Ich bin (mit einer viel jüngeren Schwester) lange als Quasi-Einzelkind aufgewachsen – alles drehte sich um mich, mit allen zugehörigen Vor- und Nachteilen. Natürlich holte mich mein Vater als Heranwachsende gern & oft weit nach Mitternacht von Parties ab. Ich war sowas von behütet!
Es gab sogar bis zu meinem 27. Lebensjahr (da hatte ich bereits 3 Kinder, die natürlich sämtlich Baumwollwindeln trugen) nur eine Waschmaschine im Haushalt: nämlich die von meiner Mama. (Die sich die Sache allerdings auch um keinen Preis aus der Hand nehmen ließ.)
Natürlich war ich trotz väterlicher Behütung als Jungspund dennoch häufig riskant unterwegs. Oft trampend, gern mal in zwielichtigen Kreisen. Es ist natürlich ein großes „Gott sei Dank“, daß ich zwar etliche brenzlige Situationen hatte, aber nie was ganz Schlimmes passiert ist. Meine steile These ist, daß das auch kein Zufall ist. Ich trat, wo auch immer, gewappnet auf.
Kubitschek, mit Geschwistern und einer tapfer-energischen, alleinerziehenden Mutter aufgewachsen, ist völlig anders großgeworden. Es gab keine Abhol- und Waschdienste, sondern eher das Motto: „Ihr wollt dies & das? Nur zu, aber tragt die Konsequenzen.“
Dieses und solches trägt man wohl als Erbe mit sich. Den Kindern möglichst hilfreich zur Seite zu stehen und ihnen eine kurze/lange Leine zu lassen, sind allerdings zwei Paar Schuhe. Manchen Eltern ist ja einfach alles egal. Hier im ländlichen Ostdeutschland ist dies eine große Gefahr.
Unsere Leine – als Eltern – war in der frühen Kindheit kurz. Wir wollten die Kinder aus guten Gründen nur möglichst kurz fremdbetreuen lassen. Ein Ganztagskindergartenplatz kam nie in Frage. Wir hielten auch Bildschirme von den Kleinen strikt fern, geglotzt wurde in Ausnahmefällen ausgewähltes Zeug, „Kleine Farm“ oder andere langsame Sachen wie „Neues aus Uhlenbusch“ statt „Anna und Elsa.“
Als wir „aufdeckten“, daß sich eine Tochter wochenlang nach Möglichkeit ins Wohnzimmer unserer Mieterin schlich, um die aktuelle Folge von „Sturm der Liebe“ anzuschauen, hatte es ein kleines Drama gegeben. Wir waren ziemlich strikt „mit sowas“. Bestimmte Spielsachen gab es aus Grundsatz nicht, und vielerlei Moden wurden abgewehrt. Es gab noch nicht mal neonfarbene Schulranzen, und es gab ein Yu-Gi-Yo-Karten-Verbot. Die Mädels wurden aus dem Tanzverein genommen, als krasses Popowackeln angesagt war.
Klingt insgesamt womöglich hart – aber wenn die Kinder darunter gelitten hätten, wäre es mir spätestens heute, wo sie (zum großen Teil) erwachsen sind, zu Ohren gekommen. Ist es nicht.
Goethes Ratschlag, “zwei Dinge sollten Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel“, ist längst leicht abgeändert zum gut konsumierbaren Kalenderspruch deformiert worden. Aber – stimmt ja! Unsere Kinder erhielten recht bald Flügel.
Mit sechs Jahren hatte eine unserer Mittleren ihre erste lange ICE-Fahrt, von Ulm nach Frankfurt. Was mußte ich mir von “Wohlmeinenden” anhören! (Alle Kinder, das will ich dazusagen, sind seit dem Säuglingsalter enorm bahnerfahren. Ab dem Alter von neun absolvierten sie auch Strecken mit Umstieg. Einmal wurde unser Sohn dabei als mutmaßlicher „Ausreißer“ von der Polizei aufgehalten. Die staunten. Sollen sie!)
Mit 17, nach dem Abi, trampte eine Tochter allein bis zum Polarkreis. Was wurde ich gescholten!
Eine andere Tochter fuhr 16jährig per Anhalter mit einer Freundin durch Ex-Jugoslawien. Viele fanden das „total unverantwortlich“.
