Nachdenken über eine deutsche Position im Nahost-Konflikt

Die Frage nach einer Stellungnahme von unserer Seite zum Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern wird drängend gestellt. Grund dafür ist die kompromißlose Solidarisierung der deutschen Politik mit Israel.

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Die­se Soli­da­ri­sie­rung beschränk­te sich nicht auf Äuße­run­gen der Bestür­zung über den bru­ta­len Angriff der Hamas und die Tötung von Zivi­lis­ten, son­dern erfolg­te has­tig und hat Fol­gen: Sie würgt den nahe­lie­gen­den Gedan­ken ab, daß für Nicht­be­tei­lig­te in die­sem Krieg jede Sei­te die fal­sche sein könnte.

Gro­ße Tei­le der AfD (und damit der par­tei­po­li­tisch sicht­ba­ren Rech­ten) haben sich an der unein­ge­schränk­ten Soli­da­ri­sie­rung mit Isra­el betei­ligt. Der Ehren­vor­sit­zen­de der AfD, Dr. Alex­an­der Gau­land, hat in sei­ner Rede vor dem Bun­des­tag die Erklä­rung, die Ver­tei­di­gung Isra­els sei deut­sche Staats­rä­son als Lip­pen­be­kennt­nis bezeich­net, wenn dar­auf kei­ne Taten folg­ten. Er bekam dafür von sei­ner Frak­ti­on Applaus, von sonst aber nie­man­dem, und dies, obwohl er sich eben­so klar posi­tio­nier­te wie sei­ne Vor­red­ner Scholz und Merz. Gau­lands For­de­run­gen nach Aus­set­zung von Zah­lun­gen an huma­ni­tä­re Pro­jek­te im Gaza-Strei­fen reich­ten sogar wei­ter als die sei­ner poli­ti­schen Gegner.

Die Fra­ge nach einer Stel­lung­nah­me zu Gau­lands Posi­ti­on ist auch die Infra­ge­stel­lung sei­ner Erklä­rung. Ist eine ande­re deut­sche Posi­ti­on im Nah­ost-Kon­flikt mög­lich? Tino Chrup­al­la hat sie dadurch zugleich ange­ris­sen und umgan­gen, daß er zu Dees­ka­la­ti­on und zu einer diplo­ma­ti­schen Lösung auf­rief. Das ist ehr­li­cher als das meis­te ande­re, das zu lesen und zu hören war.

Aber wenn wir nicht aus­wei­chen, müs­sen wir die Fra­ge stel­len: Ist eine ande­re deut­sche Posi­ti­on denk­bar als die einer Bestands­ga­ran­tie Isra­els, die wir ehr­li­cher­wei­se gar nicht geben kön­nen (und die Isra­el, an des­sen Sei­te die stärks­te Mili­tär­macht der Welt steht, auch gar nicht braucht)? Wenn ja: Wie sähe sie aus?

Die fol­gen­den Gedan­ken sind in fünf Abschnit­te geglie­dert und damit aus­führ­lich. Der fünf­te könn­te, lapi­dar gehal­ten, aus­rei­chen. Jedoch  ist das Umkrei­sen und Her­lei­ten wich­tig. Es wird zunächst dar­um gehen, mit Phra­sen und allem Wohl­fei­len auf­zu­räu­men. Erst danach kön­nen eine Skiz­zie­rung der Lage und eine deut­sche Posi­ti­on von rechts for­mu­liert wer­den – mit aller Vor­sicht und Ambi­va­lenz, die sol­che Über­le­gun­gen stets kenn­zeich­nen sollten.

1. Phra­se und Rea­li­tät: Von den Bekennt­nis­sen, die in Kon­flikt­la­gen und Kriegs­si­tua­tio­nen von deut­scher Sei­te abge­legt wer­den, ist die beschä­mends­te und wohl­feils­te jedes­mal die, man “stün­de fest an der Sei­te von xy”. Auch im Fal­le des seit Jahr­zehn­ten schwe­len­den, nun wie­der hef­tig auf­lo­dern­den Kon­flikts zwi­schen Isra­el und den Rest­ge­bie­ten eines vor­mals geplan­ten Paläs­ti­nen­ser­staats ist es von deut­scher Sei­te aus wie­der zu die­sem Bekennt­nis gekommen.

Wel­che Kon­se­quen­zen soll­te es haben, daß Deutsch­land fest an der Sei­te Isra­els ste­he? Wel­che hat­te es, seit Deutsch­land fest an der Sei­te des ukrai­ni­schen Vol­kes steht? Was folgt, wenn man sich ver­bal auf die­se Wei­se hoch­ge­ris­sen hat? Es wird auch die­ses Mal nicht zum Ein­satz deut­schen Sol­da­ten­le­bens kom­men, es kam in der Ukrai­ne nicht dazu, und die “Kriegs­mü­dig­keit der Deut­schen”, vor der die Außen­mi­nis­te­rin mit Blick auf die nach­las­sen­de Empa­thie­dich­te der Ukrai­ne gegen­über warn­te, ist eine Wen­dung, die dem Absur­den und Pein­li­chen die Kro­ne aufsetzte.

Wir dür­fen uns mit Blick auf den israe­li­schen Staat und die Ver­faßt­heit sei­nes Vol­kes sicher sein, daß man die fest an der Sei­te her­um­ste­hen­den Deut­schen dort nicht braucht. Denn Isra­el ist ein star­ker Staat. Sei­ne Grün­dung beruht auf einer selbst­be­wuß­ten Land­nah­me – gepaart mit dem Wil­len, die­ses Land nie wie­der her­zu­ge­ben oder zu teilen.

Die zur Grün­dung ihres Staa­tes fest ent­schlos­se­nen Juden setz­ten sich diplo­ma­tisch und gewalt­sam gegen eine ara­bi­sche Mehr­heit und gegen die bri­ti­sche Man­dats­macht durch. Sie erzwan­gen eine Zwei­staa­ten­lö­sung, erober­ten nach dem ara­bi­schen Angriff von 1947 das den Paläs­ti­nen­sern zuge­spro­che­ne Gebiet und lie­ßen ihnen jene bei­den Stü­cke, die nun als Gaza-Strei­fen und West­jor­dan­land bekannt sind, aber kein “Paläs­ti­na” bilden.

