ho­fes, (12) um das wesent­li­che Woh­nen zu ver­ge­gen­wär­ti­gen: das Ein­ord­nen in die natür­li­chen Rhyth­men (wind­ge­schütz­te Berg­leh­ne etc.), die Nut­zung von Natur­stof­fen, also die »Nach­hal­tig­keit« (Holz, Schin­del), das gene­ra­tio­na­le Zusam­men­le­ben (vom Kind­bett bis zum Toten­baum), die Offen­heit und die Gast­freund­schaft (der gemein­sa­me Tisch), die Anwe­sen­heit des Gött­li­chen (Herr­gotts­win­kel) und das Hand­werk­li­che. Die Frau hat er vergessen!

Der Phi­lo­soph und Päd­ago­ge Otto Fried­rich Boll­now, selbst ein Schü­ler Heid­eg­gers, hat in sei­ner gro­ßen Stu­die Mensch und Raum (1963) die Gebor­gen­heit in Haus und Woh­nung als »anthro­po­lo­gi­sche Funk­ti­on« ana­ly­siert und kam zu dem Schluß: Nimmt man dem Men­schen den Frie­den sei­ner Woh­nung, so ist auch sei­ne »inne­re Zer­set­zung unaus­bleib­lich«. Unter den zahl­rei­chen Bedin­gun­gen des gebor­ge­nen Woh­nens, der »Wohn­lich­keit« und der »Behag­lich­keit«, erwähnt er etwa die »gewohn­te Woh­nung«, die Abge­schlos­sen­heit, die pas­sen­de Raum­grö­ße, die Wär­me, die lie­ben­de Pfle­ge, die die Spu­ren des geleb­ten Lebens nicht besei­tigt, die Ste­tig­keit und die Ver­gan­gen­heit und anderes.

Dort taucht auch die Not­wen­dig­keit der »weib­li­chen Gegen­wart« als kon­sti­tu­tiv auf, ja mehr noch, wirk­li­ches Woh­nen sei »nur als in Gemein­schaft mög­lich, und das wah­re Wohn­haus ver­langt die Fami­lie«. (13) Allein­sein und Zwei­sam­keit bedin­gen ein­an­der, ver­schmel­zen zur Inti­mi­tät. Die­se kann erst im mög­li­chen Kon­takt mit dem ande­ren ent­ste­hen; sie ist auch Allein­sein inner­halb der Begeg­nung und kann dann ein Zwei­sam­keits­er­leb­nis wer­den, wenn zwei sich ver­trau­ens­voll syn­chro­ni­sie­ren und furcht­los öff­nen. Boll­now sprach von »Neu­er Gebor­gen­heit«, weil die­se aus der Nach­kriegs­per­spek­ti­ve den Ver­lust der urtüm­li­chen Gebor­gen­heit durch die »exis­ten­ti­el­len Gefah­ren« ein­ge­steht; (14) sei­ne Gedan­ken sind noch immer viru­lent, auch wenn sich der Cha­rak­ter der Gefah­ren ver­än­dert hat. (15)

Die­se Gedan­ken fin­den ihre his­to­ri­sche Bestä­ti­gung in einer erhel­len­den Arbeit über den Ver­lust der Behag­lich­keit. (16) Dort wer­den unter ande­rem die »Inbe­sitz­nah­me des Heims durch die Frau«, »das weib­li­che Prin­zip«, letzt­lich die Geburt der Haus­frau aus dem Geis­te des hol­län­di­schen Cal­vi­nis­mus und Unter­neh­mer­tums im kon­kre­ten und die ­Ent­de­ckung und Kul­ti­vie­rung der Häus­lich­keit durch das Bür­ger­tum im all­ge­mei­nen beschrie­ben. Die Fol­gen waren exor­bi­tant; sie rei­chen vom gesi­cher­ten Schlaf­ver­hal­ten und der Mög­lich­keit zu träu­men über die Inthro­ni­sie­rung der Küche, die Ent­de­ckung von Pri­vat­heit und Inti­mi­tät und damit die Ent­wick­lung der Kern­fa­mi­lie bis hin zur Erfin­dung des Kom­forts und vie­lem mehr.

