Vor gut einer Woche hat dort der Publizist Tom-Oliver Regenauer Elon Musks weniger bekannte Investitionen beleuchtet. Er wirft den AfD-nahen Kreisen vor, “Bereitwillig zur Schlachtbank” zu traben (so der Titel des Textes).
Regenauer ist ein in der Schweiz lebender Deutscher. Er war in verschiedenen Wirtschaftsbereichen tätig und produziert Hip Hop. Sein eigenes Blog betreibt er unter seinem eigenen Namen. Neben Manova schrieb Regenauer schon für Tumult und Wallasch. Außerdem ist er bei KontraFunk gern gehörter Gesprächspartner.
“Bereitwillig zur Schlachtbank”: Regenauer eröffnet seinen Artikel mit einer Analogie auf die Corona-Pandemie. Wie so viele andere bemüht auch er eine Dystopie, allerdings nicht (wie die meisten) 1984 von Orwell, sondern Die Zeitmaschine von H.G.Wells: Kritiker, die sich vor wenigen Jahren noch empörten, als Massen unreflektiert einem Lügengebäude aus Statistiken und Maßnahmen glaubten, verhielten sich jetzt genauso wie diese, wenn es um Elon Musk und Co. gehe – langsam und naiv wie die Eloi aus der Zeitmaschine.
Die Widerständler von gestern sind die „Schlafschafe“ von heute. Sie scheinen vergessen zu haben, wie Propaganda funktioniert.
Der Artikel als solcher hat es wirklich in sich. Er geht über die Kritik an Elon-Simps wegen übersteigerter Heilserwartungen hinaus und zeigt schlüssig auf, daß Trump nicht der Systemsprenger ist, für den er oft gehalten wird, und daß er wie Musk teils in entgegengesetzter Weise zu seinen öffentlichen Ankündigungen handelt.
Bevor Regenauer auf Musk zu sprechen kommt, steckt er den Rahmen ab: Der Paradigmenwechsel, den man seit einiger Zeit in der öffentlichen Meinung verbuchen kann, sei mitnichten ein organischer, sondern von PR-Agenturen herbeigeführt. Der argentinische Präsident Milei sei nicht das libertäre Wunderkind, als das er in rechten Kreisen gehandelt wird, sondern „verscherbele Volksvermögen an den Höchstbietenden“. Und Trump sei der „kriegslüsternste Präsident der jüngeren Geschichte“ und handele aus eigenem Interesse, nicht aus dem, das das Volk haben könnte.
Der Schwerpunkt des Artikels liegt bei Elon Musk: Er sei nicht der Kämpfer für die Freiheit, als der er sich auf X präsentiert. Daten würden genau wie bei jeder anderen Tech-Firma gesammelt, die Twitter Files seien ein unehrlicher Skandal gewesen. SpaceX und Starlink dienten in erster Linie dem militärisch industriellen Komplex, nicht dem Normalbürger.
All das werde vertuscht. Es gehe nicht um weltweit schnelles WLAN oder um die Besiedlung des Mars; die wahren Ziele von Musks Unternehmungen seien eher globale Überwachung und beispielsweise die Steuerung von Kampfdrohnen mit unglaublich niedriger Latenz. Als kleines Schmankerl serviert Regenauer die Information, daß Twitter von Musk unter anderem mit der Hilfe der Sean Combs Capital (“P.Diddy”, der wegen Vergewaltigung sexuellen Mißbrauchs unter Anklage steht) aufgekauft wurde.
Wirklich interessant wird es im Kaninchenbau, in den man nach der Zwischenüberschrift Futurum technologicum hinabsteigt. Hier werden jene Unternehmungen beleuchtet, die Musk nicht öffentlich bewirbt: Neuralink war gestern, inzwischen entwickeln vom Tech-Milliardär finanzierte Wissenschaftler schon NeuraDust, einen Staub aus Nanopartikeln, die sich im Gehirn anreichern sollen und die man durch die Nase zu ziehen hat wie Koks.
Grok, die X‑KI, die inzwischen zu einem Social-Credit-System für Nutzer geworden sei, ist von BlackRock mitfinanziert worden. Und SpaceX arbeitet mit einem Unternehmen namens WISeSat zusammen. Dies sei, so Regenauer, ein Unternehmen, das so ziemlich dem Werkzeugkasten einer 1984-Regierung (jetzt doch der Klassiker!) gleiche.
Die Lektüre dieses Artikels sei jedem, der von zuviel Musk kuriert werden muß, wärmstens ans Herz gelegt. Kritik bleibt nach der wirklich bereichernden Lektüre kaum, aber dennoch:
Warum bezeichnet Regenauer gerade Neurechte als “Schlafschafe”? Zählt man die AfD zur Neuen Rechten, mag dieser Eindruck entstehen. Es ist aber für diese Partei mehr als logisch, den Hype durch Musk voll und ganz auszunutzen. Zu versuchen, derzeit dort einzugrenzen, wäre unmöglich und vermutlich auch schädlich.
Im Vorfeld der Partei, in der intellektuellen Neuen Rechten, wird die blinde Nähe allerdings sehr scharf kritisiert. Man analysiert dort, wie man langfristig mit so einer Situation umgehen sollte.
Regenauer könnte wissen, daß vor zwei Wochen Studientage in Schnellroda stattfanden, in denen Musks Risiken betont wurden. Er könnte wissen daß Philip Stein und Volker Zierke in einem Jungeuropa-Podcast unlängst sehr deutlich gegenüber MAGA-Anhängern wurden, und hätte er in Martin Sellners X‑Profil recherchiert, hätte er auch dort eine differenzierte Auseinandersetzung gefunden.
“Bereitwillig zur Schlachtbank” ziehen also allenfalls Teile der AfD die AfD. Aber auch darüber kann man hinwegsehen. Denn daß der Artikel ein echtes Brett ist und die neurechte Kritik an Musk um einen wichtigen Teil ergänzt, steht außer Frage.
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FranzJosef
Wenn Musk so hinterhältig und böse ist, warum tummeln sich dann Autoren der Sezession, Antaios und auch Manova selbst auf X? Und nicht nur das, sie streben auch noch möglichst hohe Follower-Zahlen an! Sellner postet mittlerweile nur noch zweisprachig und freut sich explizit über mehr als 100.000 Follower. Müsste man - wenn Manova Recht hat - nicht X boykottieren - Reichweite hin oder her?