Nun ist es also passiert: Ein antisemitischer, fahnenschwenkender, aggressiv nationalistischer Mob demonstrierte in der Wiener Innenstadt und trug dabei Transparente mit Parolen wie “Wach auf, Hitler”.
Offenbar ist es also mal wieder an der Zeit, europaweite Sanktionen gegen das unverbesserliche Österreich einzuleiten und Lichterkettenaufmärsche zu organisieren. Aber Augenblick, bitte – die Fahnen waren weder rot-weiß-rot noch schwarz-weiß-rot, sondern lediglich weißrot, denn es handelte sich hier um eine anti-israelische, islamistisch aufgeladene Demonstration von Türken und Palästinensern.
Ein aus einem Youtube-Video entnommenes Foto von dem Hitler-Spruchschild wurde in der linken Stadtzeitung Falter abgedruckt (die das, ähm, “seltsam” findet), Protest kam bisher nur marginal, etwa in der Online-Ausgabe der Zeitung Die Jüdische und auf diversen Antifanten-Seiten. Die Jüdische hat schon – “Wer hat uns verraten…?” – einen Schuldigen gefunden, und zitiert (in skandalisierender Absicht) ein Statement, unterzeichnet von SPÖ-Abgeordneten mit so ur-austriakischen Namen wie Omar Al-Rawi und Nurten Yilmaz:
Mit Schock und Entsetzen die Welt heute die Nachrichten erhalten über das Vorgehen der Israelische Marine gegen den humanitären Einsatz einer internationalen Hilfsflotte für die Bevölkerung im Gazastreifen mit mindestens 10 Toten und mehreren Verletzten.
Wir wollen an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, daß der Journalist, der in der Jüdischen den fahrlässigen Linksliberalen vom Falter und den wohl faktisch weniger linksliberalen (und wohl auch weniger sozialdemokratischen) Fünften Kolonnen in der SPÖ eine Watschen verpaßt, ein gewisser Karl Pfeifer ist, einer der – vor allem wenn es Richtung FPÖ geht – schärfsten Antisemiten- und Nazi-Riecher der Alpenrepublik.
Nun denn: Die Wiener Polizei gibt an, daß bei der besagten Demo vom 1. Juni ca. 600 bis 800, bei einer Folgedemo am 4. Juni gar 5.500 Menschen beteiligt waren. Das ist eine beachtliche Menge, und die Aufnahmen, die man auf Youtube ansehen kann, sind in der Tat besorgniserregend.
Ich will hier nun allerdings wohlgemerkt keine Nummer à la Politically Incorrect anstimmen. Dem Konflikt zwischen Israel, den Palästinensern und der Hamas, und der erweiterten islamischen Welt, sollten wir uns nicht nach Vorgabe von bewältigungskonditionierten Reflexen, sondern strikt unter dem Blickwinkel des politischen Eigeninteresses nähern. Daß die islamische und arabische Militanz gegen Israel ganz klare, nachvollziehbare Ursachen hat, die in der aggressiven Politik Israels begründet liegen, liegt deutlich auf der Hand, für alle, die sehen wollen.
Weniger deutlich ist da angesichts des medialen Betroffenheitsgesuders vielleicht, daß die Aktion mit dem Versorgungsschiff nach Gaza unter türkischer Flagge, unterstützt von ein paar westlichen Schwachköpfen, vermutlich eine gezielte Provokation war, die Israel in propagandistischer Hinsicht in eine Lose/Lose-Situation gebracht hat. Hier wird offenbar auch von türkischer Seite etwas ausgebrütet, dessen politische Konturen noch nicht ganz klar sind.
Als Österreicher frage ich mich angesichts dieser Ausweitung des israelisch-pälästinensischen Konflikts auf österreichischen (und deutschen) Boden: Was zum Teufel machen diese Massen an türkischen Nationalisten, Palästinensern und Hamas-Sympathisanten eigentlich überhaupt in Wien? Und wer hat es denn Jahr für Jahr, Tag für Tag mit politischen Entscheidungen, propagandistischer Pressearbeit und medialem Druck überhaupt erst möglich gemacht, daß solch eine Situation heranwachsen konnte? Wer von denen, denen nun die Knie schlottern und die nun erst Antisemitismus-Alarm schlagen, weil sie sich offenbar mehr um die Gefährdung Israels als Österreichs sorgen, hat uns denn diese täglich Zufluß bekommende, vergiftete Suppe überhaupt erst eingebrockt?
Eines kann ich jedenfalls mit Sicherheit sagen: Es ist nicht die FPÖ mit Rosenkranz oder ihrem “Daham statt Islam”-Strache, die für dieses Hitler-Comeback (das nicht das erste seiner Art sein wird) verantwortlich zeichnet – ganz im Gegenteil!