Kein neu­es femi­nis­ti­sches »Rol­len­ver­ständ­nis« kann die Tat­sa­che ändern, daß unse­re Häu­ser, Woh­nun­gen und Zim­mer auch in heu­ti­gen moder­nen For­men wesent­lich Ergeb­nis weib­li­cher Inge­niö­si­tät sind. Es waren auch maß­geb­lich Frau­en, die den tech­ni­schen und logis­ti­schen Fort­schritt in Heim und Küche vor­an­trie­ben; ame­ri­ka­ni­sche »Haus­in­ge­nieu­rin­nen« wie ­Cathe­ri­ne Bee­cher, Lil­li­an Gil­breth und Chris­ti­ne Fre­de­rick schu­fen die seit­her gül­ti­gen Raum­auf­tei­lun­gen, Arbeits­flä­chen, Abläu­fe, die Art und Wei­se, wie wir in vier Wän­den kochen, waschen, essen, ruhen, spie­len, lie­ben und leben. Selbst ein wich­ti­ger Teil der Haus­halts­ge­rä­te, vom Kaf­fee­fil­ter bis zur Spül­ma­schi­ne, geht auf weib­li­che Sor­ge und Erfin­dungs­ga­be zurück.

Die Dop­pel­be­deu­tung des Wor­tes »Raum« als room und space könn­te dazu ver­füh­ren, das Woh­nen vor­nehm­lich als räum­li­ches Phä­no­men zu begrei­fen. Der Sozio­lo­ge Eugen Rosen­stock-Hues­sy beton­te hin­ge­gen den Zeit-Aspekt, nann­te die Archi­tek­tur eine »Kalen­der­kunst« und beton­te, daß »jeder Raum einem ande­ren Zeit­kreis ange­hört«, einen »beson­de­ren Zeit­sinn bil­det« und »ver­schie­de­ne Zeit­er­fül­lun­gen ver­langt«, daß es eine »Wohn­stu­ben­zeit« oder eine »Küchen­zeit« gebe, daß etwa die »Zeit­luft, die das Wohn­zim­mer aus­at­met, kür­zer und beschwing­ter« sei. Jedes Zim­mer einer Woh­nung habe eine eige­ne Bot­schaft: »So sagt also die Küche: Ich bin aktiv. Die Wohn­zim­mer sagen: Wir leben gesel­lig […]. Das Eltern­schlaf­zim­mer hütet das Geheim­nis: Wir wer­den geliebt«, und aus all­dem ergibt sich die »Voll­ge­stalt«. Dort, wo Men­schen wahr­lich woh­nen – »die moder­ne Bau­wei­se hat die Räu­me aus der Zeit her­aus­ge­ris­sen« –, leben wir »in der Span­nung der Voll­zahl der Zei­ten«. (17)

Eugen Fink – auch er ein Schü­ler Heid­eg­gers – nennt das Woh­nen einen »schil­lern­den Begriff«, ver­steht dar­un­ter im wei­tes­ten Sin­ne das »mensch­li­che In-Sein in der Welt«. Heid­eg­gers Unzeit­ge­mäß­heit offen­bart sich auch in sei­nen Schü­lern: Nach­dem Boll­now und Fink mein­ten, Lebens­phi­lo­so­phie und Exis­ten­tia­lis­mus ver­wun­den zu haben, erle­ben bei­de Strö­mun­gen nun in der Popu­lär­kul­tur – dies­mal als Far­ce – eine Renais­sance, zuvor­derst in der Behaup­tung, daß das rich­ti­ge, vol­le Leben und Erle­ben das Woh­nen und Sein über­trump­fe, zum ande­ren in der pro­spek­ti­ven Angst, etwa in Form des glo­ba­len (also unbe­haus­ten) Kli­ma­ka­ta­stro­phis­mus und der Treib-Haus-Panik als Wert- und Hand­lungs­grund­la­ge. Mit der Ziel­si­cher­heit, die begab­ten Wer­be­dich­tern oft eigen ist, wur­de die­ses Geheim­nis bei­spiel­haft in die IKEA-Paro­le »Wohnst du noch, oder lebst du schon?« kondensiert.

