Demokraten und Populisten

Auf Endstation Rechts findet sich ein Bericht über eine SPD-Tagung in der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema "Rechtspopulismus in Deutschland und Europa".

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Folgt man der Schil­de­rung von Storch­meis­ter Mathi­as Brod­korb, dann war die Ver­an­stal­tung offen­bar mal wie­der eine alar­mie­ren­de Zur­schau­stel­lung der all­ge­mei­nen Polit­ver­trot­te­lung auf sei­ten der Lin­ken. Höf­li­cher kann ich es lei­der nicht aus­drü­cken – gegen die rich­tig dicken Schwar­ten hel­fen eben kei­ne fei­nen Mes­ser­chen mehr.

Eine die­ser bret­ter­di­cken Schwar­ten hat ein Dr. Wer­ner T. Bau­er von der “Öster­rei­chi­schen Gesell­schaft für Poli­tik­be­ra­tung und Poli­tik­ent­wick­lung” (ÖGPP) aufgelegt:

Für Bau­er geht dabei die eigent­li­che Bedro­hung des demo­kra­ti­schen Rechts­staa­tes kei­nes­falls von ein­deu­tig rechts­extre­mis­ti­schen Kräf­ten wie der NPD, son­dern in Deutsch­land von rechts­po­pu­lis­ti­schen Orga­ni­sa­tio­nen und Milieus zwi­schen NPD und Uni­on aus.

Es mag nicht ganz fair sein, Herrn Dr. Bau­er nun aus zwei­ter Hand, auf­grund einer frem­den Zusam­men­fas­sung zu kri­ti­sie­ren. Aber ver­mut­lich liegt es nicht an einer Unter­schla­gung Brod­korbs, son­dern am Vor­tra­gen­den sel­ber, daß hier die bei­den span­nends­ten Fra­gen gar nicht beant­wor­tet wer­den: inwie­fern die­se besag­ten Rechts­po­pu­lis­ten denn nun a) den Rechts­staat und b) “die Demo­kra­tie” gefähr­den. Ange­sichts so dra­ma­ti­scher Behaup­tun­gen will man schon Details wis­sen. Vor allem ers­te­re stellt ange­sichts land­läu­fi­ger Ten­den­zen die Tat­sa­chen gera­de­zu auf den Kopf.  Solan­ge der­lei “Gefahren“meldungen nicht argu­men­ta­tiv begrün­det wer­den, blei­ben sie rei­ne Klingelglöckchenrhetorik.

Und nun bit­te vor allem: wer oder was ist denn nun über­haupt gemeint, wenn von “rechts­po­pu­lis­ti­schen Orga­ni­sa­tio­nen und Milieus zwi­schen CDU und NPD” die Rede ist? Ich über­le­ge krampf­haft, und da fal­len mir eigent­lich nur zwei ein, die heu­te irgend­ei­ne Rele­vanz haben: die Betrei­ber und Fans des Netz­por­tals Poli­ti­cal­ly Incor­rect und die diver­sen, mit PI eng ver­knüpf­ten Pro-Bewe­gun­gen, denen man nun nicht gera­de rau­schen­de Erfolgs­wel­len nach­sa­gen kann. Und die sind nun also eine “Bedro­hung des demo­kra­ti­schen Rechts­staa­tes”. Aha. Warum?

Als nächs­tes haben wir einen ganz beson­de­ren Lecker­bis­sen vor uns:

Wäh­rend die NPD näm­lich auf­grund der brei­ten Ableh­nung neo-natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Posi­tio­nen in der Bevöl­ke­rung eher ein Fall für die Poli­zei als für poli­ti­sche Debat­ten sei,

Also: Eine Par­tei ist auf­grund der brei­ten Ableh­nung ihrer Posi­tio­nen in der Bevöl­ke­rung ein Fall für – die Poli­zei? Sehr inter­es­sant. (Was wird die Poli­zei erst machen, wenn die Posi­tio­nen die­ser Par­tei plötz­lich brei­te Zustim­mung in der Bevöl­ke­rung bekommen?)

Im Gegen­satz zur NPD

… stel­le sich dies bei den “nicht offen natio­nal­so­zia­lis­tisch” agie­ren­den Rechts­po­pu­lis­ten ganz anders dar.

Mer­ke: es gibt nur “offen” und “nicht offen natio­nal­so­zia­lis­tisch” agi­tie­ren­de Rech­te, letz­te­re müs­sen sich näm­lich stän­dig vor so klu­gen “Polit­be­ra­tern” wie Dr. Bau­er ver­ste­cken, der ihnen aber natür­lich trotz­dem immer auf die Schli­che kommt.

Eine Num­mer für sich ist auch das:

Als Kern­merk­ma­le rechts­po­pu­lis­ti­scher Par­tei­en nann­te Bau­er dabei u. a. ihren Bewe­gungs­cha­rak­ter und die Selbst­in­sze­nie­rung als “Anti-Par­tei”, die Her­aus­stel­lung eines “cha­ris­ma­ti­schen Füh­rers” sowie ihr “anti-intel­lek­tu­el­ler” Anspruch, der kom­pli­zier­te sozia­le Pro­zes­se auf ein­fa­che Erklä­rungs­mus­ter reduziere.

