Genau das aber konsterniert die „Demokraten“, denn eine wachsende Zahl an Menschen wählt nicht vorgabegemäß.
Dem empfindungslinken Neubürgertum, diesem modernen juste milieu, passen die Stimmengewinne und die stabile Etablierung der AfD nicht. Demokratie freut die Bessermenschen nur, solange ihre Blockparteien gewählt werden.
Geschieht dies nicht, wird alarmiert. Strebt eine radikaloppositionelle Partei nach Emanzipation und kritischer Mitwirkung, ist der bisherige Hegemon nicht nur gekränkt, sondern sieht die demokratische Grundordnung gefährdet und will gestreßt die Regeln ändern. Nie vergessen: Demokratie ist ebenso wie jede andere Staatsform zuallererst eines, Herrschaft nämlich.
Weil vorausgesetzt wird, daß alle wollen müssen, was die Linksetablierten wünschen, stört der kritische Bürger. Unweigerlich denkt man an Bertolt Brechts geniales Gedicht „Die Lösung“ nach dem Arbeiteraufstand am 17. Juni 1953.
Die an sich guten Leute wären, so die Diagnose, verführt von perfiden Demagogen, rechten Rattenfängern, neuen Nazis, die extrem dazugelernt hätten und nun, so ein Stereotyp, höchst populistisch einfache Lösungen für komplexe Probleme anbieten, die so eigentlich nur von den bisherigen Machthabern verstanden werden könnten, obwohl die dafür nun mal keine Lösungen haben.
Mal abgesehen davon, daß einfache Lösungen für schwierige Probleme gerade gegenwärtig durchaus gefragt und apart wären, wird eine trivialaufklärerische Therapie forciert:
Man müsse das alles „den Menschen da draußen“ noch genauer erklären, die richtigen Ziele besser vermitteln, die Irregeleiteten aus ihrer Verranntheit und Verirrung lösen, ihnen also auf heilpädagogische Weise helfen und sie politisch seelsorgerisch kurieren. Denn sie selbst, die neue AfD-Anhängerschaft, wäre ja (noch) nicht vollends verloren, irreversibel verworfen seien hingegen die AfD-Politiker selbst.
Die vermag das Establishment nur als hochpathologische Fälle zu verstehen, dürfte es sie doch nach den hohen Dosen „politischer Bildung“ und überhaupt nach allen universalen Vernunft- und Humanitätsgeboten gar nicht mehr geben. Da hat man jeden Nationalismus aus der Gesellschaft und aus den Schulbüchern geräumt, und immer noch reüssiert die AfD …
Wenn es diese Partei also dennoch gibt, und dies sogar enorm wirkmächtig, dann stünde es schlimm um die politische Gesundheit der Republik; dann hätte man eine Durchseuchung, eine rechte Pandemie zu befürchten, die am Ende noch jene Guten infizieren könnte, die sogar zum Bürgerfest des Bundespräsidenten geladen werden, dessen Motto ja lautet „Im WIR verbunden“.
Was für ein guter Klang doch, so ein hüllender WIR-Verbund, der sich quasi als permanente Menschenkette der anerkannt Guten um ihren Präsidenten schart, dieses Gesicht der besten deutschen Republik, die es je gab, aber: Umbrandet von der rechten Gefahr.
Wer sich nicht vorbehaltlos zu diesem „Wir“ bekennt, der gehört wohl gerade noch staatsbürgerlich, also formalrechtlich irgendwie zu Deutschland, längst aber nicht mehr ideell. Und wer sich als solcher Outlaw nicht mit Hosianna auf Vielfalt und Buntheit in die Bekennerschaft einordnet, der ist in schmittianischer Weise der Feind. Keine Toleranz den Feinden der Demokratie!
Weimar ante portas! Verfassungsschutz aktivieren, „gesichert rechtsextremistische“ Verdachtsmomente und Orientierungen offiziell attestieren, das Verfassungsgericht sichern, Parteiverbot erwägen, Berufsverbote verhängen insgesamt kein Pardon mehr geben! Nach innen den Zusammenhalt der Moralisten suggerieren, nach außen hart durchgreifen.
Nein, das ist keine Übertreibung. In den sozialen Medien führten die jüngsten Wahlerfolge der AfD bei der Einheitsfront aus Linken, Grünen und Sozialdemokraten zu Entsetzen und Hysterie: Verbalinjurien wurden zur Regel. Weil man sich auf der richtigen SWeite wähnt, sieht man sich zu allem befugt; die Gewaltexzesse der Linken gegen den AfD-Bundesparteitag in Essen zeigen es.
Und die politischen Deutungsbehörden sollten endlich für eine Immunisierung gegen rechts sorgen, also gewissermaßen eine Anti-AfD-Impflicht durchsetzen, nach der dann regelmäßig mit Politschulungen geboostert wird.
Die staatstreue Soziologie hatte verfrüht festgestellt, das Land wäre überhaupt nicht gespalten, sondern recht spießig-harmonisch „im WIR verbunden“. Um so geschockter sind die von der Berliner Republik Grundüberzeugten, wenn plötzlich, eben im Wahlergebnis, die Spaltung signifikant zu Tage liegt und wenn die Spannungen in der Gesellschaft bereits spürbar eine Bewegung Richtung Grundrevision ahnen lassen.