Die­se neue Ober­fläch­lich­keit miß­ach­tet eine wesent­li­che und in lan­gen Tra­di­tio­nen ver­wur­zel­te Bedeu­tung des Woh­nens, den­ken wir nur an das Richt­fest, die Wei­he, den Segen oder das ritu­el­le Über­tre­ten der Schwel­le bei Hoch­zeit und Ein­zug. Auch in der Scheu, unge­be­ten in ande­re Häu­ser ein­zu­drin­gen, die nur eine kri­mi­nel­le Ener­gie nicht kennt, lebt es noch fort: das Sakra­le. In der bau­li­chen Ummaue­rung, in der sub­stan­ti­el­len Umschlie­ßung des frei­en Rau­mes als Wohn­raum liegt ein Grün­dungs­akt ver­bor­gen, eine Hei­li­gung, die durch alle Kul­tu­ren und Zei­ten geht. Nicht nur der Mensch zieht ein, son­dern auch das Numi­no­se: »Jeder Haus­bau ist die Grün­dung eines Kos­mos im Cha­os«, (18)  mit den Wor­ten Mir­cea Elia­des eine Hiero­pha­nie – der Ein­bruch des Hei­li­gen ins Pro­fa­ne. Dem­nach wie­der­holt der zir­keln­de, bau­en­de und ord­nen­de Mensch nicht nur das Werk der Göt­ter, er schafft auch eine dar­an ori­en­tier­te geord­ne­te Welt, die »zum Arche­ty­pus für jedes mensch­li­che Schöp­fungs­werk« wird. (19)

Mit der Höhe kor­re­spon­diert auch die Tie­fe, so wie ein kom­plet­tes Haus einen Kel­ler und einen Dach­bo­den hat. Es ist daher mythisch und sym­bo­lisch, und es ver­wun­dert nicht, wenn es in unse­ren Träu­men bedeu­tungs­voll erscheint. Freud sah im Haus den mensch­li­chen Leib sym­bo­li­siert  (20) und ent­deck­te im Hei­mi­schen das Unheim­li­che, (21) den Bezug auf das Frem­de, wie ihn spä­ter Eugen Fink expli­zit mach­te. (22) Und für C. G. Jung wur­de der Traum vom Haus zum Schlüs­sel­er­leb­nis: Ihm träum­te der Abstieg ins Erd­ge­schoß – dort »begann bereits das Unbe­wuß­te« – und in immer tie­fe­re Kel­ler, in denen er mit­tel­al­ter­li­che, römi­sche und urzeit­li­che Inte­ri­eurs, die gar »an das Leben der Tier­see­le grenz­ten«, vor­fand, und so ging ihm zum einen die Idee vom »kol­lek­ti­ven Unbe­wuß­ten« auf, zum zwei­ten war der Haus-Traum der Beginn der Tren­nung von Freud. (23)

Der Begriff »Woh­nungs­not« kommt nicht nur bei Heid­eg­ger – als Vari­an­te der Hei­mat­lo­sig­keit, der Seins­ver­ges­sen­heit – vor, son­dern auch bei den Klas­si­kern des Mar­xis­mus. Dort erhält er einen gänz­lich ande­ren, posi­ti­vis­ti­schen Klang. Fried­rich Engels plag­te das sozia­le Gewis­sen schon in Teen­ager­jah­ren, wovon sei­ne »Brie­fe aus dem Wup­per­tal« Zeug­nis able­gen. In sei­ner Pio­nier­schrift Die Lage der arbei­ten­den Klas­se in Eng­land von 1845 beschreibt und ana­ly­siert er akri­bisch die fata­len Wohn- und Lebens­si­tua­tio­nen der unters­ten indus­trie­pro­le­ta­ri­schen Schich­ten. 1872 folg­te die Pro­gramm­schrift der empi­ri­schen Sozi­al­for­schung »Zur Wohnungsfrage«.

Gedacht war sie als Aus­ein­an­der­set­zung mit Proudhon und als prak­ti­sche Anwen­dung der Marx­schen Leh­re, de fac­to lebt sie heu­te noch in der uni­ver­si­tä­ren Stadt­so­zio­lo­gie fort. Woh­nungs­not wird nun als »Erzeug­nis der bür­ger­li­chen Gesell­schafts­form« beschrie­ben, ihre Besei­ti­gung kön­ne nur »durch die Lösung der sozia­len Fra­ge, d. h. durch die Abschaf­fung der kapi­ta­lis­ti­schen Pro­duk­ti­ons­wei­se« erreicht wer­den. Es müs­se im Zuge des Umstur­zes der Gegen­satz zwi­schen Stadt und Land auf­ge­ho­ben wer­den, »die Woh­nungs­fra­ge lösen wol­len und die moder­nen gro­ßen Städ­te fort­er­hal­ten wol­len, ist ein Wider­sinn.« Der unmit­tel­ba­ren Woh­nungs­not kön­ne frei­lich ein­fa­cher abge­hol­fen wer­den: »durch Expro­pria­ti­on der heu­ti­gen Besit­zer, resp. durch Bequar­tie­rung ihrer Häu­ser«, durch »Ein­quar­tie­run­gen durch den heu­ti­gen Staat.« (24)