Isra­el hat, was wir nicht haben und was von vie­len Natio­nal­kon­ser­va­ti­ven welt­weit als iden­ti­tä­res Modell bestaunt wird: ein an Geburt und Reli­gi­on geknüpf­tes Volk, eine Grün­dungs­er­zäh­lung, ein hoch­ge­rüs­te­tes Mili­tär, die Bereit­schaft und das Selbst­be­wußt­sein, sei­ne Waf­fen ein­zu­set­zen. Isra­el unter­schei­det im Ernst­fall kom­pro­miß­los zwi­schen Freund und Feind – so auch jetzt.

Die­se Unter­schei­dung von “Wir” und “Nicht-Wir”, die schlag­ar­ti­ge, alles Phra­sen­haf­te weg­wi­schen­de Klä­rung der Lage, das Zusam­men­rü­cken der Nati­on, der hohe Mobi­li­sie­rungs­grad, die Selbst­ver­ständ­lich­keit, mit der Isra­el zu den Waf­fen greift und die absur­de Asym­me­trie der mili­tä­ri­schen Schlag­kraft der Kriegs­geg­ner: Man weiß wirk­lich nicht, an wel­chen Schalt­he­bel die­ser ange­sprun­ge­nen Maschi­ne­rie sich die Deut­schen nun stel­len wol­len. So etwas kön­nen wir ja gar nicht mehr, schon allein men­tal nicht, und die bereits erwähn­te US-ame­ri­ka­ni­sche Prä­senz ist eben etwas ganz ande­res als das deut­sche Lippenbekenntnis.

2. Das Ahis­to­ri­sche: Wenn es los­geht, schlägt man nach und frischt Begriff­lich­kei­ten und Kar­ten­bil­der auf. Ich hal­te die hier ver­link­te ARD-Doku­men­ta­ti­on auf­grund ihrer Unauf­ge­regt­heit und Sach­lich­keit für lehr­reich. An der deut­schen offi­zi­el­len Posi­ti­on ist das Ahis­to­ri­sche auf­fäl­lig. Man tut so (und tut das­sel­be in Stel­lung­nah­men über den Ukrai­ne-Krieg bis heu­te), als sei der Angriff der Hamas aus hei­te­rem Him­mel erfolgt.

Jedoch: Seit jeher argu­men­tie­ren bei­de Sei­ten his­to­risch, lei­ten aus Ange­stamm­tem das Recht zu Blei­ben oder zu Neh­men ab. Ohne die Geschich­te der oben bereits erwähn­ten “selbst­be­wuß­ten Land­nah­me”, auf der die Grün­dung Isra­els fußt und die nichts ande­res als die Ver­trei­bung der Paläs­ti­nen­ser aus ihrem Sied­lungs­raum bedeu­te­te, sind deren Haß und Unver­söhn­lich­keit nicht zu erklären.

Aber die zio­nis­ti­sche Idee hat­te sich durch­ge­setzt, wur­de umge­setzt und nahm sich aus guten Grün­den und exis­ten­ti­ell ver­stärkt durch den Holo­caust das Recht her­aus, wenigs­tens einen Fle­cken Lan­des auf der Erde zu einem Raum zu machen, in den jeder Jude wür­de flie­hen kön­nen und in dem man nicht mehr wehr­los wäre. In Isra­el gilt der Leit­satz: “Nie wie­der Opfer sein”, und die­ser Vor­satz ist Teil der Staats­idee des jüdi­schen Staates.

Die Doku­men­ta­ti­on, die ich aus­wähl­te, ver­schweigt nichts von dem, was im Ver­lauf einer sol­chen Staats­grün­dung und im Rah­men eines sol­chen Durch­set­zungs­na­tio­na­lis­mus gesche­hen kann, auch an Här­te und Grau­sam­keit den ande­ren, den Ver­dräng­ten gegenüber:

Ein ver­streu­tes Volk fin­det sich unter einer Zukunfts­idee zusam­men, ver­steht sich als Nati­on, will und erringt die poli­ti­sche Gestalt: den Staat. Des­sen Auf­ga­be ist es seit­her, sich als Rah­men der Nati­on durch­zu­hal­ten, das Staats­volk zu schüt­zen und sein Wohl zu meh­ren. Das ist alles. Das geschieht dort.

3. Das Jemei­ni­ge: Um die­sen selt­sa­men, aber so immens wich­ti­gen und für die Fra­ge­stel­lung mei­nes Bei­trags frucht­ba­ren Begriff zu erläu­tern, grei­fe ich auf das Kapi­tel “Jemei­nig­keit” zurück, das sich in Caro­li­ne Som­mer­felds Kapla­ken-Essay Selbst­ret­tung fin­det. Sie hat die­ses Wort von Mar­tin Heid­eg­ger über­nom­men. Es bezeich­net die Auf­la­dung des Wahr­ge­nom­me­nen durch die Berüh­rung mit dem Ich,

da nichts in der Welt für einen Men­schen von Bedeu­tung sein kann, wenn es das nicht aus der je eige­nen Per­spek­ti­ve, also je für mich ist: eben das Je-Meine.

Im Grun­de rührt aus die­ser Über­zeu­gung die Pflicht, stets mit sich und bei sich selbst anzu­fan­gen, wenn es um Lösun­gen und Posi­tio­nie­run­gen geht. Auf die­ser Ebe­ne, die sehr erhel­lend ist, wenn sie glaub­wür­dig mit­ge­teilt wird, darf man rat­los blei­ben. Auf poli­ti­scher Ebe­ne darf man es nicht und – das ist das Har­te und Kal­te am Levia­than, die­sem not­wen­di­gen Untier – hat man ande­re, eben kei­nes­falls hyper­mo­ra­li­sche Maß­stä­be anzulegen.

