Leben müssen – Joachim Fernau zum Hundertsten

pdf der Druckfassung aus Sezession 31 / August 2009

Unter den zwei Dutzend Büchern des Bestseller-Autors Joachim Fernau...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

, der am 11. Sep­tem­ber hun­dert Jah­re alt gewor­den wäre, fin­det sich auch ein Roman über das Leben sei­ner Eltern und sei­ne eige­ne Kind­heit. Wer die­sen Roman liest und von dem letzt­lich uner­träg­li­chen Schick­sal der Mut­ter Fern­aus (»Mar­tha Van­se­loh«) erfährt, fragt sich, war­um das Buch den Titel Ein wun­der­ba­res Leben trägt: Mar­tha ver­liert Vater und Bru­der. Dann war­tet sie in einer Art Win­ter­star­re auf den­je­ni­gen, der ihr die Ehe ver­sprach und den­noch eine ande­re hei­ra­te­te. Als die­se Frau stirbt, hei­ra­ten sie doch noch, ein Sohn wird gebo­ren – und dann stirbt der Mann (alles noch auto­bio­gra­phisch, Fer­n­au ver­lor sei­nen Vater 1918). Die Wit­we und das Kind klam­mern sich anein­an­der fest, es ist das Jahr 1920, Brom­berg wird polo­ni­siert, und Mar­tha muß nach Schle­si­en umsie­deln. Zuvor aber (und hier ver­läßt der Roman die Spur der Bio­gra­phie) ist auch noch ihr Sohn ver­stor­ben, an einer »Herz­rup­tur«, an einem zer­ris­se­nen Her­zen, einer schlum­mern­den Krank­heit, die schlag­ar­tig und meist töd­lich aufbricht.

Was soll das also hei­ßen: Ein wun­der­ba­res Leben? Ist die­ser Titel zynisch gemeint, als Ankla­ge gegen das Los, das Gott die­ser Frau zuwies (der Pas­tor kommt nicht gut weg in die­sem Buch)? Oder steckt in dem Schick­sal Mart­has der Keim der Poe­sie, in ihrem Leid die Recht­fer­ti­gung für ein zwei­tes, ein glück­li­ches Leben in der Phan­ta­sie und somit in der Dich­tung? Nach dem Tod ihres Soh­nes lebt Mar­tha näm­lich »gelöst « wei­ter, das heißt: Sie hat sich von der Wirk­lich­keit los­ge­bun­den und lebt nur noch in ihrer Vor­stel­lung: schreibt Brie­fe an ihren Sohn, von dem sie vor­gibt, er sei auf einem Inter­nat; reist ihm nach und geht mit ihm durch Paris, wo er ein Stu­di­um auf­zu­neh­men gedenkt; legt sich ins Bett und stirbt, als ihr ein Psy­cho­lo­ge auf die Schli­che kommt und ihren »Fall« in einem Fach­ma­ga­zin bespricht; flieht also in bes­ter roman­ti­scher Manier aus dem Bereich des Uner­träg­li­chen in eine ande­re Welt. Ist das nicht wunderbar?
Man soll­te die Deu­tung an die­ser Stel­le nicht stra­pa­zie­ren: Ein Leben kann so ver­lau­fen, daß man es eines Tages nicht mehr hin­neh­men, nicht mehr ertra­gen möch­te und ihm im Kop­fe ganz ein­fach einen ande­ren Ver­lauf gibt. Viel inter­es­san­ter ist hin­ge­gen der Moment im Roman, in dem Joa­chim Fer­n­au sich selbst mit zehn, elf Jah­ren an dem bereits erwähn­ten Herz-Riß ster­ben läßt. Das heißt ja nichts ande­res, als daß er schrift­stel­le­risch die Mög­lich­keit durch­spielt, wie es wäre, wenn er sein Leben nicht hät­te leben müs­sen. In den Büchern und Brie­fen Fern­aus fin­den sich etli­che Stel­len, in denen von einem fal­schen Zeit­punkt der Geburt die Rede ist (»hun­dert Jah­re zu spät«), in denen sei­ne Mis­an­thro­pie, ja gera­de­zu sein Ekel vor der Mas­se Mensch und vor der Unver­bes­ser­lich­keit die­ser Kro­ne der Schöp­fung zum Aus­druck kommt. Ist das »Leben-Müs­sen« der Schlüs­sel zu Fer­n­au? Ja, zweifelsohne.
Joa­chim Fer­n­au wird am 11. Sep­tem­ber 1909 in Brom­berg gebo­ren. Der Vater Paul ist ver­be­am­te­ter Bau­meis­ter in der Eisen­bahn­di­rek­ti­on, er und sei­ne Frau Mar­tha sind bei­de bereits 39 Jah­re alt, als ihr ein­zi­ges Kind gebo­ren wird. Die Atmo­sphä­re im Hau­se Fer­n­au ist gut­bür­ger­lich, die Fami­lie ist wohl­ha­bend, aber das änder­te sich schlag­ar­tig, als der Vater 1918 an einer Infek­ti­on stirbt. Die Wit­we ver­armt, kann das Haus nicht hal­ten und geht in Mie­te. 1920 wird die Pro­vinz Posen polo­ni­siert: Wer nicht für Polen optiert, muß die Hei­mat ver­las­sen. Die Fern­aus gehen nach Bad Warmbrunn/Schlesien, Joa­chim besucht das renom­mier­te huma­nis­ti­sche Gym­na­si­um in Hirschberg.

