Machtverhältnisse – Viktor Orbán trug vor (1/3)

Im rumänischen Bálványos fand das 33. Sommercamp statt, das Intellektuelle der großen ungarischen Minderheit in Rumänien seit der Revolution von 1990 veranstalten. Im Netz kursieren KI-Übersetzungen, sie sind nicht viel wert.

Orbáns Vortrag ist exzellent, und er hielt ihn natürlich nicht, wie die zusammengeklimperten Übersetzungen behaupten, in dem Bálványos, das am Plattensee liegt, sondern eben im rumänischen - anders wäre der erste Absatz auch nicht zu verstehen: Warum nämlich sollte Bukarest im vergangenen Jahr gegen eine Sommeruniversität protestiert haben, die am Balaton stattgefunden hätte?

Bukarest protestierte, weil Transsilvanien erst seit 1918 und, nach erneuter ungarischer Herrschaft (1941-1944), bis heute zu Rumänien gehört, während Ungarn durch die Verträge von Trianon nicht nur an Rumänien, sondern auch an andere Nachbarstaaten einen gewaltigen Anteil seiner Territorien hat abgeben müssen und sich nun intensiv um das Magyarentum in diesen Ländern müht.

Orbáns Auftritt auf der Auslandsakademie in Bálványos ist so, als hielte Olaf Scholz in Oberschlesien einen Vortrag vor der dortigen deutschen Minderheit, die stark unter Druck ist und vom Mutterland aus intensiv unterstützt werden müßte. Aber von einer solchen Geste ist Deutschland meilenweit entfernt. Ungarn nicht, und dort ist die Teilnahme Orbáns sogar mehr, viel mehr, als nur eine Geste.

Wir veröffentlichen Orbáns Vortrag in drei Teilen. Übersetzt hat ihn Nils Wegner.

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Guten Mor­gen!

Die ers­te gute Nach­richt ist, daß mein Besuch in die­sem Jahr nicht von einem sol­chen Auf­ruhr beglei­tet wur­de wie der im letz­ten Jahr: Die­ses Jahr haben wir – zumin­dest ich – kei­ne Pro­test­no­te aus Buka­rest erhal­ten; statt des­sen bekam ich eine Ein­la­dung zu einem Tref­fen mit dem Minis­ter­prä­si­den­ten, das ges­tern statt­ge­fun­den hat.

Als ich letz­tes Jahr die Gele­gen­heit hat­te, den rumä­ni­schen Minis­ter­prä­si­den­ten zu tref­fen, sag­te ich nach der Zusam­men­kunft, sie sei „der Beginn einer wun­der­ba­ren Freund­schaft“; am Ende des dies­jäh­ri­gen Tref­fens konn­te ich sagen: „Wir machen Fortschritte.“

Wenn wir uns die Zah­len anse­hen, stel­len wir in den Wirt­schafts- und Han­dels­be­zie­hun­gen zwi­schen unse­ren bei­den Län­dern neue Rekor­de auf. Rumä­ni­en ist heu­te der dritt­wich­tigs­te Wirt­schafts­part­ner Ungarns. Wir haben mit dem Minis­ter­prä­si­den­ten auch über einen Hoch­ge­schwin­dig­keits­zug – eine Art TGV – gespro­chen, der Buda­pest mit Buka­rest ver­bin­den soll, sowie über den Bei­tritt Rumä­ni­ens zum Schen­gen­raum. Ich habe ver­spro­chen, die­ses The­ma auf die Tages­ord­nung der Okto­ber­sit­zung und, wenn nötig, der Dezem­ber­sit­zung des Rats für Jus­tiz und Inne­res der EU zu set­zen und nach Mög­lich­keit voranzubringen.

Aus Buka­rest haben wir kei­ne Pro­test­no­te erhal­ten – aber damit wir uns nicht lang­wei­len, haben wir eine aus Brüs­sel erhal­ten: Man hat die unga­ri­schen Frie­dens­be­mü­hun­gen ver­ur­teilt. Ich habe – erfolg­los – ver­sucht, zu erklä­ren, daß es so etwas wie eine christ­li­che Pflicht gibt. Das heißt, wenn man etwas Schlech­tes in der Welt sieht – vor allem: etwas sehr Schlech­tes – und eine Mög­lich­keit erhält, es rich­tig­zu­stel­len, dann ist es eine christ­li­che Pflicht, ohne unnö­ti­ges Nach­den­ken oder Zau­dern zu handeln.

Bei der unga­ri­schen Frie­dens­mis­si­on geht es um die­se Pflicht. Ich möch­te uns alle dar­an erin­nern, daß die EU einen Grün­dungs­ver­trag hat, in dem es heißt, das Ziel der Uni­on sei der Frie­den. Brüs­sel ist auch empört dar­über, daß wir das, was dort getrie­ben wird, als eine Pro-Krieg-Poli­tik bezeich­nen. Man läßt uns wis­sen, daß man den Krieg im Inter­es­se des Frie­dens unter­stüt­ze. Mit­tel­eu­ro­pä­er wie uns erin­nert das sofort an Wla­di­mir Iljitsch Lenin, der lehr­te, daß mit dem Auf­kom­men des Kom­mu­nis­mus der Staat abster­ben, aber dabei zunächt noch immer stär­ker werde.

Auch Brüs­sel schafft Frie­den, indem es andau­ernd den Krieg unter­stützt. So wie wir in unse­ren Uni­ver­si­täts­vor­le­sun­gen über die Geschich­te der Arbei­ter­be­we­gung Lenins The­se nicht ver­stan­den, ver­ste­he ich in den Sit­zun­gen des Euro­päi­schen Rats die Brüs­se­laner nicht. Viel­leicht hat­te Orwell doch recht, als er schrieb, daß auf „Neu­sprech“ Frie­den Krieg und Krieg Frie­den bedeute.

Trotz aller Kri­tik soll­ten wir uns dar­an erin­nern, daß seit Beginn unse­rer Frie­dens­mis­si­on die Kriegs­mi­nis­ter der USA und Ruß­lands mit­ein­an­der gespro­chen haben, die Außen­mi­nis­ter der Schweiz und Ruß­lands Gesprä­che geführt haben, Prä­si­dent Selen­skyj end­lich mit Prä­si­dent Trump tele­fo­niert und der ukrai­ni­sche Außen­mi­nis­ter Peking besucht hat. Es hat also zu gären begon­nen, und wir bewe­gen uns lang­sam, aber sicher von einer euro­päi­schen Pro-Krieg-Poli­tik hin zu einer Pro-Frieden-Politik.

Das ist unver­meid­lich, denn die Zeit steht auf der Sei­te der Frie­dens­po­li­tik. Den Ukrai­nern ist die Wirk­lich­keit all­mäh­lich klar­ge­wor­den, und nun liegt es an den Euro­pä­ern, zur Ver­nunft zu kom­men, bevor es zu spät ist: Trump ante por­tas. Wenn Euro­pa nicht bis dahin zu einer Frie­dens­po­li­tik über­ge­gan­gen ist, dann wird es das nach Trumps Sieg tun und außer­dem vol­ler Scham sei­ne Nie­der­la­ge ein­ge­ste­hen sowie die allei­ni­ge Ver­ant­wor­tung für sei­ne Poli­tik über­neh­men müssen.

Aber, mei­ne Damen und Her­ren, das The­ma des heu­ti­gen Vor­trags ist nicht der Frie­den. Bit­te betrach­ten Sie das, was ich bis jetzt gesagt habe, als Abschwei­fung. Tat­säch­lich gibt es für jene, die über die Zukunft der Welt und der Ungarn dar­in nach­den­ken, heu­te drei gro­ße Themen.

Das ers­te ist der Krieg – oder, genau­er gesagt: ein uner­war­te­ter Neben­ef­fekt des Kriegs. Das ist die Tat­sa­che, daß der Krieg die Wirk­lich­keit ent­hüllt, in der wir leben. Die­se Wirk­lich­keit war zuvor nicht sicht­bar und konn­te nicht beschrie­ben wer­den, aber sie ist durch das glei­ßen­de Licht der in die­sem Krieg abge­feu­er­ten Rake­ten erhellt worden.

Die zwei­te gro­ße Fra­ge ist, was nach dem Krieg gesche­hen wird. Wird eine neue Welt ent­ste­hen, oder wird die alte fortbestehen?

Und wenn eine neue Welt kommt – das ist unser drit­tes gro­ßes The­ma –, wie soll Ungarn sich auf die­se neue Welt vor­be­rei­ten? Fakt ist, daß ich über alle drei spre­chen muß, und ich muß hier über sie spre­chen – zum einen, weil dies die gro­ßen The­men sind, die am bes­ten im Rah­men einer „frei­en Uni­ver­si­tät“ wie die­ser dis­ku­tiert wer­den. Zum ande­ren brau­chen wir einen panun­ga­ri­schen Ansatz, da eine Beschäf­ti­gung mit die­sen The­men aus der Sicht eines „Klei­nun­garn“ allein zu beschränkt wäre; daher ist es gerecht­fer­tigt, vor Ungarn außer­halb unse­rer Gren­zen über sie zu sprechen.

Dies sind gro­ße The­men mit viel­fäl­ti­gen Ver­flech­tun­gen, und natür­lich kann ich auch von die­sem geschätz­ten Publi­kum nicht erwar­ten, alle wich­ti­gen Grund­in­for­ma­tio­nen zu ken­nen, also wer­de ich von Zeit zu Zeit abschwei­fen müssen.

Das ist eine schwie­ri­ge Auf­ga­be: Wir haben drei The­men, einen Vor­mit­tag und einen uner­bitt­li­chen Mode­ra­tor. Ich habe die fol­gen­de Her­an­ge­hens­wei­se gewählt: aus­führ­lich über die rea­le Lage der Macht in Euro­pa zu spre­chen, wie sie der Krieg offen­bart hat, dann eini­ge Ein­bli­cke in die neue Welt zu geben, die im Ent­ste­hen ist, und schließ­lich auf die dies­be­züg­li­chen unga­ri­schen Plä­ne zu spre­chen zu kom­men – eher in Form einer Auf­lis­tung, ohne Erläu­te­rung oder Argu­men­ta­ti­on. Die­se Metho­de hat den Vor­teil, daß sie auch gleich die The­ma­tik für die Ver­an­stal­tung im nächs­ten Jahr vorgibt.

Das Unter­fan­gen ist ambi­tio­niert, ja sogar hel­den­haft: Wir müs­sen uns fra­gen, ob wir es über­haupt schaf­fen kön­nen oder ob es nicht über unse­re Mög­lich­kei­ten hin­aus­geht. Ich hal­te es für ein rea­lis­ti­sches Vor­ha­ben, denn im Lau­fe des letz­ten Jahrs – oder der ver­gan­ge­nen zwei oder drei Jah­re – sind in Ungarn und im Aus­land eini­ge her­vor­ra­gen­de Stu­di­en und Bücher ver­öf­fent­licht wor­den, die im letz­te­ren Fall von Über­set­zern auch der unga­ri­schen Öffent­lich­keit zugäng­lich gemacht wurden.

Auf der ande­ren Sei­te müs­sen wir uns in aller Beschei­den­heit dar­an erin­nern, daß wir die dienst­äl­tes­te Regie­rung in Euro­pa haben. Ich selbst bin der dienst­äl­tes­te euro­päi­sche Regie­rungs­chef – und ich darf dezent dar­auf hin­wei­sen, daß ich auch der­je­ni­ge Regie­rungs­chef bin, der die längs­te Zeit in der Oppo­si­ti­on ver­bracht hat. Ich habe also alles, wor­über ich jetzt spre­chen wer­de, selbst gese­hen. Ich spre­che über Din­ge, die ich erlebt habe und noch immer erle­be. Ob ich sie ver­stan­den habe, ist eine ande­re Fra­ge; das wer­den wir am Ende die­ses Vor­trags herausfinden.

Kom­men wir zur Rea­li­tät, die der Krieg offen­bart hat. Lie­be Freun­de, der Krieg ist unse­re rote Pil­le. Den­ken Sie an die Matrix-Fil­me. Der Held steht vor der Ent­schei­dung. Er hat zwei Pil­len zur Aus­wahl: Wenn er die blaue Pil­le schluckt, kann er in der Welt der ober­fläch­li­chen Erschei­nun­gen blei­ben; wenn er die rote Pil­le schluckt, kann er in die Rea­li­tät schau­en und in sie eintauchen.

Der Krieg ist unse­re rote Pil­le: Er ist, was uns gege­ben wur­de, er ist, was wir schlu­cken müs­sen. Und jetzt, mit neu­en Erfah­run­gen gerüs­tet, müs­sen wir über die Rea­li­tät spre­chen. Es ist ein Kli­schee, daß Krieg die Fort­set­zung der Poli­tik mit ande­ren Mit­teln ist. Wich­tig ist, hin­zu­zu­fü­gen, daß Krieg die Fort­set­zung der Poli­tik aus einer ande­ren Per­spek­ti­ve ist. Der Krieg in sei­ner Uner­bitt­lich­keit ver­schafft uns also einen neu­en Blick­win­kel, einen hohen Aus­sichts­punkt. Und von dort aus ermög­licht er uns eine völ­lig ande­re – zuvor unbe­kann­te – Sicht. Wir fin­den uns in einer neu­en Umge­bung und in einem neu­en, ver­fei­ner­ten Kräf­te­feld wieder.

