Halbmondsüchtig. Bemerkungen zur Islamophilie

von Sophie Liebnitz -- PDF der Druckfassung aus Sezession 119/ April 2024

»Muß man nicht end­lich dar­über spre­chen, daß die Gewalt doch etwas mit dem Islam zu tun hat, ohne des­we­gen alle Mus­li­me unter Gene­ral­ver­dacht zu stel­len?« (1)

Die Fra­ge weist auf eine Debat­te, die sich seit Jah­ren hilf­los im Kreis dreht: 2015, nach dem Atten­tat auf Char­lie Heb­do, for­der­te der Focus eben­das. Schon in den neun­zi­ger Jah­ren rief Bassam Tibi, sekun­diert von libe­ra­len Stern­gu­ckern in der Zeit, nach einem »Euro-Islam«, einem Kon­zept, des­sen Schei­tern er mitt­ler­wei­le ein­ge­ste­hen muß­te. Auch der For­de­rungs­ka­ta­log, den Thi­lo Sar­ra­zin 2018 in sei­nem Buch Feind­li­che Über­nah­me auf­stell­te, mutet fünf Jah­re und unge­zähl­te, offen­bar reli­gi­ös moti­vier­te Angrif­fe und Atten­ta­te spä­ter obso­let an.

Die Tren­nung von Reli­gi­on und Staat, die Pri­va­ti­sie­rung des Glau­bens nach einem pro­tes­tan­tisch inspi­rier­ten Mus­ter, die »Auf­ga­be der Kon­zep­te von Dschi­had und Scha­ria« (Tibi nach Sar­ra­zin) kann man natür­lich ver­lan­gen, so oft man möch­te. All dies lie­fe aber auf die Ent­ker­nung einer kom­plet­ten Reli­gi­on hin­aus, die offen­sicht­lich auf der­glei­chen nicht ange­legt ist. Ange­sichts der demo­gra­phi­schen Ver­hält­nis­se und der voll­kom­me­nen Rea­li­täts­blind­heit der deut­schen Poli­tik, die Druck aus­schließ­lich auf die nicht­mus­li­mi­sche, schon län­ger hier leben­de Bevöl­ke­rung aus­übt, gibt es für Mus­li­me auch kei­ner­lei Grund, sich die­se For­de­run­gen zu eigen zu machen.

Zu den vie­len Absur­di­tä­ten des öffent­li­chen und aka­de­mi­schen Dis­kur­ses gehört die regel­mä­ßi­ge Unter­stel­lung, Deutsch­land, Euro­pa, die »abend­län­di­sche Kul­tur« etc. pp. sei »isla­mo­phob«, also von einer tief­ver­wur­zel­ten und anhal­ten­den Abnei­gung gegen die Reli­gi­on des Pro­phe­ten beseelt. Der Vor­wurf einer »Pho­bie« stellt eine etwa­ige Abnei­gung etwa mit der Reak­ti­on auf das Auf­tau­chen einer Vogel­spin­ne gleich – eine unwill­kür­li­che, vis­ze­ra­le Reak­ti­on, bei der der Ver­stand / die Ratio aus­ge­schal­tet ist. Nicht zufäl­lig steht er dem Kne­bel­kon­zept des »Hate speech« oder der Haß­re­de nahe, über das ein Gesin­nungs­straf­recht durch die Hin­ter­tür eta­bliert wer­den soll.

Nun kann es erlern­te kul­tu­rel­le Abnei­gun­gen geben, die funk­tio­nie­ren wie ein Reflex. Euro­päi­sche Reak­tio­nen auf den Islam zäh­len his­to­risch aber sicher nicht dazu. In kei­ner Kul­tur kann es etwas wie eine »objek­ti­ve« Betrach­tung und Bewer­tung von Fremd­kul­tu­ren geben, und soweit ich sehe, hat über­haupt nur die west­li­che Kul­tur in Form von His­to­ri­sie­rung und Ver­wis­sen­schaft­li­chung ver­sucht, etwas Der­ar­ti­ges zu errei­chen. Schon gar nicht kann es eine objek­ti­ve Beur­tei­lung einer die eige­ne Kul­tur tan­gie­ren­den und über wei­te Stre­cken als Bedro­hung in Erschei­nung tre­ten­den Kul­tur geben.

