Obwohl die Zahl der Illegalen drastisch gestiegen ist und Meloni ihre versprochene Seeblockade nicht umgesetzt hat, stehen die Fratelli D’Italia seit Mai 2023 stabil auf 29% in den Umfragen. Meine Rücksprache mit anderen italienischen Bekannten, die durch alle Altersklassen und soziale Schichten quer im Land verteilt sind, bestätigte dieses Bild. Anders als populäre (englischsprachige) Telegramkanäle wie „Radio Genoa“ vermuten lassen, lautet die Deutung in Italien so:
Die EU hält Italien finanziell das Messer an die Kehle, und deutsche NGOs starten gezielt eine Masseninvasion. All das geschieht, um die rechte Reformregierung zu Fall zu bringen oder zu einer Überreaktion zu nötigen. Meloni tut umsichtig und ehrlich das, was sie kann, und wird Schritt für Schritt eine Seeblockade umsetzen.
Die Empörung unter deutschen Rechten könnte keinen krasseren Gegensatz bilden: Meloni sei eine transatlantische Blenderin, die ihre Wahlversprechen gebrochen han, unsere EU-Nettogelder einstreiche und Migranten einfach weiterschleuse. Sogar der „Economist“ titelte:
How Italy’s far-right leader learned to stop worrying and love migration.
Was entspricht der Wahrheit? Die (politische) Wahrheit ist, wie ein geflügeltes Wort in Österreich besagt, eine „Tochter der Zeit“. Am Ende wird sich zeigen, ob Meloni nur auf Zeit spielte oder einen langfristigen Plan zu Grenzschutz und Remigration hat.
Bis dato ist die „rechteste Regierung seit Mussolini“ jedenfalls eine herbe Enttäuschung. Statt Seeblockade und „Pushbacks“ durchzusetzen, werden Migranten nach Norden geschleust. Statt gemeinsam eine „Festung Europa“ zu errichten, branden die alten Nationalismen empor.
Österreich will die Brennergrenze schließen, was wüste Reaktionen von Salvini auslöst. Deutschland verlangt die Rücknahme von Dublin-Fällen, was Italien mit Verweis auf die deutsche Schlepperhilfe verweigert. Man schiebt sich gegenseitig die Schuld (und die Migranten) zu und richtet sich in der Kommunikation ausschließlich an die eigene Bevölkerung. Ein europaweites Bewußtsein für Bevölkerungsaustausch, Grenzschutz und Remigration fehlt nicht nur; es wird sogar teilweise von rechtspopulistischen Kräften sabotiert.
Was ist die Ursache? Man wird mir verzeihen, daß ich auf mein Buch: Regime Change von rechts verweise: Der populistische Wahlsieg Melonis und das bisherige Ausbleiben aller echten Veränderungen sind eindeutig Symptome für die falsche Leitstrategie des „Parlamentspatriotismus“. Die Macht liegt eben nicht im Parlament allein, ja nicht einmal vorrangig dort.
Der Traum, den AfD und FPÖ seit Jahren und Jahrzehnten zu verwirklichen trachten – eine rechte und folgenreiche Mehrheit im Parlament – zerplatzt gerade in Italien an den überrannten Küsten Lampedusas. Selbst wenn Meloni einen „langwierigen Masterplan“ verfolgen würde, wäre der Symbolwert dieser Bilder unter einer „Rechtsregierung“ fatal.
Wo ist die Meloni geblieben, die von einer “Seeblockade” sprach?,
fragte Attilio Lucia, stellvertretender Bürgermeister von Lampedusa und Mitglied der Lega:
Ich hatte gehofft.…, dass sich die Situation ändern würde, wenn wir endlich eine rechte Regierung hätten … Aber die Rechten machen es schlimmer als die Linken.