Spä­te­re Auf­zeich­nun­gen beschrei­ben die Mut­ter als ver­ängs­tig­te und ein­sa­me Frau, die ihre Lebens­hoff­nung aus­schließ­lich auf die gesun­de Ent­wick­lung ihres Soh­nes ver­legt hat. Befrei­end wirkt da die Freund­schaft mit Joa­chim von Gil­gen­heimb, des­sen Mut­ter den zwei­ten Joa­chim gleich mit­er­zieht und dabei auf »Beneh­men, Hal­tung, Auf­tre­ten, Dis­zi­plin, Wis­sen, Kunst« beson­de­ren Wert legt. Sie besitzt ein Radio, gemein­sam hört man Opern- und Thea­ter­über­tra­gun­gen aus Ber­lin und Dres­den. Die Gil­gen­heim­b­sche Biblio­thek steht zur Ver­fü­gung, man liest nach, dis­ku­tiert, blät­tert in Bild­bän­den – und läßt sich inspi­rie­ren: Zeich­nun­gen, Kom­po­si­tio­nen und Tex­te ent­ste­hen, alles noch epi­go­nal, aber sehr ernst­haft und dabei manch­mal sehr selbst­ge­fäl­lig melancholisch.
In den Feri­en vor dem letz­ten Schul­jahr ver­bringt Fer­n­au zum ers­ten Mal eini­ge Tage in Ber­lin – und ist von der Groß­stadt­at­mo­sphä­re begeis­tert. 1930 nimmt die Tele­gra­phen-Uni­on sei­ne Bewer­bung auf eine Volon­tärstel­le als Jour­na­list an, Fer­n­au zieht zusam­men mit sei­ner Mut­ter nach Ber­lin um. Nach Abschluß der Aus­bil­dung erhält er eine Fest­an­stel­lung, wird aber zwei Jah­re spä­ter wie­der ent­las­sen, weil er nicht Mit­glied in der NSDAP wer­den will. Er schreibt von da an – unter­bro­chen nur durch eine kur­ze Fest­an­stel­lung beim Rund­funk – als frei­er Mit­ar­bei­ter für unter­schied­li­che Zei­tun­gen, unter ande­rem 1936 als Son­der­be­richt­erstat­ter für das Reichs­sport­blatt von der Olym­pia­de in Ber­lin und Gar­misch-Par­ten­kir­chen. An der Uni­ver­si­tät schnup­pert Fer­n­au nur (ein Semes­ter Phi­lo­so­phie), ver­tieft hin­ge­gen sei­ne Kennt­nis­se in der Kunst und nimmt pro­fes­sio­nel­len Malunterricht.

