Nach wie vor muß die Partei angesichts des schnellen Aufstiegs in den Umfragen unter Beweis stellen, daß sich die gemessenen Zustimmungswerte auch in Wahlergebnissen niederschlagen. Es würde sich zeigen, ob die im Osten langsam strukturell verankerte Stärke auch auf den Westen ausstrahlen könnte.
Die Vorab-Umfragen zu den Landtagswahlen in Hessen und Bayern hatten bereits Zuwächse im Vergleich zur letzten Landtagswahl 2018 angekündigt. Dennoch war vor allem in Bayern noch ungewiß, wie sich aufgrund der Konstellation einer Konkurrenzsituation mit den Freien Wählern die AfD als Exklusivkraft des rechten Wählerblocks positionieren könnte.
Zunächst einige grundsätzliche Erkenntnisse und bundespolitische Wirkungen:
1) Die Ampelparteien wurden sowohl in Hessen als auch in Bayern auf ganzer Linie abgestraft. Die FDP flog in Bayern aus einem weiteren Landesparlament und konnte sich in Hessen mit Verlusten von 2,5% nur äußerst knapp über der 5%-Hürde halten.
Die Grünen hatten am Wahlabend eine besonders skurrile Kommunikationsstrategie, indem sie den Verlust von 3,2% in Bayern als “historisch zweitbestes Ergebnis” verkauften (2018 war 17,6% das beste Ergebnis der Grünen im Freistaat).
Die SPD holte derweil sowohl in Bayern als auch in Hessen ihre beiden historisch schlechtesten Landtagswahlergebnisse.
Gewinner des Wahlabends waren ausschließlich jene Parteien, die sich in scharfer Konfrontation gegen die Ampel und ihre Politik positioniert haben. Das konnten sowohl die CDU in Hessen als auch die CSU in Bayern nutzen, die in ihren Wahlkampagnen trotz ihres Status als Regierungspartei auf Anti-Ampel-Rhetorik setzten und damit einen Teil der Unzufriedenheit und des Protestes einsammeln konnten. Die Verdichtung des Protestes gegen die Ampel war die zentrale Mobilisierungsressource für alle Parteien, die Stimmen dazugewinnen konnten.
In Bayern gab selbst eine Mehrheit der beiden Regierungsparteien Freie Wähler und CSU an, daß die aktuelle Landtagswahl auch als Denkzettel für die Bundesregierung dienen sollte. Und sowohl in Hessen als auch in Bayern lag die Unzufriedenheit mit der Bundes-Ampel deutlich höher als die Unzufriedenheit mit der eigenen Landesregierung. Ein strategischer Vorteil für die Unionsparteien.
Rückblickend wird man daher wohl auch in der SPD die Kandidatur von Bundesinnenministerin Nancy Faeser in Hessen als strategisches Desaster einordnen müssen. Wie konnte man nur eine prominente Bundespolitikerin dieser Ampel-Koalition aufstellen, wenn schon seit Monaten die Unzufriedenheit und Abneigung gegenüber der Bundespolitik anwuchs?
Eine solche Entscheidung verdeutlicht die Arroganz der Macht und das Paralleluniversum von SPD und Co.
2) Die Linkspartei steuert ihrem politischen Ende entgegen. In Hessen flog die Partei nach 15-jähriger parlamentarischer Präsenz aus dem Landtag. In Bayern war man wie immer ohnehin chancenlos. Am Abend war die Parteivorsitzende und ehemalige hessische Landespolitikerin Janine Wissler nur noch von ihrem Zuhause aus zugeschaltet. Für eine Wahlparty fehlte den meisten vermutlich die emotionale Zuversicht.
In Hessen wechselten die meisten verlorenen Wähler zu den Nichtwählern, der SPD und den Grünen. Die verbleibende Konkursmasse der Linkspartei geht also in linke Alternativen oder die politische Agonie über.
3) Auch für die FDP geht die Talfahrt weiter. Sie ist innerhalb von zwei Jahren aus dem dritten Landesparlament geflogen. Die Substanz eines wie auch immer gearteten liberalkonservativen Wählerkerns ist in der FDP vollends aufgebraucht. Was bleibt, ist linksliberale Resterampe. Dementsprechend ist es auch nur folgerichtig, daß die FDP sowohl in Bayern als auch in Hessen ausschließlich von ihren Ampel-Partnern SPD und Grüne Stimmen hinzugewinnen kann und in die Mitte und nach rechts ausschließlich Stimmen verliert.