Ein hal­bes Jahr­hun­dert spä­ter ent­wi­ckel­te die bür­ger­li­che Stadt­so­zio­lo­gie ande­re Ideen, oft getra­gen von einem habi­tu­el­len kul­tur­kri­ti­schen Pes­si­mis­mus (auch Heid­eg­gers Regio­na­lis­mus zählt dar­un­ter), der die Stadt unter dem Vor­zei­chen des Ver­lus­tes beschrieb. Speng­ler drück­te das ide­al­ty­pisch aus: »Der Stein­ko­loß ›Welt­stadt‹ steht am Ende des Lebens­lau­fes einer jeden gro­ßen Kul­tur. Der vom Lan­de see­lisch gestal­te­te Kul­tur­mensch wird von sei­ner eige­nen Schöp­fung, der Stadt, in Besitz genom­men, beses­sen, zu ihrem Geschöpf, ihrem aus­füh­ren­den Organ, end­lich zu ihrem Opfer gemacht.« (25)

Sozio­lo­gisch war das ein Rück­schritt, hat­te sich doch schon 1905 Georg Sim­mel durch­ge­run­gen, von der »Atti­tü­de des Rich­ters« zurück­zu­tre­ten. In sei­nem an die Phi­lo­so­phie des Gel­des anschlie­ßen­den, stark kon­den­sier­ten Vor­trag »Die Groß­städ­te und das Geis­tes­le­ben« schuf er auf lan­ge Sicht Vor­bild­li­ches. Von der mensch­li­chen Psy­che in der groß­städ­ti­schen Situa­ti­on aus­ge­hend und die­se mit sozia­len und öko­no­mi­schen Para­me­tern kon­fron­tie­rend, gelang ihm eine objek­ti­vie­ren­de Beschrei­bung des moder­nen Lebens, in dem der Mensch zwar per­ma­nent über­for­dert wird, see­lisch ver­armt (Sim­mel beschreibt das als Bla­siert­heit, Reser­viert­heit und als Intel­lek­tua­lis­mus), dafür aber Wesent­li­ches gewinnt: Frei­heit! Die städ­ti­sche Käl­te und Ver­ein­ze­lung sind über­haupt ihre Vor­be­din­gung, und der gesell­schaft­li­che Pro­greß ist ihr Resultat.

Mensch­lich betrach­tet, glei­chen moder­ne Groß­städ­te Fleisch­wöl­fen, die das Frem­de ein­ver­men­gen, tech­nisch sind sie die Tur­bi­nen der Moder­ne und des Fort­schritts; sie brin­gen in ihrem kom­pli­zier­ten Wech­sel­spiel aus Nivel­lie­rung und Dif­fe­ren­zie­rung neue Siedlungs‑, Produktions‑, Konsumtions‑, Herr­schafts- und Rechts­for­men her­vor. Mit Sim­mel wur­den einer­seits der neue Indi­vi­dua­lis­mus und das Rin­gen nach Iden­ti­tät – auch nach wech­seln­der – ver­ständ­lich, aber auch, war­um es zu »groß­städ­ti­schen Extra­va­gan­zen des Apart­seins, der Kapri­ce, des Pre­tiö­sen­tums« kom­men muß. Nicht »anzu­kla­gen oder zu ver­zei­hen« sei unse­re Auf­ga­be, »son­dern allein zu ver­ste­hen«, die Groß­stadt als »neu­en Wert« in der »Welt­ge­schich­te des Geis­tes« zu affir­mie­ren. (26)