Vor die­sem Hin­ter­grund offen­bart selbst ein kur­so­ri­scher Blick in die Kul­tur­ge­schich­te ein Ver­hält­nis von Anzie­hung und Absto­ßung, das in erstaun­lich vie­len Kon­stel­la­tio­nen (über­gro­ße) Sym­pa­thie erken­nen läßt. »Der Ara­ber – das war der ›Phi­lo­soph‹, der tap­fe­re und groß­mü­ti­ge Gegen­spie­ler der Hel­den in den Rit­ter­epen, der Magi­er, der die Geheim­nis­se der Natur kann­te, der die nächt­li­chen Ster­ne befrag­te und auf die­se Wei­se kör­per­li­che Gebre­chen hei­len konn­te; er war ein klu­ger Kauf­mann und han­del­te mit Waren, die in ganz Euro­pa begehrt und geschätzt waren« (2), so der ita­lie­ni­sche His­to­ri­ker Fran­co Car­di­ni in sei­ner Geschich­te des Ver­hält­nis­ses zwi­schen Euro­pa und dem Islam. »Unter den Gelehr­ten der Früh­scho­las­tik« sei es fer­ner Usus gewe­sen, »die Ara­ber als phi­lo­so­phi par excel­lence« zu betrachten.

Ori­ent­mo­de gab es dar­über hin­aus schon im Mit­tel­al­ter, nicht nur mit der frü­hen Sti­li­sie­rung Sala­dins zum edlen Kämp­fer. »Die Sara­ze­nen­krie­ger von Lucera, die im Dienst der Ita­li­en-Herr­scher Fried­rich und Man­fred stan­den, hat­ten eine Mode mit­ge­bracht, nach deren ›mau­ri­scher Art‹ beson­ders die Ghi­bel­li­nen ihre Krie­ger geklei­det hat­ten.« (3)

Die­ses Bild scheint sich im Spät­mit­tel­al­ter und der frü­hen Neu­zeit zu ver­dun­keln (in eben­je­ner Zeit, die Jean Delu­meau in Die Angst im Abend­land als kri­ti­sche Pha­se beschrieb). Inter­es­san­ter­wei­se führt Car­di­ni dies auf eine Ver­schie­bung inner­halb der euro­päi­schen Kul­tur selbst zurück: Es hand­le sich dabei um eine Absetz­be­we­gung von der Scho­las­tik, in deren Welt die Ara­ber auf­grund ihrer bekann­ten Quel­len­ver­mitt­lung einen hohen Platz ein­ge­nom­men hät­ten, »einer Welt, die jetzt ihre Brü­chig­keit und ihren illu­sio­nä­ren Cha­rak­ter enthüllte«.

Die­se Wen­dung blieb tem­po­rär, denn auch danach hielt sich das Bild vom groß­mü­ti­gen mus­li­mi­schen Kämp­fer an für die euro­päi­schen Lite­ra­tu­ren zen­tra­ler Stel­le, unter ande­rem in Ariosts wirk­mäch­ti­gem Orlan­do Furio­so, qua­si dem Herrn der Rin­ge der Renais­sance. Man muß aller­dings hin­zu­fü­gen, daß das dort vom Islam ver­mit­tel­te Bild phan­tas­tisch-kuri­os und von kei­ner­lei Sach­kennt­nis getrübt ist – so ver­eh­ren die Mus­li­me bei Ariost eine merk­wür­di­ge Form der Trinität.

Es ist hier aus Platz­grün­den unmög­lich, auf die wei­te­re Geschich­te der euro­päi­schen Isla­mo­phi­lie – denn dar­um han­delt es sich bei die­ser Fas­zi­na­ti­on für eine aggres­siv-expan­si­ve his­to­ri­sche Kon­kur­renz­kul­tur – ein­zu­ge­hen, die sich (wie es bei jeder Kul­tur­be­geg­nung der his­to­ri­sche Nor­mal­fall sein dürf­te) teils auch aus ganz prag­ma­ti­schen Moti­ven speist; so ist die höfi­sche Tür­ken­mo­de, wie man sie anhand der »Tür­cki­schen Cam­mer« in Dres­den stu­die­ren kann, offen­bar auch durch die Freu­de abso­lu­tis­ti­scher Herr­scher an einer aus ihrer Sicht noch unbe­schränk­te­ren Herr­schafts­form moti­viert. Fol­gen­rei­cher ist aller­dings der Gebrauch, den bekannt­lich auf­klä­re­ri­sche Autoren von der ver­meint­li­chen Tole­ranz des Islam machen; er wird bei ihnen zu einer Waf­fe gegen das Chris­ten­tum umfunktioniert.