Trotz sei­nes schma­len Bud­gets betei­ligt er sich nach Kräf­ten am kul­tu­rel­len Leben der Großstadt.
Auch über die­se frü­hen Ber­li­ner Jah­re gibt es einen stark auto­bio­gra­phi­schen Roman von Fer­n­au: Die jun­gen Män­ner umfas­sen etwa den Zeit­raum je eines Jah­res vor und nach dem 30. Janu­ar 1933. Die­ser Tag ist heu­te als Moment der Macht­er­grei­fung Adolf Hit­lers ein Schlüs­sel­da­tum der deut­schen Geschich­te. Für Fer­n­au war es der Tag, an dem die Wei­ma­rer Repu­blik wie­der ein­mal eine neue Regie­rung bekam, und an dem ansons­ten das Leben und Arbei­ten ein­fach wei­ter­ging: Man dis­ku­tier­te die Ereig­nis­se, aber die Geschich­te blieb offen, und nicht ohne Grund rei­sen die bei­den Haupt­fi­gu­ren Fern­aus an besag­tem Tag auf Ber­lin zu und spe­ku­lie­ren gemein­sam mit dem Zug-Kell­ner über die Bedeu­tung des Ereignisses:
»Wenn ich es Ihnen sagen darf, mei­ne Her­ren: Wir fah­ren in ein Lich­ter- und Fackel­meer hin­ein; ich weiß nicht, war­um ich einen Moment gezwei­felt habe. Ich bin mir aber nicht im kla­ren, ob sie den Ein­zug des gol­de­nen Kal­bes oder die Ein­ho­lung Moses’ und der Geset­zes­ta­feln fei­ern. Ich nei­ge zu dem zwei­ten, bin aber sowohl als gegen­wär­ti­ger Mitro­pa- Kell­ner wie als ehe­ma­li­ger Jagd­flie­ger des Welt­krie­ges im Zwei­fel. Mein Bru­der, der im Krie­ge erblin­det ist und die Hän­de ver­lo­ren hat, hält den Mann, dem dort der Lich­ter­glanz gilt, für einen Mes­si­as. Stel­len Sie sich vor: Blind und ohne Hän­de wird er jetzt am Fens­ter unse­rer Woh­nung ste­hen, die Arm­stümp­fe zum Him­mel erho­ben und – wie ich anneh­men muß – betend. Einer, der die mit­tel­al­ter­li­che Grau­sam­keit erfah­ren hat, setzt dem die mit­tel­al­ter­li­che Glau­bens­wut ent­ge­gen. Ich – nicht etwa, weil ich sein Bru­der bin – ich brin­ge es nicht fer­tig, dar­über zu höh­nen oder zu lachen, wie immer es auch aus­ge­hen mag.«

Eine Rezen­sen­tin schrieb, als der Roman 1960 erschien, daß die Art und Wei­se, wie die gro­ße Geschich­te neben dem spe­zi­el­len Leben der jun­gen Män­ner her­lau­fe und es oft­mals gar nicht berüh­re, ein her­vor­ra­gen­der Trick sei, die Zeit zu fas­sen. Die­se Beob­ach­tung trifft Fern­aus Absicht genau, und in sei­nem »Trick« ste­cken drei Bot­schaf­ten: Fer­n­au will zum einen zei­gen, wie der Mensch in sei­ner Zeit Ereig­nis­se erlebt, die er nicht über­blickt, und von denen er nicht weiß, ob sie irgend­wann ein­mal als eine beson­de­re Zeit wahr­ge­nom­men werden.

So kann Epo­che­ma­chen­des vor­bei­rau­schen, ohne daß die Welt den Atem anhält. Fer­n­au will zwei­tens den Men­schen (also auch sich selbst) auf die­se Wei­se begrif­fen sehen und vor der Moral und der Über­heb­lich­keit der Spä­ter­ge­bo­re­nen schüt­zen. Und er will dar­über zuletzt zu einer grund­sätz­li­chen Ehr­lich­keit zurück­keh­ren: Von Ver­stri­ckung, Teil­ha­be und pro­ble­ma­ti­schem Lebens­voll­zug in der Dik­ta­tur kann nur schrei­ben, wer sie als not­wen­di­ge Nor­ma­li­tät und den klei­nen und den gro­ßen Wider­stand gegen die Tyran­nis als die gro­ße und auch nicht nur unpro­ble­ma­ti­sche Aus­nah­me begreift.
Fer­n­au selbst leis­tet kei­nen Wider­stand. Er denkt für einen kur­zen Moment über eine Emi­gra­ti­on nach, da sei­ne jüdi­sche Ver­lob­te Anfang 1939 nach Eng­land aus­rei­sen konn­te. Aber der 1. Sep­tem­ber und die Ein­be­ru­fung neh­men Fer­n­au jede wei­te­re Pla­nung aus der Hand. Die Ver­lo­bung hält nicht, und 1943 wird Fer­n­au Gabrie­le Ker­schen­stei­ner hei­ra­ten. Zunächst aber dient er vom ers­ten Kriegs­tag an, für eini­ge Mona­te in einem Poli­zei­ba­tail­lon in Posen und ab dem Früh­jahr 1940 als Kriegs­be­richt­erstat­ter in der Waffen-SS.