Ich emp­feh­le unter dem Aspekt die­ser “Jemei­nig­keit” den Pod­cast zum Angriff der Hamas, den der Mode­ra­tor Mar­kus Lanz und der Kul­tur­phi­lo­soph Richard David Precht auf­ge­nom­men haben. Ich wäh­le erneut (oben war es eine Sen­dung der ARD) eine Pro­duk­ti­on aus dem Main­stream, denn das The­ma ist hei­kel. Hören Sie sich das Gespräch hier an.

Man geht ja, wenn man den Pod­cast zu hören beginnt, davon aus, daß sich bei­de sofort und mit ein­an­der über­bie­ten­den Wor­ten auf die Sei­te Isra­els schla­gen wür­den; aber vor allem Lanz wird von sei­ner Jemei­nig­keit dar­an gehin­dert. Er ist in die­sem Pod­cast von frap­pie­ren­der Deut­lich­keit und poli­ti­scher Rat­lo­sig­keit. Bei­des rührt aus per­sön­li­chem Erle­ben, er war oft in Isra­el, aber auch im Gazastreifen.

Lanz beschreibt die all­täg­li­che Demü­ti­gung, der die Paläs­ti­nen­ser aus­ge­setzt sind, und zwar zuneh­mend dadurch, daß die Macht der ortho­do­xen Juden Jahr für Jahr zunimmt und mit ihnen eine Unver­söhn­lich­keit und Arro­ganz in die Gemenge­la­ge gekom­men sei, die einen Aus­gleich unmög­lich mache. Er schil­dert das dras­tisch und stellt die Fol­gen ihrer Glau­bens­un­er­bitt­lich­keit auf die­sel­be Stu­fe wie die radi­ka­ler Mos­lems: zwei Glau­bens­ge­häu­se, die ein­an­der gegen­über­ste­hen, ohne daß die Auf­klä­rung etwas infra­ge gestellt oder die Mys­tik etwas geöff­net, erwei­tert, ins Inne­re gewen­det und besänf­tigt hätte.

Unver­söhn­lich­keit gibt es natür­lich, das erwäh­nen die Gesprächs­part­ner, auch und vor allem auf paläs­ti­nen­si­scher Sei­te. Wo es nicht reli­giö­ser Fana­tis­mus sei, sei es die Fami­li­en­ge­schich­te, die Erzäh­lung der Groß­el­tern viel­leicht, die 1947 ver­trie­ben wor­den sei­en und deren Kin­der irgend­wann zer­mürbt und ohne Per­spek­ti­ve nach Deutsch­land aus­wan­der­ten oder seit Jahr­zehn­ten im Gaza­strei­fen wie in einem gro­ßen Gefäng­nis zusam­men­ge­pfercht lebten.

Lanz und Precht neh­men die das Ich berüh­ren­de Wahr­neh­mung ernst. Sie sind klug genug, die­se sehr per­sön­li­che Her­an­ge­hens­wei­se und Stoff­be­wäl­ti­gung nicht mit poli­ti­schen Stel­lung­nah­men und Leit­li­ni­en zu ver­wech­seln. Der Aspekt der uner­bitt­lich durch­zu­set­zen­den Staats­idee und Daseins­ver­tei­di­gung kommt nicht vor.

Lanz und Precht unter­schei­den zwi­schen dem Volk und sei­nen Draht­zie­hern. Sie beschrei­ben den Nähr­bo­den. Sie schla­gen sich ange­sichts des­sen, daß sie Leid auf bei­den Sei­ten und den Gaza­strei­fen als ein gro­ßes Gefäng­nis begrei­fen, auf kei­ne Sei­te. Gera­de die­se Rat­lo­sig­keit macht den Aus­tausch zu einem inter­es­san­ten, deut­li­chen, weit über aktu­el­le Refle­xe hin­aus­ge­hen­den Gespräch.

4. Cui Bono?: Zum Ende ihres Pod­casts hin spre­chen Lanz und Precht auch über den Nut­zen, den die eine und die ande­re Sei­te aus dem Ter­ror und den schreck­li­chen Bil­dern zie­hen könn­ten. Die­se Schlüs­se sind teils so schlicht, daß jeder sie zie­hen kann, wenn er eine Kar­te auf­schlägt, ein paar Minu­ten nach­denkt und sich nicht von der Deu­tung über­wäl­ti­gen läßt, die uns die Bericht­erstat­tung aufdrängt.

Die Hamas hat einen Krieg begon­nen (oder wie­der auf­ge­nom­men), in dem sie kei­ne Chan­ce auf einen Sieg hat. Was jedoch bedeu­tet “Sieg” in aus­sichts­lo­ser Lage, was ein aus­sichts­rei­cher? Auch Isra­el kann die­sen Krieg nicht ein für alle Mal been­den – wohin näm­lich mit Mil­lio­nen Paläs­ti­nen­sern, die Ägyp­ten nicht auf­neh­men will und von denen im Liba­non zig­tau­sen­de seit Jahr­zehn­ten in Flücht­lings­la­gern hau­sen, ohne daß Staats­bür­ger­schaft und Ein­glie­de­rung in Aus­sicht stünden?

Allein die demo­gra­pi­sche Wucht, die den Druck Jahr für Jahr erhöht, ist für sich genom­men schon ein Argu­ment, das also, was Gun­nar Hein­sohn den youth bul­ge nann­te und wor­über zuletzt Mar­tin Licht­mesz schrieb.

Die Hamas hat einen zwei­fa­chen Hebel ange­setzt: Sie erin­nert zum einen die isla­mi­sche Welt an eine Front, eine offe­ne Wun­de, und zwingt sie zur Posi­tio­nie­rung und damit zu einer Eini­gung in einer Pha­se, in der selbst Sau­di-Ara­bi­en in Ver­hand­lun­gen mit Isra­el steht.