Das gilt, wie Sieg­fried Kohl­ham­mer in sei­nem außer­or­dent­lich lesens­wer­ten Band Islam und Tole­ranz dar­legt, auch für die Has­ka­lah-Gelehr­ten, denen »der Mythos spa­nisch-isla­mi­scher Tole­ranz als Stock dien­te« (Ber­nard Lewis nach Kohl­ham­mer), mit dem sie das Chris­ten­tum schla­gen kön­nen, und die dadurch wesent­lich an der Ent­ste­hung des Mythos vom ver­meint­lich para­die­si­schen Al-Anda­lus mit­wir­ken – eines Mythos übri­gens, der, wie Kohl­ham­mer zei­gen kann, im Wes­ten ent­steht und erst von dort in die mus­li­mi­sche Welt gelangt, die so ein Ide­al ihrer selbst reimpor­tiert. (4)

Natür­lich läßt sich all die­se Islam­be­geis­te­rung als ein selbst­ver­lieb­tes In-den-Spie­gel-Schau­en oder eine Art Ver­klei­dungs­spiel von Euro­pä­ern kri­ti­sie­ren, wie Edward Said das in Ori­en­ta­lism getan hat: Man kos­tü­miert sich als wei­ßer Scheich, der eine Art Über-Ich des oiko­pho­ben West­lers zu ver­kör­pern hat – inso­fern hat Edward Said recht, und es gibt in der Tat, was er als »Ori­en­ta­lis­mus« bezeich­net, nur daß nichts dar­an schuld­haft ist: Fremd­kul­tu­ren wer­den, wie schon oben gesagt, unver­meid­lich in popu­lä­ren Phan­ta­sien rekon­stru­iert.

Daß das in Hin­blick auf die isla­mi­sche Welt in wei­ten Tei­len in über­aus wohl­wol­len­der Wei­se erfolgt und dar­über hin­aus mit der Ori­en­ta­lis­tik eine wis­sen­schaft­li­che Dis­zi­plin besteht, der man sicher nicht jedes Bemü­hen um Objek­ti­vi­tät (zutref­fen­de Beschrei­bung von Rea­li­en) abspre­chen kann, soll­te eigent­lich als ein Ruh­mes­blatt des viel­kri­ti­sier­ten Okzi­dents gel­ten dür­fen, der sich im Kul­tur­ver­gleich auf­grund uni­ver­sa­lis­ti­scher Pro­gram­me durch einen Man­gel an Eth­no­zen­tris­mus auszeichnet.

Aber wie ver­hält es sich aktu­ell mit der poli­ti­schen Bewer­tung des Islam, die ja alles ande­re als ein rein his­to­ri­sches Pro­blem dar­stellt? Die ers­te rele­van­te Erkennt­nis lau­tet, daß die Fra­ge nach sei­ner Ein­schät­zung nicht an Islam­wis­sen­schaft­ler dele­giert wer­den kann, so nahe­lie­gend es auch sein mag, hier zuerst nach dem Fach­mann zu rufen. Das Pro­blem hier­bei ist nicht nur, daß auch die­se Fach­leu­te ihre eige­nen Vor-Urtei­le zwangs­läu­fig bereits mit­brin­gen (und es dem Lai­en kaum mög­lich sein dürf­te, hier ein Urteil zu fäl­len). Es gibt mitt­ler­wei­le in den Geis­tes­wis­sen­schaf­ten kaum mehr welt­an­schau­lich neu­tra­les Ter­rain (falls es das jemals gege­ben haben soll­te), und auf die Islam­wis­sen­schaft dürf­te das in ver­schärf­ter Form zutref­fen: Sie bie­tet ein idea­les Feld für post­ko­lo­nia­le Illu­sio­nen und Schi­mä­ren, anti­eu­ro­päi­sche Res­sen­ti­ments und Pro­jek­tio­nen aller Art.

Fein­sin­ni­ge, phi­lo­lo­gisch gestütz­te Dis­kus­sio­nen dar­über, ob Dschi­had nicht doch bloß oder pri­mär den edlen Kampf gegen sich selbst bedeu­te oder ob sich For­mu­lie­run­gen wie »Die Ungläu­bi­gen sind Schmutz!« (oder: »unrein«, Koran 9, V. 28) nicht etwa eine mil­de­re Per­spek­ti­ve abge­win­nen lie­ße, indem man irgend­wel­che Über­set­zun­gen für falsch erklärt oder auf Pha­sen ver­weist, in denen die­se mit Mus­li­men zusam­men­le­ben konn­ten, ohne mas­sa­kriert zu wer­den, kön­nen ja ger­ne geführt wer­den. Sie sind bloß für die Rea­li­tät des Zusam­men­le­bens mit einer stän­dig wach­sen­den Men­ge an Mus­li­men belanglos.

