Seine Haltung also ist Kunst, seine Haltung ist keine Legierung anno dazumal, sie nimmt auf, aber gestaltet aus, erfindet nicht neu, aber führt Linien weiter. Sie ordnet einen „invarianten Schatz von Gebräuchen, Gewohnheiten, an Einrichtungen, Symbolen, Wegweisern und ‚kulturellen Immobilien‘, denen wir die Steuerung unseres Verhaltens in dem Gefühl überlassen können, es richtig zu machen.” (Arnold Gehlen) Orientierung an immer Gültigem, das man aufgeben zu können glaubte. Für Nietzsche sind es „Bruchflächen”, und sein Rezept, diese „funkeln zu lassen auf jede Gefahr und ohne Rücksicht auf die Ergebnisse”, ist das Unterfangen der Artistik, „gegen den allgemeinen Nihilismus der Werte eine neue Transzendenz zu setzen: die Transzendenz der schöpferischen Lust”.
Kunst als Artistik, als Wiederbelebung identitätsstiftender Bestände, also Zeitlosem, durch Montage. Sie kennt nur ein Ziel: die Form. Diese wirkt unmittelbar im Bewußtsein des Rezipienten, „bringt ins Strömen, wo es verhärtet und stumpf und müde war, in ein Strömen, das verwirrt und nicht zu verstehen ist, das aber an Wüste gewordene Ufer Keime streut, Keime des Glücks und Keime der Trauer, das Wesen der Dichtung ist Vollendung und Faszination.” Gottfried Benn ist Minimalist, Sinnsuche betreibend, um der Statik willen, die sich aus der Form ergibt. In toto: Er ist konservativ im ureigentlichen Sinne. Con servare, etwas in seinem Zusammenhang erhalten.
Ganz Protagonist des 20. Jahrhunderts kann er das „Doppelleben” verwirklichen, jene Prothese, die Nietzsche einst verwehrt blieb: die Aufspaltung des Lebens in zwei Hälften, eine alltägliche und eine transzendente. Letztere ist im Zeitalter der Moderne unerheblich geworden, da sich im Alltäglichen bereits alles Lebensnotwendige befindet oder zumindest als Narkotik erfolgreich dessen Abglanz verabreicht.
Die Preisgabe aber ist die „Tiefe des Weisen”, und dieser widersetzt Benn sich. So ringt er mit dem Geworfensein, naturwissenschaftlich – luzide den aufgeklärten Zweifel handhabend, ihn vice versa kühn gegen Materialismus und Borniertheit aufwendend, an ihm leidend, deistisch – atheistisch schwankend, eine einzige Rochade. Sein Werk ist zutiefst existentialistisch, die Oberfläche durchstoßend, alles Niedergeschriebene, noch die lyrischste Platitüde, ist rückgebunden an pure Erfahrung, ohne Spielarten zeitgeistiger Profilneurosen. Benns Definition des Schreibprozesses läßt daran keinen Zweifel aufkommen.
Es wäre fatal, es bei der allseits bekannten Schulbuch-Poesie der Krebsbaracke und den quietschenden Rattenschnäuzchen als poetischer Provokation zu belassen. Ende der zwanziger Jahre beginnt er, eben jenen expressionistischen Gestus programmatisch zu ordnen, die wüsten Rausch- und Entgrenzungsrituale in den Gedanken von Form und Inhalt zu bringen. Der „Montagestil” wird Benns Methode.
„Worte, Einzelwörter, Komposita, kurze Syntagmen, die wirklichkeits- und erfahrungsgesättigt sind, sich aber nicht in der Wiedergabe der Wirklichkeit erschöpfen, sondern verborgene Seiten der Dinge aufdecken und in ihrem Zusammenwirken ein neues, schöpferisches und faszinierendes Bild der Welt entstehen lassen.” (Helmuth Kiesel).