In die­ser rei­nen Rea­li­tät ver­lie­ren die Ideo­lo­gien ihre Macht, sta­tis­ti­sche Taschen­spie­ler­tricks ver­lie­ren ihre Macht, die Ver­zer­run­gen der Medi­en und tak­ti­schen Ver­stel­lun­gen der Poli­ti­ker ver­lie­ren ihre Macht. Weit ver­brei­te­te Wahn­vor­stel­lun­gen – oder gar Ver­schwö­rungs­theo­rien – ver­lie­ren ihre Bedeu­tung. Was bleibt, ist die nack­te, bru­ta­le Rea­li­tät. Es ist scha­de, daß unser Freund Gyu­la Tel­lér nicht mehr bei uns ist, denn jetzt könn­ten wir eini­ge über­ra­schen­de Din­ge von ihm hören. Da er aber nicht mehr unter uns weilt, müs­sen Sie sich mit mir begnügen.

Aber ich den­ke, es wird nicht zu weni­ge Schocks geben. Der Klar­heit hal­ber habe ich alles, was wir seit unse­rem Schlu­cken der roten Pil­le – seit dem Aus­bruch des Kriegs im Febru­ar 2022 – gese­hen haben, in Stich­punk­ten zusammengefaßt.

Ers­tens: In die­sem Krieg hat es bru­ta­le Ver­lus­te gege­ben, die in die Hun­dert­tau­sen­de gehen – auf bei­den Sei­ten. Ich habe die Ver­ant­wort­li­chen bei­der Sei­ten unlängst getrof­fen und kann mit Sicher­heit sagen, daß sie sich nicht eini­gen wol­len. Wor­an liegt das?

Es gibt zwei Grün­de. Der ers­te ist, daß jede Sei­te glaubt, gewin­nen zu kön­nen, und bis zum Sieg kämp­fen will. Der zwei­te ist, daß bei­de von ihrer jeweils eige­nen tat­säch­li­chen oder ver­meint­li­chen Wahr­heit getrie­ben wer­den. Die Ukrai­ner glau­ben, dies sei eine rus­si­sche Inva­si­on, eine Ver­let­zung des Völ­ker­rechts und der ter­ri­to­ria­len Sou­ve­rä­ni­tät, und daß sie tat­säch­lich einen Selbst­ver­tei­di­gungs­krieg um ihre Unab­hän­gig­keit füh­ren. Die Rus­sen glau­ben, daß es in der Ukrai­ne ernst zu neh­men­de mili­tä­ri­sche Pro­jek­te der NATO gege­ben habe, daß der Ukrai­ne die NATO-Mit­glied­schaft ver­spro­chen wor­den sei, und sie wol­len kei­ne NATO-Trup­pen oder ‑Waf­fen an der rus­sisch-ukrai­ni­schen Gren­ze sehen. Des­halb sagen sie, daß Ruß­land das Recht auf Selbst­ver­tei­di­gung habe und die­ser Krieg in Wirk­lich­keit pro­vo­ziert wor­den sei.

Jeder hat also eine Art von Wahr­heit, ver­meint­lich oder tat­säch­lich, und wird nicht auf­hö­ren, Krieg zu füh­ren. Dies ist ein Weg, der gera­de­wegs in die Eska­la­ti­on führt; wenn es von die­sen bei­den Par­tei­en abhängt, wird es kei­nen Frie­den geben. Der Frie­den kann nur von außen gebracht werden.

Zwei­tens: In den letz­ten Jah­ren hat­ten wir uns dar­an gewöhnt, daß die Ver­ei­nig­ten Staa­ten Chi­na zu ihrem pri­mä­ren Her­aus­for­de­rer oder Geg­ner erklär­ten, doch nun sehen wir, daß sie einen Stell­ver­tre­ter­krieg gegen Ruß­land füh­ren. Und Chi­na wird unab­läs­sig beschul­digt, heim­lich Ruß­land zu unter­stüt­zen. Wenn das so ist, dann müs­sen wir die Fra­ge beant­wor­ten, war­um es sinn­voll sein soll­te, zwei so gro­ße Län­der in einem feind­li­chen Lager zusam­men­zu­pfer­chen. Die­se Fra­ge ist bis­lang nicht sinn­voll beant­wor­tet worden.

Drit­tens: Die Stär­ke und Wider­stands­kraft der Ukrai­ne hat alle Erwar­tun­gen über­trof­fen. Immer­hin haben seit 1991 elf Mil­lio­nen Men­schen das Land ver­las­sen, es wur­de von Olig­ar­chen regiert, die Kor­rup­ti­on stieg ins Uner­meß­li­che, und der Staat hat­te im Prin­zip auf­ge­hört, zu funk­tio­nie­ren. Und doch erle­ben wir jetzt einen bei­spiel­los erfolg­rei­chen Wider­stand von ihm.

Trotz der genann­ten Bedin­gun­gen ist die Ukrai­ne tat­säch­lich ein star­kes Land. Die Fra­ge ist, was der Quell die­ser Stär­ke ist. Abge­se­hen von ihrer krie­ge­ri­schen Ver­gan­gen­heit und dem per­sön­li­chen Hel­den­tum Ein­zel­ner ist hier etwas Wich­ti­ges zu verstehen:

Die Ukrai­ne hat ein höhe­res Ziel gefun­den, sie hat einen neu­en Daseins­sinn ent­deckt. Denn zuvor hat­te die Ukrai­ne sich als Puf­fer­zo­ne betrach­tet. Eine Puf­fer­zo­ne zu sein, ist psy­cho­lo­gisch läh­mend: Dar­in liegt ein Gefühl der Hilf­lo­sig­keit, ein Gefühl, daß man sein Schick­sal nicht selbst in der Hand habe. Das ist eine Fol­ge einer sol­chen zwei­fach expo­nier­ten Position.

Nun aber gibt es die ver­hei­ßungs­vol­le Aus­sicht dar­auf, zum Wes­ten zu gehö­ren. Die neue, selbst­ge­stell­te Auf­ga­be der Ukrai­ne ist es, die öst­li­che mili­tä­ri­sche Grenz­re­gi­on des Wes­tens zu sein. Die Bedeu­tung und Wich­tig­keit ihrer Exis­tenz hat sich in ihren eige­nen Augen und den Augen der gan­zen Welt gestei­gert. Das hat sie in einen Zustand der Akti­vi­tät und des Han­delns ver­setzt, den wir Nich­tukrai­ner als aggres­si­ve Hart­nä­ckig­keit auf­fas­sen – und es ist nicht zu leug­nen, daß sie ziem­lich aggres­siv und hart­nä­ckig ist. Tat­säch­lich han­delt es sich dabei um das Ver­lan­gen der Ukrai­ner, daß ihr höhe­rer Zweck inter­na­tio­nal offi­zi­ell aner­kannt wer­de. Das ist es, was ihnen die Stär­ke ver­leiht, die sie zu bei­spiel­lo­sem Wider­stand befähigt.

Vier­tens: Ruß­land ist nicht das, was wir bis­her dar­in gese­hen haben, und Ruß­land ist nicht das, was man uns bis­her dar­in sehen las­sen woll­te. Die wirt­schaft­li­che Über­le­bens­fä­hig­keit des Lands ist her­vor­ra­gend. Ich erin­ne­re mich an Tagun­gen des Euro­päi­schen Rats – die Gip­fel­tref­fen der Minis­ter­prä­si­den­ten –, auf denen die gro­ßen euro­päi­schen Staats- und Regie­rungs­chefs mit aller­lei Ges­ten ziem­lich anma­ßend behaup­te­ten, daß die Sank­tio­nen gegen das Land und sein Aus­schluß aus dem soge­nann­ten SWIFT-Sys­tem, dem inter­na­tio­na­len Aus­lands­zah­lungs­ver­kehrs­sys­tem, Ruß­land in die Knie zwin­gen wür­den. Sie wür­den die rus­si­sche Wirt­schaft in die Knie zwin­gen, und auf die­sem Wege auch die rus­si­sche poli­ti­sche Elite.

Wenn ich den Fort­gang der Ereig­nis­se beob­ach­te, füh­le ich mich an die Weis­heit von Mike Tyson erin­nert, der ein­mal sag­te: „Jeder hat einen Plan, bis er einen Schlag in die Fres­se bekommt.“ Denn die Rea­li­tät ist, daß die Rus­sen aus den Sank­tio­nen gelernt haben, die nach der Inva­si­on der Krim 2014 ver­hängt wur­den – und sie haben dar­aus nicht nur Leh­ren gezo­gen, son­dern die­se auch in die Tat umgesetzt.

Sie haben die not­wen­di­gen IT- und Bank­we­sen­ver­bes­se­run­gen vor­ge­nom­men. Das rus­si­sche Finanz­sys­tem ist also nicht kollabiert.

Sie haben die Fähig­keit ent­wi­ckelt, sich anzu­pas­sen, und nach 2014 sind wir die­sem Umstand zum Opfer gefal­len, weil wir frü­her einen erheb­li­chen Teil der unga­ri­schen Lebens­mit­tel­er­zeug­nis­se nach Ruß­land expor­tiert haben. Wegen der Sank­tio­nen konn­ten wir das nicht mehr, die Rus­sen haben ihre Land­wirt­schaft moder­ni­siert, und heu­te reden wir über einen der größ­ten Lebens­mit­tel­ex­port­märk­te der Welt; dies ist ein Land, das ein­mal auf Impor­te ange­wie­sen war.

Die Art und Wei­se, wie uns Ruß­land beschrie­ben wird – als star­re, neo­sta­li­nis­ti­sche Auto­kra­tie –, ist also falsch. Tat­säch­lich spre­chen wir von einem Land, das tech­ni­sche und wirt­schaft­li­che Wider­stands­fä­hig­keit zeigt – und viel­leicht auch gesell­schaft­li­che Wider­stands­fä­hig­keit, aber das wer­den wir noch sehen.

Die fünf­te wich­ti­ge neue Lek­ti­on aus der Rea­li­tät: Die euro­päi­sche Art, Poli­tik zu machen, ist zusam­men­ge­bro­chen. Euro­pa hat es auf­ge­ge­ben, sei­ne eige­nen Inter­es­sen zu ver­tei­di­gen: Alles, was Euro­pa heu­te tut, ist, der außen­po­li­ti­schen Linie der US-Demo­kra­ten bedin­gungs­los zu fol­gen – selbst um den Preis sei­ner eige­nen Selbstzerstörung.

Die Sank­tio­nen, die wir ver­hängt haben, scha­den grund­sätz­li­chen euro­päi­schen Inter­es­sen: Sie trei­ben die Ener­gie­prei­se in die Höhe und sor­gen dafür, daß die euro­päi­sche Wirt­schaft nicht mehr wett­be­werbs­fä­hig ist. Wir haben die Spren­gung der „Nord-Stream“-Pipeline wider­spruchs­los hin­ge­nom­men; Deutsch­land selbst hat einen Ter­ror­akt gegen sein eige­nes Staats­ei­gen­tum – der offen­sicht­lich unter ame­ri­ka­ni­scher Anlei­tung ver­übt wur­de – wider­spruchs­los hin­ge­nom­men, und wir sagen kein Wort dazu, wir ermit­teln nicht, wir wol­len es nicht auf­klä­ren, wir wol­len es nicht in einem juris­ti­schen Zusam­men­hang thematisieren.

Genau­so haben wir im Fall der Tele­fon­über­wa­chung von Ange­la Mer­kel, die mit Unter­stüt­zung Däne­marks durch­ge­führt wur­de, ver­säumt, das Rich­ti­ge zu tun.

Dies ist also nichts ande­res als ein Akt der Unter­wer­fung. Es gibt hier einen kom­pli­zier­ten Zusam­men­hang, aber ich wer­de ver­su­chen, ihn in einer zwangs­läu­fig ver­ein­fach­ten, aber umfas­sen­den Form dar­zu­stel­len. Die euro­päi­sche Poli­tik ist seit Beginn des Rus­sisch-Ukrai­ni­schen Kriegs auch des­halb zusam­men­ge­bro­chen, weil der Kern des euro­päi­schen Macht­sys­tems die Ach­se Paris-Ber­lin war, die ein­mal unum­gäng­lich war: Sie war der Dreh- und Angelpunkt.

Seit Aus­bruch des Kriegs haben sich ein ande­res Zen­trum und eine ande­re Ach­se der Macht eta­bliert. Die Ach­se Ber­lin-Paris gibt es nicht mehr – und wenn doch, dann ist sie unbe­deu­tend gewor­den und kann leicht umgan­gen wer­den. Das neue Macht­zen­trum und die neue Ach­se bestehen aus Lon­don, War­schau, Kiew, den bal­ti­schen Staa­ten und den Skandinaviern.

Wenn der deut­sche Bun­des­kanz­ler zum Erstau­nen der Ungarn ver­kün­det, daß er nur Hel­me in den Krieg schickt, und er dann eine Woche spä­ter bekannt­gibt, daß er tat­säch­lich Waf­fen schi­cken wird, dann glau­ben Sie nicht, daß der Mann den Ver­stand ver­lo­ren habe. Wenn dann der­sel­be deut­sche Bun­des­kanz­ler ankün­digt, daß es zwar Sank­tio­nen geben kön­ne, die­se sich aber nicht auf Ener­gie erstre­cken dürf­ten, und dann zwei Wochen spä­ter selbst an der Spit­ze der Sank­ti­ons­po­li­tik steht, dann glau­ben Sie nicht, daß der Mann den Ver­stand ver­lo­ren habe.

Im Gegen­teil, er ist sehr wohl bei kla­rem Ver­stand. Er weiß sehr wohl, daß die Ame­ri­ka­ner und die von die­sen beein­fluß­ten libe­ra­len Mei­nungs­for­mungs­in­sti­tu­tio­nen – Uni­ver­si­tä­ten, Denk­fa­bri­ken, For­schungs­in­sti­tu­te, Medi­en – die öffent­li­che Mei­nung nut­zen, um deutsch-fran­zö­si­sche Poli­tik zu bestra­fen, die nicht im Ein­klang mit ame­ri­ka­ni­schen Inter­es­sen steht. Des­halb gibt es das Phä­no­men, von dem ich gera­de gespro­chen habe, und des­halb kommt es zu den eigen­ar­ti­gen Fehl­trit­ten des deut­schen Kanzlers.

