Frederik X.: Seine Popularität war nicht immer eine Selbstverständlichkeit, er selbst fremdelte in seinen jungen Jahren mit seiner Auserwähltheit, liebte das Leben, war sportbegeistert und heiratete eine Australierin mit schottischen Wurzeln. Margaretes gesundheitliche Probleme hatten eine lange Vorgeschichte und daß Frederiks Buch „Kongeord“ gleich bereitlag, deutet auf eine gewisse Vorbereitung hin.
Mit diesem Buch hat der neue König einen Meilenstein geschaffen. Sofort hat es alle Bestsellerlisten gestürmt, allein beim Webshop gucca.dk hatte sich das Buch 400000-mal verkauft, auch Saxo meldet Rekordverkäufe, in den Läden konnte man zusehen, wie die Buchberge schnell abnahmen. Schon jetzt ist es das meistverkaufte Buch der letzten Dekade. Das ist um so erstaunlicher, als es vergleichsweise teuer und selbst bei langsamer Lektüre in zwei, drei Stunden ausgelesen ist. Man darf vermuten, daß es nun in den meisten dänischen Haushalten steht. Das Volk hat es angenommen – die Presse hingegen reagiert oft irritiert. Ein Grund mehr, es sich genauer anzuschauen.
Seit König Christian I., 1448 – 1481 dänischer Monarch, hat jeder neue König seine Herrschaft unter ein übergreifendes Motto gestellt, einen „Wahlspruch“ (valgsprog), an dem seine Zeit gemessen werden sollte, unter dessen moralischem Urteil er sich stellte, eine Leitlinie, eine grundlegende Idee, eine „Wertegrundlage“, eine Aufgabenstellung an sich selbst …, wie immer man das nennen will. Frederik weicht nun einerseits von dieser Tradition ab, indem er es „Königswort“ nennt und es auf 100 Seiten ausformuliert, stellt sich aber gleichzeitig in diese lange Tradition hinein.
Das Vorwort evoziert diese lange Linie in die Vergangenheit hinein: „Das dänische Königshaus gehört zu den ältesten auf der Welt“. Man könne es bis in die Wikingerzeit zurückverfolgen, bis zu König Gorm und Harald Blauzahn, also bis in den Mythos hinein. Mehr als 50 Regenten hat es seither gegeben: ein tiefes historisches Erbe.
Frederiks erster Satz des Buches lautet: „Ich bin stolz darauf, Däne zu sein. Stolz auf unser Land und unsere Flagge, unsere Reichseinigkeit (Rigsfællesskab), und all das, was ich repräsentiere.“ Kraftvolle, männliche Worte, die den Ton vorgeben.
Jede Seite des Buches erinnert am Seitenende in chronologischer Reihenfolge an einen der Vorfahren. Christian I., also jener König, der den ersten Wahlspruch formuliert hat, hatte diesen gewählt: „Dyden viser vejen“ – „Die Tugend weist den Weg“. Andere Sprüche lauten etwa: „Für Gesetz und Volk“, „Nichts ohne Gott“, „Frömmigkeit stärkt das Reich“, „Mit Klugheit und Standhaftigkeit“, „Des Volkes Liebe, meine Stärke“ oder „Gottes Hilfe, Volkes Liebe, Dänemarks Stärke“. Der letzte Spruch war der Margaretes, Frederiks Mutter, die man in früheren Zeiten vielleicht zur „Großen“ erklärt hätte.
Die Ausformulierung seines Wahlspruchs gibt Frederik die Gelegenheit, sich als Mensch vorzustellen. Das schließt ein paar Erhellungen über seine Kindheit und Jugend ein, sein – nicht ganz einfaches – Verhältnis zum Vater, der Franzose war und sehr autoritär, die Bedeutung seiner Frau Mary, die gemeinsamen Kinder etc. Daß sein Vater Prinz Henrik dänischen Käse nicht mochte, aber immer so tun mußte, als ob, diese kleine Anekdote fehlt in keiner Rezension des Buches und wird in der Regel gegen den Autor verwandt, da man sie für nebensächlich erklärt – tatsächlich ist darin der Versuch zu sehen, dem Könighaus einen menschlichen Anstrich zu geben. Immerhin ist Dänemark das Land des „Janteloven“ (Gesetz nach Jante), in dem die Grundregel gilt, daß niemand sich für besser zu halten habe als die anderen – und das gilt zumindest auf persönlicher Ebene als auch für Monarchen. Gerade die Kritik an dieser Petitesse beweist die Aktualität des „Gesetzes“.