Die Fra­ge ist näm­lich nicht, zu wel­cher Inter­pre­ta­ti­on wel­cher Koran­stel­len gelehr­te Ara­bis­ten gelan­gen, son­dern wel­che Inter­pre­ta­ti­on eine rele­van­te Zahl von hier leben­den Gläu­bi­gen die­sen ange­dei­hen läßt. Der Afgha­ne, der in Wien mut­maß­lich drei Pro­sti­tu­ier­te auf grau­en­haf­te Wei­se töte­te, beflei­ßig­te sich offen­bar einer rela­tiv ein­fa­chen Her­me­neu­tik: »In Ver­hö­ren der Kri­po zeigt er sich gestän­dig und sagt: ›Pro­sti­tu­ier­te ste­hen unter dem Deck­man­tel des Satans.‹ Und wei­ter: ›Ich habe im Koran gele­sen, ich sol­le Dschi­had betrei­ben.‹« (5)

Daß zum Bei­spiel femi­nis­ti­sche und ande­re wohl­mei­nen­de Islam­wis­sen­schaft­le­rin­nen (ja, gibt es tat­säch­lich) zu einer ande­ren Deu­tung von »Dschi­had« kom­men, hat ihm offen­bar noch nie­mand nahe­ge­bracht. Die Opfer hat­ten Pech, wahr­schein­lich waren sie über die ein­zig wah­re Auf­fas­sung vom grund­sätz­lich tole­ran­ten Cha­rak­ter die­ser Reli­gi­on genau­so­we­nig auf­ge­klärt wie der Täter. In den »post­co­lo­ni­al« gepräg­ten Isla­mic stu­dies weiß man es mehr­heit­lich bes­ser und hat es bis jetzt vir­tu­os geschafft, das dem Gegen­stand reich­lich ankle­ben­de Blut zu ignorieren.

Das heißt, »die Wis­sen­schaft« (die es hier genau­so­we­nig gibt wie »die Medi­zin« in der Coro­na-Fra­ge) ist untaug­lich, um über eine poli­ti­sche Hal­tung zum Islam, soweit er sich in Euro­pa aus­brei­tet, zu ent­schei­den. Hier wie dort wird jeder die Exper­ten beru­fen, die ihm gera­de in die Agen­da pas­sen. Der Poli­ti­ker und die Betrof­fe­nen (Täter wie Opfer) sind in die­ser Mate­rie in ihrer über­wäl­ti­gen­den Mehr­heit Lai­en, und sie sind nicht mit Aus­le­gungs­pro­ble­men, son­dern mit Lebens- und, was die Euro­pä­er als Indi­vi­du­en und Gesell­schaf­ten betrifft, Über­le­benspro­ble­men konfrontiert.

Ein Zwei­tes: Von Rech­ten wird gern vor­ge­tra­gen, Mus­li­me wür­den »kon­ser­va­ti­ve Wer­te« ver­tre­ten. Die­se Vor­stel­lung ist (vor­sich­tig gespro­chen) unscharf. Kon­ser­va­tis­mus bezeich­net, wenn man den Begriff nicht auf eine anthro­po­lo­gi­sche Kon­stan­te redu­zie­ren möch­te, ein spe­zi­fisch euro­päi­sches Phä­no­men mit einer spe­zi­fisch euro­päi­schen Geschich­te. Kann der Begriff wirk­lich ein­fach auf den Islam über­tra­gen wer­den? Das scheint min­des­tens zwei­fel­haft. Das Argu­ment dafür lau­tet regel­mä­ßig, Mus­li­me ver­trä­ten mehr­heit­lich »noch intak­te« Fami­li­en­wer­te und leg­ten einen beein­dru­cken­den Glau­bens­ei­fer an den Tag.

Das mag so sein, die­ses Argu­ment demon­tiert sich aller­dings auf der Stel­le, wenn man fragt, wel­che Auf­fas­sung von Fami­lie da kon­kret ver­tre­ten wird: Vier legi­ti­me Ehe­frau­en, eine ein­fach vom Mann aus­zu­spre­chen­de Schei­dung, Kin­der, die das Eigen­tum des Ehe­man­nes dar­stel­len – all das hat mit einem euro­päi­schen Fami­li­en­bild wenig zu tun. Es gibt zwar, etwa was die Stel­lung des ­Patris fami­li­as betrifft, Berüh­rungs­punk­te mit alt­eu­ro­päi­schen Mus­tern, aber eben nur Berüh­rungs­punk­te. Und falls man sich die Reli­gio­si­tät zum Vor­bild neh­men will, hat man die­se als lee­re Form und For­mel behan­delt: Die Glaubens­inhalte von Chris­ten­tum und Islam sind, wer­den sie ernst genom­men, selbst­ver­ständ­lich inkom­pa­ti­bel (es irri­tiert, daß man das über­haupt aus­spre­chen muß).