Das Wahlergebnis in Bayern
Die AfD fuhr mit 14,6% in Bayern ihr drittbestes Ergebnis in einem westdeutschen Bundesland ein, also ein Plus von 4,4% und bei den absoluten Stimmen ein Zuwachs um ganze 44%. Bis spät nach Mitternacht wurde die Partei noch mit 16% gehandelt, womit Hessen und Bayern schließlich an einem Wahlabend die beiden besten Ergebnisse im Westen hätten holen können.
Nun sollte bedacht werden, daß die politische Ausgangslage in Bayern mit der Freie-Wähler-Konkurrenz und einer immer wieder rechtsblinkenden CSU schwieriger für die AfD war als in Hessen.
Vor allem die Flugblatt-Affäre um den Freie-Wähler-Spitzenkandidaten und bayrischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger schien wenige Wochen vor der Wahl den Aufmerksamkeitsschwerpunkt auf die Freien Wähler zu lenken. Das mediale und linke Establishment versuchte sich an einer Diffamierungs- und Zersetzungskampagne, die rückblickend betrachtet kolossal gescheitert ist. Die Freien Wähler konnten ihr Rekordergebnis aus dem Jahr 2018 nochmals deutlich auf 15,8% ausbauen und sich somit als zweitstärkste Kraft in Bayern festigen.
Manche Beobachter befürchteten, daß die Freien Wähler als AfD-Neutralisierer fungieren könnten. Aiwanger hat diesen Auftrag für seine Partei am Wahlabend auch nochmals unterstrichen, indem er im ARD-Wahlstudio davon sprach, daß die AfD ohne das parteipolitische Angebot der Freien Wähler noch stärker geworden wäre. Dies mag zum Teil zutreffen. Immerhin gaben 39% der „Freie Wähler“-Wähler und damit mehr als jeder Dritte an, daß sie bei einem Nicht-Antritt ihrer gewählten Partei eher für die AfD votiert hätten.
Am Ende des Wählerwanderungssaldos schlagen der AfD +30.000 hinzugewonnene Freie-Wähler zu. AfD und Freie-Wähler standen sich offensichtlich nicht als sich gegenseitig neutralisierende Blöcke gegenüber. Das rechtskonservative Wählerpotential war in Bayern nicht einfach nur ein limitiertes Nullsummenspiel, sondern scheint sich anhand der Zuwächse bei den Freien-Wählern und der AfD deutlich erweitert zu haben. Ein Blick auf die Stimmkreise verdeutlicht, daß die AfD und Freien-Wähler konstant in nahezu allen Regionen prozentual zulegen konnten, während das linke Parteilager überall Verluste hinnehmen mußte. Bei der CSU waren die Gewinne und Verluste recht ausbalanciert.
Das Einstellungsprofil von Freien-Wählern und AfD-Anhängerschaft mag ähnlich sein, und beide mobilisieren in den gleichen Potentialräumen. Doch am Ende müssen wir konstatieren, daß die Freien Wähler einerseits ein bayrisches Phänomen bleiben (in Hessen ist der Landtagseinzug nicht gelungen) und zugleich die Wachstumsdynamiken der AfD nur marginal bremsen können.
Die Christsozialen mußten insgesamt 220.000 Stimmen an die Freien Wähler und die AfD abgeben. In zwei Wahlkreisen mußte auch jeweils ein Direktmandat an die Freien Wähler abgegeben werden. Lediglich der Zugewinn aus dem grünen Lager mit 110.000 dazugewonnenen Stimmen dürfte die CSU vor einem Wahldesaster bewahrt haben.
Dieser Befund bestätigt einmal mehr, daß die christdemokratischen Parteien kaum noch Anziehungskraft auf die sogenannten bürgerlich-konservativen oder rechten Wählerschaften ausüben und durch die „Brandmauer“ nicht nur in der Koalitionsarithmetik, sondern auch im elektoralen Raum immer stärker von Mehrheiten in der linken Mitte abhängig werden.
Migration als Stimmungskatalysator
Wie auch schon bei anderen Wahlerfolgen der AfD gezeigt, wirkt das Migrationsthema als entscheidender inhaltlicher Katalysator. Sowohl in der Migrationspolitik als auch in der Kriminalitätsbekämpfung weist die AfD die höchsten und zugleich am stärksten wachsenden Kompetenzwerte auf.