Auch Max Weber kommt in sei­nem his­to­risch und kom­pa­ra­tis­tisch über­bor­den­den Text »Die Stadt« – Teil sei­nes Rie­sen­wer­kes Wirt­schaft und Gesell­schaft – zu dem Schluß: »Die okzi­den­ta­le Stadt war […] ein Ort des Auf­stiegs aus der Unfrei­heit in die Frei­heit durch das Mit­tel geld­wirt­schaft­li­chen Erwerbs«. (27) Sei­ne fein zise­lier­ten Kate­go­ri­sie­run­gen ver­deut­li­chen die Schwie­rig­keit, defi­ni­to­risch abschlie­ßend fest­zu­hal­ten, was eine Stadt über­haupt ist – Weber arbei­tet eine gro­ße Men­ge an Cha­rak­te­ris­ti­ka her­aus und unter­schei­det zudem eine Rei­he von ver­schie­de­nen Stadt­ty­pen, ent­wirft eine »Typo­lo­gie der Städte«.

Den­noch, die poli­ti­sche Lin­ke bestimmt der­zeit den Dis­kurs. Ihr mar­xis­ti­scher und neo­mar­xis­ti­scher Zweig denkt mit Hil­fe der Woh­nungs­fra­ge noch immer über den Sys­tem­wech­sel nach: »Eine lang­fris­tig ange­leg­te Woh­nungs­po­li­tik soll­te sich an der Per­spek­ti­ve einer grund­le­gen­den Auf­he­bung der bestehen­den Macht­ver­hält­nis­se ori­en­tie­ren«, (28) und damit ist nicht das Rin­gen um die kul­tu­rel­le Hege­mo­nie gemeint, son­dern die »Abschaf­fung des Kapi­ta­lis­mus als öko­no­mi­sches Sys­tem«. Dar­über hin­aus denkt sie aber auch sehr dezi­diert und frucht­bar über »Dekom­mo­di­fi­zie­run­gen« nach, über Demo­kra­ti­sie­run­gen, Infra­struk­tur­än­de­run­gen, alter­na­ti­ve Finan­zie­rungs­zir­kel, Ent­kopp­lun­gen vom Markt, Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on, Gemein­nüt­zig­keit etc. Sie setzt sich dabei par­ti­ell von den Maxi­mal­for­de­run­gen von Marx und Engels ab, kommt letzt­lich aber nicht vom Gedan­ken der Ent­eig­nung los.

Aller­dings beob­ach­ten wir gera­de in Deutsch­land einen Para­dig­men­wech­sel. Nicht die rote, son­dern die grü­ne Lin­ke dik­tiert zuneh­mend die Agen­da. Aus Marx’ »Expro­pria­ti­on der Expro­pria­teu­re« wird suk­zes­si­ve eine der lohn­ab­hän­gi­gen Expro­pri­ier­ten, der ein­fa­chen Besit­zer und Bewoh­ner von Eigen­tum. Den aktu­el­len Regie­rungs­ent­schei­dun­gen lie­gen weni­ger polit­öko­no­mi­sche Ana­ly­sen zugrun­de als eine sich ver­selb­stän­di­gen­de, ent­grenz­te Ideo­lo­gie, deren psy­chi­scher Brenn­stoff eine Mischung aus poli­ti­scher Kor­rekt­heit und Angst ist. Sie ver­sucht gleich meh­re­re Flie­gen mit einer Klap­pe zu schla­gen: Ob Grund­steu­er­erhö­hung, Ver­bot von Öl- und Gas­hei­zun­gen, Zwangs­sa­nie­rung oder immer lau­ter wer­den­de Stim­men, Wohn­raum (Älte­rer) nicht nach Erwerb, son­dern nach Bedarf (etwa von kin­der­rei­chen Fami­li­en) neu auf­zu­tei­len, »Bequar­tie­run­gen« (Engels) vor­zu­neh­men – alles läuft auf schlei­chen­de Ent­eig­nung hin­aus; unter dem grü­nen Man­tel schim­mern zwei gesell­schafts­ver­än­dern­de Zie­le durch: die wei­te­re Zer­stö­rung der deut­schen häus­le­bau­en­den Kern- und deren Erset­zung durch die migran­ti­sche Vielkinderfamilie.