Über die­se Ver­set­zung ist Fer­n­au nicht glück­lich, er hat­te über eine Ver­wen­dung als Kriegs­be­rich­ter in der Wehr­macht nach­ge­sucht und war an die Rekru­tie­rer der SS wei­ter­ge­reicht wor­den, die Ver­säum­tes nach­ho­len und eine eige­ne Front­be­richt­erstat­ter- Kom­pa­nie auf­bau­en. Fer­n­au macht den Frank­reich­feld­zug (1940) mit, berich­tet aus dem Kes­sel von Dem­jansk (Juni 1942), von der Rück­erobe­rung Char­kows (1943) und im sel­ben Jahr von den Kämp­fen um Kursk. Danach ist er in Frank­reich am Auf­bau der Abtei­lung »Skor­pi­on« betei­ligt, die den Durch­hal­te­wil­len der eige­nen Trup­pe mit­tels unge­schmink­ter Bericht­erstat­tung auf­recht erhal­ten soll. In den Flug­blät­tern und Berich­ten, die Fer­n­au im Rah­men die­ser psy­cho­lo­gi­schen Kriegs­füh­rung schreibt, kann man Anklän­ge an jenen Ton fin­den, in dem er spä­ter sei­ne Best­sel­ler ver­faßt: direk­te Anspra­che des »ein­fa­chen Man­nes«, Fra­ge­und Ant­wort­spiel, unre­bel­li­sches Dampf­ab­las­sen in der Art, daß man »hier unten« mit Fleiß und gesun­dem Men­schen­ver­stand das hin­biegt und umsetzt, was »dort oben« aus­ge­klü­gelt und befoh­len wird. Fer­n­au baut die­se Grund­ele­men­te zur Meis­ter­schaft des leich­ten Stils aus, mit dem er in sei­nem Buch Guten Abend, Herr Fer­n­au sogar his­to­ri­sche Grö­ßen zu Gesprä­chen in sei­nem Arbeits­zim­mer auf­mar­schie­ren läßt, um sich mit ihnen auf Du und Du zu unterhalten.
Im Juli 1944 wird auch Frank­reich zur Front, und im August ver­faßt Fer­n­au jene Radio­an­spra­che über »Das Geheim­nis der letz­ten Kriegs­pha­se «, die Peter Wapnew­s­ki 1967 in der Zeit als »Durch­hal­te­ar­ti­kel« prä­sen­tiert, um Fer­n­au anzu­grei­fen. Fer­n­au darf – eben­falls in der Zeit – kon­tern, ver­weist auf die simp­le Tat­sa­che, daß es sein Auf­trag war, für den Sieg der deut­schen Trup­pen zu schrei­ben, und geht letzt­lich unbe­schä­digt aus der Aus­ein­an­der­set­zung her­vor. Er weiß sich neben Namen wie Hen­ri Nan­nen (Stern) und Lothar-Gün­ter Buch­heim (Das Boot) als ehe­ma­li­ger Kriegs­be­richt­erstat­ter in pro­mi­nen­ter Gesellschaft.