Das Macht­zen­trum in Euro­pa zu ver­schie­ben und die deutsch-fran­zö­si­sche Ach­se zu umge­hen, ist kei­ne neue Idee, es wur­de nur erst durch den Krieg ermög­licht. Die Idee gab es schon vor­her, sie ist tat­säch­lich ein alter pol­ni­scher Plan, um das Pro­blem zu lösen, daß Polen zwi­schen einem gro­ßen deut­schen und einem gro­ßen rus­si­schen Staat ein­ge­zwängt war, indem man Polen zum wich­tigs­ten ame­ri­ka­ni­schen Stütz­punkt in Euro­pa macht. Ich könn­te es so beschrei­ben, daß sie die Ame­ri­ka­ner ein­ge­la­den haben, sich zwi­schen die Deut­schen und die Rus­sen zu setzen.

Fünf Pro­zent des pol­ni­schen Brut­to­in­lands­pro­dukts wer­den jetzt für Mili­tär­aus­ga­ben auf­ge­wen­det, und die pol­ni­sche Armee ist die zweit­größ­te in Euro­pa nach der fran­zö­si­schen – wir spre­chen von Hun­dert­tau­sen­den Sol­da­ten. Dies ist ein alter Plan, um Ruß­land zu schwä­chen und Deutsch­land zu überholen.

Auf den ers­ten Blick scheint das Über­ho­len der Deut­schen eine Schnaps­idee zu sein. Aber wenn man sich die Dyna­mik der Ent­wick­lung Deutsch­lands und Mit­tel­eu­ro­pas, Polens, anschaut, scheint das gar nicht mehr so unmög­lich zu sein – vor allem, wenn Deutsch­land in der Zwi­schen­zeit sei­ne eige­ne Indus­trie von Welt­rang abbaut.

Die­se Stra­te­gie hat Polen dazu ver­an­laßt, die Zusam­men­ar­beit mit der Visegrád-Grup­pe auf­zu­ge­ben. Die Visegrád-Grup­pe stand für etwas ande­res: Sie bedeu­tet, daß wir aner­ken­nen, daß es ein star­kes Deutsch­land und ein star­kes Ruß­land gibt, und daß wir – in Zusam­men­ar­beit mit den mit­tel­eu­ro­päi­schen Staa­ten – eine drit­te Grö­ße zwi­schen den bei­den schaf­fen. Die Polen haben sich dar­aus zurück­ge­zo­gen und statt der Visegrád-Stra­te­gie, die deutsch-fran­zö­si­sche Ach­se zu akzep­tie­ren, die alter­na­ti­ve Stra­te­gie einer Besei­ti­gung der deutsch-fran­zö­si­schen Ach­se eingeschlagen.

Wenn wir gera­de über unse­re pol­ni­schen Brü­der und Schwes­tern spre­chen, las­sen Sie uns sie hier nur am Ran­de erwäh­nen. Da sie uns jetzt kräf­tig in den Hin­tern getre­ten haben, kön­nen wir uns viel­leicht erlau­ben, auf­rich­tig und brü­der­lich ein paar unbe­que­me Wahr­hei­ten über sie zu sagen. Nun: Die Polen betrei­ben die schein­hei­ligs­te und heuch­le­rischs­te Poli­tik in ganz Euro­pa. Sie beleh­ren uns über Moral, sie kri­ti­sie­ren uns für unse­re wirt­schaft­li­chen Bezie­hun­gen zu Ruß­land, und gleich­zei­tig machen sie selbst mun­ter Geschäf­te mit den Rus­sen, kau­fen ihr Öl – wenn auch auf Umwe­gen – und betrei­ben damit die pol­ni­sche Wirtschaft.

Die Fran­zo­sen sind noch bes­ser: Erst letz­ten Monat haben sie uns bei den Gas­ein­käu­fen aus Ruß­land über­holt – aber wenigs­tens beleh­ren sie uns nicht über Moral. Die Polen machen Geschäf­te und beleh­ren uns auch noch. Eine der­art wider­lich heuch­le­ri­sche Poli­tik habe ich in Euro­pa in den letz­ten zehn Jah­ren nicht erlebt.

Das Aus­maß die­ses Wan­dels – die Umge­hung der deutsch-fran­zö­si­schen Ach­se – kön­nen älte­re Men­schen dann wirk­lich begrei­fen, wenn sie viel­leicht zwan­zig Jah­re zurück­den­ken, als die Ame­ri­ka­ner den Irak angrif­fen und die euro­päi­schen Län­der dazu auf­for­der­ten, mit­zu­ma­chen. Wir zum Bei­spiel sind als NATO-Mit­glied mit­ge­zo­gen. Der dama­li­ge deut­sche Bun­des­kanz­ler Schrö­der und der dama­li­ge fran­zö­si­sche Staats­prä­si­dent Chi­rac tra­ten zusam­men mit dem rus­si­schen Prä­si­den­ten Putin auf einer gemein­sa­men Pres­se­kon­fe­renz gegen den Irak­krieg auf. Damals gab es also noch eine eigen­stän­di­ge deutsch-fran­zö­si­sche Logik, wenn es um euro­päi­sche Inter­es­sen ging.

Mei­ne Damen und Her­ren, bei der Frie­dens­mis­si­on geht es nicht nur dar­um, Frie­den zu suchen, son­dern auch dar­um, Euro­pa zu drän­gen, end­lich eine unab­hän­gi­ge Poli­tik zu betreiben.

Rote Pil­le Num­mer sechs: die spi­ri­tu­el­le Ein­sam­keit des Wes­tens. Bis­lang hat der Wes­ten so gedacht und sich ver­hal­ten, als ob er sich selbst als Bezugs­punkt, als eine Art Welt­maß­stab ansä­he. Er hat die Wer­te gelie­fert, die die Welt zu akzep­tie­ren hat­te – libe­ra­le Demo­kra­tie oder die „Ener­gie­wen­de“ zum Beispiel.

Aber der größ­te Teil der Welt hat das bemerkt, und in den letz­ten zwei Jah­ren hat es eine Wen­de um 180 Grad gege­ben. Ein­mal mehr hat der Wes­ten sei­ne Erwar­tung ver­kün­det, sei­ne Anwei­sung, daß die Welt mora­lisch gegen Ruß­land und für den Wes­ten Stel­lung bezie­hen sol­le. Statt des­sen haben sich alle nach und nach auf die Sei­te Ruß­lands gestellt.

Daß Chi­na und Nord­ko­rea das tun, ist viel­leicht kei­ne Über­ra­schung. Daß der Iran es auch tut, ist – ange­sichts der Geschich­te des Lands und sei­ner Bezie­hung zu Ruß­land – schon etwas über­ra­schend. Aber die Tat­sa­che, daß Indi­en, das von der west­li­chen Welt als bevöl­ke­rungs­reichs­te Demo­kra­tie bezeich­net wird, eben­falls auf der Sei­te der Rus­sen steht, ist ver­blüf­fend. Daß die Tür­kei sich wei­gert, die mora­lisch begrün­de­ten For­de­run­gen des Wes­tens zu akzep­tie­ren, selbst obwohl sie ein NATO-Mit­glied ist, ist wirk­lich über­ra­schend. Und die Tat­sa­che, daß die mus­li­mi­sche Welt Ruß­land nicht als Feind, son­dern als Part­ner sieht, kommt völ­lig unerwartet.

Sieb­tens: Der Krieg hat die Tat­sa­che offen­bart, daß das größ­te Pro­blem, vor dem die Welt heu­te steht, die Schwä­che und Zer­set­zung des Wes­tens ist. Das ist natür­lich nicht das, was die west­li­chen Medi­en sagen: Im Wes­ten wird behaup­tet, die größ­te Gefahr und das größ­te Pro­blem für die Welt sei­en Ruß­land und die Bedro­hung, die es darstellt.

Das ist falsch! Ruß­land ist zu groß für sei­ne Bevöl­ke­rung, und es wird hyper­ra­tio­nal geführt – es ist in der Tat ein Land mit einer Füh­rung. Es gibt nichts Mys­te­riö­ses an sei­nem Han­deln: Sein Vor­ge­hen folgt logisch aus sei­nen Inter­es­sen und ist daher ver­ständ­lich und vorhersehbar.

Das Ver­hal­ten des Wes­tens hin­ge­gen – wie aus dem, was ich bis­her gesagt habe, erkenn­bar sein dürf­te – ist nicht ver­ständ­lich und nicht vor­her­seh­bar. Der Wes­ten wird nicht geführt, sein Ver­hal­ten ist nicht ratio­nal, und er kann nicht mit der Situa­ti­on umge­hen, die ich im ver­gan­ge­nen Jahr in mei­nem Vor­trag hier beschrie­ben habe: die Tat­sa­che, daß zwei Son­nen am Him­mel erschie­nen sind. Die­ser Auf­stieg von Chi­na und Asi­en ist die Her­aus­for­de­rung an den Wes­ten. Wir soll­ten in der Lage sein, damit umzu­ge­hen, aber das sind wir nicht.

Punkt acht: Dar­aus ergibt sich für uns die eigent­li­che Her­aus­for­de­rung, noch ein­mal zu ver­su­chen, den Wes­ten im Lich­te des Kriegs zu ver­ste­hen. Denn wir Mit­tel­eu­ro­pä­er betrach­ten den Wes­ten als irrational.

Aber, lie­be Freun­de, was ist, wenn er sich logisch ver­hält, wir aber sei­ne Logik nicht ver­ste­hen? Wenn er in sei­nem Den­ken und Han­deln logisch ist, dann müs­sen wir fra­gen, war­um wir ihn nicht ver­ste­hen. Und wenn wir die Ant­wort auf die­se Fra­ge fin­den könn­ten, wür­den wir auch ver­ste­hen, war­um Ungarn in geo­po­li­ti­schen und außen­po­li­ti­schen Fra­gen regel­mä­ßig mit den west­li­chen Län­dern der Euro­päi­schen Uni­on in Kon­flikt gerät.

Mei­ne Ant­wort ist die fol­gen­de. Stel­len wir uns vor, daß das Welt­bild von uns Mit­tel­eu­ro­pä­ern auf Natio­nal­staa­ten basiert. Der Wes­ten hin­ge­gen denkt, daß es kei­ne Natio­nal­staa­ten mehr gibt; für uns ist das unvor­stell­bar, aber er denkt trotz­dem so. Das Koor­di­na­ten­sys­tem, inner­halb des­sen wir Mit­tel­eu­ro­pä­er den­ken, ist also völ­lig irrelevant.

Unse­rer Vor­stel­lung nach besteht die Welt aus Natio­nal­staa­ten, die ein inner­staat­li­ches Gewalt­mo­no­pol aus­üben und dadurch einen Zustand des all­ge­mei­nen Frie­dens schaf­fen. In sei­nen Bezie­hun­gen zu ande­ren Staa­ten ist der Natio­nal­staat sou­ve­rän – mit ande­ren Wor­ten: Er ist in der Lage, sei­ne Außen- und Innen­po­li­tik unab­hän­gig zu bestimmen.

Unse­rer Vor­stel­lung nach ist der Natio­nal­staat kei­ne juris­ti­sche Abs­trak­ti­on, kein recht­li­ches Kon­strukt: Der Natio­nal­staat ist in einer beson­de­ren Kul­tur ver­wur­zelt. Er hat einen gemein­sa­men Wer­te­ka­non, er hat anthro­po­lo­gi­sche und his­to­ri­sche Tie­fe. Und dar­aus erge­ben sich von allen geteil­te mora­li­sche Gebo­te, die auf einem all­ge­mei­nen Kon­sens beruhen.

Das ist es, was wir uns unter dem Natio­nal­staat vor­stel­len. Und dar­über hin­aus sehen wir ihn nicht als ein Phä­no­men, das sich im 19. Jahr­hun­dert ent­wi­ckelt hat: Wir glau­ben, daß Natio­nal­staa­ten eine bibli­sche Grund­la­ge haben, weil sie zur Schöp­fungs­ord­nung gehö­ren. Denn in der Hei­li­gen Schrift lesen wir, daß am Ende der Zeit Gericht nicht nur über die Men­schen, son­dern auch über die Natio­nen gehal­ten wird. Folg­lich sind Natio­nen unse­rer Vor­stel­lung nach kei­ne pro­vi­so­ri­schen Gebilde.

West­ler aber glau­ben ganz im Gegen­teil, daß es kei­ne Natio­nal­staa­ten mehr gibt. Sie leug­nen daher die Exis­tenz einer geteil­ten Kul­tur und einer dar­auf beru­hen­den gemein­sa­men Moral. Sie haben kei­ne gemein­sa­me Moral; wenn Sie die Eröff­nungs­fei­er der Olym­pi­schen Spie­le gese­hen haben, dann haben Sie das gese­hen. Des­halb den­ken sie auch anders über Migra­ti­on. Für sie ist Migra­ti­on kei­ne Bedro­hung oder ein Pro­blem, son­dern viel­mehr eine Mög­lich­keit, der eth­ni­schen Homo­ge­ni­tät, die Grund­la­ge einer Nati­on ist, zu ent­kom­men. Das ist die Essenz des pro­gres­si­ven, libe­ra­len, inter­na­tio­na­lis­ti­schen Raumbegriffs.

Des­halb ist ihnen die Absur­di­tät nicht bewußt – oder sie sehen es nicht als absurd an –, daß wir im Wes­ten Euro­pas hun­dert­tau­sen­de Men­schen frem­der Zivi­li­sa­tio­nen her­ein­las­sen, wäh­rend in der öst­li­chen Hälf­te Euro­pas hun­dert­tau­sen­de Chris­ten ein­an­der umbrin­gen. Aus unse­rer mit­tel­eu­ro­päi­schen Sicht ist das der Inbe­griff von Absur­di­tät. Die­ser Gedan­ke kommt dem Wes­ten nicht einmal.

