und inhaltlichen Fahrlässigkeiten abgelehnt. Solcherlei Anträge, die Betriebsgruppen „Literatur“, „Malerei“ und „vergleichende Beleidigung“ betreffend, können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Gymnasialbildung und/oder Hochschulstudium) nicht beantragt werden. Ausnahmegenehmigungen werden kurzfristig erteilt.
Die zuständigen Abteilungen Kulturbetrieb und Geschichtspolitik sind angewiesen, Bloggern mit Pawlowschem Bellreflex unverzüglich das Maul zu stopfen, ohne daß dafür noch die Voraussetzungen für ein ständiges Schreibverbot in den einzelnen Abteilungen vorher geprüft werden müssen. Bitte begreifen Sie, daß Joachim Gauck unser neuer Obama ist und wir keine oppositionellen Umtriebe am Tegernsee dulden. Gerade jetzt, über 20 Jahre nach dem Mauerfall, ist unsere freie Zivilgesellschaft gefordert, Verständnisprozesse über die jüngere deutsche Geschichte auch dem Kulturproletariat beizubringen, um die Überlegenheit der Gegenwart zu demonstrieren.
Leider müssen wir aufgrund einer Arbeitskontrolldirektive vom 20. Dezember 1999 der Pflicht nachkommen und Ihnen die vorliegenden inhaltlichen Fahrlässigkeiten in aller Genauigkeit erklären und in Kurzform einen eigenen Arbeitsnachweis erbringen.
Sie werfen unserer ehrenwerten Kulturarbeit vor, die „’DDR’“ „saufad“ darzustellen. Einige Übermittlungsfehler in unserer Sektion Audiovisuelle Fiktionen und Dokumentationen haben zwar dazu geführt, daß der hervorragende Film „Friedliche Zeiten“ der aufstrebenden Jungregisseurin Neele Leana Vollmar letzte Woche nur zu später Stunde auf Arte laufen konnte. Und auch am 8. März 2010 war sozialistische Selbstkritik angemessen, weil der Film „Hunger auf Leben“, der die wechselvolle Biographie der Genossin Brigitte Reimann portraitiert, bedauerlicherweise in die Nacht abgeschoben wurde. Aber nichtsdestotrotz konnten wir auch in dieser Sektion im abgelaufenen Geschäftsjahr das Planziel erreichen. Übrigens sollten Sie beachten, daß die Blumentapeten in diesen Filmen nicht generell beige, sondern zuweilen auch hellgrün zur Verstärkung des Binnenpluralismus waren. Die Arbeitsgruppe Requisite hat hier ihre Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit erfüllt.
Nach der erfolgreichen Absolvierung der Jubiläumsinszenierungen zu „20 Jahre Mauerfall“ haben wir sogar sogenannte moderne, die einfachen Arbeiter und Bauern ansprechende Kulturproduktionen fristgerecht fertiggestellt. Mit dem actionreichen TV-Zweiteiler „Die Grenze“ ist es dem ZK in Zusammenarbeit mit dem staatsnahen Betrieb teamworx gelungen, eine Debatte darüber auszulösen, ob wirklich niemand die Absicht hat, wieder eine Mauer zu errichten.
Frei nach Michail Gorbatschow umformuliert, hat teamworx es verstanden, daß die Medien eines der wichtigsten Kampfmittel der bundesrepublikanischen Partei sein müssen. Heute liegt eine besonders große Arbeit auf den Schultern der Partei, und dies bedeutet auch auf den Massenmedien, die wir von der Partei nicht trennen. Es läßt sich schwerlich annehmen, daß man ohne sie irgendwelche Probleme lösen kann. Aus diesem Grund laufen die Kulturproduktionen zur DDR-Geschichte, die wichtig sind, um den Sieg der freien Zivilgesellschaft zu unterstreichen, auch in Zukunft gemäß der Verordnung vom 12. September 2003 weiter. Im Herbst dieses Jahres werden wir zu den Feierlichkeiten „20 Jahre Wiedervereinigung“ die teamworx-Produktion „Go West – Freiheit um jeden Preis“ auf ProSieben laufen lassen. Außerdem entsteht in diesem Hause gerade ein historischer Zweiteiler für das ZDF, in den zur notwendigen staatsbürgerlichen Aufklärung ebenfalls eine Fluchtgeschichte integriert wurde.