Wer das nun mit l’art pour l’art verwechselt, also Kunst als Flucht, es für ästhetische Spielerei hält, griechisch-mediterran angehauchte Traumschloßbauerei, ist mit der Benn-Lektüre schlecht beraten. Benn phantasiert nicht, schließt im Ausschreiten der Ressourcen keine artifiziellen Kreise ab. Im Ansatz geht er auf die Theorie eines Stefan George ein, ohne dessen Hermetik und Abnabelung zu vollziehen. Die Kunst als Flucht findet sich genau hier: Die Haltung Georges ist Nostalgie, die in ihrem Autonomie-Verhängnis kurioserweise auf ein kommendes, unbedingt zu gestaltendes Zeitalter zielt. Benn hingegen akzeptiert die Moderne und nimmt ihr das Moment der blinden Umschichtung, der puren Dynamik: „[…] – Kunst ist statisch. Ihr Inhalt ist ein Ausgleich zwischen Tradition und Originalität, ihr Verfahren die Balance zwischen Masse und Stützpunkt.” Unverkennbar zeigt sich hier der Einschlag des Avantgardismus, dessen Strömungen ab 1910 maßgeblichen Einfluß auf die Gegenwartskünstler ausüben. Gemein ist ihnen allen der Impetus, dem „Realitätszerfall” der unübersichtlich gewordenen Wirklichkeit mittels Ästhetik zu begegnen. Besonders der Futurismus beeindruckt Benn, jene in Italien von Filippo Marinetti geprägte Vitalisierung der Gegenwartssprache. Diese aus dem „Gefängnis des lateinischen Satzbaus” (Marinetti) zu befreien und im sprachkritischen Interregnum der „Ausdruckswelt” in neuem Glanze erstrahlen zu lassen, wird zu seinem Ideal.
Wer sich andererseits mit dem populären Nazi-Verdikt abschießt in den Kosmos der Aufarbeitungs-Diskurse, wird zielen, aber nicht treffen. Benn führt seine Annäherung an die Herrschenden 1933 mit seiner seit Jahr und Tag vertretenen Anschauung, dem Heraushalten der Sphäre des konstruktiven Geistes aus dem politischen Bezirk als Notwendigkeit aller Kunst. Er fordert in Anlehnung an die italienische Symbiose Faschismus – Futurismus die bedingungslose formale, nicht inhaltliche, staatliche Förderung der Kunst, erkennt schon bald das Liederlich-Niedrige im Wesen des Nationalsozialismus – und in der Quintessenz die Unmöglichkeit einer Verschmelzung mit seiner eigenen Weltsicht.
Die Annäherung mag das Prädikat fragwürdig tragen, jedoch kaum, weil sie für die abrupte Aufgabe einer leidenschaftlichen, Parteipolitik ablehnenden, Pariarolle in den Debatten der vorangegangenen Jahre steht, sondern vielmehr wegen des Ausgreifens über ästhetisches Terrain hinaus. Der Kunstgedanke wird kurzzeitig überwölbt vom vermeintlichen „Hervortreten eines neuen biologischen Typs”. Jetzt wiegen die Erbmassen, der Homme de lettres ist plötzlich nur noch Arzt – er schert aus, schmeißt die Hälften des Doppellebens zusammen. Die Züchtungsphantasie gilt nun als Steilvorlage für die zukünftige Dichtergeneration, deren Arbeit unmittelbar das Biologische betreffen soll: „[…] was politisch geprägt wird, wird organisch erzeugt”.
Nun erscheint der Volkspädagoge, im Grunde kein Novum deutscher Geistesgeschichte. Man erinnere sich an das normative Gebaren der Klassik. Doch hat Friedrich Schillers erzieherische Kunst noch auf den Geist eines Zirkels Auserwählter gezielt, so betreibt Benn nun die Vermassung des Ideellen unter (vermeintlicher) Zeugenschaft der geschichtlichen Regung. Dank dieser anthropologischen Wendung sei nun der „Geist … ungeheuer allgemein, produktiv und pädagogisch”, sein „Axiom” lebe fortan „in der Kunst Georges wie im Kolonnenschritt der braunen Bataillone als ein Kommando”. Denn: „Es ist der Geist des imperativen Weltbildes, das ich kommen sehe.” Ein wahrlich chiliastischer Anspruch!
