Seit Anfang Juli zeigen sich in den Umfragen jedoch keine signifikanten Verschiebungen mehr. Die AfD stabilisiert sich bei 25% und hat ein erweitertes Wählerpotential von mehr als einem Drittel der Wählerschaft (34%). Bei manchen Instituten liegt man sogar als stärkste Kraft leicht vor der Union.
Es war Friedrich Merz großes Hoffnungsversprechen an die deutsche Christdemokratie, daß mit einer echten Migrationswende der AfD ihre Themendominanz und damit auch ihre elektorale Zustimmungsbasis entzogen werden könne. Man glaubte an eine parallel verlaufende Kurve zwischen AfD-Umfrageverlauf und ankommenden Migrantenzahlen.
Auch innerhalb der AfD beschäftigt man sich schon länger mit der Frage was passieren würde, wenn die CDU am Ende AfD-Forderungen in praktisch-administrative Regierungspolitik umsetzt. Natürlich mögen viele der Maßnahmen reine politische Showeinlagen und Placebos gewesen sein.
Insbesondere die Judikatur hat bereits einige Bremsklötze eingebaut, die den tatsächlichen Umsetzungsspielraum einer anderen Migrationspolitik einschränken. Doch wer glaubt mittels einiger migrationspolitischer „Erfolgsmeldungen“ den AfD-Trend aufzuhalten, verkennt das strukturelle Fundament auf dem der Erfolg dieser Partei inzwischen aufbaut.
Ein zentraler Indikator in der Politikwissenschaft, um die Stammwählerbindung einer Partei einzuschätzen, ist die Kompetenzwahrnehmung in bestimmten Politikfeldern. Kürzlich veröffentlichte Infratest DIMAP hierzu einige Zahlen, die deutlich machen, dass die AfD im Vergleich zur letzten Bundestagswahl im Februar 2025 (graue Balken) in allen Themenbereichen zulegen konnte. Im Bereich Migrationspolitik hat sie sogar die Union in ihrer Kompetenzführerschaft überholt.
Hier gilt die bekannte Regel, dass wenn zwei Parteien sich in ihrer programmatischen Positionierung annähern oder gar als identisch wahrgenommen werden, entscheidet sich der Wähler zumeist für die kompetentere Partei, also jener Partei die in einem bestimmten Thema am klarsten profiliert ist und einen exklusiven und konfliktfähigen Markenkern für sich beanspruchen kann. Die Migrationskritik verlagert sich für die Partei von einer protestkonjunkturellen Größe, hin zu einem thematischen Kompetenz- und Vertrauenszentrum.
Dieser Effekt wird zusätzlich verstärkt, wenn ein politisches Thema im politischen Agenda-Setting als besonders wichtig wahrgenommen wird. Nach wie vor ist die Asyl- und Migrationspolitik für die Mehrheit der deutschen Wählerschaft das wichtigste Thema, welches ihre Wahlentscheidung am stärksten beeinflusst.
Die Strategen in den Parteizentralen der Union scheinen vor allem die tiefenstrukturelle und nachhaltige Dimension der Migrationskritik unterschätzt zu haben.
Der durchschnittliche AfD-Wähler hat nicht nur darauf gewartet bis ein CSU-Innenminister endlich die Grenzen kontrolliert. Die demoskopische Lage ist das Ergebnis eines politischen Vertrauensabbaus, der sich seit mindestens zwei bis drei Jahrzehnten vollzieht und mit der Grenzöffnung 2015 lediglich einen rasanten Beschleuniger fand, weil sich auch die Einstellungsprioritäten von ökonomischen- auf kulturelle und identitäre Fragestellungen verschoben haben.
Der Parteien- und Wählerwettbewerb reagiert nicht nur auf kurzfristige Ereignisse, sondern ist von langfristig verschobenen Konfliktlinien geprägt. Für einen großen Teil der Wähler ist eine Migrationswende nicht bloß ein Katalog einzelner Maßnahmen, sondern Ausdruck eines umfassenden kulturellen Deutungsrahmens. Wer diesen Rahmen glaubwürdig verkörpert, erhält eine „Glaubwürdigkeitsprämie“. Wer ihn nur situativ übernimmt, zahlt einen „Opportunismusabschlag“.
Es zeigt sich somit, daß das politische Misstrauen von einer sich gegenseitig verstärkenden Effektlogik aus dem populistischen Erfolgskriterium des „Volk vs. Elite“ Antagonismus und nativistischen Einstellungsmustern geprägt ist.
Anders gesprochen: Die Union kann für den mehrheitlich an die AfD gebundenen, migrationskritischen Teil der Wählerschaft gar keine Erwartungen mehr erfüllen, da an Merz und Co gar keine Erwartungen mehr formuliert werden.
Die potentiellen Mobilisierungsbrücken der Union in die AfD-Kernwählerschaft hinein scheinen vorerst abgeriegelt. Auch jüngste Daten der GLES zu Nachwahlbefragungen der Bundestagswahl 2025 zeigen auf, dass jene Wähler, die von der CDU zur AfD gewandert sind vor allem die Migrationsfrage als wahlentscheidendes Thema benannten. Für die Bestandswähler der Union war es das Thema „wirtschaftliche Lage“.