Bei Kriegs­en­de demo­bi­li­siert Fer­n­au sich und sei­ne Leu­te in der Nähe des Tegern­sees, er selbst schlüpft gemein­sam mit sei­ner Frau, die sich aus Ber­lin zu ihm durch­ge­schla­gen hat, in Mün­chen unter fal­schem Namen bei Bekann­ten unter. Mit Gele­gen­heits­ar­bei­ten, Sprach­un­ter­richt und dem Ver­kauf von Gemäl­den kom­men die Fern­aus durch die Nach­kriegs­zeit, 1949 gelingt die Ent­na­zi­fi­zie­rung. Nach kur­zen jour­na­lis­ti­schen Zwi­schen­spie­len in Mün­chen und Stutt­gart legt Fer­n­au 1952 sein ers­tes Buch vor: Von die­ser Geschich­te der Deut­schen kann der Stal­ling-Ver­lag unter dem Titel Deutsch­land, Deutsch­land über alles im ers­ten Quar­tal nach Erschei­nen 8000 Exem­pla­re abset­zen, das 50. Tau­send erscheint bereits 1959.
Gleich mit die­sem Werk hat Fer­n­au den Ton gefun­den, den er bis zuletzt durch­hält: Er geht unbe­fan­gen an den Stoff her­an, sichert sich nicht umständ­lich durch Fuß­no­ten oder Refe­ren­zen ab, son­dern stellt das Kom­ple­xe so dar, wie er es begreift. Die­se Dar­stel­lung erfolgt in einer Spra­che, die ein für alle­mal unver­wech­sel­bar bleibt: »Wer die Fernau­sche Art des Erzäh­lens von Geschich­te ein­fach als ein Berich­ten aus iro­ni­scher, spöt­ti­scher oder gar schnodd­ri­ger Distanz defi­niert, macht es sich zu leicht. Der Vor­gang ist viel kom­pli­zier­ter. Fer­n­au setzt sich die Nar­ren­kap­pe bloß auf, um dafür an jenen Stel­len, auf die es ihm ankommt, um so unmit­tel­ba­rer und erns­ter zu spre­chen.« (Armin Mohler)
Der Erfolg macht Fer­n­au finan­zi­ell unab­hän­gig und ver­setzt ihn in eine kom­for­ta­ble Ver­hand­lungs­po­si­ti­on. Als sein Ver­le­ger 1957 die Geschich­te der Lie­be unter dem Titel Und sie schä­me­ten sich nicht ablehnt, wech­selt Fer­n­au zum Herbig-Ver­lag, bei dem er bis zu sei­nem Tod (1988) bleibt.
Man kann das Werk Fern­aus in drei Tei­le glie­dern. Am bekann­tes­ten sind die Geschichts­wer­ke, die mit dem Deutsch­land-Buch und den Genies der Deut­schen (1953) ein­set­zen und bereits 1961 in der Geschich­te der Grie­chen gip­feln, die unter dem Titel Rosen für Apoll erscheint und allein in der gebun­de­nen Aus­ga­be 400 000 mal ver­kauft wird. Es fol­gen Dis­teln für Hagen (ein Inter­pre­ta­ti­on des Nibe­lun­gen­lie­des, 1966), die Geschich­te der Römer (Cäsar läßt grü­ßen, 1971) und eine bit­te­re his­to­ri­sche Abrech­nung mit den USA (Hal­le­lu­ja, 1977). Mit Spre­chen wir über Preu­ßen legt Fer­n­au 1981 sei­ne letz­te gro­ße Geschichts­be­trach­tung vor, eine Nach­er­zäh­lung des Alten Tes­ta­ments bleibt unvoll­endet, und die Geschich­te Ruß­lands nur ein Plan.
Nicht viel weni­ger umfang­reich, jedoch im Ver­kauf deut­lich weni­ger erfolg­reich ist Fern­aus Pro­sa­werk, von dem heu­te kein ein­zi­ger Titel mehr lie­fer­bar ist. Neben den erwähn­ten auto­bio­gra­phi­schen Roma­nen ste­chen qua­li­ta­tiv die Novel­le Haupt­mann Pax (1954, über eine unge­heu­re Flucht aus rus­si­scher Kriegs­ge­fan­gen­schaft) und der Roman über Goe­thes letz­te Lie­be (War es schön in Mari­en­bad, 1982) her­vor, viel­leicht auch noch der »Som­mer­nachts­traum« Sap­pho, in den Fer­n­au, dies­mal ganz Schalk, den Gedich­ten der grie­chi­schen Sän­ge­rin zwei eige­ne unter­ju­belt, »zur Ver­wir­rung der Zunft«. Die Gele­gen­heits­ar­bei­ten und die Auf­sät­ze über Kunst und Archi­tek­tur fül­len eine drit­te Rubrik.
Aber die­se Kate­go­ri­sie­rung führt nicht wei­ter, sie teilt Fern­aus Werk an der fal­schen Stel­le. Sei­nen schöns­ten Wer­ken, zu denen sicher Dis­teln für Hagen und Ein wun­der­ba­res Leben gehö­ren, liegt ein gemein­sa­mes Mus­ter zugrun­de. Armin Moh­ler schrieb, Fer­n­au habe früh erkannt, »wel­che Blö­ßen sich sei­ne Lands­leu­te mit ihrer ein­sei­tig wirt­schaft­li­chen Aus­rich­tung gaben: sie muß­te not­wen­dig in Geschichts­ver­ges­sen­heit und damit auch in Zukunfts­blind­heit mün­den. Bei­des zusam­men macht eine Gesell­schaft, ein Volk äußerst ver­wund­bar. Joa­chim Fern­aus schrift­stel­le­ri­sche Genia­li­tät bestand dar­in, den Deut­schen so ganz neben­her und läs­sig das Gro­tes­ke ihrer Situa­ti­on bewußt zu machen.« An der Zeit lei­den und den­noch einen Ton fin­den, der nicht Orgi­en der Ver­ach­tung zele­briert, son­dern das Wun­der­ba­re, das Unvor­her­seh­ba­re, das Schick­sal­haf­te zur Gel­tung bringt: Das ist Fer­n­au. Das ist zeit­los wichtig.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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