Fast durch die Bank (Tulsi Gabbard scheint bislang die einzige Ausnahme) hat Trump neokonservative, kriegslüsterne Falken alter Schule nominiert, die sich bedingungslos bis fanatisch zum Staat Israel bekennen: Unter anderem Marco Rubio (im Außenministerium!), Mike Waltz, Elise Stefanik, Kristi Noem, Pete Hegseth (Verteidigungsministerium), Mike Huckabee. Ein Team, das nicht gerade Deeskalation oder diplomatische Ausgewogenheit verheißt, was den Nahen Osten angeht.
Es wird auffallen, daß es sich bei den Genannten überwiegend um Nichtjuden handelt, ganz im Gegensatz zu Bidens Mannschaft (“so viele Juden wie nie zuvor in der Geschichte”). Das ist wohl Teil des Kalküls: Hyperpatriotisches, messianisch aufgeladenes Geprotze, Muskelspiel und “America First” als Verpackung für Interventionismus nach den Wünschen Israels, ähnlich, wie man es bereits aus der Ära Bush kennt.
Nun also ein paar Worte zu Trumps enger Bindung an den Rechtszionismus und dessen Geldgeber (Miriam Adelson, Bill Ackman, Isaac Perlmutter, Howard Lutnick, Paul Singer und andere, darunter einige, die erst nach dem “7. Oktober” ins republikanische Lager umgeschwenkt sind), also an die Lobbyisten eines ausländischen, vehement nationalistisch regierten Staates.
Wenn Trump in den entsprechenden Kreisen wirbt, gibt er sich keineswegs als Absolutist der “freien Rede”, sondern als Befürworter einer unerbittlichen “cancel culture” gegen sogenannte “Antisemiten”. Zum Beispiel während einer Veranstaltung mit dem Titel “Fighting Antisemitism” in Bedminster, New Jersey im August dieses Jahres.
Und wenn Sie vor, sagen wir, 15 Jahren, etwas Schlechtes über Israel oder das jüdische Volk gesagt hätten, wären Sie als Politiker erledigt gewesen, oder? Sie waren erledigt. Das würden Sie lieber nicht tun, Herr Abgeordneter. Sie würden es nicht tun – Sie würden es sowieso nicht tun, aber niemand würde es tun. Die mit Abstand mächtigste Lobby in diesem Land waren Israel und das jüdische Volk. Heute fragt man, was ist da bloß? Was ist passiert?
Trump beklagt also die Tatsache, daß die Israel-Lobby (angeblich) nicht mehr wie einst in der Lage sei, ihre Kritiker einzuschüchtern und mundtot machen zu können (also zu “canceln”). Das steht im Widerspruch zu seiner Anti-Zensur und Anti-Informationskontrolle-Rede. Wen hat er nun angelogen?
“15 Jahre” – damit wären wir in der Endphase der von neokonservativen Falken beherrschten Post‑9–11-Ära, in der George W. Bush ein “Gesetz unterzeichnete, das eine weltweite Überwachung antisemitischer Tendenzen durch das Außenministerium in Washington” vorsah.
Dasselbe sagte Trump zuvor in einem Interview mit Fox News:
Noch vor 15 Jahren konnten Sie nichts gegen Israel sagen. Ob Christ oder Jude, man konnte nichts dagegen sagen. Heute wird es geradezu belagert.
In der konservativen (und koscheren) Ari-Hoffman-Show äußerte Trump im März 2024:
The biggest change I have seen in congress is Israel literally owned congress ten years ago, fifteen years ago. And it was so powerful, so powerful. And today it’s almost the opposite. You have between AOC and Omar all those people that hate Israel, they hate it with a passion. They’re controlling congress, and Israel is not a force in congress anymore. (…) They had such power, Israel had such power, and rightfully, over congress.
Die größte Veränderung, die ich gesehen habe, ist, daß Israel den Kongreß vor zehn, fünfzehn Jahren buchstäblich in der Hand hatte. Und es war so mächtig, so mächtig. Und heute ist es fast das Gegenteil. Zwischen AOC und Omar gibt es all diese Leute, die Israel hassen, sie hassen es mit Leidenschaft. Sie kontrollieren den Kongreß, und Israel ist keine Kraft mehr im Kongreß. (…) Sie hatten eine solche Macht, Israel hatte eine solche Macht, und das zu Recht, über den Kongreß.
Trump, ein vorgeblich “patriotischer” Präsident, schwärmt in diesem Interview davon, daß ein ausländischer Staat vor nicht allzu langer Zeit “zu Recht” (!) fast vollständige Macht über die Legislative seines Landes hatte, und beklagt sodann, daß dieser Staat diese Macht (angeblich) nicht mehr habe, was impliziert, daß dieser Staat diese Macht wieder haben sollte. Und diese Macht bedeutete nach Trumps eigener Darstellung auch, daß niemand es wagte, das Wort gegen diesen Machthaber zu erheben, wenn ihm seine politische Karriere lieb und teuer war.
