Auffallend neben den klugen und ungeschminkt präsentierten Einsichten ist besonders die sprachliche Brillanz des habilitieren Philosophen, der der akademischen Lehre längst den Rücken gekehrt hat. Gut für den Zeitgenossen, der sich fundiert informieren will und sich nicht scheut auf Lektüren zurückzugreifen, die im universitären Lehrbetrieb längst keinen Platz mehr haben. Das mag man bedauern, aber an diesem Urteil gibt es nichts zu rütteln.
Dem Autor geht es nicht darum, ein weiteres der bereits jetzt zahllosen Abhandlungen über den Islam vorzulegen, der ohnehin nur in sehr verschiedenen Facetten in der Realität auftaucht – sei es individuell, sei es kollektiv.Er beleuchtet die Neigung der Indigenen, die eigene Kultur und Lebenswelt, wenn überhaupt, nur ungenügend zu verteidigen, weil die meisten Einheimischen nicht einmal wissen, was sie überhaupt verteidigen sollen. Das eigene Land ohne patriotische Gesinnung im Hintergrund? Den christlichen Glauben ohne Verwurzelung in dessen Fundamenten? Das Grundgesetz, wenn man dem Staat, dessen konstitutionelle Basis dieses Regelwerk darstellt, von Haus aus kritisch gegenübersteht?
Die Selbstverleugnung, der Haß auf das Eigene, die Gleichgültigkeit gegenüber der Herkunftskultur – all das hat viele Gesichter.
Komplementär zu diesem geistig-kulturellen Vakuum ist das Auftreten vieler Zugewanderter zu werten. Eine Art und Weise der Präsenz der Fremdreligiösen, die immer weitere öffentliche Räume erobern, besteht darin, bleibende Schocks bei vielen Indigenen zu hinterlassen.
Dies geschah kürzlich besonders eindrücklich bei einem Treffen von rund 50000 Muslimen in der Eifel. Vertreter der Ahmadiyya-Gemeinschaft errichteten eine Zeltstadt im beschaulichen Ort Mendig und ereiferten sich für die Scharia, nicht ohne Lippenbekenntnisse zum Grundgesetz. Immerhin die harmlosere Variante von Machtansprüchen im Vergleich zu den überall epidemisch zunehmenden Messerterrorangriffen! Nicht weniger Aufmerksamkeit hervorgerufen hat die jetzt schon beinahe legendäre „Kalifat-ist-die-Lösung“-Demonstration am Hamburger Steindamm im April 2024.
Solche öffentlichen Bekundungen von (mehr oder weniger kaschierten) Herrschaftsansprüchen werden wir in Zukunft öfters erleben. Komplementär dazu findet schon ein längerer, wiewohl langsamer Abdankungsprozess der Nachfahren jener Spezies statt, die man üblicherweise Abendländer nennt. Mit ihnen verbindet man Vertreter vielschichtiger geschichtlich-überlieferter Identitätsprozesse, die von herkömmlicher Verteidigung des Christentums bis zu weltweiter faustischer Offensive reicht, die vor allem einsetzte, als traditionelle Glaubenskonzepte mehr und mehr zu verblassen begonnen hatten.
Diese Entwicklung hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant beschleunigt. Vom herkömmlichen Christentum ist weithin nur noch ein konsensfähig-universalistischer Moralismus und Menschenrechtskult geblieben, als Entsprechung zur immer noch verbreiteten individualistischen Konsumkultur in westlichen Ländern. Dieser Hyper-Ethizismus wurde in letzter Zeit (neben Brandners Arbeiten) in diversen anderen Studien herausgestellt, von denen nur die Untersuchungen Philipp Hübls und Fritz Söllners zu erwähnen sind. Er spielt in der Praxis unter anderem dann eine Rolle, wenn es in politischen Entscheidungen der Classe politique darum geht, internationale Vereinbarungen über eigene Souveränitätsinteressen zu stellen.
Bei allem Lob für die Analysen Brandners: Der Appell an die Bereitschaft zur Selbsterneuerung (als Kompensation der Selbstpreisgabe) dürfte ins Leere gehen. Eine Renaissance nicht mehr tragender, ja praktisch nicht mehr vorhandener geistiger Bestände im Sinne eines „Hesperialismus“ (David Engels) oder vergleichbarer Füllungen eines immer größer werdenden Vakuums ist mehr als unwahrscheinlich. Von nichts kommt nichts, sagt der Volksmund. Auch in diesem Fall dürfte er recht behalten.
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Rudolf Brandner: Muslimische Immigration und das Versagen der politischen Vernunft Europas – hier bestellen.
Majestyk
Die Frösche wurden halt langsam weich gekocht. Jetzt sind sie verzehrfertig.