Sie brauchen sich auch keine finanziellen Sorgen zu machen, da unser Abschied vom Schuldkult und die damit verbundene kostenintensive Aufstockung der Beleuchtung der deutschen Geschichte von 12 um mehr als 40 zusätzliche Jahre im Rahmen einer kaum spürbaren Kulturkostenpauschale deutlich budgetfreundlicher ist als die Umschichtungsmaßnahmen nach Griechenland auf Druck unseres Großen Bruders.
Die Leistungen der Betriebsgruppen „Literatur“ und „Malerei“ betreffend, fordern wir Sie auf, sich öffentlich von Ihrem Antrag zu distanzieren. Denn etwa beim Anblick der Bilder eines Neo Rauch, die Sie in Leipzig und München noch bis zum 15. August 2010 bewundern können, werden Sie kein „tristes Grau“, sondern farbenfrohe Fugen finden, bei denen die werktätige Bevölkerung auratische Momente erlebt. Nennen Sie unserem ZK doch bitte einen gegenwärtigen West-Künstler, der diese Gabe besitzt! Sollten Sie sich einmal einen Überblick über die Erzeugnisse der Betriebsgruppe „Malerei“ in den letzten zwei Jahrhunderten verschafft haben, werden Sie festgestellt haben, daß die bedeutendsten Bilder ausschließlich von Kulturarbeitern aus der Mitte unseres Landes hergestellt wurden.
Der Romantiker Caspar David Friedrich wirkte in Dresden und Umgebung. Genosse Otto Dix war in Gera beheimatet. Ihm zu Ehren werden wir 2011 ein Otto-Dix-Jahr veranstalten. Der Genosse Karl Schmidt-Rottluff stammt schließlich aus Chemnitz. Sollte Sie das noch immer nicht überzeugen, empfehle ich Ihnen einen Besuch im Panorama-Museum in Bad Frankenhausen.
In der Betriebsgruppe „Literatur“ hat nicht nur der von Ihnen kritisierte Schriftsteller Uwe Tellkamp Leuchttürme errichtet, die sehr viel mehr zum Verständnis des biedermeierlichen Deutschen beitragen als die Erzeugnisse aus der westdeutschen Schuldkolonie. Nehmen Sie zum Beispiel den 2002 von der Deutschen Literaturkonferenz mit der Karl-Preusker-Medaille ausgezeichneten Dr. h.c. Erich Loest, der sich mit dem Roman „Nikolaikirche“ unser aller Anerkennung verdient hat. Oder denken Sie an den Ostberliner Genossen Thomas Brussig, der in der Arbeitsgruppe Witzischkeit kennt keine Grenzen, Witzischkeit kennt kein Pardon tätig ist und dessen Anti-Held Klaus Uhlzscht die Mauer mit seinem äußerst steifen Geschlechtsorgan zum Einsturz brachte.
Sie sollten nicht vorschnell über unsere Betriebsgruppen urteilen, sondern sich erst einmal der vielfältigen Aufgaben unserer Kultureinrichtungen bewußt werden: Die deutsche Literaturkonferenz als Sektion des Deutschen Kulturrates hat zum Beispiel folgenden Arbeitsauftrag zu erfüllen:
Die deutsche Literaturkonferenz verfolgt als Satzungszweck die Förderung der deutschen Literatur. Sie will als Vereinigung der am literarischen Leben in der Bundesrepublik Deutschland maßgeblich beteiligten Verbände und Institutionen auf die öffentliche Meinung, die Erziehung und die Gesetzgebung einwirken, um der Literatur die ihrer gesellschaftlichen Bedeutung entsprechende Stellung zu gewährleisten und Beiträge für die Weiterentwicklung der Literatur zu leisten.
Da wir an das Gute im Menschen glauben, möchten wir Ihnen eine letzte Chance geben. Über einen Beitrag Ihrerseits zur Weiterentwicklung der Literatur würden wir uns mehr freuen als über Ihre destruktive Kritik, die den Umfang unserer Bemühungen hinsichtlich der Aufarbeitung der DDR-Diktatur nicht zu würdigen weiß. Vielleicht gelingt es Ihnen ja, den Vorsprung der Besiegten aufzuholen. Dann würden wir sogar darüber nachdenken, irgendwann den Ingeborg-Bachmann-Preis an Sie zu vergeben und werden unsere zu 100 Prozent systemtreuen Genossen aus dem Osten auf das nächste Jahr vertrösten.
Mit bundesrepublikanischem Gruß,
i.A. für das ZK des Deutschen Kulturbetriebs,
Felix Menzel