Die wahre Bedeutung des Buches liegt im zweiten Teil. Frederik beginnt mit Überlegungen zum „Wahlspruch“, in seinem Fall zum „Königswort“, das er für zeitgemäßer hält. Es liegen darin bedachtsame Reflexionen. Sehr gut hätte ihm der Spruch „Alles für Dänemark“ gefallen, eine Parole, die man im Nachbarland Norwegen – „Alt for Norge“ – in den letzten hundert Jahren mehrfach gebraucht hatte. Auch der jetzige König Harald V. hat dies zu seinem Leitspruch gemacht. In Deutschland hingegen wird der Allerwelts-Spruch „Alles für Deutschland“, selbst wenn er eine Trias abschließt, zu kriminalisieren versucht.
Frederik jedenfalls schreibt: „Selbst hätte ich nichts dagegen, ‚Alles für Dänemark‘ zu sagen. Das klingt stark.“
Dennoch entschied er sich für ein komplexeres Motto: „Forbundne, forpligtet, for Kongeriget Danmark“ – „Verbunden, verpflichtet, für das Königreich Dänemark“. Um es historisch verstehbar zu machen, geht der König noch einmal und etwas detaillierter auf die „lange und kontinuierliche“ Geschichte des Königshauses zurück. Die Botschaft ist klar: Wir sind, was wir geworden.
Danach wird das Königswort in seinen Einzelbestandteilen erläutert. Das alles – wie das gesamte Buch – in klaren, einfachen Worten. Das „Verbundene“ solle ein dreifaches Verbinden ausdrücken, zu etwas Größerem, als wir es selbst sind: zu den anderen Menschen, also der Gemeinschaft, zu Gott und zur gemeinsamen Geschichte. Wie die Ringe im Wasser – so das Bild –, die sich ausbreiten, soll die Pflege in der unmittelbaren Gemeinschaft beginnen, auf dem christlichen Glauben beruhend, „durch den wir uns einander verbunden fühlen“. Laut Grundgesetz hat der dänische König der evangelisch-lutherischen Kirche anzugehören, deren Oberhaupt er ist. Daher habe der König als einziger Staatsbürger keine Glaubensfreiheit.
Das dänische Kulturerbe entspringe dem Christentum – es müsse geschützt und verteidigt werden, es „bindet Vorzeit und Jetztzeit zusammen.“
Die Verpflichtung – der zweite Teil des Königswortes – soll als natürliche Verlängerung betrachtet werden und die gegenseitige Verantwortung betonen. Frederik sieht sich als „König für alle, die in Dänemark, Grönland und auf den Färöern leben, und – kann man hinzufügen – für alle Leute, die sich im Geiste dänisch fühlen“, ganz gleich, wo auf der Welt sie sich befinden.
Wir wollen alle umfassen, haben aber ein besonderes Auge, auf diejenigen, die einen extra Bedarf haben(…). Wir dürfen in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dem Mittelweg zu huldigen und das Normale.
Man habe jenen Dänen zu danken, die loyal sind und ohne großes Gewese Tag für Tag ihre Pflichten erfüllen und so zur Gemeinschaft beitragen. Diese
Helden des Alltags strahlen traditionelle Werte wie Arbeitsamkeit, Engagement und Verantwortlichkeit aus. Das sind Eigenschaften, die Voraussetzung für unser Gesellschaftsmodell sind und einen wesentlichen Teil unserer Zukunftssicherung ausmachen.
Im dritten Teil seines Königswortes – „Für das Königreich Dänemark“ – will Frederik die „Reichsgemeinschaft“ betont wissen, nicht zuletzt Grönland und die Färöer betreffend. Mit dieser Selbstverständlichkeit – denn sie seien Teil „unserer gemeinsamen Identität, Geschichte und Kulturerbe“ – positioniert er sich unausgesprochen gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen, die vor allem von Grönland ausgehen. Er erwähnt sie mit keinem Wort.