Der zwei­te Hebel ist die begeis­ter­te Soli­da­ri­sie­rung isla­mi­scher Grup­pen in Deutsch­land, Eng­land, Frank­reich und andern­orts nach der eben­so blu­ti­gen wie sym­bo­li­schen Rück­erobe­rung von Tei­len Isra­els. Die har­te israe­li­sche Ant­wort ver­stärkt die­sen Effekt noch. Bezeich­nend ist, wie wenig man als Beob­ach­ter aus der Fer­ne über die Authen­ti­zi­tät von Berich­ten und Bil­dern sagen kann. Klar ist aber, daß jede Sei­te wahr­nimmt, was sie wahr­neh­men möch­te, und jene Infor­ma­ti­ons­quel­len nutzt, die die eige­ne Hal­tung nicht unter­gra­ben, son­dern stützen.

Jeden­falls hat die Hamas das Augen­merk der Welt sofort auf einen win­zi­gen Küs­ten­strei­fen im öst­li­chen Mit­tel­meer gelenkt und von der sehr viel blu­ti­ge­ren Front in der Ukrai­ne abge­zo­gen – so sehr, daß Prä­si­dent Selen­skyj vor­sorg­lich dar­auf hin­wies, daß es ihn und sein Land auch noch gäbe.

Es gibt Spe­ku­la­tio­nen dar­über, daß Isra­el den Angriff gesche­hen ließ und nur vom Aus­maß über­rascht wor­den sei. War­um aber soll­te man so etwas gesche­hen las­sen? Um ein durch Jus­tiz­re­form­vor­ha­ben und den demo­gra­phi­schen Macht­zu­wachs radi­ka­ler Ortho­do­xer gespal­te­nes Land zu einen? Um das eige­ne har­te Vor­ge­hen zu legitimieren?

Sol­che Spe­ku­la­tio­nen sind stets unap­pe­tit­lich, und sie erhär­ten sich oder ver­flat­tern je nach Stand­punkt und Wahr­ha­ben­wol­len – wie so vie­le Spe­ku­la­tio­nen über Aus­maß und Urhe­ber­schaft von Gräu­eln, Kriegs­be­ginn, diplo­ma­ti­schem Schei­tern und Aus­lö­sern in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten. (Auch das ist am Pod­cast von Lanz und Precht bemer­kens­wert: daß man sich dort völ­lig einig ist über die PR-Fakes, mit denen die USA die Angriffs­krie­ge gegen den Irak 2003 rechtfertigten.)

Wich­tig ist das Voka­bu­lar, sind die Claims, die gesteckt wer­den: Wenn Isra­el von einem “9/11” spricht, der das eige­ne Land nun getrof­fen habe, dann ist das eine Anspie­lung auf das Recht, mit einem Frei­brief in der Tasche ein Unter­neh­men zu begin­nen, an des­sen Ende das Übel Hamas mit der Wur­zel aus­ge­jä­tet sein soll­te – und dies könn­te nicht nur den Gaza­strei­fen und das West­jor­dan­land meinen.

Im Zusam­men­hang mit der Paro­le vom israe­li­schen “11. Sep­tem­ber” wird näm­lich laut die Fra­ge nach den Unter­stüt­zern gestellt. Drei Län­der sind in den Fokus gerückt: der Iran, die Tür­kei und Katar. Es ist in die­sem Zusam­men­hang inter­es­sant, sich die spiel­theo­re­ti­schen Über­le­gun­gen von Pro­fes­sor Chris­ti­an Rieck anzu­hö­ren, der unter ande­rem über die Ver­le­gung eines US-ame­ri­ka­ni­schen Flug­zeug­trä­gers in die Regi­on spe­ku­liert und das Pro­blem der 5. Kolon­ne der Paläs­ti­nen­ser in unse­ren Innen­städ­ten ein­be­zieht: Kon­flik­te blei­ben nicht dort, wo sie sind, wenn die Kriegs­par­tei­en ihre Leu­te in aller Her­ren Län­der wissen.

5. Die deut­sche Position

Ist sol­ches Vor­wis­sen (und die vier Punk­te sind ja nur ein Auf­riß) not­wen­dig, um eine deut­sche Posi­ti­on zu for­mu­lie­ren? Unbe­dingt: Es soll­te uns ver­deut­li­chen, daß wir es mit einem schwe­len­den Krieg zu tun haben, zu des­sen Lösung wir nicht bei­tra­gen kön­nen, für des­sen Ursprung wir nicht ver­ant­wort­lich sind, des­sen Fol­gen uns aber sehr wohl zur For­mu­lie­rung eige­ner Inter­es­sen zwingen.

Der deut­sche Staat ist, wenn auch auf ande­re Wei­se, eben­falls in sei­ner Exis­tenz bedroht und bereits jetzt in einem zer­rüt­te­ten Zustand. Im Gegen­satz zu Isra­el hat Deutsch­land den Volks­be­griff kri­mi­na­li­siert und die Frag­men­tie­rung und Mul­ti­kul­tu­ra­li­sie­rung sei­ner Bevöl­ke­rung betrie­ben. Wovor wir warn­ten, wird nun sicht­bar, erneut: Es kommt zu Mobi­li­sie­run­gen auf deut­schem Boden, zu Gewalt­ent­la­dun­gen, einer Aus­höh­lung der inne­ren Sicher­heit, und wir wer­den gezwun­gen, uns dazu zu verhalten.

Deut­sches Inter­es­se muß es sein, jeden wei­te­ren Flücht­lings­strom zu ver­hin­dern, die Fra­ge nach der Loya­li­tät der bereits Ein­ge­wan­der­ten zu stel­len und das Kon­flikt­po­ten­ti­al ste­tig und kon­se­quent zu verringern.

