Im Bild ist eine Deutschlandfahne, ein blaues Herz und der Spruch „3, 2, 1 lasst den hate beginnen“ eingeblendet. Celine weiß offensichtlich, daß ihr Bekenntnis zur einzigen Oppositionspartei durchaus zu Anfeindungen führen kann.
Doch statt „hate“ erntet Celine größtenteils Zustimmung: „gutes mädchen“, „sympathisch“ und „supi, weiter so“ lauten drei der 2.000 Kommentare. Mit über 120.000 Aufrufen ist das AfD-Video ihr mit Abstand erfolgreichstes TikTok. Und Celine hat schon an die hundert Tanzvideos veröffentlicht.
Celine ist nicht allein: Tausende Frauen bekennen sich in TikTok-Videos zur AfD. Ist das nur ein vorübergehendes Phänomen oder stehen wir vor einem metapolitischen Kippunkt?
Auf TikTok finden sich mittlerweile fast 6.000 Videos, die mit der Melodie von Gigi d’Agostinos Hit Bla bla bla und dem Refrain „Deutschland braucht die AfD“ unterlegt sind. Die meisten Videos zeigen Teenagerinnen bis hin zu Frauen in den Mittvierzigern. Die meisten zeigen viel Haut und sind tätowiert. Manche der TikTokerinnen drehen schon länger patriotische Videos. Andere sind offensichtlich erst durch den Trend „Deutschland braucht die AfD“ auf die Idee gekommen, ihre politische Meinung auf TikTok kundzutun.
Für fast alle Accounts gilt: Die AfD-Videos werden enthusiastisch kommentiert, erreichen im Vergleich zu anderen Videos exorbitant hohe Aufrufzahlen. Man könnte sagen: Nicht Sex sells – Afd sells. Dieses Phänomen hat die Universität Potsdam in einer kürzlich veröffentlichten Studie thematisiert: Demnach war die AfD vor den ostdeutschen Landtagswahlen bei Erstwählern doppelt so erfolgreich wie alle anderen Parteien zusammen. Und das, obwohl SPD, Grüne und Linke mit ihren offiziellen Accounts jeweils gleich viele oder sogar mehr Videos hochgeladen hatten als der offizielle AfD-Account. Ein Potsdamer Professor behauptet deshalb, der TikTok-Algorithmus würde die Altparteien „massiv“ diskriminieren.
Doch das Gegenteil ist der Fall: Die EU nimmt mißliebige Meinungen mit dem Gesetz über digitale Dienste aufs Korn. Diese EU-Verordnung, die zwar von TikTok, nicht aber von der Musk-Plattform X anerkannt wird, verlangt ein Vorgehen gegen „schädliche Handlungen“ und „Falschinformationen“. Drei Monate vor der EU-Wahl schränkte das chinesische Unternehmen TikTok die Reichweite des AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah wegen angeblicher Verstöße gegen die Richtlinien massiv ein. Trotz der Torpedierung von Krahs Wahlkampfs auf TikTok behaupteten transatlantische Bundestagsabgeordnete, die App sei ein „Instrument der hybriden Kriegsführung Chinas“.
Wer regelmäßig Videos auf TikTok hochlädt, sollte gegen solche Verschwörungstheorien immun sein. Nicht die sinistren Pläne von KPCh-Kadern entscheiden über den Erfolg eines Videos, sondern das eiserne Gesetz der Aufmerksamkeitsökonomie. Schaut ein Nutzer beharrlich Videos mit grünen Inhalten? Dann schlägt ihm der Algorithmus Ricarda Lang vor. Interagiert ein Nutzer hingegen mit AfD-Inhalten, gibt es auf der For You Page regelmäßig Content mit Weidel, Chrupallah, Höcke oder Krah. Und neuerdings eben auch leicht bekleidete Frauen, die zu „Deutschland braucht die AfD“ tanzen. Die Kommentarspalten der AfD-Tanzvideos werden immer wieder von blauen Herzen geflutet: Der Algorithmus gibt den Leuten, was sie wollen. Nicht das, was die Leute nach der Meinung von Potsdamer Professoren und Altparteienpolitikern sehen sollten.
Bei der Beurteilung der tanzenden AfD-Frauen gehen die Meinungen innerhalb der Rechten weit auseinander: Martin Sellner betont, dass die jungen Frauen für „Attraktivität, Normalität & Erfolg“ stehen. Bald könnte es nach zu einem metapolitischen Kipppunkt nach Malcom Gladwell kommen. Ein Nutzer schreibt auf X, die Frauen hätten „allesamt nix in der Birne“. Für einen anderen Nutzer ist der gesamte Trend einfach nur „peinlich“. Als Kritiker dieses TikTok-Trends bleibt nur die Hoffnung auf ein Verbot der chinesischen App. Denn ein Ende derartiger Trends ist angesichts der enormen Nachfrage langfristig nicht in Sicht.
Majestyk
Niveauverlust bedeutet Niveauverlust, gleich wer diesen offen zur Schau trägt. Im Übrigen lehne ich jede jede Form von Parteiglorifizierung und Parteihörigkeit ab. Wenn nicht differnziertes Denken einfach nur die Richtung wechselt, weiß ich nicht worin die gute Nachricht bestehen soll. Soziale Netzwerke und deren Einfluß auf Wahrnehmung und Denkvermögen sind Teil des Problems, nicht Teil der Lösung.
Die AfD braucht Deutschland mehr als umgekehrt. Was Deutschland benötigen würde ist ein Ende der Parteienherrschaft, deutlich weniger Staat und deutlich mehr freien Markt sowie Leistungsentlohnung und damit ein Ende der demokratischen Sklavenmentalität. Die Ideologieprojekte erledigen sich dann von ganz allein.