Das abschließende Kapitel eröffnen die Worte:
Laßt mich wiederholen, daß ich grundstolz darauf bin, Däne zu sein, und stolz auf unsere Flagge bin.
Dänemark habe als kleines Land sehr viel erreicht. Forschung, Wissenschaft, Kreativität, Innovation seien Teil der dänischen DNA. Er spricht von seiner „ungeteilten Freude und Begeisterung und Stolz auf die dänische Gesellschaft”, die einer ganz und gar gut geschmierten Maschinerie gleiche, die zugleich Stütze sei und Rahmen dafür schaffe, „daß man sich frei äußern und an den Straßenecken rufen“ könne.
Wir Dänen können gut und gerne behaupten, daß wir wer sind. Wir können an uns selbst glauben, uns unserer selbst bewußt sein, denn wir können etwas, und wir sind wer. (…) Gott bewahre Dänemark! Das ist ein Satz, der mir jedes Mal Gänsehaut macht, wenn ich ihn höre. Diese drei Worte geben das Fundament wieder, auf dem unsere Kultur und unsere Gesellschaft ruht. Gud bevare Danmark!
Man liest dieses Buch als Deutscher ganz atemlos. Die Selbstverständlichkeit, mit der Frederik X. in einfachen Worten das Offensichtliche vorträgt, nimmt einem als Deutschen die Luft. Kaum zu glauben, daß wir von unserem unmittelbaren Nachbarn sprechen.
Aber fehlt darin nicht etwas? Dem konditionierten deutschen Leser fällt die Leerstelle sofort auf. In Dänemark braucht es das linke Blatt „Politiken“, um zu bemerken, daß Frederik nicht über Migranten und Muslime spricht. Dort meint man, daß er kein „König der Muslime“ sei. Die multikulturelle Perspektive fehle komplett!
Das ist richtig und falsch zugleich. Frederik spricht nur von Dänen, von niemand anderem. Das „alle umfassen“ meint all jene, die sich als Dänen fühlen. Ohne es auszusprechen, stellt er die Forderung nicht an sich selbst – ein Gedankengang, den wir in Deutschland fast schon nicht mehr fassen können –, sondern an jene, die ins Land gekommen sind: Werdet Dänen, mit Haut und Haar – so scheint er sagen zu wollen –, ganz gleich, welchen Glaubens ihr seid, identifiziert euch mit uns, teilt unsere Werte in Wort und Tat … dann werden auch wir euch als Dänen annehmen.
Es widerspricht auch allem, wofür traditionell die regierende Sozialdemokratie steht, die seit ihrem großen Ministerpräsidenten Thorvald Stauning (1929–1942) im Grunde antimonarchistisch ist und es ablehnte, etwa königliche Orden anzunehmen. Dennoch biedert sich die Ministerpräsidentin Mette Frederiksen in letzter Zeit sehr auffällig dem Königshaus an und erklärte, selbst für eine Medaille zur Verfügung zu stehen. Kaum anzunehmen, daß König Frederik größere Sympathien für den „roten Block“ hat.
Fazit: Ein ganz außergewöhnliches Dokument! Ein Manifest, ein Programm, eine Grundsatzerklärung, ein Statement, ja eine Verkündung dessen, wie es sein müßte und wie es richtig ist.
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Quelle: Kongeord – Frederik 10. fortæller til Jens Andersen. Politikens Forlag. 2024
kikl
„Alles für Dänemark“ ist nach neudeutscher Lesart allerdings "gesichert rechtsextrem". So etwas aus dem Munde des dänischen Königs ist natürlich ein Skandal.
Mal schauen, ob Herr Haldenwang sich dazu bemüßigt fühlen wird, unsere dänischen Nachbarn darüber zu belehren. Wird Frau Baerbock sich den dänischen König zur Brust nehmen, damit er endlich lernt, was demokratischer Femisozialismus ist?
Das erscheint nur ironisch überspitzt zu sein. In ihrer Selbstüberschätzung und in ihrem Bekehrungswahn steht die linksgrüne Nomenklatura Deutschlands gewissermaßen "über alles". Auch das hat Tradition in Deutschland.