Für mehr als die Hälfte der AfD-Wähler war die Zuwanderung das wahlentscheidende Thema. 83% aller Wähler geben an, daß sie sich eine Migrationspolitik wünschen, die die Einwanderung deutlich restriktiver auslegt. Selbst bei den Grünen war dies mit 49% fast jeder zweite. Unter den CSU-Anhängern befürworteten 70% eine Flüchtlingsobergrenze. Die AfD konnte mit ihrem wahlentscheidenden Thema den mehrheitlichen Stimmungskern in der Bevölkerung bedienen und als zusätzliches Wählerpotential aggregieren. Hinzu kommt die deutlich gestiegene Kompetenzwahrnehmung (+12%) bei den Themen Asyl und Migration.
Das Wahlergebnis in Hessen
Mit 18,4% ist Hessen der neue Rekordhalter für die AfD in Westdeutschland. Die Partei ist damit deutlich zweitstärkste Kraft vor der SPD und den Grünen geworden. In Hessen zeigte sich anhand der Zahlen, daß der Normalisierungsprozeß der AfD auch im Westen langsam voranschreitet und auch die Protestwählerthese nur noch bedingt als Erklärungsfolie für die Wahlerfolge herhalten kann.
80% der AfD-Wähler gaben an, daß es ihnen egal ist, wenn die AfD in Teilen als „rechtsextrem“ gilt, solange die Partei die richtigen Themen anspricht. Deutlicher kann die Ansage an eine millionenschwere Anti-Rechts-Industrie mit etlichen NGOs, linken Vorfeldorganisationen, Partei- und Medienapparaten nicht ausfallen. Die wesentlichen Markierungs- und Ausgrenzungsmechanismen scheinen sich zumindest auf der elektoralen Ebene stets abzunutzen. Die Wahl der AfD ist nicht mehr nur ein protestbeladener Akt der politischen Notwehr, sondern verfestigt sich zunehmend als Überzeugungswahl mit fester Parteiidentifikation.
Die Konfliktvektoren im soziodemographischen Profil
Bevor wir wiederholend auf jedes einzelne soziodemographische Profil der AfD-Wählerschaft in Hessen und Bayern eingehen, fasse ich es anhand von drei entscheidenden Mustern zusammen, die das soziodemographische Profil und damit auch drei entscheidende politische Konfliktvektoren im elektoralen Raum definieren. Diese Konfliktebenen finden auch in den parteipolitischen Repräsentationsangeboten ihre stellvertretenden Entsprechungen.
01. Alt vs. Jung.
Bisherige Wahlergebnisse haben für die AfD stets eine stärkere Mobilisierungskraft innerhalb der mittleren Altersklassen gezeigt. Jüngere und ältere Kohorten blieben von der Partei meist unterdurchschnittlich repräsentiert. Dennoch hat sich bei einigen ostdeutschen Wahlen der vergangenen Jahre durchaus eine minimale Mobilisierungstendenz in Richtung der Wählergruppe 18–35 Jahre gezeigt. In Bayern und Hessen scheint dies jetzt noch deutlicher zum Ausdruck gekommen zu sein.
Bei der Altersgruppe der über 70-Jährigen ist für die AfD auf unterdurchschnittlichem und niedrigem Niveau kaum mehr Bewegung drin. In Bayern stimmen 7% der Ü70-Generation für die AfD und in Hessen 9%. Die größten Zuwächse bei beiden Landtagswahlen verzeichnet die AfD bei der Alterskohorte 18–35 Jahre. In Bayern und Hessen ist man unter den Erstwählern die zweitstärkste Kraft mit jeweils 18 und 15% und damit sogar noch vor den traditionell unter Jungwählern starken Grünen.
Es zeigt sich somit, daß die Potentialerweiterungen des AfD-Wählerspektrums tendenziell in Richtung jüngerer Altersgruppen ausgreifen. Demgegenüber steht aktuell noch ein demographischer Machtblock der über 60-Jährigen, der insbesondere für die Unionsparteien die zentrale Lebensader darstellt. Diese Generation bleibt quantitativ überlegen und zeichnet sich auch durch eine durchschnittlich höhere Wahlbeteiligung aus. Es ist jedoch klar, daß die Wahlsiege der Unionsparteien nicht mehr aufgrund eines ideologischen Angebots, besserer Programmatik o.ä. erfolgen, sondern einzig dem (illusionären) Versprechen einer politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Stabilität geschuldet sind, deren Substanz aber längst aufgebraucht ist. Hier muß die AfD weiter am Aufbau einer elektoralen Gegenmacht arbeiten und darf sich nicht scheuen, gewisse generationale Konfliktlinien auch mal etwas zuzuspitzen.