Das Umfrageinstitut Ipsos hat in einer kürzlich veröffentlichten Studie die parteipolitischen Entwicklungstrends zwischen Mai-August 2025 untersucht. 92% der AfD-Wähler aus dem Februar bleiben auch nach wie vor bei der AfD. 8% der Zuwächse kommen von der CDU und 13% aus dem Nichtwählerlager. Die Union weist hingegen ein Negativ-Saldo auf und verliert unter anderem weitere 7% ans Nichtwähler-Lager. Dies zeigt einerseits die weitere Stabilisierung des AfD-Wählerspektrums und zugleich den erhöhten Zugriff auf weitere Potentiale.
Dieser Befund wurde auch schon in früheren Studien bestätigt in denen über experimentelle Modelle die durchschnittliche Verfügbarkeit eines Wählers einer Partei, für den restlichen Parteienmarkt gemessen wurde.
Hier zeigte sich trotz der mehrheitlichen Protestmotivation für die AfD-Wählerschaft eine besondere Robustheit in ihrer Wahlloyalität zur AfD. Auf einer Skala von 0 bis 1 (0=geringe Verfügbarkeit für andere Parteien, 1= hohe Verfügbarkeit für andere Parteien) ein Durchschnitt von 0,25. Bei anderen Mainstream-Parteien liegt dieser Wert meist doppelt so hoch.
Tendenziell linke Politikwissenschaftler werden daher nicht müde, die Union vor einem „Rechtsruck“ zu warnen. Einerseits aus der Intention eines disziplinierenden Warnsignals heraus und andererseits eben durch die empirische Erkenntnislage, die in ganz Europa mehrheitlich gezeigt hat, dass christdemokratische Parteien keine Feldgewinne einfahren, wenn sie ihr migrationspolitisches Profil nach rechts verschieben – insbesondere dann nicht, wenn wir eine mehrdimensionale Konfliktstruktur vorfinden, die sich über mehrere Ebenen zwischen Zentrum–Peripherie (Stadt–Land), Geschlecht (männlich–weiblich), Generation (jung–alt), materielle Lage (wohlstandssaturiert–ökonomisch depriviert) sowie kulturelle Orientierungen (kosmopolitisch–kommunitaristisch zieht.
Das ist die neue Kartographie, die neue Identitäten konstituiert, voneinander abgrenzt und sich immer tiefer in das politisch-kollektive Gedächtnis einschreibt.
Die politische Linke und die Sozialdemokratie ignorieren den kulturellen Prioritätenwandel und setzten weiter auf den ökonomischen Einstellungsprimat. Die Christdemokratie unterschätzt die tatsächliche disruptive Kraft für den modernen Wählermarktes und glaubt durch eine kommunikative Neupositionierung, könne man die Wählernachfrage für den politischen Mainstream wieder stimulieren.
Merz’ politische Hoffnung auf eine Marginalisierung der AfD, verkennt die neuen Bedingungen und Charakteristika des Elektorats. Man wird die AfD nicht mehr kleiner bekommen, indem man jetzt versucht vereinzelte Gründe abzustellen, die ihren Aufstieg begünstigt haben. Die bloße „Zufriedenheitsproduktion“ und Leistungskommunikation, mag den christdemokratischen Wählerkern an sich binden, aber wird kein effektives Rückholmanöver des rechten Wählerraumes sein.
Diese Strategie hat vielleicht noch 1993 mit dem Asylkompromiss funktioniert, der den Republikanern damals die thematische Dominanz entzogen hat und sie anschließend marginalisierte. Doch heute kämpft die Christdemokratie nicht nur um ihr Glaubwürdigkeitsprofil, sondern auch mit schrumpfenden Kernmilieus, fragmentierten Wählerkoalitionen und einer veränderten Medienöffentlichkeit.
Das alles bedeutet für die AfD gewiß kein entspanntes Zurücklehnen. Wir sehen, daß der Aufstieg in der Wählergunst scheinbar nicht durch eine veränderte Maßnahmenmatrix in der Migrationspolitik aufgehalten wird, sehr wohl aber durch mögliche Verschiebungen in der Themenkonjunktur.
Insbesondere die demoskopische Durststrecke zwischen 2019 – 2022, als Klima und Corona wahlentscheidend dominierten, hat die thematische Fragilität der Partei aufgezeigt. Die aktuellen Umfragen um die 25% dürften zwar auch das Stammwählerpotential weiterhin um die 18–20% verdichten. Doch der dauerhafte Volksparteianspruch realisiert sich am Ende dann doch stärker in einer programmatischen Kohärenz und thematischen Breite.





Artabanus
Die AFD sollte ihr Profil in der Wirtschafts- und Energiepolitik schärfen. Der Wirtschaftliche Niedergang der kommenden Jahre und die weiter steigenden Energiepreise aufgrund der sogenannten "Klimapolitik" werden das Thema stärker in den Vordergrund rücken und gleichzeitig die Kompetenzwahrnehmung insbesondere der Union in diesen Bereichen stark nach unten ziehen.