Die­se The­sen schei­nen in der glo­ba­li­sier­ten Welt neue Aktua­li­tät zu erhal­ten, zumin­dest wenn man das umstür­zen­de Werk Arri­val City (29) von Doug Saun­ders ernst nimmt. Dar­in wird ein star­kes und empi­risch reich beleg­tes Plä­doy­er für die Groß­stadt und ihre posi­ti­ve Bedeu­tung für die unauf­halt­sa­men Migra­ti­ons­strö­me gehal­ten. Wer über Migra­ti­on oder die Ent­wick­lung der Stadt mit­re­den will, darf sei­ne Über­le­gun­gen nicht igno­rie­ren. Er geht von der Tat­sa­che aus, daß der Mensch sich zur urba­nen Spe­zi­es ent­wi­ckeln wer­de; welt­weit lebt jeder zwei­te Mensch in der Stadt, in Deutsch­land und in Euro­pa nähern wir uns der 80-Pro­zent-Gren­ze, Ten­denz stei­gend. Daher, so Saun­ders, lie­ge der Mit­tel­punkt der Welt an der Peri­phe­rie, an den Stadt­rän­dern, dort, wo die Neu­an­kömm­lin­ge zuerst ankom­men. Die­se wir­ken wie ein gro­ßes Sieb, durch das vor allem die Bes­ten unter den Ankömm­lin­gen in das Zen­trum durchsickern.

Die Fra­ge ist nicht, ob, die Fra­ge ist, wie. Wenn man die­se Ent­wick­lung affir­miert und poli­tisch unter­stützt und regu­liert, so die The­se, dann kön­ne es eine Erfolgs­ge­schich­te sein. Was her­kömm­lich als »Pro­blem­vier­tel« oder »Ghet­to« wahr­ge­nom­men wer­de, sei in Wirk­lich­keit eine Ankunfts­stadt, ein Garant für die Fort­ent­wick­lung, die nicht zuletzt die Exis­tenz­fra­gen der Mensch­heit – Umwelt und Bevöl­ke­rungs­wachs­tum – lösen könn­te. Statt Pla­nie­rung sei unge­hin­der­te Ent­fal­tung von­nö­ten, das heißt, man schafft – alles auf sehr nied­ri­gem Niveau – einen rechts­si­che­ren Raum, läßt Eigen­tums­er­werb zu, Kre­dit­we­sen, Geschäft und Gewer­be, schafft eine Infra­struk­tur, Märk­te, Selbst­ver­wal­tung, erlaubt Netz­wer­ke, sichert ein basa­les Bildungs‑, Kanalisations‑, Medi­zin­sys­tem zu, letzt­lich auch den Fami­li­en­nach­zug und die Staats­bür­ger­schaft, und aus den Aber­mil­lio­nen Ankömm­lin­gen, aus den Elen­den wer­den sich – unter vie­len Ver­lus­ten und end­lo­sem Leid und Schei­tern – Mil­lio­nen in eine Mit­tel­schicht hoch­ar­bei­ten, deren ver­bür­ger­lich­te Kin­der als mensch­li­ches Kapi­tal Erfolgs­ge­schich­ten schrei­ben können.

Unter die­ser Per­spek­ti­ve wer­den gewohn­te Nar­ra­ti­ve wie etwa die Push-pull-Dia­lek­tik, das Bild des Migra­ti­ons­stro­mes (tat­säch­lich sind es hin- und her­wo­gen­de Wel­len) oder der Unter­schied von Stadt und Land frag­lich. Behin­de­re man die­se Ent­wick­lung hin­ge­gen, ern­te man fast ­natur­ge­setz­lich orga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät und reli­giö­sen Fana­tis­mus. Auch die Archi­tek­tur kann eine gro­ße Rol­le spie­len, wie an Ams­ter­da­mer Vor­ort­bei­spie­len über­zeu­gend demons­triert wird. Dort wur­den die idea­lis­ti­schen Reiß­brett­städ­te Slo­ter­vaart und Bijl­mer­meer, die sich zu gra­vie­ren­den sozia­len Pro­blem­zo­nen ent­wi­ckelt hat­ten, durch ver­gleichs­wei­se gering­fü­gi­ge archi­tek­to­ni­sche Ände­run­gen und urba­nes Design deut­lich befrie­det und aus fai­led cities funk­tionable arri­val cities geformt.