Eine derart sklavische Ergebenheit an eine ausländische Nation ist äußerst seltsam für jemanden, der sich den Slogan “America First” auf die Fahnen geschrieben hat. (Witzigerweise bezichtigte CNN Trump aufgrund dieses Interviews des “Antisemitismus”; die Jerusalem Post meinte, es sei eine “antisemitische Verschwörungstheorie”, zu behaupten, daß die “Israel-Lobby” die US-Politik kontrolliere).
Seine Behauptung, die Lobby hätte an Macht bis zum fast vollständigen Verlust eingebüßt, ist natürlich stark übertrieben, um dem Publikum zu gefallen, vor dem er hier spricht (unter anderem seiner Top-Sponsorin Miriam Adelson, der Witwe von Israel-Firster Sheldon Adelson), und um diesem, angeblich bedroht von einem neuen “Holocaust”, die Notwendigkeit zu verkaufen, seine Präsidentschaft zu unterstützen.
Der “Antisemitismus”, von dem hier die Rede ist, ist eine klare Folge der genozidalen Kriegs- und Kolonialpolitik Israels. Es gehört zu den Strategien der Rechtszionisten, etwa die Proteste an amerikanischen Universitäten pauschal als “woke” zu klassifizieren, um die Spuren zu ihren Ursachen zu verwischen, ihnen die Berechtigung und Ernsthaftigkeit abzusprechen – und wenn sich Trump gegen “wokeness” stellt, dann meint er damit auch anti-israelische und antizionistische (“antisemitische”) Aktivitäten. Darin ist ein Kern Wahrheit, denn diese gehen in der Tat oft Hand-in-Hand mit wokem Aktivismus. Woke Meinungen sind aber auch Meinungen, und stehen somit unter dem Schutz des “First Amendment”.
Die Macht der Lobby ist jedenfalls immer noch so groß, daß der Senat im Mai 2024 parteiübergreifend ein Antisemitismus-Bekämpfungsgesetz verabschiedet hat, das auch Aussagen wie “die Existenz des Staates Israel ist ein rassistisches Unterfangen” als “antisemitisch” klassifiziert. Das ist allerdings nichts Neues, sondern eine Fortsetzung von vorangehenden Dekreten und Programmen, die auf Trumps (2019) ebenso wie auf Bidens (2023) Konto gehen.
Trumps “executive order” zur Bekämpfung des “abscheulichen, haßerfüllten Giftes des Antisemitismus” hatte ganz klar das Ziel, die Redefreiheit bezüglich Judentum und Israel insbesondere auf Universitäten zu beschneiden und israelkritische Stimmen zu diffamieren. Es wäre überraschend, wenn Trump in Zukunft von diesem Kurs ablassen würde.
Was auch immer Trump in seiner zweiten Amtszeit tun wird, eines ist mit Sicherheit zu erwarten: Daß er die Macht der Israel-Lobby und der Zionisten im amerikanischen Staatsapparat stärken und festigen und Netanjahus Regierung und Kriegsführung bedingungslos unterstützen wird, möglicherweise sogar im Falle eines Krieges gegen den Iran, der schon seit der Ära Bush auf dem einschlägigen Speisezettel steht.
Eine totale Deregulierung der Redefreiheit, wie Trump sie versprochen hat, würde hingegen eines der stärksten Manipulationsinstrumente der Israel-Lobby, die “Antisemitismuskeule”, schwächen – und somit ihre Macht, politische Gegner zu “canceln”.
Momentan ist Twitter in dieser Hinsicht ziemlich frei. Sowohl pro-palästinensische als pro-israelische Propagandisten, Journalisten und Influencer liefern sich dort wilde Schlachten und bezichtigen sich gegenseitig der Falsch- und Desinformation. Elon Musk wird daran voraussichtlich nichts ändern, da er sonst seine Glaubwürdigkeit einbüßen würde.
Wird aber Trumps angekündigtes Verbot an die Bundesbehörden, die “Meinungsfreiheit amerikanischer Bürger zu zensieren, einzuschränken oder zu behindern” auch für jene Meinungen gelten, die unter die Definitionen des “Antisemitism Awareness Act” und ähnlicher Entwürfe fallen, oder wird hier eine Ausnahme gemacht werden? Wahrscheinlich ist eher, daß alles, was entsprechend markiert wird, weiterhin sanktioniert und vom Genuß der vollen “Redefreiheit” (soweit es im Rahmen der Verfassung möglich ist) ausgeschlossen wird.
Man darf gespannt sein, ob und wie Trump und Vance (der ebenfalls tief im zionistischen Sack steckt) diesen Spagat hinbekommen werden – wenn sie ihn überhaupt hinbekommen wollen.
Martha
Wie immer eine kenntnisreiche, überzeugende Darstellung.