In die­sem Zusam­men­hang muß auf ein Pro­blem hin­ge­wie­sen wer­den: Es sind star­ke jüdi­sche Lob­by­or­ga­ni­sa­tio­nen hier­zu­lan­de, die die Desta­bi­li­sie­rung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch Mas­sen­ein­wan­de­rung unter­stützt haben, und zwar mit­tels moral­po­li­ti­scher Inter­ven­ti­on – geschichts­po­li­tisch auf­ge­la­den und auf eine Wei­se, die not­wen­di­ge Dis­kus­sio­nen im Keim erstickte.

Im all­ge­mei­nen sind Juden in Isra­el mehr­heit­lich natio­na­lis­tisch, in der Dia­spo­ra mehr­heit­lich “mul­ti­kul­tu­rell”. Aber auch dann, wenn sie eher Posi­tio­nen wie die unse­ren ver­tre­ten, ist Pro-Isra­el immer im Paket dabei – pro­mi­nen­te Bei­spie­le aus Frank­reich sind Alain Fin­kiel­kraut und Éric Zemmour.

Es ist in unse­rem Inter­es­se, auch hier die Fra­ge nach der Loya­li­tät zu stel­len. Deut­sche Inter­es­sens­po­li­tik könn­te mit Blick auf den Nahen Osten auf dop­pel­te Stan­dards und auf das selbst­ver­ständ­li­che Recht jeder sou­ve­rä­nen Nati­on hin­wei­sen, der Herr im Eige­nen zu blei­ben und sich das eige­ne sta­bi­le Haus nicht unter­mi­nie­ren zu las­sen. Unter dem Ein­druck der eben­so ver­fah­re­nen wie bru­ta­len Lage in Isra­el und der Hilf­lo­sig­keit der Diplo­ma­tie soll­ten wir die Fra­ge stel­len dür­fen, war­um wir ohne Not aus unse­rem Land Auf­marsch­ge­bie­te für Kon­flik­te mach­ten, die unse­re nicht sind.

Das ist mit der Erkennt­nis gemeint, daß jede Sei­te die fal­sche sei. Sie ist es emo­tio­nal und auf­grund jemei­ni­ger Lage nicht. Sie ist es aber auf Staats­ebe­ne, wenn unfreie Soli­da­ri­sie­rung uns dazu zwin­gen wird, mit Fol­gen zu leben, die sich gegen unser Inter­es­se rich­ten. Wenn wir aus dem uns sehr viel näher­lie­gen­den Ukrai­ne-Krieg eines gelernt haben, dann doch dies: Wir gehen aus die­sem Krieg mit einem zer­rüt­te­ten Ver­hält­nis zu Ruß­land, einer absur­den Ver­sor­gungs­last von Mil­lio­nen Ukrai­nern (von denen die meis­ten die­ser Ver­sor­gung nicht bedür­fen) und zer­stör­ter Infra­struk­tur her­aus – und mit der Erkennt­nis, daß wir noch nicht ein­mal nach den Ver­ur­sa­chern die­ser Zer­stö­rung suchen durften.

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (20)

kikl

17. Oktober 2023 12:19

"Ohne die Geschichte der oben bereits erwähnten “selbstbewußten Landnahme”, auf der die Gründung Israels fußt und die nichts anderes als die Vertreibung der Palästinenser aus ihrem Siedlungsraum bedeutete, sind deren Haß und Unversöhnlichkeit nicht zu erklären."
Die Geschichte selbstbewusster Landnahme und die Vertreibung von Bevölkerungen ist so alt wie die Menschenheit. Das Sassanidenreich der Spätantike war berühmt dafür und auch in der Neuzeit kennen wir diese Geschichte, nämlich die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus Osteuropa. Was allerdings äußerst ungewöhnlich ist im historischem Rückblick, ist der permanente Guerillakrieg der vertriebenen Bevölkerung ohne Rücksicht auf eigene Verluste und ohne realistische Aussicht auf Erfolg. Im Regelfall wollen die Menschen ihr normales Leben führen und betrachten sich selbst in der zwei oder dritten Generation nicht als Vertriebene; sie integrieren sich. In der Regel führen Völker nur dann Kriege, wenn sie mit einem Sieg rechnen. In der Regel beschützen Völker ihre Frauen und Kinder und benutzen sie nicht als Schutzschilde im Krieg.
Dieser Konflikt ist kein normaler Krieg und keine normale Reaktion auf das Schicksal der Vertreibung. Deshalb ist das Schicksal der Vertreibung keine hinreichende Erklärung für den dauernd schwelenden Konflikt. Verstehen kann man den Krieg nur, wenn man ihn in erster Linie als Religionskrieg begreift, in dem auch die islamischen Nachbarstaaten die "Palästinenser" als Waffe missbrauchen. 

MARCEL

17. Oktober 2023 14:37

Was die Markierung des deutschen Standpunkts angeht, stimme ich zu, erlaube mir aber folgende Ergänzungen zum Gordischen Knoten Naher Osten: 
Nicht jeder Jude ist Israeli (nicht jeder Israeli ist Jude: siehe Araber u. Drusen)! Nicht jeder Jude ist Zionist. Als Jude muss man beides nicht sein! 
Oder sollte ein Katholik zwischen der Loyalität zum Papst und der zu seinem Vaterland/Staatsoberhaupt wählen müssen? (Bismarck vermutete das).
Hindenburg hat bekanntlich bei Hitler 1933 für die jüdischen Kriegsteilnehmer des kaiserlichen Heeres interveniert, angeblich mit dem Satz: "Was verstehen Sie unter Kameradschaft?"
Ferner: Nicht alle Juden in Palästina haben Palästina besetzt oder den Arabern dort was weggenommen, es gab immer jüdische Minderheiten, die unter Byzantinern/Kalifen/Osmanen im Land verblieben.
Ja, Israels Gründung und vor allem seine Konsolidierung 1967 war ein Akt siegreicher Machtpolitik: Vae victis. Auch Araber haben nicht-arabisches Land besetzt und halten es bis heute z.B. Ägypten (sollten sie es den Kopten nicht zurückgeben?)
Zu schlechter Letzt: Wir Deutschen haben doch auch "besetzte Gebiete", nicht nur in Berlin-Neukölln, Duisburg-Marxloh etc. etc., sondern auch Schlesien, Pommern, Ostpreußen...
Nochmals: Den deutschen Standpunkt zu all dem sehe ich genauso, wobei meine gefühlte Sympathie sich doch mehr der Seite Israels zuneigt, ohne es dabei zu verherrlichen.