Auch wenn Saun­ders die eth­ni­sche Fra­ge weit­ge­hend aus­blen­det, klin­gen sei­ne Über­le­gun­gen bestechend und decken sich frap­pant mit den schein­bar kon­train­tui­ti­ven Beob­ach­tun­gen Ste­ven Pin­kers, (30) der von einer kon­ti­nu­ier­li­chen Abnah­me der Gewalt in jeder Form inner­halb des fort­schrei­ten­den Zivi­li­sa­ti­ons­pro­zes­ses aus­geht. Ist die­ser Pro­zeß der Ankunfts­mi­gra­ti­on ein­mal in Gang, ist er als Ket­ten­mi­gra­ti­on auch nicht mehr zu stoppen.

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(1) – Vgl. Karl Chris­ti­an­sen: Tek­to­nik. Den tek­to­nis­ke ford­ring, Aar­hus 2019.

(2) – Vgl. Her­bert Mar­shall McLuhan: Die magi­schen Kanä­le. Under­stan­ding Media (1964), Düs­sel­dorf 1992, S. 142 – 154.

(3) – An vie­len Stel­len exem­pla­risch in: Sphä­ren I. Bla­sen. Frank­furt a. M. 1998.

(4) – Peter Slo­ter­di­jk: »Rol­len­der Ute­rus«, in: Der Spie­gel Nr. 8/1995.

(5) – Mau­rice Mer­leau-Pon­ty: Phä­no­me­no­lo­gie der Wahr­neh­mung, Ber­lin 1966, § 20.

(6) – Peter Slo­ter­di­jk: Der ­ästhe­ti­sche Impe­ra­tiv. Schrif­ten zur Kunst, Ham­burg 2007, S. 289, sowie: »Mit dem ein­woh­nen­den Welt­ver­hält­nis ist stets eine inte­ri­eur­bil­den­de Akti­vi­tät, eine ent-fer­nen­de Pra­xis (im Sin­ne Heid­eg­gers) und eine befrie­den­de Kul­ti­vie­rung (im Sin­ne von Schmitz) ver­bun­den. Wo gewohnt wird, sind Sachen, Sym­bi­on­ten und Per­so­nen zu loka­len Soli­dar­sys­te­men zusam­men­ge­faßt. Das Woh­nen ent­wirft eine Pra­xis der Orts­treue über län­ge­re Zeit […]. Woh­nen schafft ein Immun­sys­tem aus wie­der­hol­ba­ren Ges­ten; es ver­bin­det das Ent­las­tet-Sein dank erfolg­rei­cher Habi­tua­li­sie­run­gen mit dem Belas­tet-Sein durch deut­li­che Auf­ga­ben. Dar­um ist das Ein­woh­nen die Mut­ter der Asym­me­trie.« (Im Welt­in­nen­raum des Kapi­tals, Frank­furt a. M. 2005, S. 402)

(7) – Milan Kun­de­ra: Der Scherz, Frank­furt a. M. 1989, S. 107.

(8) – Vgl. Peter Slo­ter­di­jk: Sphä­ren III. Schäu­me, Frank­furt a. M. 2004, S. 154 – 192.

(9) – Dazu: Richard Sen­nett: Fleisch und Stein. Der Kör­per und die Stadt in der west­li­chen Zivi­li­sa­ti­on, Frank­furt a. M. 1997, S. 426 ff.

(10) – Vir­gi­nia Woolf: A Room of One’s Own (1929), Lon­don 1977, S. 95 und 73.

(11) – Mar­tin Heid­eg­ger: Vor­trä­ge und Auf­sät­ze, Stutt­gart 1954, S. 139 – 156, oder: Gesamt­aus­ga­be, Bd. 7, S. 145 – 164.

(12) – »Den­ken wir für eine Wei­le an einen Schwarz­wald­hof, den vor zwei Jahr­hun­der­ten noch bäu­er­li­ches Woh­nen bau­te. Hier hat die Instän­dig­keit des Ver­mö­gens, Erde und Him­mel, die Gött­li­chen und die Sterb­li­chen ein­fäl­tig in die Din­ge ein­zu­las­sen, das Haus gerichtet.«

(13) – Otto Fried­rich Boll­now: Mensch und Raum (1963), Stuttgart/Berlin/Köln 1997, S. 123 – 154.

(14) – Vgl. Otto Fried­rich Boll­now: Neue Gebor­gen­heit, Stutt­gart 1955, S. 160 – 191.