(In Klam­mern mer­ke ich an, daß die euro­päi­schen Staa­ten im Ers­ten und Zwei­ten Welt­krieg ins­ge­samt etwa 57 Mil­lio­nen ange­stamm­te Euro­pä­er ver­lo­ren haben. Hät­ten sie, ihre Kin­der und Enkel­kin­der gelebt, hät­te Euro­pa heu­te kei­ne demo­gra­phi­schen Probleme.)

Die Euro­päi­sche Uni­on denkt nicht ein­fach nur so, wie ich es beschrei­be, son­dern sie erklärt sich auch so. Wenn man die EU-Doku­men­te sorg­fäl­tig liest, wird klar, daß das Ziel dar­in besteht, die Nati­on abzu­lö­sen. Es ist wahr, daß sie eine selt­sa­me Art haben, dies zu schrei­ben und zu sagen, indem sie erklä­ren, die Natio­nal­staa­ten müß­ten abge­löst wer­den, wäh­rend eine klei­ne Spur von ihnen bleibt. Aber am Ende geht es dar­um, daß Macht und Sou­ve­rä­ni­tät von den Natio­nal­staa­ten auf Brüs­sel über­tra­gen wer­den sollten.

Das ist die Logik hin­ter jeder grö­ße­ren Maß­nah­me. Für sie ist die Nati­on eine geschicht­li­che oder Über­gangs­schöp­fung, die im 18. und 19. Jahr­hun­dert ent­stan­den ist – und so, wie sie gekom­men sei, kön­ne sie auch wie­der ver­schwin­den. Für sie ist die west­li­che Hälf­te Euro­pas bereits postnational.

Das ist nicht nur eine poli­tisch ande­re Situa­ti­on, son­dern ich will damit sagen, daß es sich um eine neue Art des Den­kens han­delt. Wenn man die Welt nicht mehr aus dem Blick­win­kel der Natio­nal­staa­ten betrach­tet, eröff­net sich eine völ­lig ande­re Rea­li­tät. Dar­in liegt das Pro­blem, der Grund dafür, daß die Län­der der west­li­chen und der öst­li­chen Hälf­te Euro­pas ein­an­der nicht ver­ste­hen, der Grund, wes­halb wir nicht an einem Strang zie­hen können.

Wenn wir all dies auf die Ver­ei­nig­ten Staa­ten über­tra­gen, ist dies der eigent­li­che Kampf, der dort statt­fin­det. Was sol­len die Ver­ei­nig­ten Staa­ten sein? Sol­len sie wie­der ein Natio­nal­staat wer­den, oder sol­len sie ihren Marsch hin zum post­na­tio­na­len Staat fort­set­zen? Prä­si­dent Donald Trumps aus­drück­li­ches Ziel ist es, das ame­ri­ka­ni­sche Volk aus dem post­na­tio­na­len libe­ra­len Staat zurück­zu­ho­len, es zurück­zu­zer­ren, es zurück­zu­zwin­gen, es wie­der zum Natio­nal­staat zu erheben.

Aus die­sem Grund steht bei den US-Wah­len so viel auf dem Spiel. Des­halb erle­ben wir Din­ge, die wir noch nie zuvor gese­hen haben. Des­halb wol­len sie Donald Trump dar­an hin­dern, bei den Wah­len anzu­tre­ten. Des­halb wol­len sie ihn ins Gefäng­nis ste­cken. Des­halb wol­len sie ihm sein Ver­mö­gen weg­neh­men. Und wenn das nicht klappt, wol­len sie ihn des­halb umbrin­gen. Und sei­en Sie sich sicher, daß das, was gesche­hen ist, viel­leicht nicht der letz­te Anschlag in die­sem Wahl­kampf gewe­sen sein wird.

Neben­bei: Ich habe ges­tern mit dem Prä­si­den­ten gespro­chen, und er hat mich gefragt, wie es mir gehe. Ich habe ihm gesagt, es gehe mir gut, weil ich hier in einem geo­gra­phi­schen Gebiet namens Trans­sil­va­ni­en sei. Es ist nicht so ein­fach, das zu erklä­ren, vor allem nicht auf Eng­lisch und vor allem nicht Prä­si­dent Trump. Aber ich sag­te, daß ich hier in Trans­sil­va­ni­en bei einer frei­en Uni­ver­si­tät sei, wo ich einen Vor­trag über die Lage der Welt hal­ten wür­de. Und er sag­te, ich sol­le den Teil­neh­mern sei­ne per­sön­li­chen, herz­li­chen Grü­ße ausrichten.

Wenn wir nun zu ver­ste­hen ver­su­chen, wie die­ses west­li­che Den­ken – das wir der Ein­fach­heit hal­ber als „post­na­tio­na­les“ Den­ken und Dasein bezeich­nen soll­ten – ent­stan­den ist, dann müs­sen wir auf die gro­ße Illu­si­on der 1960er Jah­re zurückblicken.

Die gro­ße Illu­si­on der 1960er Jah­re nahm zwei For­men an: Die ers­te war die sexu­el­le Revo­lu­ti­on, und die zwei­te war die Stu­den­ten­re­vol­te. Tat­säch­lich war sie ein Aus­druck des Glau­bens, daß das Indi­vi­du­um frei­er und groß­ar­ti­ger wür­de, wenn es von jeder Art von Kol­lek­tiv befreit wäre. Mehr als 60 Jah­re spä­ter ist klar gewor­den, daß das Indi­vi­du­um im Gegen­teil nur durch eine und in einer Gemein­schaft groß­ar­tig wer­den kann, daß es allein nie­mals frei sein kann, son­dern immer ein­sam und zum Ver­küm­mern ver­ur­teilt ist.

Im Wes­ten wur­den die Bin­dun­gen nach­ein­an­der gelöst: die meta­phy­si­schen Bin­dun­gen, die Gott dar­stellt, die natio­na­len Bin­dun­gen, die das Hei­mat­land dar­stellt, und die fami­liä­ren Bin­dun­gen – die Auf­lö­sung der Fami­lie. Ich bezie­he mich wie­der auf die Eröff­nung der Olym­pi­schen Spie­le in Paris. Nun, da es ihnen gelun­gen ist, all das los­zu­wer­den, in der Erwar­tung, daß das Indi­vi­du­um groß­ar­ti­ger wer­de, stel­len sie fest, daß sie ein Gefühl der Lee­re ver­spü­ren. Sie sind nicht groß­ar­tig, son­dern klein gewor­den. Denn im Wes­ten stre­ben sie nicht mehr nach gro­ßen Idea­len oder gro­ßen, inspi­rie­ren­den gemein­sa­men Zielen.

Hier müs­sen wir über das Geheim­nis der Groß­ar­tig­keit spre­chen. Was ist das Geheim­nis der Groß­ar­tig­keit? Das Geheim­nis der Groß­ar­tig­keit besteht dar­in, etwas Grö­ße­rem als sich selbst die­nen zu kön­nen. Dazu müs­sen Sie zunächst aner­ken­nen, daß es in der Welt etwas oder eini­ge Din­ge gibt, die grö­ßer sind als Sie, und dann müs­sen Sie sich dem Dienst an die­sen grö­ße­ren Din­gen hingeben.

Davon gibt es nicht vie­le. Man hat sei­nen Gott, sein Land und sei­ne Fami­lie. Aber wenn Sie das nicht tun, son­dern sich auf Ihre eige­ne Grö­ße kon­zen­trie­ren, wenn Sie den­ken, daß Sie klü­ger, schö­ner, talen­tier­ter sind als die meis­ten Men­schen, wenn Sie Ihre Ener­gie dar­auf ver­wen­den, all das ande­ren mit­zu­tei­len, dann ist das, was Sie her­aus­be­kom­men, nicht Groß­ar­tig­keit, son­dern Grö­ßen­wahn. Und das ist der Grund, war­um wir heu­te, wann immer wir mit West­eu­ro­pä­ern im Gespräch sind, in jeder Ges­te Grö­ßen­wahn statt Groß­ar­tig­keit spü­ren. Ich muß sagen, daß sich eine Situa­ti­on ent­wi­ckelt hat, die wir als Lee­re bezeich­nen kön­nen, und das damit ein­her­ge­hen­de Gefühl der Über­flüs­sig­keit führt zu Aggres­sio­nen. So ist der neue Men­schen­ty­pus des „aggres­si­ven Zwergs“ entstanden.

Zusam­men­fas­send möch­te ich Ihnen sagen, daß wir nicht über Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten spre­chen, wenn wir von Mit­tel­eu­ro­pa und West­eu­ro­pa spre­chen, son­dern über zwei unter­schied­li­che Welt­an­schau­un­gen, zwei Denk­wei­sen, zwei Instink­te, und damit zwei unter­schied­li­che Argu­men­te. Wir haben einen Natio­nal­staat, der uns zum stra­te­gi­schen Rea­lis­mus zwingt. Die haben post­na­tio­na­lis­ti­sche Träu­me, die natio­na­ler Sou­ve­rä­ni­tät gegen­über gleich­gül­tig sind, natio­na­le Grö­ße nicht aner­ken­nen und kei­ne gemein­sa­men natio­na­len Zie­le haben. Das ist die Rea­li­tät, der wir uns stel­len müssen.

Und schließ­lich, Punkt neun, ist das letz­te Ele­ment der Rea­li­tät, daß die­ser post­na­tio­na­le Zustand, den wir im Wes­ten sehen, eine erns­te – und ich wür­de sagen: eine dra­ma­ti­sche – poli­ti­sche Kon­se­quenz hat, die die Demo­kra­tie erschüt­tert. Denn inner­halb der Gesell­schaf­ten gibt es einen wach­sen­den Wider­stand gegen Migra­ti­on, gegen Gen­der, gegen Krieg und gegen den Glo­ba­lis­mus. Und dar­aus ergibt sich das poli­ti­sche Pro­blem der Eli­te und des Volks – von Eli­tis­mus und Populismus.

Dies ist das bestim­men­de Phä­no­men der heu­ti­gen west­li­chen Poli­tik. Wenn Sie die Tex­te lesen, brau­chen Sie sie nicht zu ver­ste­hen, und sie erge­ben sowie­so nicht immer einen Sinn; aber wenn Sie die Wör­ter lesen, wer­den Sie die fol­gen­den Aus­drü­cke am häu­figs­ten fin­den. Sie zei­gen an, daß die Eli­ten das Volk dafür ver­ur­tei­len, daß es nach rechts drif­tet. Die Gefüh­le und Gedan­ken der Men­schen wer­den als Frem­den­feind­lich­keit, Homo­pho­bie und Natio­na­lis­mus abgestempelt.

In Reak­ti­on dar­auf beschul­di­gen die Men­schen die Eli­ten, sich nicht dar­um zu sche­ren, was ihnen wich­tig ist, son­dern in einer Art von gestör­tem Glo­ba­lis­mus zu ver­sin­ken. Folg­lich kön­nen sich die Eli­ten und das Volk nicht auf eine Zusam­men­ar­beit eini­gen. Ich könn­te vie­le Län­der nen­nen. Aber wenn sich das Volk und die Eli­ten nicht auf eine Zusam­men­ar­beit eini­gen kön­nen, wie soll das dann eine reprä­sen­ta­ti­ve Demo­kra­tie erge­ben? Denn wir haben eine Eli­te, die das Volk nicht ver­tre­ten will und stolz dar­auf ist, es nicht ver­tre­ten zu wol­len, und wir haben das Volk, das nicht ver­tre­ten wird.

Tat­säch­lich sehen wir uns in der west­li­chen Welt kon­fron­tiert mit einer Situa­ti­on, in der die Men­schen mit Hoch­schul­ab­schluß nicht mehr weni­ger als zehn Pro­zent der Bevöl­ke­rung aus­ma­chen, son­dern 30 bis 40 Pro­zent. Und auf­grund ihrer Ansich­ten respek­tie­ren die­se Men­schen die­je­ni­gen nicht, die weni­ger gebil­det sind – die nor­mal berufs­tä­ti­ge Men­schen sind, Men­schen, die von ihrer Hän­de Arbeit leben.

Für die Eli­ten sind nur die Wer­te der Aka­de­mi­ker akzep­ta­bel, nur sie sind legi­tim. Aus die­sem Blick­win­kel sind die Ergeb­nis­se der Wah­len zum Euro­päi­schen Par­la­ment zu ver­ste­hen. Die Euro­päi­sche Volks­par­tei sam­mel­te die Stim­men der „Ple­be­jer“ auf der Rech­ten, die Ver­än­de­run­gen woll­ten, ging mit die­sen Stim­men dann zu den Lin­ken und wur­de sich mit den lin­ken Eli­ten, die ein Inter­es­se an der Erhal­tung des Sta­tus quo haben, handelseinig.

Das hat Fol­gen für die Euro­päi­sche Uni­on. Die Fol­ge ist, daß Brüs­sel von einer libe­ra­len Olig­ar­chie besetzt bleibt. Die­se Olig­ar­chie hat die EU in ihrem Griff. Die­se links­li­be­ra­le Eli­te orga­ni­siert in Wahr­heit eine trans­at­lan­ti­sche Eli­te: nicht euro­pä­isch, son­dern glo­bal, nicht natio­nal­staat­lich, son­dern föde­ral, und nicht demo­kra­tisch, son­dern oligarchisch.