Reagiert wird unter anderem mit dem Ausbau der deutschen Variante des „deep state“ – in der Weise, daß die Machthaber ihren Systemerhalt über ein Netz staatlich satt alimentierter Vereine, Organisationen und Stiftungen zu sichern versuchen. Diese staatsnahen Stützungsinstitutionen, gleichzeitig Versorgungsanstalten für die Parteien, werden über den Begriff der „Zivilgesellschaft“ positiv konnotiert und als „bürgerliches Engagement“ beworben, fungieren aber als AgitProp-Truppe des Staates und existieren von Steuermitteln.
Weil die „Demokratie“ als gefährdet dargestellt wird, verursacht von den unbotmäßigen Wahlentscheidungen pro AfD, sollen die staatshörigen Vereine durch das „Demokratiefördergesetz“ nicht mehr nur von Projekt zu Projekt neu geatzt, sondern möglichst schnell in ihrer Finanzierung auf Dauer gestellt werden.
Verlassen kann sich die linksdrehende Berliner Republik zudem auf den überblähten öffentlichen Dienst und insbesondere auf die willfährige Lehrerschaft, die der Politisierung der Schule durch Vereine wie die mit der Antonio Amadeu Stiftung verbandelte RAA nichts entgegensetzt und sich von deren Staatsbürgerkunde-Unterricht ganz aufmerksam den Umgang mit der AfD erläutern läßt.
An solchen Veranstaltungen nehmen (s. letzte Verlinkung) selbstverständlich nur staatsgenehme Diskutanten teil, u. a. die vollends angepaßten Kirchen; die AfD, um die es zentral eigentlich geht, wird überhaupt nicht geladen, weil man ihr, so die Floskel, ja kein Forum bieten dürfe. Soviel zur Diskursethik oder auch nur ‑logik.
Fragt man mal nach die zunehmend dreisten politischen Inszenierungen an Schulen nach, ist die Aufregung immens und der „Der Spiegel“ höchstselbst polemisiert, assistiert von der „Welt“. Wenn Kinder sogar in der Kita von Politvereinen angehalten werden, Plakate, Wandzeitungen und Fotos mit dezidiert politischen Inhalten zu gestalten und hochzuhalten, weckt das Erinnerungen an vormundschaftliche Herrschaft, die so früh wie möglich im eigenen Sinne zu indoktrinieren trachtet. Die Kinder selbst, zumal im Grundschul- und Kita-Alter, können noch nicht kritisch beurteilen, wofür sie die Staffage abgeben.
Unterm Vorwand, das Grundgesetz zu würdigen, wird von der Initiative #IchStehAuf Stimmung gegen die Opposition gemacht. Im April forderte die GEW-Vorsitzende Maike Finnern dazu auf, die AfD im Unterricht als Demokratiegegner zu thematsieren.
Nur: Ausschluß stärkt den Gegner außerhalb der indoktrinierten Räume um so mehr. Ja zur Wagenburg! Hier etabliert sich eine mittlerweile bereits beständige Gegenkultur, in der die Korrektur der bestehenden Verhältnisse vorbereitet wird – je ausgegrenzter, je intensiver und subversiver, insofern die dauerbeschworene „Toleranz“ und „Vielfalt“ ohnehin nur für artige Bekenner gilt, also dort, wo man sich sowieso gegenseitig bestätigt.
Die höchst produktive Auseinandersetzung zwischen dem verordneten Steinmeier-Deutschland und einer tatsächlich heterogenen und vielfältigen Opposition wird die nächsten Jahre bestimmen. Weil die Administration mehr und mehr an ihren Lebenslügen krankt, zuvörderst am irreversiblen Migrationsproblem, liegt die Initiative schon zwangsläufig bei der rechten Alternativbewegung, die letztlich auch nicht von Zersetzungsbestrebungen wie Verunglimpfung, Kontaktschuld und Rufmord zu treffen ist. Man kann sich auch im Abseits vitalisieren und dort eine Subkultur schaffen. So eigentlich bunt ist’s eher rechts.
Das neue kritische Denken ist nicht nur in der Welt, es beginnt, mit Marx‘ „Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“ formuliert, sogar die Massen zu ergreifen oder mindestens erfrischend in die dröge Mitte der Gesellschaft zu dringen. Einerlei, was nun alles dagegen aufgeboten werden mag.
Uwe Lay
Eine Geschichte aus der Schule: Ein Klassenlehrer wollte die Schüler zum Mehrlesen motivieren. Er richtete eine Klassenbibliothek ein, von den Schülern für die Schüler empfohlen. Das ging gut, bis daß Comichefte reingestellt wurden, die dann schnell ausgeliehen wurden. Ob dieses Mißbrauches der Bibliothek wurde sie dann geschlossen.
So funktioniert auch die Demokratie: Wählen zu viele eine unerwünschte Partei, verbietet man zwar nicht die Wahlen, aber verbietet die unerwünschte Partei, um dem Mißbrauch zu wehren, wenn alle anderen Mittel, diese Partei zu bekämpfen, nicht erfolgreich sind.