Im Ostfeldzug wurde er für die Eroberung Sewastopols zum Generalfeldmarschall befördert, erhielt für den Sieg in der Schlacht von Charkow das Eichenlaub. Ende März 1944 wurde er von Hitler nach der Befreiung der 1. Panzerarmee aus dem Kessel von Tscherkassy unter Verleihung der Schwerter entlassen, da keine Einigkeit über die weitere Operationsführung erreicht werden konnte. Bei den Nürnberger Prozessen war Manstein als Zeuge geladen, 1949 verurteilten ihn die Briten als Kriegsverbrecher zu einer langjährigen Haftstrafe, aus der er 1952 aus gesundheitlichen Gründen entlassen wurde.
Mit seinem überaus erfolgreichen Erinnerungsband Verlorene Siege (1955) lieferte Manstein die Grundlage für die Auffassung, Hitler sei ein militärischer Narr gewesen, aus erster Hand.
Der Historiker Roman Töppel (*1976), der bereits an der historisch-kritischen Edition von Hitlers Mein Kampf mitgewirkt hat, legt nun den ersten Band einer Edition der Tagebücher und Briefe Mansteins von Kriegsbeginn bis März 1941 vor (ein zweiter Band wird die Zeit des Ostfeldzugs behandeln), die viele neue Erkenntnisse bringen; nicht zuletzt die, daß Manstein Hitler mindestens im Februar 1940 für ein Genie hielt, dem ein operativ geschulter Stabsoffizier an der Seite fehle.
Über Manstein sind in den letzten Jahren einige Bücher erschienen, die sich aber vorwiegend mit seiner politischen Rolle im NS-System befassen. Töppel beharrt dagegen darauf:
Mansteins bemerkenswerte Karriere während des Zweiten Weltkriegs beruhte jedoch auf seinem operativen Können. Gerade dieser Kern von Mansteins Wirken ist in der jüngeren Forschung indes stark vernachlässigt worden; wirklich fundierte und tiefgründig recherchierte Untersuchungen gibt es dazu bislang nicht.
Hinzu kommt, daß sich die meisten Arbeiten unkritisch auf Mansteins Buch stützen.
Töppel hat mit seiner Edition eine Schatzkiste geöffnet, deren Wert sich allerdings erst durch seine umfassende Kommentierung und Einleitung ermessen läßt. Töppel hat jedem Abschnitt eine umfassende Darstellung des Geschehens und des Hintergrunds vorangestellt, jeder dieser Texte ist eine operationsgeschichtliche Untersuchung auf höchstem Niveau, das es Töppel ermöglicht, die Fakten herauszuarbeiten und einzuordnen.
Dadurch gelingt ihm die Aufklärung von einigen historisch bislang umstrittenen Fragen, wie die Genese des Sichelschnitt-Plans und der Verursacher des Haltebefehls vor Dünkirchen. Die Aufklärung beginnt schon mit dem Polenfeldzug, da der (unfähige) Generalstabschef Halder nach dem Zweiten Weltkrieg Mansteins Beitrag zum Sieg in Polen bestritt. Töppel rekonstruiert aus den Quellen, daß der kriegsentscheidende Sieg an der Bzura auf Mansteins Befehle zurückging.
Bei der Genese des Sichelschnittplans, der dem Westfeldzug zugrunde lag und im Gegensatz zum Schlieffenplan von 1914 den Hauptstoß südlich der Maas in Richtung Kanalküste vorsah, zeigt Töppel, daß Hitler unabhängig von Manstein auf diese Idee kam, und sich später nur von diesem in seiner Auffassung bestätigen ließ.

Bei der Durchführung, das zeigt Töppel nebenbei, war nicht General Guderian, sondern Ewald von Kleist die treibende Kraft. Letzterer verstarb in sowjetischer Gefangenschaft, während Guderian seine Sicht nach 1945 publizistisch verbreiten konnte. Der Haltebefehl vor Dünkirchen ging nicht auf Hitler, sondern auf Generaloberst von Rundstedt zurück.
Das sind für eine Operation, von der man dachte, dazu sei alles gesagt, schwerwiegende Erkenntnisse, die viele Darstellungen dieses Feldzugs mit einem Schlag veralten lassen. Wer die Darstellungen Töppels in dem Band liest, bekommt damit die gründlichste operationsgeschichtliche Darstellung der Vorgänge, die es gibt.
Allerdings sollten darüber die edierten Tagebücher und Briefe, die die Grundlage der Darstellung bilden, nicht vergessen werden. Ausweislich der Briefe, die das Ehepaar Manstein gewechselt hat (während des Krieges sollen es insgesamt mehr als 2400 gewesen sein), war Manstein ein empathischer und zugewandter Mensch, was man wahrlich nicht von jedem militärischen Genie behaupten kann.
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Roman Töppel (Hrsg.): Manstein. Kriegstagebücher und Briefe 1939–1941, 648 Seiten, 49.90 € – hier bestellen

Paavo
Das hört sich interessant an. Nicht nur für militärhistorisch Interessierte. Manstein war ein brillanter Stratege, dessen innovative Taktiken die Kriegführung prägten. Sein Sichelschnitt-Plan und die Charkow-Offensive zeigen sein taktisches Genie. Gleichzeitig bleibt seine Verstrickung in die Verbrechen des NS-Regimes ein dunkler Schatten. Seine Karriere verkörpert die Ambivalenz eines militärischen Genies im Dienst eines verbrecherischen Systems.