Das hat auch Fol­gen für uns, denn in Brüs­sel gel­ten wie­der die „drei Gs“: „gebannt, gestat­tet und geför­dert“. Wir gehö­ren zur Kate­go­rie „gebannt“. Die Patrio­ten für Euro­pa haben des­halb kei­ner­lei Pos­ten bekom­men. Wir leben in der Welt der gestat­te­ten poli­ti­schen Gemein­schaft. Unter­des­sen gehö­ren unse­re ein­hei­mi­schen Geg­ner – vor allem die Neu­lin­ge in der Euro­päi­schen Volks­par­tei – zur Kate­go­rie „stark gefördert“.

Und viel­leicht gibt es noch einen letz­ten, zehn­ten Punkt. Die­ser betrifft die west­li­chen Wer­te und wie sie – die das Wesen der soge­nann­ten Soft power aus­mach­ten – zum Bume­rang gewor­den sind. Es hat sich her­aus­ge­stellt, daß die­se west­li­chen Wer­te, die man für uni­ver­sell hielt, in immer mehr Län­dern der Welt demons­tra­tiv als unan­nehm­bar abge­lehnt werden.

Es hat sich her­aus­ge­stellt, daß die Moder­ne, die moder­ne Ent­wick­lung, nicht west­lich oder zumin­dest nicht aus­schließ­lich west­lich ist – denn Chi­na ist modern, Indi­en wird zuneh­mend modern, und auch die Ara­ber und Tür­ken moder­ni­sie­ren sich. Und sie wer­den kei­nes­wegs auf Grund­la­ge west­li­cher Wer­te modern. In der Zwi­schen­zeit ist die west­li­che Soft power durch die rus­si­sche Soft power ersetzt wor­den, denn der Schlüs­sel zur Ver­brei­tung west­li­cher Wer­te ist jetzt LGBTQ. Jeder, der dies nicht akzep­tiert, gehört nach Ansicht der west­li­chen Welt in die Kate­go­rie „rück­stän­dig“.

Ich weiß nicht, ob Sie es ver­folgt haben, aber ich hal­te es für bemer­kens­wert, daß in den letz­ten sechs Mona­ten Län­der wie die Ukrai­ne, Tai­wan und Japan Pro-LGBTQ-Geset­ze erlas­sen haben. Aber die Welt ist damit nicht ein­ver­stan­den. Folg­lich ist die stärks­te tak­ti­sche Waf­fe Putins heu­te der west­li­che LGBTQ-Zwang und der Wider­stand, die Oppo­si­ti­on dage­gen. Das ist zu Ruß­lands stärks­ter inter­na­tio­na­ler Anzie­hungs­kraft gewor­den; so hat sich das, was ein­mal west­li­che Soft power war, nun in rus­si­sche Soft power ver­wan­delt – wie ein Bumerang.

Alles in allem, mei­ne Damen und Her­ren, kann ich sagen, daß der Krieg uns gehol­fen hat, die wah­ren Macht­ver­hält­nis­se in der Welt zu ver­ste­hen. Er ist ein Zei­chen dafür, daß sich der Wes­ten auf sei­ner Mis­si­on selbst ins Knie geschos­sen hat, und daß er des­halb die Ver­än­de­run­gen, die die Welt umge­stal­ten, beschleunigt.

Mein ers­ter Vor­trag ist zu Ende.

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Kommentare (48)

Umlautkombinat

23. August 2024 10:39

Ich bin Aussenstehender, aber registriere durchaus die Kritik an Orban's innenpolitischem Verhalten. Beim Lesen dieses Vortrags wie auch vorheriger Einlassungen geht es mir aber wie immer: Es ist ein Genuss schon allein dem realpolitischen Grundton zu folgen, die seine ueber sein Land hinausgehenden Betrachtungen praegen. Das ist keine Frage seiner inhaltlichen Praeferenzen, es geht mir bei Friedman (der Autor von 'Flashpoints' ist gemeint) z.B. auch so, der politisch gesehen ein Gegner ist. 
 
Das raeumt immer all den negativen kognitiven Ballast weg, der in Form von Ideologie und Irrationalitaet bei Auseinandersetzungen z.B. hier im Land unvermeidbar ist und jeglichen inhaltlichen und realen Fortschritt schon im Ansatz aggressiv zu ersticken versucht. Was natuerlich, aber eben schwer bekaempfbar, auch "nur" ein Werkzeug realer Interessendurchsetzung ist.
 
Und im Fall Orban ist seine Art Darlegung verbunden mit immerhin einem aktiven Politiker, dessen auch ins Philosophische gehenden Locken immer verantwortlich rueckgebunden werden, ganz seltene Persoenlichkeit. Wenn er sich in der Beurteilung irrt, zahlen er und sein Land real. Freue mich auf den zweiten Teil, den ich damit hier einmal abwarte.
 

Karl Otto

23. August 2024 11:28

Mir stellt sich grundsätzlich immer die Frage: Wer ist Russland? Putin und seine Mafia, die das Land aktuell beherrschen und jede Opposition unterdrücken? Und was sind russische Interessen? Die Interessen der Putin-Mafia, ungehindert weiter stehlen zu können? Kann die Mafia "Sicherheitstinteressen" haben? Mir kommt das immer so vor, als würden die arabischen Clans in Duisburg oder Bremen die Polizei auffordern, sich von ihren Stadtvierteln fernzuhalten, weil das ihren Sicherheitsinteressen widerspricht.

Majestyk

23. August 2024 12:00

"Folglich ist die stärkste taktische Waffe Putins heute der westliche LGBTQ-Zwang und der Widerstand, die Opposition dagegen."
Dem würde ich zustimmen, aber mit einem komplett entgegengesetzten Fazit und mit der Ergänzung, daß dies nur möglich ist dank Marxisten in den eigenen Reihen. 
"Und sie werden keineswegs auf Grundlage westlicher Werte modern."
Aber dank westlichem Knowhow und den Errungenschaften der westlichen Ideengeschichte. Kulturelle Aneignung sozusagen.
Orbans Worte zur globalistischen Lobbyorganisation EU vernehme ich wohl, nur glaube ich kaum, daß ein Orban Interesse daran hat die deutsche Milchkuh aus der Pflicht zu entlassen und als Konsequenz den Umverteilungsbetrieb EU abzuschaffen. Soweit geht Orbans Sympathie für Nationalstaatlichkeit dann doch wieder nicht.

das kapital

23. August 2024 12:26

Der Wertewesten ist ein A*******westen. Die Welt wollte 1492 nicht nach westlichen Werten leben, nicht nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki, und sie will es auch heute nicht. Deutschland möchte nach deutschen Werten leben, China nach chinesischen und Afghanistan nach afghanischen. Das kulturelle wirtschaftliche und militärische Vormachtstreben verbessert die Welt nicht, sondern beschädigt sie. Die NATO ist genauso schädlich, wie der Krieg gegen rechts und gegen Trump oder die "Seidenstraße" Chinas, mit es seine Machtoptionen ausbaut. /// Punkt 10 von Orban verdient Lob und Zustimmung. Der Westen zerlegt sich selbst kulturell und macht sich damit weltweit lächerlich. Mit LGBTQ+ Propaganda ist kein Blumenpott zu gewinnen. Es wird so leicht, den Westen als unterbelichtet zu diskreditieren. Der Wertewesten hat so jede kulturelle und wirtschaftliche Strahlkraft verloren. Im Osten geht die Sonne auf, im Süden steigt sie hoch hinauf, im Westen muss sie untergehn, bei Biden ist sie nie zu sehn.

Laurenz

23. August 2024 14:31

@Umlautkombinat ... Die innenpolitische Kritik an Orban basiert darauf, daß Er, genau, wie jeder andere Politiker & Staatsmann Seine Leute privilegieren muß. Wie wir (NeuRechte) sehr genau wissen, ist eine Nichtbeteiligung an der Machtoption eine extreme Schwäche.
@Karl Otto ... unser russophober, transatlantikophiler Putin-Basher. Ihr gesamter Kommentar paßt genausogut auf die Parteien-Oligarchien im Westen. Die Russische & Chinesische Version ist nur billiger, als die Schmarotzer-Blase bei uns.
@Majestyk ... Schauen Sie ins Jahr 1853, als Commodore Perry von der US Navy die Japaner militärisch zwang, Handelskolonie zu werden. Ein paar Jahre später schickten die Japaner Leute in die USA, um zu "erforschen", wie ein Industriestaat funktioniert. Kein Staat der Erde industrialisierte daraufhin schneller als Japan. Der Planet hat den Westen nicht gezwungen, als Kolonialmacht zu fungieren. Und natürlich würde Orban gerne die EU abschaffen. Würde Deutschland auf bilateraler Ebene in Ungarn neue Kindergärten finanzieren, blieb für Ungarn viel mehr übrig, als jetzt mit dem teuren Schmarotzerkopf EU zu Brüssel.
@Das Kapital ... Das Seidenstraßen-Projekt ist multi-polar geordnet. Denn jeder beteiligte Staat hat die Macht, die Seidenstraße zu blockieren. Darauf basiert exakt das Chinesische Prinzip. Es zwingt zur Konstruktivität.

nietzschikus

23. August 2024 15:46

@Karl Otto, man stellt solche Fragen nicht, wenn man nicht total ahnungslos ist. Etwas peinlich, damit zu hausieren.
Ich finde die außenpolitischen Einlassungen beeindruckend offen. Was Nordstream, die Skandinavier und Polen anbelangt ebenso. Nur die Unterscheidung Demokraten & Republikaner in den USA finde ich doch rein realpolitisch motiviert. Möchte seinen evtl. Verbündeten nicht auf den Schuhen stehen, obwohl Trump stark vs. Russland agierte. Nur die Positionierung der Skandinavier kann ich nicht nachvollziehen. Dänemark gibt quasi das ganze Militär ab. Kann das gar nicht nachvollziehen.
Mir ist dennoch etwas rätselhaft, wie Deutschland wieder das Heft der Handlung wieder in die Hand bekommen könnte und im Osten vermitteln könnte.

Karl Otto

23. August 2024 15:54

Davon weiß ich aber immer noch nicht, was denn nun die Interessen Russlands sind und woher sie ihre Legitimität beziehen.

RMH

23. August 2024 16:50

Von den vielen Aspekten, die Orban anspricht, möchte ich nur einen vorerst kommentieren, da dieser m.M.n. richtig dargestellt wurde & von den MSM (und der bishierigen Debatte hier auch) eigentlich komplett irgnoriert wurde/wird. Die "Achse" (eigentlich ein viel zu starker Ausdruck für das was, jemals gewesen war, geschweige denn, ist) Paris - Berlin wird von der Administration Scholz sträflich geschliffen & ignoriert. Federführend sind hier die Grünen unter Baerbock, die offenbar ihre ehemalige Anti-Nato, anti-transatlantische Vergangenheit durch das Geben des Musterschülers streberhaft vergessen machen wollen. In diesem Zusammenhang darf man Macron lobend erwähnen, der glaubhaft versucht, so etwas wie eine "Achse" Paris-Berlin überhaupt erst zu schmieden oder wiederzubeleben. Und dabei laufend die kalte Schulter der Administration Scholz gezeigt bekommt. Diese Regierung schafft es wirklich, überall unbeliebt zu sein & egal, wer in den USA die Wahlen gewinnen wird, die USA wird spätestens dann zeigen, was sie Deutschland in Rechnung stellt (das wird auch unter K. Harris nicht anders sein, wie unter Trump). Die Franzosen hat man, wie alle anderen in Europa auch, dann hinreichend vergrätzt & Deutschland steht nach wie vor "alternativlos" isoliert & abhängig von den USA da. Die Russen haben nach alledem übrigens auch keinen Bock auf uns (gilt auch für den Fall, dass die AfD regiert), da gibt man sich falschen Illusionen in diesem Lager hin, welches unentwegt den nützlichen Idioten füt RUS gibt.

Valjean72

23. August 2024 17:04

"Das Machtzentrum in Europa zu verschieben und die deutsch-französische Achse zu umgehen, ist keine neue Idee, es wurde nur erst durch den Krieg ermöglicht. Die Idee gab es schon vorher, sie ist tatsächlich ein alter polnischer Plan"
---
 
Ich hoffe wirklich, dass mit einer künftigen AFD-Bundesregierung - sagen wir spätestens ab 2029 - aussenpolitischer Realismus in die bundesdeutsche Politik einkehren wird.
 
Dazu gehört mE unbedingt eine nüchterne und schonsunglose Anlayse  der transatlantischen Einbindung, sowie das Verhältnis zu sogenannten verbündeten Nachbarstaaten (z.B. Polen).
 
Die von der EU verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Russland schaden weit mehr Deutschland als Russland und das war mE a) abzusehen und b) insgeheim genauso beabsichtigt.
 
EU & NATO können als ein zusammengehörendes Paar verstanden werden, welches gleichen Interessen dient. Das eine bildet den militärischen, das andere den zivilen Arm ab.
 
Und was war und ist der Zweck der NATO gemäss Lord Ismay Hastings (und im Umkehrschluss auch Zweck der EU) ?
 
 

herbstlicht

23. August 2024 17:53

@nietzschikus: »Positionierung der Skandinavier kann ich nicht nachvollziehen«
Vor einem Jahr war ich überrascht, den Chef der Schwedendemokraten, Åkesson, in seiner Sommerrede als strammen Transatlantiker zu hören.  Vermutlich aus folgenden Gründen:1) "Man" hat ihm bedeutet, daß er durchaus Ministerpräsident werden kann, eine solche Haltung vorausgesetzt.2) Russland ist Schwedens "Erbfeind"; die Russischen Verwüstungen   scheinen in Schweden mindestens so geläufig, wie bei uns der "Schwedentrunk". Gelassenheit gegen R. könnte Stimmen kosten.3) S. hatte seine Verteidigung in Zusammenarbeit mit Finnland geplant.  Vor 10 Jahren wurde Åkesson vom Ministerpräsident Reinfeldt verhöhnt, weil er davor warnte, die Landesverteidigung zu schleifen.  Das war nun vollzogen und Finnland würde in einen Interessenkonflikt zwischen Nato und S. kommen.4) S. hat erhebliche Rüstungsindustrie; Granatfabrik in Karlskoga arbeitet in 3 Schichten, ...(Aber dies alles nur am Rande.)