Im Anschluß daran findet sich in Teilen der Sekundärliteratur die Sottise, mit Benn habe man exemplarisch einen Fall anrüchigen Mitläufertums in der Karikatur des steigbügelhalterischen Kunstbetriebs-Opportunisten vorliegen. Dessen 1948 langsam einsetzender, im folgenden Benn-Jahr in Westdeutschland sich manifestierender Nachruhm sei zwar zweifellos literarisch, jedoch nicht ohne weiteres moralisch, also: – horribile dictu – politisch zu verantworten. Berücksichtigt man die Tatsache, daß Anfang der dreißiger Jahre die Vermengung der Begriffe politisch und privat nicht ohne weiteres dem common sense entspricht, so bleibt dennoch festzuhalten, daß eine konjunkturelle Abfärbung auf das Werk nicht stattfindet. Die Blut-und-Boden-Oden schreiben andere.
Gottfried Benn ist zu keinem Zeitpunkt etwas anderes als ein politischer Charakter, Wesen und Wollen von Parteien bleiben ihm jedoch fremd. Er klebt nicht an der fabelhaften „Welteislehre” oder sinnt seinen hymnisch besungenen „Leuten vom Fremdboottypus” nach – diese obskure Gegenwelt der frühen zwanziger Jahre hat es auch gegeben, als lyrisches Motiv und archaisches Pläsier, doch ernst zu nehmen ist sie nicht. Sie ist vielmehr ein Entsatzversuch gewesen, ein Wegdämmern in die Urzeit. Dies Gebaren legt sich mit dem aufkommenden Form-Drang.
Benn sieht die „neue Epoche des geschichtlichen Seins” am 1. Mai 1933 wohlwollend an seiner Berliner Wohnung vorbeimarschieren und bedauert es, als sein jüdischer Duzfreund und 1938 verschleppter, später freigekaufter Verleger Erich Reiß, „den Weg seiner Rasse ging”. Auch dieses als Zwang, mit dem man (formend) umzugehen habe, zu akzeptieren, das nahm und nimmt man Benn übel.
Sein Zweifeln setzt wenige Wochen nach der sogenannten Machtergreifung ein, das Autoritäre, „die Macht, als die eiserne Klammer, die den Gesellschaftsprozeß erzwingt”, hat begonnen, als kunstfeindliche Tyrannei aufzutreten. Benn sieht die Synthese von Geist und Macht, die alte Nietzsche-Vision des Übermenschen, gescheitert und zieht sich zurück. „Es gibt nur die Form und den Gedanken”, diese Losung begleitet ihn fortan bis zu seinem Tode und verleiht seiner Poetik den klaren, nüchternen Zug der Defensive.
Benn hat die eingebrannte Überzeugung, den Menschen ausschließlich als tragisches, sich den Zeitläufen hinhaltendes Wesen zu deuten, niemals aufgegeben. Im Gegenteil: Sein konstitutiver Argwohn gegenüber der geschichtlichen Welt, der man mit dem Taschenspielertrick des Teleologischen nicht nur einen Sinn, sondern zugleich die Möglichkeit ihrer permanenten Veränderung durch Parteien- und Wohlfahrtsengagement untergeschoben hat, verfestigt sich und erreicht im Nachkriegswerk seine niedergeschlagene Vollendung.
Vor dem Hintergrund dieser Zeitenwende hält sich bis heute hartnäckig die seit den sechziger Jahren verstärkt kursierende Mär, nicht nur vom geläuterten Ex-Nazi, der letztendlich den Dicht-Olymp erklommen hat, sondern zusätzlich der Makel, nun beherrsche ein Adenauer-Deutscher, restaurativ-kleinbürgerlich, das Lyrikressort.
Daß dem mitnichten so ist, daß Benn dem zoon politikon und dessen Treiben nach 1945 nicht weniger distanziert gegenübersteht als zuvor, zeigt der Blick auf die Produktion dieser Phase.