Ein Grund für die „Verratsthese“ gegenüber Meloni ist sicherlich eine „psychologische Abwehr“. Wäre sie keine Verräterin, also jemand, der nicht will, wie er soll, müsste man sich eingestehen, daß sie nicht kann, wie sie soll, und trotz parlamentarischer Mehrheit ohnmächtig ist.
Macht ist nach Max Weber „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“ Jeder Illegale, der in Europa landet, beweist die Macht der NGOs, ihren Willen als „Team Umvolkung“ auch gegen Melonis Widerstreben durchzusetzen.
In Regime Change von rechts argumentiere ich, daß wir diese Ohnmachtsspiralen nur brechen können, indem wir metapolitisch mobil machen. Melonis bisheriges Versagen, ob mit oder ohne langfristigen Masterplan, ist vor allem das Versagen des rechten Vorfelds in Italien. Dort fehlt offenbar das Bewußtsein für den Bevölkerungsaustausch in seiner europäischen Problematik. Es fehlen Bürgerbewegungen wie PEGIDA und Freie Sachsen. Es fehlen Avantgardistische Gruppen wie die IB. Zumindest wirkt das in der Außensicht so. Es mag diese Akteure geben, doch in der Stunde der Bewährung bleiben sie wirkungslos, unsichtbar und damit inexistent.
Was ich mir von Meloni, meinetwegen parallel zu einer langwierigen Reform auf EU-Ebene, erwartet hätte, wäre zumindest ein symbolischer „Pushback“ gewesen. Den Präzedenzfall hätte sie dann vor den europäischen Gerichtshöfen ausfechten können. Mit diesem symbolischen Akt hätte sie ein Tabu gebrochen und sich Zeit und Spielraum für strukturelle Veränderungen geschaffen.
Was ich mir von der italienischen patriotischen Zivilgesellschaft erwarte, ist eine symbolische Seeblockade im Stil des kanadischen „Freedom Convoys“, der niederländischen Bauernproteste und der „Defend Europe“ Aktion. Mit einer friedlichen Blockade vor Lampedusa, am besten ausgeführt von Schlauch- und Fischerbooten, könnte Melonie stark unter Handlungsdruck gesetzt werden. Begleitende Massenkundgebungen an allen südlichen Häfen, Petitionen, Protestaktionen, Banner, etc. könnten zu einer raschen und schlagkräftigen Kampagne werden.
Die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit wäre den Aktivisten sicher. Binnen Tagen würden sie zu Helden der patriotischen Weltöffentlichkeit von Elon Musk, über Tucker Carlson bis Eva Vvlaardingerbroek werden. Meloni könnte diesen „Druck ihrer Basis“ ebenfalls perfekt als Argument für ihre Verhandlungen in Brüssel nutzen und endlich einen symbolischen Pushback umsetzen.
Daß es nicht dazu kommt, zeigt die Schwäche der patriotischen Zivilgesellschaft in Italien und die fatalen Folgen des Parlamentspatriotismus. Eine „Melonisierung“ der europäischen Rechten könnte damit, abseits von der geopolitischen Frage, zu einer Serie an „Grenzsimulationen“ und vulgärnationalistischem Gezanke führen.
Polens rechte Regierung wehrt einerseits Migranten an der Grenze zur russischen Sphäre ab, holt aber zugleich 500.000 Fremde „legal“ ins Land (von den hunderttausenden Visa ganz zu schweigen). Orban betreibt zwar Pushbacks, doch gleichzeitig werden immer noch tausende Migranten nach Österreich durchgeschleust.
Eine „parlamentspatriotische“ Rechtsregierung in Österreich würde wohl ebenso agieren. All das ist aber nur so lange und so weit möglich, als die außerparlamentarischen Kräfte des rechten Lagers das zulassen. Eine unterentwickelte Bewegung, Theoriebildung und Gegenöffentlichkeit lassen zu, daß die Partei den Weg des geringsten Widerstands wählt: die „Melonisierung“.