Nee, das alles ist nicht ungefährlich, keine Frage. Einmal krabbelten zwei unsrer damals minderjährigen Töchter in Dover nachts an den Klippen herum, und es kam beim Feuermachen zu einer kleinen, blutigen Schnittwunde, deren Behandlung die Auslandskrankenversicherung tragen mußte.
Wir haben großes Gottvertrauen, aber wir sind nicht naiv. Eine selbstgebastelte Reise nach Marokko und eine nach Nord-Indien haben wir schlichtweg verboten.
Was ich meine und worauf ich hinauswill: Ich habe in meinem Umfeld Frauen, die ihre Kinder aus Angst abends nicht allein den Heimweg (700m von der U‑Bahn bis nach Hause) gehen lassen; denen sich die Haare sträuben, wenn sie daran denken, die 17jährige mit BlaBlaCar fahren zu lassen; die höllischen Schiß davor haben, wenn sich an den schulischen Konzertbesuch (8. Klasse) in sächsischer Großstadt ein freier Weihnachtsmarktbummel anschließt; die lieber 350 km fahren (und zurück nochmal), um die Tochter vom Ferienlager abzuholen, weil „die Lage im Zugverkehr gemeingefährlich“ sei.
Diese Leute haben permanente Gänsehaut, wenn sie an „das da draußen“ denken. Das ist nicht gut.
Ich habe großes Verständnis für allerlei elterliche Ängste. Die Leute machen das ja nicht „aus Absicht“, sie ticken aus Instinkt so. (Oder weil sie zuviel in katastrophalen Telegram-Gruppen abhängen.)
Ich möchte angstlösend wirken. Als junge Frau hatte ich einige „Selbstermächtigungskurse“ in sogenannten FrauenLesbenhäusern mitgemacht. Das war natürlich total ideologisch durchsetzt (war mir schon damals klar), aber es war auch lehrreich. Mir ist dabei bewußt, daß realistisch betrachtet keine Frau einem Messermann etwas entgegenzusetzen hätte. Aber laß es erstmal soweit kommen!
Streck Deinen Rücken, schau genau in die Augen, vergiß alle Selbstzweifel – das ist mehr als die halbe Miete. Selbst falls ich unterm Strich eine magere Erziehungsquote hätte – dieses Selbstbewußtsein habe ich unter meinen Kindern wohl durchgesetzt. Im Gespräch mit Fremden nie “verknotet” (mit verschlungenen Beinen) dastehen, Hände nie defensiv halten! Abstand sofort einfordern, wenn es zu nah wird, und da auch weder “Höflichkeit” noch herunterspielende Ironie kennen!
Werde sehr laut, bevor es wirklich kritisch wird! Ich selbst habe x‑mal laut gerufen, auch wenn es im Moment stets sehr unangenehm war, weil die Umstehenden sich gewohnheitsmäßig wegducken. In der S‑Bahn, als ein Lufthansa-Kapitän im Gedränge mein Bein zu streicheln begann. Oder damals im Bus mit dem berüchtigten fetten Reibe-PoC, von dem alle Mädchen monatelang beklommen erzählten und der nie wieder gesehen wurde, nachdem er mit mir konfrontiert war. Peinlichkeit vergeht, Ehre nie.
Wer als Frau Unberührbarkeit ausstrahlt, wird seltener Opfer. Er, nein: sie, entwickelt eine bestimmte Aura: “Mit der kannst du es nicht machen.” Man kann das anerziehen, man sollte es.
Ich halte überhaupt nichts davon, die Kinder in Watte zu packen. Am Ende könnten sie daran ersticken. Laßt sie frei, wenn ihr ihnen alles mitgegeben habt! Gebt ihnen alles mit. Sie sollen Abenteurer sein und keine Langweiler.
Umlautkombinat
> Machen Eltern ist ja einfach alles egal. Hier im ländlichen Ostdeutschland ist dies eine große Gefahr.
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Kositza: Im Westen und in Städten sollen ja "Helikoptereltern" weit verbreitet sein. Die noch ihre 10jährigen überwachen, ob sie Mütze tragen bei frischem Wind u ihre Achtzehnjährigen an die Uni begleiten. Sowas kennt man hier nicht. Aber das Gegenteil. Kinder: erst Krippe, dann Ganztagskindergarten, ab 10, wenn sie renitent werden, Kinderheim.