Oberlausitz

17. Oktober 2023 14:46

Ein großes Kompliment an Götz Kubitschek für diesen Text! Dieser Artikel gehört zum Besten, was man bisher zum Thema lesen oder hören konnte.

Der Balte

17. Oktober 2023 15:33

Ein ausgewogeneren Beitrag zu diesem komplexen Thema ist mir noch nicht untergekommen.
Übrigens: Litauen hat dem jahrzehntelangen Druck aus Israel nachgegeben und sich in die Reihe der judenmordenden Staaten eingereiht.
https://www.jta.org/2022/12/30/global/lithuania-passes-law-allocating-nearly-40-million-for-holocaust-survivors
 Das Zentrum des litauischen Genozids und Widerstands kämpfte gegen die Version, dass das litauische Volk aktiv am Mord an den litauischen Juden beteiligt war. Niemand bestreitet dabei die Rolle der Verbände der Hilfspolizei, bestehend aus lokalen Freiwilligen. Gefordert wurde aber auch eine Aufarbeitung der jüdischen Rolle in Uniform des NKWD oder MWD. 
Für seinen Widerstand gegen diese historische Volte wurde der karaimisch-stämmige Direktor entlassen. Die Karaimen, eine kleine tatarische Minderheit mit einer der jüdischen sehr ähnlichen Religion, leben hauptsächlich um Trakai, dem früheren Sitz der litauischen Großfürsten. Sie entgingen der Liquidation 1941-44 nur durch die Intervention des Reichsverweser von Rinteln.
 

Monika

17. Oktober 2023 17:48

Weiß Gott, das ist ein wichtiger Text zum Nachdenken ! Zu Punkt 3 Das Jemeinige
Im Falle der überfallenen und massakrierten Kibbuzbewohner und Festivalteilnehmer  erfolgte  die "Aufladung des Wahrgenommenen durch die Berührung mit dem Ich" so unmittelbar, dass man nicht ratlos zurückbleiben kann, sondern sich auch politisch klar positioniert. Da geht es um Selbstrettung, da war der Bezug zur Shoa sofort hergestellt, da heißt es, dass nie seit der Shoa so viele Juden an einem Tag ermordet wurden wie an diesem 7. Oktober. Getötet von der radikalislamistischen Terrororganisation Hamas. Da ist ein unmittelbar politischer Bezug hergestellt. Nachvollziehbar. Dagegen ist das persönliche Erleben von Herrn Lanz das eines jeden Israeltouristen, der mit Palästinesern ins Gespräch kommt und deren Demütigung verstehen kann. Ein kleiner Unterschied. Die Demütigung christlicher Palästinenser (davon gibt es in Gaza gerade nochmal 1000) ist eine zweifache, zugleich durch die Juden und die Moslems. Über die Vernichtung der orientalischen Christen kann man nachlesen. Dazu könnte ich mir schon eine deutsche Position vorstellen. Die könnte inzwischen auch Dr. Josef Schuster vertreten, der in BILD davon sprach, dass sich etwas tun muss, denn "Die Barbaren sind unter uns.".

Ein gebuertiger Hesse

17. Oktober 2023 18:41

Die richtigen Gedanken und Worte zur gebotenen Zeit. Nichts könnte besser sein.

Nemo Obligatur

17. Oktober 2023 20:42

Möglicherweise sind Kommentare unter diesem Post nicht erwünscht und vielleicht ist das auch ganz richtig so. Ich für meinen Teil möchte nur sagen, dass ich selten - und schon gar nicht in so einem heiklen Zusammenhang - so abgewogene und richtige Worte gelesen habe. 
"... uns dazu zwingen, mit Folgen zu leben, die sich gegen unser Interesse richten." Das könnte als Motto über unserer ganzen Epoche stehen.
 

Niedersachse

17. Oktober 2023 21:08

Danke für diesen glasklaren Kommentar. Es gibt aus deutscher Sicht überhaupt keinen Grund,  uneingeschränkt solidarisch mit Israel zu sein, ebensowenig wie mit jedem anderen Staat. Natürlich gilt es, die Gräueltaten (so sie denn bewiesen sind) an Israelis zu verurteilen und dennoch: Wo waren denn Betroffenheitsbekundungen bei den zahlreichen israelischen Militärschlägen, wo zigtausende Palästinser ums Leben kamen? Sollte man hier aufrechnen? Ja natürlich, denn warum die einen Opfer betrauern, die anderen aber nicht?! Leider ist es einer der Geburtsfehler der AfD, ein wenig israelaffin zu sein. Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, israelfeindlich zu sein, aber eine kritische, wohltemperierte Distanz täte der Partei (auch Gevatter Klonovsky den ich ansonsten schätze)  und den Deutschen allgemein ganz gut. Zumal diese Anbiederei von der Gegenseite auch in keinster Weise goutiert wird. Wir Deutschen haben nur ein Problem: Und das ist eine bösartige, ehrlose, moralisch verkommene politische Führung, die dabei ist unser Land ethnisch, kulturell und wirtschaftlich abzuwracken. Das zu korrigieren ist genug an Aufgaben, da muss man sich nicht zum Sprachrohr fremder Interessen machen!

Noch ein Hesse

17. Oktober 2023 21:21

Auch wenn ich mir persönlich mittlerweile einen nochmal ganz anderen Blick auf die historische Rolle des Judentums und besonders des Zionismus erlaube: Sensationeller Text! Schlicht, wahr, auf der Sacheben praktisch unangreifbar, mehrheitsfähig. 

