Nicht, weil ich die Ungeduld und das Aufatmen nicht nachvollziehen könnte, wenn der Gordische Knoten einer dauerreflexiven und ‑bedenklichen Ungewissheit endlich zerschlagen wird. Vielmehr, weil ich darin trotz aller seelischen Befreiung einen Rückfall und Niveauverlust sehe.
Gestatten Sie daher ein paar Anmerkungen zu den Begriffen:
1. “Wille zur Macht”: Daran mangelt es in Deutschland gewiss nicht – gerade in der sog. Elite. Diesen Typus haben wir sogar reichlich, und den hatten wir schon vor Jahrzehnten, und wir werden ihn auch in unseren Reihen zu Dutzenden auftauchen sehen, wenn es tatsächlich mal etwas zu verteilen gäbe. Mit diesen notorischen Manipulateuren, für die “Wahrheit” (falls es sie gibt) stets nur eine taktische Größe ist, Werte nur verteidigt werden, wenn sie sich politisch “lohnen” und in Mode sind, Menschen nur als Objekte dienen, die man zu Zwecken gebraucht und entsprechend unvollständig instruiert – und anders ist “Wille zur Macht” zumindest heute nun mal nicht zu realisieren – , fühle ich mich schlechterdings nicht solidarisch. Vielmehr mit denen, die im Widerstand mit dem Zeitgeist ihren Kopf hinhalten und dafür gerade auf politische, ökonomische, pekuniäre oder die bürgerliche Reputation betreffende Macht verzichten.
Auch weiß man bei solchen Willensträgern nie, ob ihre Haltung mit Vernunft und v.a. Ethos gepaart ist. Der Letzte übrigens, der das mit dem “Willen” in größerem Stil ausprobiert hat, hinterließ einen Scherbenhaufen, der uns noch über sechs Jahrzehnte zu mentalen Heloten und Zeloten gemacht hat. Vor solchen ungeduldigen Politstrategen graust es mir. Man geht nicht zweimal durch denselben Fluss, es sei denn zum Baden, im doppelten Wortsinn. Als Konservativer denke ich aber (aller orgasmischer Entladungsphantasien, von denen ich mich keineswegs frei weiß, zum Trotz) nicht nur in (subjektiv) erfüllten Augenblicken, sondern in mehreren Generationen, für die man Verantwortung trägt, und in Rücksicht auf die Folgen, die einer Sache Gesamtschaden zufügen können. Und da rate ich zur realistischen Lagebestimmung: Wir (d.h. vorwiegend Sie und Ihr Umfeld) halten glücklicherweise mit relativ wenigen Truppen einen geistigen Brückenkopf. Das erscheint vielleicht als nicht viel, aber angesichts der erdrückenden Übermacht ist es gewiss nicht wenig. Wer nun aber auch ohne wesentliche Verstärkung (konkret: breitere Zustimmung) zur Eroberung des ganzen jenseitigen Ufers aufbricht, könnte böse erwachen.
2. Damit zum Empfindungstopos des alles vereinfachenden Aufbruchs, zur großen Säuberung, zum Wegfall aller Alternativen zugunsten einer einzigen Entscheidung oder Bewährung: O ja, das ist ein schönes Gefühl! Ich kenne es zur Genüge aus unterschiedlichsten Lagern. Als eines der eindringlichsten ist mir um 1968 der Auftritt von Daniel Cohn-Bendit in Erinnerung, als es ihm fast gelungen wäre, eine Studenten-Demo an der deutsch-französischen Grenze in die Polizeiknüppel zu manipulieren. Auch ich persönlich kann – wie Bismarck – von mir sagen, dass ich so manche Nacht hindurch gehasst habe und mich dann selbst therapierte mit der Vorstellung, wie dieser momentan herrschende Polit- und Medienklüngel mit einem einzigen Schlag vom Tisch gefegt werde. Wie sie dann winseln, um einen Job betteln, beteuern, es nicht so gemeint zu haben: Man hätte damals eben so sagen oder schreiben müssen; dabei hätten sie persönlich niemals … usw., usf.
Aus der Distanz fürchte ich, dass solche Machtträume nicht die besten Stunden meines Lebens waren. Dann habe ich fast, allerdings nur fast, ein wenig Mitleid mit diesem seit einem Jahrhundert dauerpädagogisierten Volk, das niemals wagte, es selbst zu sein. Außerdem, wer möchte hier regieren oder im Wortsinn herrschen und damit den nun mal wieder umgedrehten Untertanen das Fürchten lehren und ihre Speichelleckereien goutieren, während die wenigen gegnerischen Aufrechten für alles büßen müssten. Eher schon behagt mir die Vorstellung, dass sich demnächst die Phalanx einer Gegenelite durch realen Problemdruck zunehmend verbreitert. Dass deren Kompetenz für die weitere Existenz des Staates unverzichtbar wird. Und dass ihnen dies die Möglichkeit eröffnet, im Hintergrund als eigentliche Akteure die schlimmsten Gaukeleien der Histrionen-Politiker zu verhindern.
