Dehm, dies nebenbei, war seinerzeit Mittexter des Klaus-Lage-Hits »1000 und eine Nacht« (1984) und ging anno 2023 gerichtlich gegen Florian Silbereisen vor, der das »I‑Wort« (»Erinnerst du dich, wie hatten Indianer gespielt«) in seinem Vortrag des Liedes ausgetauscht hatte.
Dehm behauptet nun, eine ganze Reihe bisheriger Marxisten habe die Pornographie und die Sexualität an sich zu stark ignoriert oder auch als »quasi kapitalistisch« abgelehnt. Er sei nun angetreten, diesen Mißstand zu beheben. Er leugnet dabei nicht die negativen Auswirkungen der Porno-Industrie. Allerdings sieht er hinter ihnen als Ursache nicht die biologischen Gegebenheiten, die conditio humana von Mann und Frau, sondern die Klassenunterschiede. (Andernfalls wäre er ja auch kein Marxist.)
Männer und Frauen seien daher heutzutage insbesondere an »Hardcore-Pornos« interessiert, weil sie sich auf diese Art und Weise psychologisch an ihren kapitalistischen Arbeitgebern rächen wollten. Da dies nicht zu vermeiden sei, sei es auch nicht verwerflich. Die Lösung bestehe vielmehr darin, erstens Pornographie »ästhetischer« zu gestalten (er führt als Beispiel dafür im Ernst Bertolt Brechts abgeschmackte Porno-Lyrik »Über die Verführung von Engeln« an) und zweitens, natürlich, den Klassenkampf zu Ende zu führen, Diktatur des Proletariats und so weiter – man kennt es ja.
Das alles steht im Widerspruch zu psychologischen Studien, außer natürlich zu denen, die von marxistischen »Psychologen« durchgeführt wurden und die im Buch auch reichlich rezipiert werden. Wieder einmal zeigt sich, daß Marxisten blind sind für die wirklichen menschlichen Gegebenheiten, die oftmals eben unveränderlich und nach Geschlecht grundverschieden sind.
Deutlich wird das darin, daß das Buch ausschließlich aus Dehms Perspektive geschrieben ist, aus der Perspektive eines Mannes. Ein Wechsel in die Perspektive von Frauen findet nicht statt. Warum auch? Wir seien doch ohnehin alle irgendwie gleich. Eine wirklich zukunftsträchtige Lösung für die Entfremdung, die weite Teile der Gesellschaft und vor allem der Jugend erfaßt, kann also auch hier nur von rechts kommen.
Dehms Buch liest sich in weiten Teilen äußerst zäh und langweilig, wie das für marxistische Lektüre üblich ist. Oftmals verliert er sich und kommt vom Hundertsten ins Tausendste. So stellt er unter anderem eine eigene (marxistische) Erklärung dafür auf, wie »Hitler« möglich sein konnte – in einem Buch, in dem es eigentlich um Pornographie gehen soll. Das Buch umfaßt über 300 Seiten.
Kürzte man es auf die wesentlichen Aussagen ein, blieben vielleicht noch 100. Jeder rechte Leser, der hier über zwanzig Seiten am Stück schafft, hat höchsten Respekt verdient. Es läßt sich folgendes Fazit zu Dehms Buch ziehen, ganz im Sinne seines Autors: Tausendmal berührt – tausendmal ist nichts passiert. Und »Zoom« macht es auch nicht.
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Diether Dehm: Pornographie und Klassenkampf. Für eine materialistische Psychologie, Wien: Promedia 2023. 312 S., 28 €
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