Adler und Drache

17. Oktober 2023 21:48

Vielen Dank für diesen Artikel! Er fasst in erhellenden und präzisen Worten zusammen, was seit Wochen wie ein immer stärker schäumendes Gebräu in mir brodelt - unklar, nicht ausdrucksfähig. 
Punkt 3, das "Jemeinige", würde ich in dieser Lage als paradoxe Intervention beschreiben, indem ich es nämlich verweigere, meine Leidenschaften für eine Seite entfesseln, in Besitz nehmen und in Stellung bringen zu lassen, sondern versuche, meine fünf Sinne beieinander zu halten, stattdessen auch auf unerwartete Zwischentöne achte und auf sie aufmerksam mache - so fand ich letztens ein Filmchen auf YT, dass einen orthodoxen Rabbi auf einer propalästinensischen Demonstration zeigt, der sich mit harter Kritik zum Zionismus allgemein und speziell zum derzeitigen Vorgehen der israelischen Regierung äußert. Sowas erwartet man nicht, das stört das "Narrativ". Ich will den Mächtigen, welche die Welt in schwarz und weiß einteilen und von mir eine Entscheidung fordern, nicht auf den Leim gehen (grad weil sie mir so verlockende Leimruten hinhalten) - das ist in meinen Augen Freiheit. 
Wir haben das Recht zu schweigen!

Gebhardt

17. Oktober 2023 21:58

In solcher Lage den politischen Topografiepunkt zu bestimmen, von dem aus die Äquidistanz zu den politischen Akteuren einzurichten und einzunehmen ist - und dabei Emotionen und Moral weitestgehendst rauszuhalten, da muß man kühl sein - 'kühl bis ans Herz hinan'. Ein starker Artikel.

Blue Angel

17. Oktober 2023 22:00

Danke für diese sehr gute Analyse und die m. E. einzig richtige Schlußfolgerung, daß es auch diesmal nicht unser Krieg ist. - Es wäre wünschenswert wenn auch andernorts in diesem Land diesbezüglich mehr Analyse als Hysterie stattfände. 

Andreas Stullkowski

17. Oktober 2023 22:26

Ich sehe keine starken jüdische Lobbyorganisationen die in Deutschland etwas mit der Destabilisierung durch Einwanderung zu tun gehabt hätten. Ich sehe hier überhaupt keine jüdische Lobbyorganisationen
Der Zentralrat der Juden ist irrelevant, sowohl unter Juden als auch in Deutschland allgemein. Es ist eine rein mediale Organisation zur Unterstützung der regierenden Meinung.
Die deutsachen Juden waren bis in die 80er sehr zurückhaltend, weil sie sehr wenige waren. Seit den 90ern sind die jüdischen Gemeinden fest in russischer Hand, da die Anzahl der russischen Juden die der Deutschen bei weitem übersteigt. 
In den USA ist es anders, da gibt es starke, aktive jüdische Lobbyorganisationen, sowohl für Demokraten als auch Republikaner.
Aber hierzulande läuft die Diskussion über Israel und Juden weitgehend ohne Juden ab. In den medien gibt es ha auch immer nur dieselben paar Berufsjuden die sagen was man von ihnen erwartet.

A. Kovacs

17. Oktober 2023 23:53

Bei aller teilweisen Richtigkeit der Argumentation ist hier doch erschreckend die völlige Ahnungslosigkeit gegenüber dem Islam. Die so genannten Palästinenser (also Araber, die zur Zeit des britischen Protektorats im Gebiet Palästinas gelebt haben) sind (die christlichen Palästinenser nehme ich aus) ebenso wie alle Moslems NICHT deshalb gegen Israel und die Juden, weil diese irgendetwas getan oder nicht getan haben. Es geht deshalb nicht primär um Landnahme o. ä., denn Moslems gehört prinzipiell die ganze Welt; der jetzige Zustand ist für Moslems nur provisorisch, übrigens auch in Deutschland.Die Sure 5 des Koran, Surah Al-Maeda 5, Vers 82قرآن،سوره 5 المائدة،آیه 82 لرترجردذنأررشرذدبالنذاسرعرداروةلقلذذیرنآرمنووابابلیروهوردروالذذیرنأربشروكوابرولرترجردذنأقربروهبمذمروذدةلقلذذیرنsagt, dass Juden und Götzendiener (= Buddhisten, Hindus) die erbittertsten Gegner der Gläubigen (= Moslems) sind, die von diesen – das steht als "Wort Gottes" an mehreren Stellen des Koran, die ich hier nicht aufzählen will und die eindeutig sind auch im arabischen Original – unbedingt zu töten seien.

In der Sunna, also den Prophetenworten, findet sich u. a. diese allbekannte Stelle: "Abu Huraira berichtet: Der Prophet Allahs sagte: ,Das jüngste Gericht wird nicht stattfinden, bis ihr mit den Juden gekämpft habt, und jeder Stein, hinter welchem sich ein Jude verbirgt, wird sagen: Oh Muslim! Es verbirgt sich ein Jude hinter mir, also töte ihn.' " (Quelle : Bukhari V4 B52 N177). Aus dem islamischen Recht wiederum ergibt sich, dass es, wie Ungarn aufgrund 173 Jahren bitterster Erfahrung mit Moslems wissen, keinen Friedensvertrag mit Moslems gibt, nur Waffenstillstände, von islamischer Seite nur aus rein taktischen Gründen. Gegenüber Juden (und Christen) ist der Krieg unbedingt wieder zu beginnen, wenn die Möglichkeit dazu besteht. Das heißt nicht, dass man als "Ungläubiger" nicht mit Moslems Verträge schließen soll, aber doch mit eben der Vorsicht, die man bei Verträgen mit Sozialisten/Kommunisten walten lassen muss, die auch jeden Vertrag mit Kapitalisten brechen, wenn die Gelegenheit günstig ist. Man muss wissen, was die Verträge wert sind: fast nichts – oder sie aus einer Position absoluter Überlegenheit gegenüber den Moslems schließen – nur dann werden sie eingehalten.