Zwar beginnen sich Ende der 40er Jahre die Wogen zu glätten, bedeutet die steigende öffentliche Reputation (unter anderem 1951 Georg-Büchner-Preis) zweifelsohne Balsam auf des geschundenen Egomanen Wunden, doch bleibt der Abstand zum Geschehen gewahrt. Aus dem Rückraum heraus betrachtet er die gesellschaftlich-politische Umgebung, weit entfernt von jeder offiziellen Stellungnahme, bar jedes Züchtungsgedankens: „ […] der Staat sendet überall seine Zapfen hinein: Steuer, Miete, Sexualität, die Gesundheit, die Krankheit, überall hinein diese Staatszapfen, er hat eine Menschheit geschaffen, die ohne ihren Rheumatismus gar nicht mehr leben kann, da sonst ihr letzter Lebensinhalt verfällt.” (1952)
Staat und Politikbetrieb als Störfaktoren der Lebensentfaltung, institutionelles Anrempeln des Individuums – ein öffentliches Ärgernis. Benn hat die zurückliegenden permanenten Besudelungen und Angriffe noch allzu gut im Gedächtnis. Seine resümierende und Ausblick vermittelnde Kurzschrift Nihilistisch oder positiv? von 1953 ist geprägt von dieser Erfahrung. Sie bietet keine Erlösungsformeln, keinen Aktionismus, aber eine Haltung als Fundament und Brückenwehr für einen Fortbestand des Denkerischen: „Das angefertigte Werk ist eine Absage gegen Zerfall und Untergang. Selbst wenn dieser schöpferische Mensch sich sagt, selbst wenn er weiß, auch die Kulturkreise enden, auch der, zu dem er gehört – der eine endet und der andere tritt in den Zenit, und darüber steht das Unaufhörliche reglos und wahrscheinlich im Wesen nicht menschlich -, der schöpferische Mensch sieht dem ins Auge und sagt sich, in dieser Stunde liegt auf mir das unbekannte und tödliche Gesetz, dem muß ich folgen, in dieser Lage muß ich mich behaupten, ihr mit meiner Arbeit entgegentreten und ihr Ausdruck verleihen.” Behaupten, entgegentreten, Ausdruck verleihen: Somnambulismus geht anders.
Nichts liegt Benn ferner als die Isolation ohne Grundsatz. Die Persilschein-Hermeneutik zum Beispiel eines Dieter Wellershoff, dessen partiell immer noch grundlegende Forschungsarbeit aus den fünfziger Jahren an diesem Punkt leider peinlich anmutet, besticht durch einen jungdemokratischen Firnis, der an Benn freilich abtropft – Irrationalismus, der fatalen Demokratiehaß und Verführungsbereitschaft erzeugte, und dann die Läuterung, vulgo Belehrung, durch die geschichtliche Stunde – alles gerne vorgetragene Topoi, um Rehabilitation und Eingliederung des Verfemten bemüht (wer liest schon gerne begnadete Faschisten?). Rührend absurd. Denn ein pater peccavi kommt gerade nicht in Frage. Das Politische, spätestens seit 1949 wieder schillernd in diversen Facetten von „bengalischen Krisenbeleuchtungen und Grundlagenfeuilletonismus”, taugt wieder nur als Funktion, als Organisation des Notwendigen, das unmöglich die Kunst, die Innerlichkeit, diktieren kann. Noch in seinem Todesjahr verleiht Benn dieser Erkenntnis Ausdruck, als er in einem Nachruf auf Ortega y Gasset aus dessen Spätwerk zitiert: „Der Geist darf nicht als öffentliche Angelegenheit verwaltet werden, der geistige Mensch, wenn er seine Aufgabe erfüllen will, muß sich wieder absondern.” Im Anschluß daran fällt sein vielleicht berühmtestes Zitat: „Im Anfang war das Wort und nicht das Geschwätz, und am Ende wird nicht die Propaganda sein, sondern wieder das Wort.” Und der Bundesbürger Benn meint weder das Dritte Reich noch die Ostzone.
Das Wort also. Das hat Priorität, hier beginnt die Kunst. Die Geburt der Form, die immer auf Statik beruht. Statisch meint ausgewogen, maßhaltend und hat mit Lethargie nichts gemein. „Form ist der höchste Inhalt” (Emil Staiger), zitiert Benn.