Laurenz

23. August 2024 17:56

@Karl Otto ... Davon weiß ich aber immer noch nicht, was denn nun die Interessen Russlands sind und woher sie ihre Legitimität beziehen. ... Rußland legitimiert seine Interessen auf demselben Wege, wie die USA, durch die militärische Option, wenngleich auch in einer wesentlich weniger kostenintensiven Version. Wenngleich Orban das von-Clausewitz'sche Gesetz "Krieg ist die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln" quasi als Phrase abtut, so leugnet Er fast dessen Wahrheit, wie den entscheidenden inhaltlichen Zusatz, die Bedingung des Politischen Zwecks. Es hat immer mit der Größe des Politischen Zwecks zu tun, ob man vom rein politischen Modus in den Kriegszustand wechselt. Meist reicht die Existenz der militärischen Option aus, um den friedlichen Verhandlungserfolg zu gewährleisten. Der von Orban thematisierte Krieg, basiert auf einer größenwahnsinnigen & geschichtsvergessenen Fehl-Kalkulation des Westens, Rußland mit dem Ausschluß aus dem SWIFT-System, den meisten Sanktionen weltweit & einem lokalen Krieg in die Knie zwingen zu können. Es erweist sich sogar als Schuß in das eigene Knie. Der globale Süden & Osten sieht sich bei den westlichen Maßnahmen gegen Rußland in einem Boot mit letzterem, sagt nicht nur Orban.

Majestyk

23. August 2024 18:15

@ Laurenz:
Japan wurde eben nicht gezwungen Kolonie zu werden, sondern sich dem Handel zu öffnen und ich kann nicht erkennen, daß jene Öffnung dem gemeinen Japaner geschadet hätte. 
Im Übrigen kann man nur Kolonialmacht werden wo es was zu kolonialisieren gibt und unterm Strich bleibe ich dabei, der europäische Kolonialismus hat dem Rest der Welt mehr genützt als geschadet, die heute lebenden Menschen leiden eh nicht am Kolonialismus vergangener Tage. Nix mit Erbschuld.
Wenn Orban generell so ein Rebell ist, warum macht er dann nicht den Farage? Wo stände denn Ungarn ohne die EU und damit umverteiltem Geld heute?
Und zu den Kindergärten, habt Ihr Konservativen Euch eigentlich noch nie die Frage gestellt was am Prinzip Kindergarten grundsätzlich falsch sein könnte, ob sich das mit Wertetradition und Kinderinteressen überhaupt vereinbaren läßt oder ob nicht auch der Kindergarten und vor allem die Tagesstätte einfach nur ein weiteres politisches Werkzeug ist und ganz anderen Interessen dient?
Ich persönlich finde es generell unverschämt so zu tun als habe der Steuerzahler die Pflicht sich an der Erziehung von Kindern zu beteilige, deren Eltern Erziehungsoutsourcing betreiben wollen. Und mir erzähle keiner dies sei alternativlos.
 

Majestyk

23. August 2024 18:34

@ nietzschikus:
Ich bin zwar nicht Karl Otto, aber wenn ich Sie richtig verstehe ist jeder dumm, der heutzutage kein Diplom im Putinverständnis hat.
Na, dann warten wir mal ab, bis Erdogan besondere Rechte für türkische Mehrheiten im Ruhrgebiet reklamiert, wieviel Verständnis für Minderheiten dann noch bleibt.
Ich würde mal sagen, wer leben will wie ein Russe unter russichen Bedingungen findet in Rußland ein weites Land vor, welches dazu perfekt geeignet ist. Wer in einem anderen Land leben will hat Teil dieses Landes zu werden und sich zu assimilieren. Diesbezüglich habe ich nur einen Maßstab.
Wer war eigentlich zuerst da? Die seperatistische Henne oder das den staatlichen Zusammenhalt beschützende Ei? Und die Beantwortung der Frage hat nichts damit zu tun ob man gewisse westliche Kreise als Mafiosis betrachtet. Rußland hatte nie ein Problem mit der Ukraine so lange dort russische Marionetten walteten. Nur kam die Ukraine so auch kaum vom Fleck. Kaum kam ein anderer Marionettenspieler mit eigenen Puppen gab es Zank. 
Ist die Grenze die sich Rußland mit der NATO teilen muß seit dem Beitritt von Finnland eigentlich größer oder kleiner geworden?
Vielleicht sollte man Putin mal richtig zuhören, der bedauert bis heute nicht die Existenz der UdSSR, sondern deren Zusammenbruch und genau das kommt in den Ohren der Nachbarstaaten an und wird auch nicht dadurch gemildert, daß Tucker Carlson die U-Bahn von Moskau als sauber empfindet. Waren die Straßen von Berlin auch, Sommer 1936. 
 

Le Chasseur

23. August 2024 19:35

"Das Machtzentrum in Europa zu verschieben und die deutsch-französische Achse zu umgehen, ist keine neue Idee, es wurde nur erst durch den Krieg ermöglicht. Die Idee gab es schon vorher, sie ist tatsächlich ein alter polnischer Plan"
Der US-Amerikaner George Friedman hielt 2012 in Polen einen Vortrag vor einem ausgesuchten Publikum, in dem er für das Konzept des Intermarium warb, das Polen mit Hilfe der USA realisieren könne:
“There are nations in Europe that survived simply because they were too much trouble to fight with. Poland must become too much trouble. But Poland must also form a free trade zone with countries who need Polish exports, need to be aligned with Poland, need to be led by Poland—Slovakia, Hungary, Romania, Bulgaria, even Turkey. …There is a moment of leadership here that Poland can undertake—in working with the United States to create a stable environment”
https://youtu.be/ywrjTZrEgF4?feature=shared&t=2866
 

Le Chasseur

23. August 2024 19:44

@Majestyk
"Vielleicht sollte man Putin mal richtig zuhören, der bedauert bis heute nicht die Existenz der UdSSR, sondern deren Zusammenbruch"
Ja, weil durch den Zusammenbruch Instabilität und Konflikte zunahmen. Aber auch wenn Putin den Zusammenbruch der UdSSR bedauert, es gibt keinen Beleg dafür, dass er die Wiedererrichtung der UdSSR anstrebt, obwohl das die Russlandhasser und Kriegstreiber immer wieder behaupten: https://www.nachdenkseiten.de/?p=119700
"Rußland hatte nie ein Problem mit der Ukraine so lange dort russische Marionetten walteten."
Und in den EU-Mitgliedsstaaten walten eben überall amerikanische Marionetten.

Karl Otto

23. August 2024 20:11

@Laurenz: Die USA legitimieren sich durch demokratische Wahlen. Demnächst steht wieder eine davon an, und es ist völlig offen, in welche Richtung sich das Land danach bewegen wird. 
Wo ist der russische Trump? Er wäre längst tot oder im Straflager. Russland ist eben nur ein aufgeblasenes Nordkorea, weiter nichts.

Laurenz

23. August 2024 20:32

@Majestyk @Nietzschikus ... Sie erachten Putin irgendwie als dumm, oder? Die Bezüge Putins zur Sowjetunion basieren rein massenpsychologisch auf den Erfolgen, die man an 3 Fingern abzählen kann. Putin hat mehrfach betont, daß es Ihm bei der Sowjetunion um das territoriale Reich geht & nicht um eine Systemfrage. Das Imperium Americanum beantworte bereits 1861 - 65 dieselbe Frage mit einem brutalen Krieg, als Sezessionisten es wagten, sich als unabhängig zu erklären. 
@Majestyk @L. ... Ihre gesamte Bewertung des Kolonialismus bleibt völlig abwegig, ja absurd. Die Leistungen des Deutschen Kolonialismus in allen Ehren, sie waren überflüssig & haben Deutschland nur gekostet. Niemand in Indochina wollte das Chinesische Joch durch das Französische (ab ca. 1865) ersetzt haben. Die Chinesen wehrten sich bitter auf dem eigenen Territorium (Germans to the Front). Haben den Philippinos die mehr als 1 Mio. Toten als Ergebnis des Philippinisch-Amerikanischen Krieges geschadet, ist die perverse Frage, die Sie stellen. Deutsche fielen millionenfach in 2 Weltkriegen, um die Situation herzustellen, daß sich Kolonien weltweit anschickten, sich von unseren Befreiern, zumindest formal, zu befreien, ganz vorne Indien.

Laurenz

23. August 2024 20:47

@Majestyk @L. ... Sie verstehen weder die Kumulation nicht gewählter Macht unter ideologischen Aspekten in Brüssel, noch den Sinn von bilateralen Beziehungen mit einem nationalen Interessausgleich zwischen 2 Staaten. Britannien kann sich den Exit erlauben, Ungarn, als Binnenstaat weniger. Selbst die Schweiz, auch ein Binnenstaat, sieht sich gezwungen, EU-Regeln zu ratifizieren. Ungarn erringt mehr Macht, wenn es in Brüssel mitbestimmen kann. Und Orban ist politisch wesentlich erfolgreicher als Farage, der die ungedämmte Zuwanderung in Britannien bisher nicht einschränken konnte. Was den Kindergarten, als Nebenthema angeht, so wissen die geschichtsinteressierten SiN-Leser haargenau, wie dieser im Ursprung von Fröbel konzipiert war. Es steht Ihnen frei, sich in Ihrer Kommune politisch zu engagieren, um Wähler zu finden, welche Sie beim Herunterfahren des Gemeindesubventionen für Hort, Kitas & Kindergarten auf 0 mit ihrer Stimme unterstützen.

Le Chasseur

23. August 2024 22:49

@Karl Otto"Die USA legitimieren sich durch demokratische Wahlen. Demnächst steht wieder eine davon an, und es ist völlig offen, in welche Richtung sich das Land danach bewegen wird."
Als Kamala Harris sich 2019 in den Vorwahlen der Democrats als Kandidatin für das Präsidentenamt bewarb, stieg sie früh aus dem Rennen aus, weil sie sehr wenig Unterstützung von den Wählern erhielt. Jetzt wurde sie Präsidentschaftskandidatin, ohne sich überhaupt einer Vorwahl stellen zu müssen, weil der eigentlich von der Parteibasis auserkorene Kandidat, Joe Biden, zum Rückzug gedrängt wurde. Selbst die New York Times nannte das Vorgehen einen "coup"
Biden musste seine erneute Kandidatur aufgeben, weil einige Oligarchen, die einen Präsidenten von den Democrats im Weißen Haus sehen wollten, unruhig wurden
Und Trump könnte auch nicht kandidieren, wenn er nicht die Unterstützung einiger Multimilliardäre hätte. Und so groß, wie immer getan wird, sind die Unterschiede zwischen den Republicans und den Democrats gar nicht
 

Artabanus

23. August 2024 23:22

Eine sehr gute Rede von Herrn Orban, der ein klares Bild der Situation zeichnet.
Für Deutschland stellt sich die geopolitische Situation katastrophal dar. Der eigentliche "Feind" im Osten ist nicht Russland sondern Polen, wie Orban richtig beschreibt. Man mag von Putin halten was man will, für Deutschland war er extrem positiv und die Deutsch-Russischen Beziehungen wurden einseitig durch die BRD- Regierung ruiniert. Das Porzellan, welches durch die aktive und eifrige Beteiligung am Krieg gegen Russland zerschlagen wurde wird wahrscheinlich nie wieder zu kitten sein. Die EU hat durch ihre aktive Kriegspolitik ebenfalls jegliche Existenzberechtigung endgültig verloren. Was bleibt also der BRD noch? Eine trostlose Existenz als tributpflichtiger Vasall ohne jede Souveränität, wirtschaftlicher Abstieg und Verarmung vorprogrammiert und wenn's ganz dick kommt als Schlachtfeld im nächsten Weltkrieg. Egal wie der Krieg ausgeht, Deutschland steht jetzt schon als Verlierer fest.

nietzschikus

23. August 2024 23:31

@Majestyk
Die Aussage Putins, auf die die Propagandisten so gerne abstellen, "der Untergang der Sowjetunion (SU) wäre die größte geopolt. Katastrophe des 20. Jhd.", ist auf allen Ebenen richtig. Er bezieht sich vor allem auf RU, aus Innenansicht. 1), Mio Russen fanden sich nun in neuen Staaten wieder, teils revisionistisch. 2), die Lebenserwartung der Männer fiel auf 58 Jahre. 3), das Land wurde vom Westen komplett geplündert & an Oligarchen, gerne mit Doppelpass, weitergereicht. Totale Willkür & Mafia. Harvard sei dank. 4), Wirtschaftskollaps größer als im 2. WK (in % des BIP betrachtet). 5), Bürgerkrieg in vielen dieser Regionen. 6), anything goes US-Außenpolitik auf einmal, mit Mio. Toten. 7), Afghanistan- & Tschetschenienkrieg geht auf US-Kosten. Ethnische Konflikte auszulösen ist seit langem poln. & amerik. Geheimpolitik (siehe Georgien). Im Übrigen sagte er wenig später: 'diejenigen, die den Kollaps der SU nicht bedauern, haben kein Herz, diejenigen, die ihn bedauern, haben kein Hirn'.