02. Stadt vs. Land
Die Stadt-Land-Dichotomie hat sowohl in Bayern als auch in Hessen den politischen Raum maßgeblich geordnet. In Bayern wurde die CSU in zahlreichen ländlichen Bastionen sowohl von AfD als auch von den Freien Wählern empfindlich geschwächt. In Hessen performt die Partei insbesondere in den ländlichen Gemeinden und Kleinstädten am stärksten.
In den großen Städten bleiben die Zuwächse jedoch marginal. Ähnlich wie bei der Gegenüberstellung von Alt vs. Jung ist diese Konstellation für die Partei natürlich nicht unproblematisch. In der Stadt-Land-Differenz zeigt sich für das rechtskonservative Parteienspektrum ein entscheidender Mangel an Mobilisierungspotentialen in den Städten. Dies blockiert Mehrheiten und Machtzugriffe.
Das rechte Lager kann den ländlichen Raum dominieren und die Polarisierung zum kosmopolitisch-linksliberalen Großstadtmilieu zuspitzen. Die elektoralen Größenverhältnisse verschieben und verfestigen sich aber in die urbanen Zentren und werden immer noch von linken Mehrheiten bestimmt.
Dennoch sollte für die AfD angesichts solcher Ergebnisse im ländlichen Raum klar sein, wo die Schwerpunkte von struktureller Festigung, Verwurzelung und Wählerbindung liegen müssen. Im ländlichen Raum kann die AfD die Blaupause für die Entwicklung von einer Protest- zu einer Milieupartei schaffen.
03. Identitäre Arbeiterklasse vs. Akademisch-Linksgrüne Oberschicht.
Ein Befund, der vielen Lesern bereits bekannt sein dürfte, der aber das Gesamtbild des soziodemographischen Profils der AfD-Wählerschaft auch in Hessen und Bayern abrundet: Die AfD konnte innerhalb ihrer beruflichen Kernmilieus der Arbeiter und Selbstständigen weitere Wähler hinzugewinnen und stärkt damit ihr eigenes Profil als Partei der einfachen Arbeiter mit mittleren Einkommen, mittleren Alters und mit mittlerem Bildungsgrad.
Aus der Mixtur von jungen Wählern, peripherer Räumlichkeit und der identitär-verwurzelten Arbeiterschaft und nettosteuerzahlenden Leistungsträgern komplementiert sich die prototypische AfD-Wählerschaft auch als sozialer Raum, über den mittelfristig auch fest gebundene Wählermilieus geschaffen werden können. Aus der neu hinzugewonnenen Stärke im Westen müssen sich regionale Verwurzelungsstrukturen und selbstverständliche Identifikationsräume mit der AfD herausbilden. Hessen und Bayern haben hierfür einen Grundstein gelegt.
kikl
"80% der AfD-Wähler gaben an, daß es ihnen egal ist, wenn die AfD in Teilen als „rechtsextrem“ gilt, solange die Partei die richtigen Themen anspricht. Deutlicher kann die Ansage an eine millionenschwere Anti-Rechts Industrie mit etlichen NGOs, linken Vorfeldorganisationen, Partei- und Medienapparaten nicht ausfallen. Die wesentlichen Markierungs- und Ausgrenzungsmechanismen scheinen sich zumindest auf der elektoralen Ebene stets abzunutzen."
Das ist wohl die wichtigste Erkenntnis aus dieser Wahlanalyse. Es ist gelungen, die Deutungshoheit des ÖRR zu durchbrechen. Die Manipulation der Wähler durch Lügenpropaganda, Einschüchterung und Ausgrenzung funktioniert nicht mehr. Das haben die Altparteien allerdings noch nicht begriffen. Bislang versuchen Sie durch immer absurder und lauter werdende Lügenpropaganda, das Bild der AFD-Wähler als Anhänger einer Kaste von Unberührbaren zu festigen.
Als nächstes wird die Ampel-Regierung versuchen, mit staatlicher Gewalt die Deutungshoheit zurückzugewinnen. Wir dürfen weitere Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit, gerade im Internet, entgegensehen. Der Verfassungsschutz ist eh schon außer Rand und Band.
Ich bin gespannt, ob Elon Musk Kurs hält. Seine Kritik an den staatlich finanzierten Schlepperbanden im Mittelmeer hat zu einer ungehobelten Reaktion des Auswärtigen Amtes geführt. Die nächste Bundestagswahl könnte auf Twitter/X entschieden werden.