(15) – Dazu: Jörg Sei­del: »Die Erzieh­bar­keit des Men­schen – Otto Fried­rich Boll­now«, in: Sezes­si­on 108 (Juni 2022), S. 44 – 47.

(16) – Witold Ryb­c­zyn­ski: Ver­lust der Behag­lich­keit. Wohn­kul­tur im Wan­del der Zeit, Mün­chen 1991.

(17) – Eugen Rosen­stock-Hues­sy: Sozio­lo­gie, Bd. 2: Die Voll­zahl der Zei­ten, Stutt­gart 1958, S. 13 – 30.

(18) – Boll­now: Mensch und Raum, S. 144.

(19) – Die­sem Phä­no­men wid­met Elia­de die ers­ten Kapi­tel sei­nes Klas­si­kers Das Hei­li­ge und das ­Pro­fa­ne. Vom Wesen des Reli­giö­sen (1957), Frank­furt a. M. 1998, Zitat S. 43.

(20) – Vgl. Sig­mund Freud: »Vor­le­sung zur Ein­füh­rung in die Psy­cho­ana­ly­se« (1917), in: ders.: Gesam­mel­te Wer­ke XI, Frank­furt a. M. 1999, S. 161.

(21) – Vgl. Sig­mund Freud: »Das Unheim­li­che« (1919), in: ders.: Gesam­mel­te Wer­ke XII, Frank­furt a. M. 1999, S. 229 – 268.

(22) – »Das Woh­nen hat so den Sinn: irgend­wo behei­ma­tet zu sein in einer Nah­zo­ne der Ver­traut­heit, die schließ­lich über­geht in die Fern­zo­ne der Frem­de. Das ist eine harm­lo­se Deskrip­ti­on; hier wird über­se­hen, daß gera­de das ›Haus‹ in sei­nem Ber­gen und Schüt­zen schon mit­be­zo­gen ist auf das Bedroh­li­che, Frem­de; daß gera­de, weil und sofern es Schutz gewährt, es mit zu ver­ste­hen gibt, woge­gen es schützt.« (Eugen Fink: Exis­tenz und Coexis­tenz. Grund­pro­ble­me der mensch­li­chen Gemein­schaft, Würz­burg 1987, S. 220)

(23) – Carl Gus­tav Jung: ­Erin­ne­run­gen, Träu­me, ­Gedan­ken, Ost­fil­dern 2011, S. 179 – 183.

(24) – Fried­rich Engels: »Zur Woh­nungs­fra­ge«, in: MEW 18, Ber­lin 1962, S. 242 und 227.

(25) – Oswald Speng­ler: Der Unter­gang des Abend­lan­des (1922), Bd. 2, Mün­chen 1991, S. 673.

(26) – Georg Sim­mel: »Die Groß­städ­te und das Geis­tes­le­ben«, in: ders.: Auf­sät­ze und Abhand­lun­gen 1901 – 1908, Bd. I (= Gesamt­aus­ga­be, Bd. 7), S. 128 und 130.

(27) – Max Weber: Wirt­schaft und Gesell­schaft. Grund­riß der ver­ste­hen­den Sozio­lo­gie (1922), Frank­furt a. M. 2005, S. 923 – 1032, Zitat S. 942.

(28) – Andrej Holm: Objek­te der Ren­di­te. Zur Woh­nungs­fra­ge und was Engels noch nicht wis­sen konn­te, Ber­lin 2022, S. 144.

(29) – Doug Saun­ders: Arri­val City, Mün­chen 2011.

(30) – Ste­ven Pin­ker: Gewalt. Eine neue Geschich­te der Mensch­heit, Frank­furt a. M. 2013.

 

 

Emp­foh­le­ne Literatur:

Gas­ton Bachel­ard: ­Poe­tik des Rau­mes, Frank­furt a. M. 1987;

Wal­ter Ben­ja­min: Das Pas­sa­gen-Werk, 2 Bde., Frank­furt a. M. 1982;

Vilém Flus­ser: Von der Frei­heit des Migran­ten. Ein­sprü­che gegen den Natio­na­lis­mus, Bens­heim 1994;

Hen­ri Lefeb­v­re: Die Revo­lu­ti­on der Städ­te, Ham­burg 2014;

Lewis Mum­ford: Die Stadt. Geschich­te und Aus­blick, 2 Bde., Mün­chen 1979.

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