Es ist einfach falsch, einen Kommentar zur Situation Israels oder der Haltung Deutschlands aus rechter Sicht zu geben OHNE Berücksichtigung der religiösen Komponente, die den Deutschen vielleicht in ihrer agnostischen Verirrung vernachlässigbar zu sein scheint, aber sicher nicht für ca. 50% der israelischen Juden und garantiert nicht für die 2 Milliarden Moslems auf der ganzen Welt.

monchichi

17. Oktober 2023 23:54

Ich bin kein Experte und kann vor diesem Beitrag hier nur erzittern, wie treffend das analysiert wurde. Jedoch sehe ich persönlich eine Ähnlichkeit zwischen der Lage in Nahost und Deutschland: Beide Länder mussten und müssen sich die Frage stellen: Was machen wir mit diesen Menschen? Oder besser: Wie gehen wir mit diesen Menschen um? Israel sah sich mit dieser Frage bzgl. der Palästinenser konfrontiert, Deutschland hinsichtlich der Flüchtlinge/Asylbewerber. Beide Länder versuchten es mit extremer Ignoranz. Nur, es sind Menschen. Menschen haben die Tendenz Parallelgesellschaften zu bilden, ja. Aber nur freiwillig. Sie haben etwas dagegen, zwangsweise in einer Parallelgesellschaft zu leben, man könnte auch sagen Ghetto. Man kann sie nicht ewig ignorieren, einsperren und ausgrenzen. Zumal sie sich ganz natürlich auch vermehren, so wie das eben auch urmenschlich ist. Es ist somit eine Frage der Menschlichkeit, auf diversen Ebenen. Was wollen Menschen? Was wird natürlicherweise passieren, biologisch und psychologisch, und daraus dann resultierend, politisch, wenn man diese oder jene Bedingungen schafft oder diese oder jene nicht schafft.

Ordoliberal

18. Oktober 2023 02:20

Solche rationalen und von realpolitischer Vernunft getragenen Stellungnahmen versöhnen einen Libertären dann doch wieder für einen Moment mit der Neuen Rechten und ihrer jeihrigen Vorliebe für einen formenden und Gestalt gebenden - sprich: paternalistischen und umverteilenden - deutschen Staat.

Zauberer von Oz

18. Oktober 2023 08:33

Vieles kann ich unterschreiben. Bei 2 Aussagen habe ich Magenschmerzen...
 
"Es sollte uns verdeutlichen, daß wir es mit einem schwelenden Krieg zu tun haben, zu dessen Lösung wir nicht beitragen können, für dessen Ursprung wir nicht verantwortlich sind, dessen Folgen uns aber sehr wohl zur Formulierung eigener Interessen zwingen."
Der Ursprung liegt auch im erwähnten Holocaust, insofern sind wir indirekt verantwortlich, daher die Lippenbekenntnisse....

"Es sind starke jüdische Lobbyorganisationen hierzulande, die die Destabilisierung der Bundesrepublik Deutschland durch Masseneinwanderung unterstützt haben, und zwar mittels moralpolitischer Intervention – geschichtspolitisch aufgeladen und auf eine Weise verfeinert, die schon oft notwendige Diskussionen im Keim erstickte."
Hier bedarf es konkreter Beispiele mit Belegen.

Maiordomus

18. Oktober 2023 09:27

Das ist klar intelligenter formuliert und auf ganz anderem Niveau, als es die Amateure vom Verfassungsschutz incl. die Innenministerin hätten zu Wort bringen können.
Überflüssig an diesem Aufsatz aber doch leider für den politischen Gegner aussagekräftig ist der Hinweis, ich sage nicht Unterstellung, der "doppelten Loyalität" auch von mit Deutschnationalen gleichgesinnten Juden, die es bekanntlich immer gab, zum Teil höchst bewundernswerte wie Rudolf Borchardt und viele andere. Ich hätte diesen Fetisch nicht aus der Mottenkiste geholt.  Mir fiel in diesem Zusammenhang schon vor 50 Jahren beim von mir wöchentlich gelesenen Willi Schlamm und in den letzten Jahren beim ebenfalls geschätzten Broder auf (den ich im Detail durchaus kritisieren würde), dass die deutsche Rechte immer Reserven behielt gegen rechte Juden; dazu musste man längst kein "Nazi" sein, ich arbeite bekanntlich nicht mit dieser "Keule".  Gaulands Rede hatte im übrigen eine Entlastungsfunktion auch gegen den Merzschen Vorwurf, man sei eine antisemitische Partei, was klar falsch war und ist, die wichtigsgte Rechtfertigungslüge für die Niederhaltung. 

fw87

18. Oktober 2023 09:28

Ich hoffe sehr, dass die AfD auch weiterhin Partei "der Wahrheit" bleibt, die die Themen anspricht, die gesellschaftlich verdrängt oder tabuisiert werden. Dazu gehört jetzt sicher die offenkundige völlige Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen, die seitens Israel eingeleitet worden sind und das Leiden des palästinensischen Volkes. Sicher muss der Hamas entgegengetreten werden, aber nicht auf diesem Weg, der den Konflikt noch viel mehr vertiefen wird.
Ich hoffe sehr, die AfD wird sich durchringen können, das Unrecht anzusprechen und der Warheit zu dienen. Und dann kann es auch nur zum Guten führen.
Ich danke Herrn Kubitschek und auch Herrn Sellner sehr, dass Sie versuchen das Thema in seiner Vielschichtigkeit darzustellen und so beiden Seiten gerecht zu werden. Denn nur so kann eine deutsche Position etwas Sinnvolles für einen gerechten Frieden in diesem Konflikt beitragen.

Götz Kubitschek

18. Oktober 2023 10:55

Früher Badeschluß. Das liegt nicht an der Qualität der Kommentare, sondern daran, daß nun der Briefwechsel Lichtmesz-Abramovych an der Reihe ist. Dort kann es weitergehen. Dank an alle!

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.