nietzschikus

23. August 2024 23:32

@Majestyk
Finnlandbeitritt egal, weil: 1) 5,5 Mio. Nichtslawen als EW, 2) ohne histor. Bezug, 3) ohne Banderaideologie & 4) Sumpfgrenze statt offener (Panzer-)Steppe ins Zentrum RU. Habe nur einen Bruchteil angedeutet, den man nennen könnte. RU war extrem nachsichtig, auch nach 2014. 
PS: RU sucht weiterhin Nähe zu DE, wissen alle die Ahnung haben.
Finnlandbeitritt egal, weil: 1) 5,5 Mio. Nichtslawen als EW, 2) ohne histor. Bezug, 3) ohne Banderaideologie & 4) Sumpfgrenze statt offener (Panzer-)Steppe ins Zentrum RU. Habe nur einen Bruchteil angedeutet, den man nennen könnte. RU war extrem nachsichtig, auch nach 2014. 
PS: RU sucht weiterhin Nähe zu DE, wissen alle die Ahnung haben.---Zur Ergänzung 2 Links, weil die Webseite die Links bei den Wortzählungen mitzählt und mir sagt, ich wäre über 1500 Zeichen, obwohl ich weit darunter war. Zählart scheint verbuggt zu seinad 3) Link Harvard sei Dank: jboy.chaosnet.org/misc/docs/articles/shleifer.pdfad 7) Link Georgienkrieg https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/untersuchungskommission-georgien-hat-den-krieg-begonnen-1854145.html

Majestyk

23. August 2024 23:40

@  Le Chasseur:
Die Konflikte und den Zusammenbruch verantwortete das System UdSSR, so ist das nach 70 Jahren Mißwirtschaft und wenn die Knute fehlt die viele Völker beisammen hält.
Was Putin will kann man sehen, falls man möchte und Leute nicht danach beurteilt wie sie reden, sondern wie sie handeln. Die Aufrüstung von Separatisten, die Besetzung der Krim und die Annexion der Ostukraine sind mir als Signal eindeutig genug. Ich finde es übrigens erstaunlich, daß die Nachdenkseiten eine Referenzquelle sein sollen. Da kann ich ja gleich Rossija Sewodnja konsumieren.
@ Laurenz:
Der Vergleich mit dem Sezessionskrieg ist hanebüchen. Richtig oder falsch, es war ein Krieg zwischen amerikanischen Staaten. Die Sowjetunion bestand aus Rußland und zur Zarenzeit erobertem Land mit unterworfenen Völkern: Russische Kolonisation
Jene Völker haben 1991 "Nein" gesagt. Und Wladimir I. kann dieses einfache "Nein" nicht akzeptieren und wundert sich ernsthaft, daß die Osteuropäer sich einen anderen Patron gesucht haben. Karl Otto hat schon recht, das ist ein Mafiosi und daran ändert sich auch die Tatsache nichts, daß in Washington oder Brüssel ebenfalls Mafiosis beheimatet sind. 

Laurenz

23. August 2024 23:51

@Karl Otto @L. ... Die USA legitimieren sich durch demokratische Wahlen. ... Der war gut, das glauben Sie doch Selbst nicht. Selbst als Trump wider Erwarten an die Macht über die Kuhtreiber kam, so erleuchten Sie uns SiN-Leser, was sich damit, im Gegensatz zu Obama & Biden veränderte? Genau, nichts. Es war 1996, als der kommunistische Kandidat, Gennadi Sjuganow, vor den Präsidentschaftswahlen Rußlands weit vor Boris Jeltzin lag. Sjuganow verfügte über ein Wahlkampfbudget von 3 Mio. US$. Da kam ganz demokratisch die Clinton-Foundation angetänzelt, schickte ihr Wahlkampfteam nach Moskau mit 500 Mio. US$ in der Kriegskasse, sabotierte direkt den Wahlkampf von Sjuganow, in dem man Hallen, etc. abbestellte. Würden die bösen totalitären Russen das umgekehrt machen, hätten die USA den Russen längst den Krieg erklärt. Für diese Debatte hier fehlt Ihnen schlicht der geo-politische Hintergrund. Sie balancieren sich von einem mega-peinlichen Beitrag in den nächsten. Man könnte meinen, Sie sind Mitglied bei den Grünen.

nietzschikus

23. August 2024 23:52

@ herbstlicht, Überzeugt mich rein strategisch im Falle Schwedens nicht so sehr - außer der Part finnische Quasiallianz (was nicht heißt, dass SWE es nicht dennoch tut, aus Dummheit). Schweden war histor. gesehen Russland gegenüber der expansive Part (siehe Nordischen Kriege), schnitt gerne das Zarenreich vom Ostseehandel ab, damals ohne Schwarzmeerzugang danach isoliert. Nordmeer per Archangelsk war kaum befahrbar, extrem isoliert und ergo teuer. Deswegen immer der Drang Russlands zur Ostsee und zum Schwarzen Meer. Letzteres führte dann immer zu den Kriegen um die Grenzlande (daher der Name Ukraine), entweder mit den Schweden, Polen-Litauen, im Schwarzen Meer mit den den Osmanen und den Teilreichen des Mongolenreiches (Khanate). Nur ist es lachhaft, wenn Schweden meint, von RU würde für sie Gefahr ausgehen. Das wäre mehr Schizo als die Polen, die immerhin plausiblere Gründe haben, die dennoch falsch sind.
Nur was wollen bitte die Dänen? Die Norweger? Gut, letztere wollen ihr Gas loswerden, aber deswegen so etwas? Sind die Norweger so auf die letzten Zins-% aus, auch wenn es Hunderttausende das Leben kostet? Was ist da nur los?Aber danke für die qualitative Antwort. Bei RU und der West-UKR ist es klar.

Karl Otto

24. August 2024 09:31

@Laurez: Wo ist der russische Trump? Entweder kommt er bei einem "Unfall" um wie Prigoschon, oder er wird im Lager langsam getötet wie Nawalny. 
Was für ein Drecksland.

RMH

24. August 2024 09:59

Die Diskussion leidet einmal mehr darunter, dass sie in die ewige Dauerschleife USA-RUS & welches Schweinderl davon hätte sie als D. denn gerne, endet. Dabei ist das einzeige, was klar ist, dass wir das Schwein sind, welches von beiden geschlachtet wird. Man sieht sich, owohl das Land zu einem fast deindustrialisierten Bürokraten & Beamtenmoloch mit hohem Anteil von Messerstechern unter den nicht einhegbaren Menschengeschenken wurde, immer noch auf Augenhöhe, "Partner" von wem? Natürlich von einen der beiden großen Brüder (darunter gehts ja nicht, Polen, Franzosen "hassen" ja angeblich D.) & da hat man dann eben seine Druschba Präferenz, wenn man Ossi ist, oder Land of the Free- Präferenz bei den Come to Marlboror-Country Sozialisierten. Faktisch alles überholt. Solange Deutschland noch blechen kann, wahren die EU-"Partner" zumindest vordergründig noch die Fassade. Am Ende hat D schlicht fertig. Industrie, die weg ist, ist weg & dann braucht man auch kein russisches Gas mehr bzw. sind wir dann Kunde unter ferner liefern, weshalb RUS eben kein Interesse an D mehr hat, außerhalb des Einspannens als nützlicher Idiot für eigene Interessen. Orban drückt das alles, sehr diplomatisch, eigentlich aus. D hat fertig, jede Diskussion um eine RUS-Anbindung ist überflüssig. Die Erbmasse ist verschachert & verprasst. D muss über Jahre hinweg als Braut erst wieder hübsch werden. Augiasstall du bist voll, aber kein Herkules ist da (& kommt auch nicht bzw. ist der Stall für eine Herkules zu voll).

Le Chasseur

24. August 2024 10:00

@Majestyk"Was Putin will kann man sehen, falls man möchte und Leute nicht danach beurteilt wie sie reden, sondern wie sie handeln. Die Aufrüstung von Separatisten, die Besetzung der Krim und die Annexion der Ostukraine sind mir als Signal eindeutig genug."
Wenn Putin die Wiederherstellung der UdSSR anstrebt, dann frage ich mich nur, warum er nach dem 2014 vom CIA orchestrierten Putsch in der Ukraine jahrelang zugesehen hat, wie die Ukraine vom Westen hochgerüstet wurde, anstatt gleich einzumarschieren.

RMH

24. August 2024 10:11

@nietzschikus,
bereisen Sie Skandinavien, besuchen Sie bspw. einmal die Grablege der dänischen Könige im Dom zu Roskilde, fahren sie rund um die Ostsee und dann wird klar, warum wer welche Interessen hat und warum es völlig unabhängig von jeder transatlantischen Bindung klar ist, weshalb diese Länder Russland nicht als Freund ansehen. Das hat dort nichts mit "Umerziehung", Niederlage oder sonstwas zu tun, diese Länder kennen eben ihre Interessen. 

Laurenz

24. August 2024 11:54

@Karl Otto @L. ...  Entweder kommt er bei einem "Unfall" um wie Prigoschon, oder er wird im Lager langsam getötet wie Nawalny. ... Soso, Karl Otto, ein Drecksland. In der sauberen, lupenreinen Demokratie & Republik nach Römischem Vorbild, USA, bringt man gleich den Präsidenten um. Abraham Lincoln, James A. Garfield, William McKinley & John F.Kennedy, also fast jeder 10te. Mordversuche an Andrew Jackson, Theodore Roosevelt, Franklin D. Roosevelt, Harry S. Truman, Richard Nixon, Gerald Ford, Jimmy Carter, Ronald Reagan, George Bush, Bill Clinton, George W. Bush, Barack Obama & Donald Trump. Und Sie blenden völlig die Präsidentschaftskandidaten aus. Robert F. Kennedy, George C. Wallace. Jaja, unser Grüner Karl Otto.

Laurenz

24. August 2024 12:09

@RMH ... Am Ende hat D schlicht fertig. ... Das muß so sein, sonst gäbe es keinen Grund, etwas zu ändern.
@RMH @Nietzschikus ... Sie behaupten, die Freund-Feind-Sozialisierung sei obsolet geworden. Falsch, das war sie schon immer. Befreundete Staaten ist ein Terminus aus dem Polit-Theater. Was man verifizieren kann, ist die Zuverlässigkeit als Handelspartner. Die Sowjetunion, wie auch Rußland, waren als solcher vergleichsweise extrem zuverlässig. Rußland ist das selbst gegenüber der Ukraine, die es immer noch mit Gas beliefert. Unsere US Amerikanischen Freunde sind alles andere als zuverlässig. Die blasen nicht zum ersten Mal unsere Infrastruktur in die Luft. Warten Sie einfach ab, bis unsere neuen NATO-Freunde einen US Stützpunkt auf ihrem Territorium erhalten & die Amis als erste Amtshandlung, wie üblich, einen Puff aufmachen, der natürlich durch Einheimische gespeist werden muß. Hiermit hat Henry Kissinger allen amerikanophilen RMHs geantwortet. "Amerika hat keine dauerhaften Freunde oder Feinde, nur Interessen“ oder "Ein Feind Amerikas zu sein, kann gefährlich sein, aber ein Freund zu sein, ist fatal." Und das hatte Kissinger nicht erst kurz vor seinem Tod geäußert.

RMH

24. August 2024 12:16

"Wenn Putin die Wiederherstellung der UdSSR anstrebt, dann frage ich mich nur, warum er nach dem 2014 vom CIA orchestrierten Putsch in der Ukraine jahrelang zugesehen hat, wie die Ukraine vom Westen hochgerüstet wurde, anstatt gleich einzumarschieren." Das ist falsch, Putin hat sofort auf den "Maidan", der im im Herbst 2013/ Febr. 2014 stattgefunden hat, reagiert & die grünen Männchen bereits 03/2014 auf die Krim geschickt. Ferner hat er im Donbass mit militärischen Kräften interveniert & so überhaupt dafür gesorgt, dass es dort noch separatistische Republiken im Jahr 2022 gab. Damit hat er gezeigt, was alles möglich ist, wenn in der Ukraine es nicht nach seinem Willen geht. Als Schachspieler hat er erst einmal ein paar Figuren vom Brett genommen, statt das gesamte Brett frei zu fegen, mehr war damals wohl auch nicht drin & nötig. Die Aufrüstung der Ukraine fand auch nicht ohne Wiedererstarken der russ. Kräfte statt. Im Februar 2022 rechnete Putin auch nicht damit, dass es zu einem derartigen Krieg kommt, er hat sich verzockt. Das gesamte Gerede vom friedlichen Russland ist nichts anderes, als die Wiedergabe russischer Propaganda. Ändert natürlich nichts daran, dass der sog. Westen sein eigenes Spiel spielte, nur D. war vor dieser erkennbaren Ausgangslage so blöde, auf russiches Gas als Energiebrücke der "Transformation" zu setzten. So wie Merkel einst sagte "jetzt sind sie eben da", kann man zur dt. Industrie jetzt sagen "jetzt ist sie eben weg". Schuld an allem haben die Admins. unter der Kanzlerin Merkel, fortgesetzt von Scholz.

Valjean72

24. August 2024 12:21

Was Orban nicht thematisiert aber sicherlich weiß ist, dass der heutige Zustand in den westlichen Staaten, in etablierter Politik und staatstragenden Medien nicht aus sich selbst erwachsen ist, sondern gezielt angeschoben wurde.
 
Die überwältigende Mehrheit der Engländer, Franzosen, Niederländer und auch Deutschen wünscht keine Überwindung ihres Nationalstaates.
 
Und gerade an den bundesdeutschen Regierungen der letzten 10 Jahre wird deutlich, dass die herrschende politische (und polit-mediale) Kaste krass wider die Interessen des eigenen Volkes handelt. Weshalb?

