Naomi Wolf: Im Grunde böse

Dem gemeinen Rechten dürfte Naomi Wolf kein Begriff sein, ist sie doch bisher als US-amerikanische Feministin mit Publikationen wie ­Vagina und Vom Ende der Unschuld. Das sexuelle Drama, eine Frau zu werden hervorgetreten.

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

Im Grun­de haben wir es bei ihr mit einem im gro­ben Ver­gleich ähn­li­chen Phä­no­men zu tun wie hier­zu­lan­de mit Ulri­ke Gué­rot: Die­se war zuerst beim Euro­pean Coun­cil on For­eign Rela­ti­ons und bei der Sor­os-Stif­tung als EU- und Migra­ti­ons­pro­pa­gan­dis­tin in Lohn und Brot, dann fiel sie durch »Coro­na­kri­tik« und Kri­tik an der ­anti­rus­si­schen Main­stream­be­richt­erstat­tung in Ungna­de. Nao­mi Wolf hat es genau­so wie ­Gué­rot geschafft – trotz im Grun­de kom­plett affir­ma­ti­ver Über­zeu­gun­gen –, vom Sys­tem unsanft an den »rech­ten Rand« geschubst zu werden.

Die deut­sche Über­set­zung von The Bodies of Others trägt den Titel Im Grun­de böse. COVID-19, die neu­en Macht­eli­ten und ihr Krieg gegen die Mensch­lich­keit und ist im Kopp-Ver­lag in die­sem Jahr erschie­nen. Die Über­set­zung des Titels spricht Bän­de: »Die Kör­per der ande­ren« ist eine ­Femi­nis­mus-der-zwei­ten-Gene­ra­ti­on-Phra­se: ­Zwi­schen der Sün­de des »othe­ring« und der ­Tugend der »body posi­ti­vi­ty« spielt man hüben wie drü­ben post­mo­der­ne Spiel­chen – wäh­rend das »Böse« der »Macht­eli­ten« und ihr »Krieg« gegen uns eben­falls Phra­sen sind, die aber aus einem ande­ren Spiel stam­men, das in den »ver­schwö­rungs­theo­re­ti­schen« Alternativ­medien getrie­ben wird.

Die Titel­über­set­zung ist nicht falsch gewählt, son­dern sym­pto­ma­tisch. Wolf kri­ti­siert die »Coro­na­maß­nah­men« vom Stand­punkt der »body posi­ti­vi­ty« her: Den phy­si­schen Kör­per als Dreh- und Angel­punkt von Frei­heit, Men­schen­wür­de und Selbst­ver­wirk­li­chung zu ver­ste­hen kann dazu füh­ren, daß einem unan­ge­nehm auf­fällt, wie eben­die­sem Kör­per durch »social distancing« sein Aus­drucks­po­ten­ti­al genom­men wird, wie Mas­ken­zwang ver­hin­dert, daß Men­schen mit ande­ren Men­schen die Atem­luft tei­len, und wie sie durch »Lock­downs« zu Hau­se ein­ge­sperrt wer­den, statt sich frei begeg­nen und lie­ben zu dür­fen. Und plötz­lich steht Nao­mi Wolf neben Ste­ve Ban­non, sei­nes Zei­chens Trumps ehe­ma­li­ger Medi­en­be­ra­ter, der sie in sei­ne Pod­casts ein­ge­la­den hat, auf der Sei­te der mit dem Eti­kett »rechts« bekleb­ten US-Konservativen.

Nao­mi Wolf ist ein per­fek­tes Bei­spiel für libe­ral­kon­ser­va­ti­ve Kri­tik auf der Basis der soge­nann­ten west­li­chen Wer­te, zu denen sie »Men­schen­rech­te, Tole­ranz, demo­kra­ti­sche Staats­füh­rung, eine freie Pres­se, das Recht zu ent­schei­den, was mit dem eige­nen Kör­per pas­siert, Gedan­ken- und Rede­frei­heit« zählt. All dies wur­de ihrer Ein­schät­zung nach durch die Maß­nah­men der ver­gan­ge­nen drei Jah­re bedroht oder blei­bend zer­stört, wie Wolf in ihrem Buch sehr detail­liert und chro­no­lo­gisch am Bei­spiel ihrer Hei­mat USA aus­führt. Als Leser nimmt man ihr ab, daß sie davon authen­tisch erschro­cken und betrof­fen war, sie konn­te ein­fach nicht glau­ben, daß man die­se Wer­te mit einem Hand­streich vom Tisch wisch­te. Auch das Ver­hal­ten ihrer ehe­ma­li­gen Freun­de, Kol­le­gen, ihrer jour­na­lis­ti­schen und femi­nis­ti­schen Weg­ge­fähr­tin­nen ent­setz­te sie.

