Beständig geben sich die Regierungsprominenz und die sie tragende Funktionärsgruppen erschüttert und tief betroffen, vorzugsweise wegen „Rechtsextremismus“. Wo man früher nur irritiert war, ist man heute reflexartig konsterniert.
Andauernd erscheint etwas unerträglich, ungeheuerlich, und wenn jemand mal prinzipieller oder vitaler opponiert, ist das meist ein „Faschist“, der Diskussionen entmenschlicht und dem keine Plattform geboten werden dürfe.
Man möchte kollegial anraten:
Verwendet die Energie für eure theatralische Echauffiertheiten und paranoiden Obsessionen doch besser für das genaue sachliche Argument und oszilliert nicht beständig zwischen jämmerlicher Dünnhäutigkeit und dem Hochmut des Inquisitors. Wagt es lieber, auf Augenhöhe zu gehen.
Politische Idiosynkrasie ist links längst verfestigte Gewohnheit. Das mutet vor allem deswegen neurotisch an, weil im gleichen Zug so permanent wie aufdringlich von Toleranz, Diskurs, gar von Vielfalt die Rede ist, weil man Politik ja „kommunizieren“ und „dichter an den Menschen“ sein will, erklären, erläutern, Verständnis erzeugen, achtsam sein.
Nur ertragen es die derzeit maßgebenden Meinungsmacher gar nicht, wenn ihnen nicht sogleich beflissen zugestimmt wird. Das erinnert echt an die DDR. Klar konnte man im Staatsbürgerkundeunterricht alles sagen. Hieß es. Nur war es von Staatsbürgerkunde nicht weit bis Staatsicherheit.
Und auch heute sollte man sich auf Rechtsstaatlichkeit nicht verlassen. Zudem: Muß man seine Rechte erst aufwendig einfordern oder einklagen, sind es eigentlich keine Rechte mehr.
Besser man trägt angepaßt sein Regenbogen-Shirt oder den Feine-Sahne-Fischfilet-Pullover. Unfreiwillig komisch, daß diese Klamotten als Ausweis subkultureller und kritischer Lebensart gelten, obwohl sie längst zu Symbolen der neuen Staatsjugend avancierten.
Der Meinungskorridor ist nicht nur enger geworden, er erscheint auch grell ausgeleuchtet und mit Sensoren bestückt. Jeder googelt; IM (informeller Mitarbeiter) kann man heutzutage ohne MfS und ohne Verpflichtungserklärung werden. Zumal Denunziation in der Berliner Republik irrwitzigerweise als Courage gilt.
Man sollte gewärtig sein, sogleich über die Lautsprecher der Medien oder des Netzes angeranzt zu werden, wenn man Mißliebiges äußert oder gar noch publiziert. Selbst beim Waldgang ist man nicht mehr geschützt. Die Herrschaft und ihr Klientel, all die alimentierten „zivilgesellschaftlichen“ Unterstützer und Störungsmelder, sind empfindlich geworden.
Das zeugt von Unsicherheit, vermutlich von einer Grundangst der Berliner Republik, der Furcht vor einer rechtsdrehenden Wende, mehr noch aber resultierend aus der beunruhigenden Selbstwahrnehmung, daß die eigene Propaganda nicht nur an den Adressaten vorbeigeht, sondern schlimmer noch:
Die Akteure können ihr tief innerlich selbst keinen Glauben mehr schenken. Im stillen wissen sie, daß der schrille Ton („Alles Nazis!“) nur die eigenen Zweifel überschreit. Wären tatsächlich Faschisten präsent, würden sie denen nicht gewachsen sein. Sie fürchten eine Korrektur, die eben nicht von links ausgehen kann, von der sie aber selbst wissen, daß sie bevorsteht.
Um so mehr sind sie einem immer skurrileren Rollenspiel verhaftet – dem Handeln im konstruierten Als-ob. Für linksgrüne Bekenner muß es immens anstrengend sein, einen politmoralischen Codex zu erfüllen, der auf einer Anthropologie weltanschaulicher Apartheid gründet: Der für linke Ziele eintretende Mensch ist, gewissermaßen als Berufener, besser als all die anderen, er muß, quasi gesegnet, maßgebend auftreten und schleppt die ganze Last der Aufklärung. Zu was für Verspannungen mag es führen, durchweg als Vorbild unterwegs zu sein?
Nicht weniger eigenwillig bei der CDU: Was gestern in der Ära Merkel noch als „menschenverachtend“ galt, was das „Sterben im Mittelmeer“ angeblich zuließ, ja forcierte, das ist nun unter Merz‘ Ägide nicht mehr indiskutabel, sondern schleunigst geboten – mit der Folge, daß den die AfD plagiierenden CDU-Granden sogleich das linke Geplärr entgegenschallt, sie wären jetzt nicht weniger „faschistisch“ als die ohnehin ja vollfaschistische AfD.
Zum einen ist in einem solchen Milieu tatsächlich kein Diskurs mehr möglich. Pluralismus? Kurzgeschlossen und von Einwegrede ersetzt. Daher kann man auf den Talkshow-Klamauk ebenso verzichten wie auf Parlamentsdebatten. Sie folgen einer Regelpoetik, die genau das auszuschließen versucht, worüber dringlich zu reden wäre. Das allein, diese Vermeidung, gefährdet die Demokratie.
Zum anderen deuten Tabuisierungen und Verdrängungen auf Verhärtungen hin. Die aber drohen aufzubrechen. Das fragwürdigste soziologische Forschungsergebnis des letzten Jahres bestand in der vermeintlich bewiesenen These, von einer Spaltung der deutschen Gesellschaft könne nicht die Rede sein, es herrsche einigermaßen Konsens. Das Buch dazu wurde zum Bestseller, aber: Weit gefehlt! Reine Wunschvorstellung des selbstgerechten Establishments, selbsterfüllende Prophezeiung.
Die Spaltung – und somit die zu erwartende Dynamik ihrer Klärung – dürfte seit der Wiedervereinigung nie extremer und gefährlicher gewesen sein.
Bislang wird darauf mit politischen Ritualisierungen reagiert. Daher die stereotypen Beschwörungsformeln, was statthaft ist und was nicht. Insbesondere die Schuljugend erspürt das, weil sie direkter als jede andere Gruppe den ideologischen Übergriffen des neuen Staatsbürgerkundeunterrichts ihrer Ganztags-Vereinnahmungsschule ausgesetzt ist. Und verspätet, aber um so deutlicher die Übernahme ihrer Lebensumwelt registriert hat. Man sehe sich die Ergebnisse der U‑16-Wahlen in Brandenburg an.
Mitleser2
Es ist alles gesagt. Letztlich kann man nur noch abwarten, ob es wirklich kippt (noch zweifle ich im Westen). Und natürlich AfD wählen.