Das Klischee stimmt ja eh: Im Südwesten bekommst du bei einer einfachen Begegnung auf der Straße gleich ein Gespräch ans Ohr, in Bayern meist ein fröhliches „Grüß Gott!“, und gen Norden wird es teils wortkarg, teils skeptisch bis mißtrauisch. (Bin selbst ein Mischtyp, aber zum freundlichen Gruß langt es immer und für jeden.)
Oben am “Steilufer” des urpreußischen Sees lagerte eine dunkelhäutige Sippe. Zwei bekopftuchte Frauen in langen Gewändern, 5 Kinder zwischen vielleicht 2 und 11 Jahren – echte Fremdkörper in dieser deutschen Provinz.
Ich plazierte mich weiter unten, wo vier blonde Jungs laut tobten. Erst fand ich’s nett. So vital! Hier wird noch gerungen, hier gibt es noch Jugend ohne Bildschirm in der Hand! Nach einer halben Stunde nervte mich das Schimpfwortgewitter enorm. Kleine Assis!
Als sie endlich abzogen, rief ihnen ein älterer Mann zu: “Ihr kommt SOFORT zurück! Und nehmt euren Müll mit! (Sie gehorchten.)
Ich stürzte mich dann ins Wasser. Zum Glück gab es einen Steg. Ich hasse es, wie an “unserem” Geiseltalsee langsam ins Wasser hineinwaten und durch diese Frösteltour durchzumüssen. Lieber so “zack!”. (Ist auch ein Lebensmotto.)
Als ich von meiner Tour zurückkehrte, spielten zwei der dunklen Mädchen am Ufer. Ich hörte ihnen eine Weile zu. Sie hatten sich nicht nur was Tolles ausgedacht (ging um den dichten Wasserpflanzenwald, ein wahrer Dschungel), sie sprachen auch astreines Hochdeutsch.
Ich schlappte zu meinem Platz und zog mich um. Es hatte keine echten Algen im See gegeben, aber alles war grün. Meine Haut leicht, der Badeanzug innen tiefgrün.
Als ich dann das kleine Steilufer hochging, faßte ich diese Sippe scharf ins Auge. Grillen die? Vermüllen die? (Nein.) Was suchen die hier überhaupt? Sie hatten so einen etwa elfjährigen Sohn dabei. Er las ein Buch. Die beiden Frauen, durch ihre Klamotten so unangepaßt an die brandenburgische Idylle wie nur möglich, griffen dann meinen Blick auf.
Zwei, drei Sekunden des Anstarrens. Dann hoben beide ihre Hände, um freundlich zu winken. Ich winkte zurück und lachte. Sie freuten sich.
Klar. Die Mikroebene. Immer ist der Nächste dein Mitmensch. Du willst ihnen ja auch persönlich nichts Böses. Du spürst aber: Hier gehören sie nicht hin. Definitiv nicht. Es sind Fremdkörper.
Was aber mit den Kindern? Vielleicht müssen wir mit einem Szenario “fünf nach Zwölf” rechnen. Herzzerreißend wird es so oder so. Ein “weiches Herz und einen harten Verstand” (Sophie Scholl) haben, darauf wird es ankommen. Niemand hat gesagt, daß es leicht wird.
Waldgaenger aus Schwaben
Der letzte Satz macht mich schauern.