Die künstlerische Handlung ist das Maximum an Freiheit, da ihr, wie jeder Handlung, ein Sinn zugrunde liegt, sie aber ohne auf eine Zweckmäßigkeit verpflichtet zu sein ein Werk entstehen läßt, das Sinn verkörpert. Dieses Kunst-Werk stillt keine Triebe, bedient keine Zapfsäule. Doch es setzt dem Imperativ des „Sein und Werde”, dem Naturhaften, das Gebot der Form entgegen. Sie nagelt das Sein fest, zwingt es ins Passepartout, feiert den „Sieg über nackten Tatbestand und zivilisatorische Sachverhalte”. Eine Welt des Ausdrucks entsteht und zieht das Individuum an, das gerade hiernach verlangt hat. In jenem Moment beginnt die Sezession, schafft die Kunst einen archimedischen Punkt, entfaltet sich das Doppelleben.
Diese Ausdruckswelt kann dabei weder verordnet, total, noch universal sein. Jedes Werk entfernt sich von der Intention seines Schöpfers und tritt ein in den Stil, gelangt so überhaupt vom Ich zum Wir. Und vergeht doch wieder, da stets von neuem der Prozeß ablaufen muß, immer und immer wieder Formung bedeutend. Das ist ohne Wirklichkeitsbezug nicht zu haben.
Plötzlich ist diese anthropologische Wendung ins Politische übersetzt, dort, wo der Mensch sich absondert, aus „[…] Ekel vor dem Gewusel und den Verdauungsgeräuschen eines Volkskörpers, der in seinem Wohlbefinden vom Verbrauch, der Vernutzung, dem materiellen Wohlstand und dem auf Dauer gestellten Lohnzettel abhängig ist” (Götz Kubitschek). Das Werk ist nach Abschluß niemals subjektiv, kann es gar nicht sein, da eine Interpretation stets möglich, das schöpferische Wort in anderem Zusammenhang in andere Räume weist – unendliche Assoziationen. „Das Laboratorium der Worte” leuchtet nun ein. An seiner Tür steht Artistik. Die Sprache wird von ihrer bloßen Mitteilungsfunktion emanzipiert, die Codes aufgebrochen, das Geschwafel dechiffriert. Benn setzt diese Sprache absolut, macht unmißverständlich klar: Sie gehört auch dir, dreht sich selbstverständlich um feste Begriffe wie Schuld, Stuhl, Schmieröl – doch du wählst ihre Beschreibung. „Wörter in Aktion” (Peter Bieri) umkreisen die Begriffe, unaufhörlich. Dein Teil ist ihre Anordnung, ein Querschnitt von bestimmten Worten, Beschwörungsrituale – vielleicht ein konservativer Komplex.
Wiggo Mann verwies kürzlich in seinem Essay Der Balkan in mir – Zur Sehnsucht nach einer „Loslösung” vom Politischen, (Sezession 23) auf den bei Nietzsche entlehnten Begriff der Sezession und setzt ihn in Bezug zur NS-Fürsprache von 1933. Diese Analogie scheint zunächst schlüssig, verkennt allerdings aus weiter oben genannten Gründen die eigentliche Motivation. Die „große Loslösung” ist dem späten Benn zuzuschreiben, im resignativen „Im Dunkel leben, im Dunkel tun, was wir können” vollzieht sie sich und schafft erstmals in seiner Vita einen reinen Standpunkt. Die angestaute Wut der Inneren Emigration, die Gewißheit, den 1933 auftretenden neuen Aggregatzustand eines „blinden Abrollens” von Geschichte trotz Parteinahme nicht geprägt zu haben, der Zivilisationsekel im Großen und Ganzen – all das ist nun durchlitten und zur Erkenntnis geronnen, daß nur ein Ertragen der bloßen Dinge, eine darauf fußende Haltung der schöpferischen Selbstsorge und das setzt voraus – ein Ausklinken vom Wirklichkeitsreigen, die Option für ein Später darstellt. Das ist modern und substantiell. Es ist die letzte Haltung.