Selbstverständlich sind auch wir mitverantwortlich. Zwar ist die Rechte im deutschsprachigen Raum nicht in Regierungsverantwortung. Aber sie verantwortet den Zustand ihrer Gesellschaft und die Handlungen ihrer Nation mit. Letztlich fungiert die BRD als „Migrationsmagnet“.
Die Bundesregierung ließ mit ihrem offiziellen Twitterkonto keine Fragen offen. Sie bekannte sich im Wortgefecht mit Elon Musk offen zu den Millionen Euro an „Schlepperhilfe“, die sie an NGOs bezahlt. „Saving lives“ lautet die Rechtfertigung des hypermoralischen Alleingangs der Ampel. Doch der Druck auf den Kessel steigt. Deutschland überdehnt seine Belastungsgrenzen. Gerade die urbanen Zentren im Westen quellen über.
Hier kommt Deutschlands außerparlamentarische Rechte ins Spiel. Jedes Asylheim, das verhindert oder verzögert wird, erhöht den Druck auf die Ampel nach Remigration. Diesen Druck gibt sie auf außenpolitischer Ebene mehr und mehr an Länder wie Italien und Griechenland weiter. Die Umverteilung scheitert, Dublin scheitert, „Resettlement“ ebenso – am Ende bleibt nur die Remigration.
Wir können bis auf weiteres wohl keine Seeblockade in Italien organisieren. (Bei der derzeitigen Stimmung der Bevölkerung gegen „deutsche NGOs“ könnte das sogar schwer nach hinten losgehen.) Doch der Widerstand gegen ein Asylheim in Upahl wirkt zurück bis an die Küste Lampedusas! Wenn die Freien Sachsen mit einer großen Kundgebung in Berggießhübel vor dem Schloss Friedrichstahl ein Asylheim verhindern, macht das indirekt auch Druck auf Meloni.
„Nach Rechten-Demo vor Schloss: Eigentümer zieht sein Angebot zur Vermietung zurück“, so verkündet Tag24 den Sieg der Metapolitik und der Reconquista.
Der Grund für das Ausbleiben solcher Szenen in Italien ist vermutlich relativ banal. Der Leidensdruck für den durchschnittlichen Polen, Ungarn und Italiener ist im Vergleich zur BRD relativ gering und wird es auch bleiben. Der Modus der „Grenzsimulation“ und Weiterleitung könnte im schlimmsten Fall so lange weitergehen, bis im deutschsprachigen Raum ausreichend Remigrationsdruck entsteht. Dann aber könnte ein Dominoeffekt eintreten.
Melonis Beispiel lehrt uns: Die Rechtspopulisten alleine werden uns nicht retten. Ein Wahlsieg und eine parlamentarische Mehrheit sind ohne „people power“ auf der Straße wenig wert. Mein Bekannter Martón Bekes aus Ungarn wies mich unlängst auf eine Rede von Viktor Orban Tranzit-Konferenz am 25. August in Tihany am Plattensee hin. Der ungarische Staatschef bekannte sich darin klar als Rechtsgramscianer und beschrieb, wie er in seiner Studienzeit mit der „Linken Bibel der Macht“ in Berührung geriet.
Er rät einer politisch machtlosen Opposition:
Ziele nicht darauf ab, dir das Gesetz aus den Händen zu reißen, sondern das kulturelle Umfeld, verändere den Kontext, in dem Macht ausgeübt wird. Wenn man das ändern kann, wenn man sagen kann, was gut ist, was schlecht ist, was richtig ist, was nicht richtig ist, was schön ist, was hässlich ist, was angemessen ist, was nicht angemessen ist; wenn man die Fähigkeit hat, das zu sagen, wird man früher oder später auch die institutionelle Macht übernehmen – das ist Gramsci!
Diese Lektion wirkt immunisierend gegen jede Melonisierung.
Ein gebuertiger Hesse
Hervorragender Schluß. Danke für die Persektive.