Ptolemaios

24. August 2024 12:45

Wie paßt diese Rede in Orbans Gesamtkonzept für eine Außenpolitik? Sein Außenminister stellt sich gegen Maduro in Venezuela, einem engen Verbündeten Rußlands und unterstützt die amerikanische Marionette Machado. Steht er vielleicht nur für eine Gruppe amerikanischer Oligarchen, die den Untergang der Ukraine längst einkalkuliert haben? Hat nicht Krah schon davor gewarnt, allzu große Hoffnungen in ihn zu setzen? 

Majestyk

24. August 2024 14:15

@ Le Chasseur:
2014 war Rußland nebst Verbündeten noch nicht stark genug, bzw. der Westen noch nicht genug geschwächt. Erst die Pandemiesimulation schuf das Momentum,.
Sie sagen ab 2014 sei die Ukraine hochgerüstet worden. Wenn man mal die andere Perspektive einnimmt, war es denn falsch und völlig unberechtigt? 2014 putschte die CIA, aber versuchte Rußland die Wahl von 2004 nicht zu seinen Gunsten zu manipulieren? Ist nicht die Ukraine ein Viertel um das gerade Gangsterbanden kämpfen? Wenn CIA und MI6 nichts taugen, ist der KGB/FSB denn anders?
Ich will mitnichten gegen Rußland in den Krieg ziehen, nur lasse ich mir nicht einreden mein Lebensraum sei generell Murks, wohingegen ich der Ansicht bin, daß Trotzkisten den kontinuierlich auf links gezogen haben. Mir in Grenznähe sind die Belgier und Niederländer zudem näher als die Russen. Ich bin Rheinländer, mein Fluß mündet in die Nordsee, nicht ins Schwarze Meer.
Das eigentliche Thema ist Orban und ich finde es bemerkenswert, wenn jener von LGBTQ als Putins wichtigster Waffe spricht, aber kaum einer auf die Idee kommt, daß LGBTQ und so manches andere tatsächlich Zersetzungmethoden sein könnten.
Man ist im "oppostionellen Milieu" derart damit beschäftigt aufgrund historischer Ereignisse Amerikaner oder Briten als Gegner zu betrachten, daß keiner bemerkt, daß nicht nur Deutschland unter Beschuß genommen wurde. Aber zum Glück steht das Narrativ: Der Westen hat den Kalten Krieg gewonnen.

Karl Otto

24. August 2024 14:57

Laurenz, wie viele Zaren hat man denn in Russland ermordet? Sicher mehr als amerikanische Präsidenten. 
Schau dir mal dieses Video an:  https://www.youtube.com/watch?v=GdYAYgbf5Uc&list=PLEyPgwIPkHo7oGGY1h_9iAcWeehf0lTIL
Da sieht man, wer alles um jeden Preis in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten will. Nicht nur Mexikaner und Latinos, sondern auch Inder, Chinesen und immer mehr Russen. Offenbar ist ein Leben in den USA wesentlich attraktiver als in China oder Russland. Das spricht eigentlich für sich. Weche Kultur im Weltmaßstab die attrktivere ist, ist eigentlich nicht zu übershen.  Die meisten ethischen Russen in den baltischen Ländern sind ja auch dort geblieben, als diese der EU und der Nato beitraten.

Majestyk

24. August 2024 15:07

@ nietzschikus:
Sie müssen mir nicht die Ansichten Putins runterbeten, er hat seine Sicht, andere haben eine andere, auch wenn man dann aus Sicht der Eingeweihten keine Ahnung hat. 
Fragen Sie sich lieber wie die ganzen Russen in die anderen "Republiken" gekommen sind. Dafür können diese Menschen natürlich nichts, die Balten, Osteuropäer und die anderen Abtrünnigen aber auch nicht. Nur sieht jeder der es sehen will, wie Moskau eben jene Auslandsrussen instrumentalisiert.
Wenn Rußland im Recht war die Ukraine anzugreifen aus historischen Ansprüchen oder wegen drangsalierter Russen, dann hatte 1939 auch das Deutsche Reich recht, sogar noch weitaus mehr, denn immerhin waren die Deutschen in Polen oder der Tschechei gegen ihren Willen oder unter dessen Mißachtung anderen Staaten zugeschlagen worden. 1991 wurden die Menschen in der Ukraine gefragt ob sie eine unabhängige Ukraine wollen und auch die russische Minderheit befürwortete mehrheitlich die Unabhängigkeit. 
Wenn man eine solche Entscheidung trifft sollte klar sein wem die Loyalität zu gelten hat. Viele Russen im Ausland verhalten sich aber nicht anders als die Türken hierzulande, die Erdogan als ihren Präsidenten betrachten, obwohl bereits ihre Eltern in Deutschland geboren wurden. 
Die Frage nach der Henne und dem Ei beantwortet dann ein jeder je nach Trikot oder Fanschal. Die Wahrheit dürfte grau sein und nicht schwarz oder weiß.

Carsten Lucke

24. August 2024 15:46

@ RMH 09:59
Absolute Zustimmung ! Das Bild mit der Braut - genial !
Wir sehen aus wie Renate Künast - da kann nur Gott helfen. (Aber mit dem haben wir's uns ja auch längst versaut.)
P.s.: Zum Film "Der lange Anlauf" hätte ich gern was gesagt, doch der "Link" hierzu funktioniert nicht ! Schade.

FraAimerich

24. August 2024 17:45

@RMH  -  Sie könnten der beklagten Dauerschleife ja selbst mal einen neuen Impuls verleihen, statt seit Jahren immer wieder nur jeden, der aus geopolitischen Gründen oder persönlichen Präferenzen gegen die Heuchelei und Propagandaphrasen des Westens Stellung bezieht, naive Andienerei zu unterstellen und als "nützlichen Idioten Putins" zu charakterisieren.
Der Westen wird brechen - und gerade weil mit Deutschland niemand was zu tun haben will, vor allem, wenn es kein Geld mehr hat und allenfalls noch als Raketenbasis und logistisches Drehkreuz interessant sein wird, kann und muß man darüber nachdenken, womit und bei wem man sich künftig anheischig machen bzw. um wessen Gas man betteln will. "Der Junge auf dem weißen Pferd, der kommt nicht mehr" - um auch mal was vom in Urtagen ja ganz unterhaltsamen MMW zu zitieren.
 

Ruediger Plantiko

24. August 2024 18:52

Orbán unterscheidet "den Westen" - womit er die USA und ihr nibelungentreues Gefolge meint, insbesondere FR und DE - von "Mitteleuropa", wozu er Ungarn und andere Visegrád-Staaten rechnet, mit Ausnahme Polens, das (zumindest verbal) in das Lager des "Westens" gewechselt sei. "Der Westen" sei dadurch gekennzeichnet, daß er das Konzept des Nationalstaats gezielt zu zerstören trachte und an dessen Stelle eine bloße Bekenntnisgemeinschaft zum Kanon der sog. westlichen Werte setze.
Diese westlichen Werte selbst waren ursrprünglich einmal Abwehrrechte ohne einen positiven Kern: man soll nicht umgebracht oder krank gemacht werden (Recht auf Leben), soll nicht frühmorgens vom SEK abgeholt werden, wenn man seine Meinung sagt oder demonstriert (Freiheitsrechte), und niemand soll einem wegnehmen dürfen, was einem gehört (Eigentum). Wer aber heute von der ehrenwerten westlichen Wertegemeinschaft akzeptiert werden will, von dem wird immer aggressiver die Anerkennung des "Rechts" auf Kindsmord, Selbstmord und Unzucht verlangt (Abtreibung, Euthanasie und LGBTQ).
Orbán resümiert ohne Bitternis: gut, dann scheiden sich eben unsere Wege. Ein solches Deutschland und ein solches Frankreich kann uns gestohlen bleiben. Wir gehen einen anderen Weg, den Weg Mitteleuropas. Wir Mitteleuropäer anerkennen weiterhin die Wirklichkeit von Völkern und das Konzept des Nationalstaats als wichtigste Grundlage für das Blühen und Gedeihen unserer Gesellschaften. Wir anerkennen, daß es Höheres gibt als uns selbst.

Liselotte

24. August 2024 19:26

(1/2)
Diese Rede sollte man aufbewahren und jedes halbe Jahr mal wieder durchlesen. Es ist die beste und genaueste Zustandsbeschreibung der (mittel-)europäischen politischen Situation derzeit. In seiner Beschreibung der Interessen der europäischen Nationen tritt Orban ein Stück weit in die Fußstapfen De Gaulles; die Wahrnehmung des Westens als "postnationalistisch" bringt zumindest ein Label, unter dem man weiter darüber nachdenken kann.
Der Westen betrachtet sich traditionell als universalistisch; seine Exportgüter wurden die letzten Jahrzehnte als Demokratie und Menschenrechte bezeichnet, heute eher LGBT+-Rechte und feministische Außenpolitik, irgendwann davor schrieb man sich auch die Abschaffung der Sklaverei auf die Fahnen, heute eher Klima- und Seuchenpanik.

Liselotte

24. August 2024 19:28

(2/2)
Gegenüber diesem Selbstbild wirken die anderen Weltgegenden altbacken, weil in Details gestriger Fragestellungen vertieft.Dabei wurde nie davor zurückgeschreckt, die eigenen Interessen zu wahren, etwa der Opiumkrieg, der aus dem Mangel an Silber zur Bezahlung chinesischer Waren rührte, wofür man dann den Chinesen stattdessen Opium aufzwang.Der Ukrainekrieg, der, wie ich fürchte, noch viele Jahre dauern wird, ist ein Versuch, aus Rußland ein ähnliches Schotterfeld wie aus Jugoslawien zu machen, und Europa die Lieferanten vorzuschreiben.Noch ist Europa nicht vollständig auf Krieg mit Rußland gebürstet, aber das kann noch kommen.Gleichzeitig läuft die Selbstschwächung des Westens durch Klima- und Seuchenwahn, Immigration von immer mehr Muslimen, wuchernde Bürokratie und zunehmend unzuverlässige, wenn nicht gar wegbrechende, Infrastruktur.

ede

24. August 2024 19:41

Wann kann man denn einen amtierenden europäischen Staatschef hören, der grundsätzlich die europäische Lage erörtert ohne nichtssagende Phrasen abzusondern?
Genau das hat Orban doch mit seiner öffentlichen Rede in Rumänien getan! Eigentlich schon eine Sensation, und die Sezession hat es veröffentlicht. 
Das ist großartig. Da würde ich Zustimmung oder Widerspruch zu seinen Ausführungen im Detail erwarten, aber kein allgemeines Nörgeln über die Lage, wie Orban sie m.E. völlig zutreffend beschrieben hat. 

Ptolemaios

24. August 2024 20:14

@RMH: Der deutsche Fehler lag nicht darin, billiges russisches Gas zu importieren, er lag darin zu glauben, die Seemächte würden das so einfach akzeptieren und das Gas auch noch durch eine Pipeline zu pumpen, die von den Seemächten so einfach zerstört werden konnte. 

Liselotte

24. August 2024 21:14

@Ptolemaios, @Plantiko: das ist eben die schwierige, in der Luft hängende Frage, wie kommt man aus dieser Gemengelage zu einer für die Europäer gedeihlichen Lage.

dojon86

24. August 2024 21:18

Wie auch immer, selbst in der Übersetzung sind Orbanreden erhellend und gleichzeitig ein Genuss. Man stelle ihnen eine Merkelrede gegenüber, deren einziger Inhalt darin bestand, keinen zu haben.

RMH

24. August 2024 22:36

@Ptolemaios,
eine kluge Regierung eines durch den gewollten (!) Kohleausstieg plötzlich an einem wesentlichen Energieträger ärmer werdenden, im übrigen aber grundsätzlich rohstoffarmen, Landes setzt nicht so viel auf nur 1 Lieferanten, insbesondere, wenn die Zeichen bereits sich zeigen, dass das nicht gut gehen muss/kann. Dazu dann noch ein übereilter Atomaustieg. Der Rest kann als bekannt vorausgesetzt werden. Fakt ist, dass der Ausstieg aus dem Gas aktuelle so konsequent betrieben wird, auch, was die Zerstörung der Gas-Infrastruktur angeht (die Leitungen werden aus der Erde gerissen), dass wir kein Interessanter Kunde für RUS mehr sind. Zudem wird das Land deindustrialisiert - Polen ist bei der deutschen Industrie als neuer Standort sehr beliebt. Wir hingegen sind nur noch "attraktiv", wenn Milliarden an Subventionen fließen.
 

RMH

24. August 2024 22:47

@FraAimerich,
tun sie doch nicht so, als ob bei vielen, die sich nach "Alternativen" umsehen, Hoffnungen mitschwingen oder Verbesserungen durch Wechsel der Seiten gepredigt werden, die unbegründet oder besser reines Wunschdenken sind. Kritik am Westen ist hier eine Dauerschleife unter Leuten, die sie ohnehin schon zur Genüge gehört haben (auch aus dem Land selbst, dem die Kritik gilt). Jeder hat den Antiamerikanismus seit den 60er Jahren doch fortlaufend gepredigt bekommen (ja, gerade auch in der BähErDäh. Dass die Amis gänzlich blöde & kulturelle Tiefflieger sind & fies zu Indianern & Schwarzen sind, war Grundton meiner Lehrer auf dem Gymnasium. Daher war bspw. das "Pro USA" ja auch gerade so politisch unkorrekt, als pi sich gegen den "Mainstream" gründet hatte, was nicht heißen soll, dass pi damals richtig lag, es reflektierte damit nur eine zutreffende Stimmung im Land) & das ist doch der Punkt, wo sich Altlinke & 68er mit den Rechten treffen. Das Ganze wird am Ende selbstreferenziell ohne dass sich irgendetwas ändert - wen will man mit diesem schwarzen Peter Spiel noch gewinnen oder gar von irgendetwas überzeugen? Entweder Deutschland zieht sich wie Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Sumpf oder es geht unter. Es kommt in der Tat kein weißer Ritter.

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