Da sie mit die­sem Denk­mo­dell außer­stan­de ist anzu­neh­men, daß das von ihr als »Zer­stö­rung unse­rer Wer­te« wahr­ge­nom­me­ne Gesche­hen etwas die­sen ver­meint­li­chen Wer­ten Inhä­ren­tes ist, muß sie einen äuße­ren Feind pos­tu­lie­ren. Und der ist rasch gefun­den: »das Welt­wirt­schafts­fo­rum und die chi­ne­si­sche kom­mu­nis­ti­sche Par­tei (KPCh)«, »der unver­fro­re­ne und tyran­ni­sche Staats­füh­rer des kom­mu­nis­tisch regier­ten Chi­na, Xi Jin­ping«. Die Wid­mung von Im Grun­de böse, »Für die 2049er-Gene­ra­ti­on«, spielt dar­auf an, daß dann das hun­dert­jäh­ri­ge Jubi­lä­um der chi­ne­si­schen Kul­tur­re­vo­lu­ti­on gefei­ert wer­den wird, deren Ver­län­ge­rung oder wah­ren Sieg die Autorin in der durch die »Pandemie«-Maßnahmen geform­ten »neu­en Nor­ma­li­tät« erblickt.

Eine »Ver­schwö­rungs­theo­rie« besag­te ­frü­her, daß eine Macht­eli­te eine eini­ger­ma­ßen faden­schei­ni­ge Theo­rie dar­über erfin­det, wie der Feind heim­tü­ckisch den eige­nen Erfolg ver­ei­telt habe (»der Jude« den deut­schen Sieg im Ers­ten Welt­krieg, »der Klas­sen­feind« durch Abwurf von Kar­tof­fel­kä­fern die Plan­soll­er­fül­lung im Arbei­ter-und-Bau­ern-Staat etc.). Nao­mi Wolfs Buch illus­triert auf 382 Sei­ten eine ähn­lich gestrick­te »Ver­schwö­rungs­theo­rie«, die besagt, daß die von der KPCh instru­ier­ten Macht­eli­ten die von ihr durch­weg für real gehal­te­ne »COVID-19-Pan­de­mie« genutzt hät­ten, um »west­li­che Nor­men von Frei­heit, einer Welt, in der der Mensch im Mit­tel­punkt stand, und die Zivi­li­sa­ti­on selbst aus­zu­schal­ten«, wie sie ein­lei­tend schreibt.

»Im März 2020 stan­den die Men­schen noch im Zen­trum der Kul­tur, und die Kul­tur war Ame­ri­ka. Zwei Jah­re spä­ter waren es Maschi­nen, Tech­no­lo­gie und die ›Volks­ge­sund­heit‹, die im Mit­tel­punkt der Kul­tur stan­den, und die­se Kul­tur war im Wes­ten etwas voll­kom­men Neu­es. […] Eher wie die Dik­ta­te und Nor­men der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei Chi­nas denn wie die Kul­tur die [sic!] Über­zeu­gun­gen der Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Amerika.«

Hoch­in­ter­es­sant ist das hier bespro­che­ne Buch des­halb als Sym­ptom einer his­to­ri­schen Kon­stel­la­ti­on: Gehört jemand wie Nao­mi Wolf nun zu der ideo­lo­gi­schen Tor­wäch­ter­ar­mee der USA, mit­hin zur glo­ba­len Macht­eli­te, die ihre Hege­mo­nie sichern muß gegen Chi­nas Welt­macht­an­spruch und ihre Leu­te des­halb ent­spre­chen­de »Ver­schwö­rungs­theo­rien« lan­cie­ren läßt? Oder gehört so jemand zu den Geäch­te­ten des Sys­tems, die, als »Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker« gebrand­markt, nur bei Tucker Carlson auf­tre­ten dür­fen und deren Buch nur bei Kopp erschei­nen kann, weil sie als Mut-Jour­na­lis­ten die Hin­ter­grün­de der Eli­ten-NWO aufdecken?

Daß die­se Fra­ge offen­bleibt, gebie­tet bis auf wei­te­res die his­to­ri­sche Kon­stel­la­ti­on. Sie gebie­tet auch, daß Wolfs Buch eben nur als Sym­ptom rele­vant ist, nicht als Antwort.

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Nao­mi Wolf: Im Grun­de böse. COVID-19, die neu­en Macht­eli­ten und ihr Krieg gegen die Mensch­lich­keit, Rot­ten­burg: Kopp 2023. 328 S., 22,99 €

 

Die­ses Buch kön­nen Sie auf antaios.de bestellen.

 

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

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