Es soll sich dabei um eine Schwundstufe der »eigentlichen« Demokratie handeln, die sich vor allem durch ein Erstarren der demokratischen Institutionen auszeichnet; ein Prozeß, den man mit Gehlen auch als demokratische Kristallisation beschreiben könnte. Es findet zwar weiterhin eine demokratische Willensbildung mittels Wahlen und auch eine Partizipation der Bürger über verschiedene Beteiligungsgremien statt, allerdings sind diese Formen der Vormundschaft unterschiedlicher Eliten unterworfen.
So sinnvoll der Begriff »Postdemokratie« in analytischer Hinsicht sein kann, so wenig läßt sich außer acht lassen, daß damit auch immer eine normative Aussage verbunden ist, es gäbe so etwas wie eine Demokratie im Idealzustand. Scholdt vermeidet es in seinem Buch, sich an dieser politikwissenschaftlichen Debatte zu beteiligen, sondern liefert auf einhundert Seiten Anschauungsmaterial zu der Frage: Wie ist es um die Demokratie in Deutschland und Österreich bestellt?
Ausgangspunkt seiner Überlegungen sind die Maßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie, die dazu geführt haben, daß die bislang eher verdeckten Ziele der politischen Elite für eine große Zahl an Menschen offenbar wurden. Die Manipulation der demokratischen Institutionen und Prozesse war auf einmal öffentlich, weil sie jeden betraf. Nicht zuletzt die Komplizenschaft der Medien, wie schon im Rahmen der sogenannten Flüchtlingskrise, mit den Mächtigen und der Mißbrauch des Rechtsstaates zur Unterdrückung der Opposition lüfteten den Schleier.
Der dahintersteckende Vorgang ist laut Scholdt »der Ausbau der Machtstrukturen hinter der offiziellen Kulisse einer Volksherrschaft, über deren Solidität sich die meisten gutgläubig täuschen. Vermutlich wurde bereits der Moment verpaßt, einschneidende expertokratische Vorentscheidungen fern von leibhaftigen Menschen und ihren Bedürfnissen zu verhindern«.
Die sozialökologische Transformation mit Heizungsgesetz, Mobilitätsbeschränkungen und Wohnraumbewirtschaftung ist Resultat dieses Vorgangs. Abgemildert wird diese Entmündigung durch einen ausufernden Sozialstaat, der danach trachtet, möglichst jeden in irgendeiner Weise von ihm abhängig zu machen. Scholdt thematisiert in seinem Buch aber auch die globalen Interessen, die von diesen postdemokratischen Verhältnissen profitieren.
Der totalitären Postdemokratie setzt Scholdt nun keine liberale Idealdemokratie entgegen, sondern definiert Demokratie ganz nüchtern als einen Zustand, der nur in Schönwetterperioden vorkomme: »Es harmonieren zentrale Vorstellungen und Ansprüche einer Volksmehrheit mit denen ihrer Elite, die sie tatsächlich vertritt, ohne allen nach dem Mund zu reden und jeden kurzfristigen, partikularen oder zukunftsverstellenden Wunsch zu erfüllen […]. Grundrechte garantieren, daß auch Mehrheitsentscheidungen nicht allzu stark ins Private eingreifen.«
Tatsächlich haben diese Dinge wenig mit Demokratie zu tun, auch im Preußen Friedrich des Großen waren sie vorhanden. Daher stellt Scholdt abschließend thesenartig einige Merkmale demokratischer Systeme heraus, die sie mit allen anderen Herrschaftssystemen gemeinsam haben. Das Ergebnis: Es geht um Macht und Machterhalt, für den die Mächtigen zu fast jedem Mittel greifen, wenn sie keine andere Möglichkeit haben, ihre Macht zu erhalten.
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Günter Scholdt: Reden wir über Postdemokratie (= Politikon; 5), zweite, aktualisierte Auflage, Graz: Freilich Verlag 2023. 101 S., 17,90 €
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