Die Idee, Gläu­big­keit bzw. eine akti­ve Fröm­mig­keits­pra­xis als abs­trak­te Kate­go­rie behan­deln zu kön­nen, die unab­hän­gig vom Inhalt als posi­tiv zu bewer­ten wäre, hat mit der von rechts stets in Anspruch genom­me­nen »Ver­tei­di­gung des Eige­nen« nichts zu tun; sie hat im Gegen­teil dem Prin­zip der Prä­va­lenz des Eige­nen den Abschied gege­ben. (Die real­politische Mög­lich­keit, mit bestimm­ten mus­li­mi­schen Grup­pen situa­tiv Bünd­nis­se zu schlie­ßen, wird von die­ser Kri­tik natür­lich nicht berührt. Sie steht auf einem völ­lig ande­ren Blatt.)

Die aktu­el­len Sym­pa­thien für den Islam haben auf der Rech­ten wohl nur mehr latent mit sei­nem idea­li­sier­ten, popu­lär­kul­tu­rel­len Abbild zu tun, son­dern eher mit des­sen im Wort­sinn pene­tran­ter Durch­set­zungs­fä­hig­keit, Vita­li­tät und tri­um­pha­ler demo­gra­phi­scher Zukunft. Die­ser »Wert« ist jedoch inhalts­leer. Wie ver­äu­ßer­licht hier »Kon­ser­va­tis­mus« auf­ge­faßt wird, zeig­te mir jüngst die Lek­tü­re eines Arti­kels, in dem der Ver­fas­ser sinn­ge­mäß bemerk­te, die Auf­re­gung über schii­ti­sche Geiß­ler­pro­zes­sio­nen, wie neu­lich mit­ten im bie­de­ren Bonn, sei fehl am Platz, denn schließ­lich habe es im christ­li­chen Mit­tel­al­ter der­glei­chen auch gege­ben … Mit Ver­laub: Form ist wich­tig, aber sie ist nicht alles. Könn­te es sein, daß sich in der Kon­fron­ta­ti­on mit dem Islam eine Lee­re oder ein Man­gel an defi­nier­ten welt­an­schau­li­chen Zie­len im Her­zen der Rech­ten zeigt? Dann soll­te man dies als Gele­gen­heit betrach­ten, das eige­ne Selbst­ver­ständ­nis zu prä­zi­sie­ren und zu schärfen.

Isla­mo­gauchis­me ist ein Dau­er­phä­no­men, nicht nur in Frank­reich – haben wir nun, als Drauf­ga­be qua­si, einen »Isla­modroi­tis­me«? Wenn man die Rech­te als Lager mit einer Prä­fe­renz für star­ke Ord­nungs­struk­tu­ren und Tra­di­tio­nen begreift, läge die­ser ja sogar viel näher. Hat das mit der »drit­ten Wider­stands­be­we­gung« nach Nol­te zu tun: Lin­ke und Rech­te rebel­lie­ren auf ihre je eige­ne Art gegen die Moder­ne, deren Pro­dukt sie sind, und sym­pa­thi­sie­ren des­halb mit dem Isla­mis­mus, den sie als ver­wandt zu erken­nen glauben?

Die­se Gemein­sam­keit in der Ableh­nung ist frei­lich zu wenig: Wäre das alles, gäbe es für Rech­te kei­nen Grund, nicht genau­so­gut Lin­ke oder radi­ka­le Mus­li­me zu sein. Das käme einer ideo­lo­gi­schen Bank­rott­erklä­rung gleich.

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(1) – Alfred Schlicht: »Der Islam als Gefähr­dung Euro­pas. Der Koran über Nicht­mus­li­me – und die Fol­gen«, in: Tumult. Vier­tel­jah­res­schrift für Kon­sens­stö­rung, Früh­jahr 2024.

(2) – Fran­co Car­di­ni: Euro­pa und der Islam. Geschich­te eines Miß­ver­ständ­nis­ses, Mün­chen 2003, S. 142.

(3) – Ebd., S. 145.

(4) – Vgl. Sieg­fried Kohl­ham­mer: »›Ein ange­neh­mes Mär­chen‹. Die Wie­der­ent­de­ckung und Neu­ge­stal­tung des mus­li­mi­schen Spa­ni­en«, in: ders.: Islam und Tole­ranz. Von ange­neh­men Mär­chen und unan­ge­neh­men Tat­sa­chen, Sprin­ge 2011, S. 83 ff.

(5) – »Dschi­had im Sex-Stu­dio: Afgha­ne stach 96mal zu!«, in: exxpress.at vom 2. März 2024.

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