Fazit: Ein schönes Gefühl, das ich nicht ironisieren will, in Ehren. Ich empfehle allerdings stattdessen Benns “Dennoch die Schwerter halten”. Von der Komplexität werden wir via Romantik nicht mehr befreit. “O, wenn wir unsere Ururahnen wären, ein Klümpchen Schleim in einem warmen Moor!” lautet eins meiner Lieblingsgedichte des gleichen Autors.
Ja, wenn wir es wären …! Aber diese Erfahrung ausblendende Naivität ist künstlich. Wir müssen es leider als “Hirntiere” schaffen.
Mit freundlichem Gruß,
Gunther Konstanz
Simon Bruenler
Douglas MacArthur sagte einmal: Es ist fatal, in einen Krieg zu ziehen ohne den Willen, ihn zu gewinnen.
Es mag sein, daß der Autor den Eindruck hat es würde in Deutschland bei vielen den Willen zur Macht geben. Doch hat es zu allen Zeiten immer nur wenige gegeben, die diesen Willen tatsächlich aufbrachten. Glaubt denn irgendjemand, daß Angela Merkel auf Dauer jemanden in ihrer Nähe duldete der tatsächlich diesen Willen zur Macht hat? Oder daß dieser Wille in den Amtsstuben und Parteizentralen bei vielen zu finden sei? Der Autor verwechselt hier Katzbuckeln, Anbiederung und Opportunismus mit dem Willen zur Macht.
Wenn der Auto hier meint, daß anders als mit kaltem Egoismus und Opportunismus heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist stellt er sich in die Reihe derer, meinetwegen ohne es zu wissen, die ihren Lebenszweck im Jammern sehen, daß ja alles so schlecht sei und gar keine Besserung möglich.
Auch wenn er meint, daß sich der Wille zur Macht schon wegen Hitler verbietet (ja, ich traue mich den Namen auszusprechen) geht er nur der Propaganda unserer rückgratlosen Polit-Elite auf den Leim. Nur weil beim letzten Mal ein augenscheinlich Irrer aus Braunau den Willen hatte die Macht zu ergreifen ist das für alle Konservativen die danach kommen also kein gangbarer Weg mehr....
Es tut mir leid, aber auf solche Weisheiten verzichte ich dankend und sehe mich nach echter Hilfe um.
Auch ist eines zu bedenken: Jemandem der sich selbst nicht den Sieg zutraut wird niemand der auch nur einen Rest von Verstand hat zu Hilfe eilen, es sei denn er leide unter einem ausgeprägten Helfersyndrom. Auch dürfte es weniger als zwecklos sein auf Zustimmung der Massen zu hoffen. Sind doch gerade die Massen durch andauernde Propaganda sediert bis zur Bewegungslosigkeit. Die größte Anstrengung zu der man sich heute noch aufraffen kann ist der wohlfeile "K(r)ampf gegen Rechts", symbolisiert durch Lichterketten und andere Folklore. Trotzdem täusche man sich nicht: Die gleichen Leute die bei den Lichterketten mitmachen, würden auch bei Veranstaltungen rechts-konservativer Prägung mitmachen, vorausgesetzt sie haben das Gefühl dabei auf der Seite derer zu sein die gewinnt oder schon gewonnen hat.
Das der Autor hofft, daß sich plötzlich eine Gegen-Elite bildet, zeigt zwar, daß er anscheinend romantisch veranlagt ist, aber die Geschichte zeigt leider immer wieder, daß Romantiker in der Mehrzahl der Fälle eben dieses bleiben, Romantiker.
Tatsächlich haben wir es heute mit folgender Lage zu tun:
Unser Volk liegt geknechtet und geknebelt darnieder und huldigt einem Schuldkult der ihm von außen aufgezwungen wird. Unsere Eliten und Politiker sind Männer und Frauen denen Begriffe wie Ehre und Gewissen so fremd sind, daß sie nicht einmal wissen was diese Begriffe auch nur bedeuten. Um es kurz und prägnant zu sagen: Früher nannte man es Hochverrat, heute nennt man es parlamentarische Arbeit.
Den Amtseid den unsere Regierenden bei Einsetzung leisten müssen haben sie, kaum daß ihnen die Worte von den Lippen gehen, auch schon wieder vergessen. Statt die Interessen des deutschen Volkes zu vertreten, übt man sich darin all unseren Nachbarn zu versichern ihr Knecht in Ewigkeit zu sein.
Dieses politische System ist verottet bis ins Mark. Es hat keine Selbstheilungskräfte mehr. Wer sich das Gegenteil einbildet könnte auch genausogut daran glauben, daß der Klapperstorch die kleinen Kinder bringt. Tatsache ist auch, daß unsere Eliten von dem gegenwärtigen System recht gut leben können. Warum sollten sie es also ändern?
Auch wer noch wähnt Deutschland habe eine freiheitlich, demokratische Grundordnung sollte sich dringend in psychologische Behandlung begeben. Derlei Wahnvorstellungen können allerdings durch eine Konfrontationstherapie mit der Realität geheilt werden. Als Aufbautherapie empfehle ich das Studium der alten Klassiker. Hier ist speziell Montesquieu zu empfehlen mit seiner Abhandlung über die Gewaltenteilung.
Freilich werde ich nicht so dumm sein mich an dieser Stelle über die Schlußfolgerungen zu verbreiten die aus dem gesagten zu ziehen sind. Das überlasse ich dem geneigten Leser.