Nun ist die “Selbst­in­sze­nie­rung als ‘Anti-Par­tei’ ” ja kein Allein­stel­lungs­merk­mal von rechtspopu­lis­ti­schen Bewe­gun­gen, son­dern von Pro­test- und Bür­ger­be­we­gun­gen über­haupt (wie auch der Rest der ange­führ­ten Kri­te­ri­en). Das Geschwätz vom “cha­ris­ma­ti­schen Füh­rer” ist mal wie­der Wort­ge­klin­gel, nur um den Schau­er­be­griff “Füh­rer” ins Spiel zu brin­gen, denn einen sol­chen wol­len die Rech­ten ja angeb­lich immer irgend­wie haben. Wenn man rhe­to­risch skru­pel­los genug ist, könn­te man den Begriff ohne wei­te­res auf jeden Spit­zen­kan­di­da­ten anwen­den, der vor allem von den poli­ti­schen Oppo­si­ti­ons­par­tei­en in die Run­de geschickt wird, um auf Stimm­fang gegen die Regie­rung zu gehen. Wenn die Lin­ken dann ihren Gysi, Lafon­taine, Strö­be­le oder Ger­hard Schrö­der in die vor­ders­te Front schi­cken, oder wie in guten alten Zei­ten ihre Dutsch­kes & Co her­vor­brin­gen, wie nennt man das dann?

Nun mal die Stich­pro­be: man nen­ne mir bit­te eine ein­zi­ge “cha­ris­ma­ti­sche Füh­rer­fi­gur” aus dem Umfeld von PI oder den Pro-Bewe­gun­gen. Mir fällt kei­ne ein.  Ein Mar­kus Bei­sicht ist das näm­lich bestimmt nicht. Und sonst? Allen­falls denkt man an den in die­sen Krei­sen gras­sie­ren­den Geert-Wil­ders-Kult, aber der ist ers­tens kein deut­scher Poli­ti­ker, und zwei­tens besteht, sie­he oben, kei­ne drin­gen­de Ver­an­las­sung, ihn nun im Gegen­satz zu ande­ren Par­tei­chefs und Cha­ris­ma­ti­kern sinis­ter als “Füh­rer­fi­gur” zu titulieren.

Was den “anti-intel­lek­tu­el­len Anspruch” betrifft, “der kom­pli­zier­te sozia­le Pro­zes­se auf ein­fa­che Erklä­rungs­mus­ter redu­zie­re”: die­se gan­zen dum­men, illi­te­ra­ten Rechts­po­pu­lis­ten kön­nen den hohen “intel­lek­tu­el­len Ansprü­chen” von Geis­tes­rie­sen wie Ange­la Mer­kel oder Chris­ti­an Wulff, mit ihrer pro­fun­den Kennt­nis der “kom­pli­zier­ten sozia­len Pro­zes­se” in die­sem Land zwei­fel­los nicht das Was­ser rei­chen. Ich habe aber so einen gewis­sen Ver­dacht, daß der Aus­druck “ein­fa­che Erklä­rungs­mus­ter” inzwi­schen genau­so als gestanz­te Anti­fa­phra­se benutzt wird wie etwa “rech­tes Gedan­ken­gut”, “Men­schen­ver­ach­tung” oder “Demo­kra­tie­feind­lich­keit”.

Es gibt so etwas wie einen “intel­lek­tu­el­len Anspruch” der Dum­men, der eben nicht mehr ist als das: ein Anspruch, eine blo­ße Behaup­tung.  Man adap­tiert ein paar For­meln, Atti­tü­den, einen Jar­gon, und meint, daß das allein schon aus­rei­che, auf der rich­ti­gen Sei­te zu sein. Man borgt sich die End­ergeb­nis­se von ande­ren und geht damit hau­sie­ren. Man prä­sen­tiert sich als “intel­lek­tu­ell”, indem man das Wört­chen “kom­pli­ziert” mög­lichst oft benutzt, dabei aber nie­mals zu Pot­te kommt, was denn nun genau wo und war­um “kom­pli­ziert” sei. Dann wird die Rede von der “Kom­ple­xi­tät” zur blo­ßen Aus­re­de für die eige­ne App­er­zep­ti­ons­ver­wei­ge­rung und zur Nebel­gra­na­te gegen jene, die die Din­ge scharf ins Visier zu neh­men ver­ste­hen. Für “intel­lek­tu­ell” oder gar “intel­li­gent” hal­ten sich dann eini­ge schon allein des­halb, weil sie z. B. SPD wäh­len oder “gegen Rechts” sind. Die gan­zen ER-Kom­men­tar­spal­ten etwa sind voll von sol­chen Tröp­fen, weil “Rechts­sein” ja per se “Dumm-” und “Unauf­ge­klärt­sein” bedeu­tet. Das ist eben alles eine Fra­ge von gutem Mar­ke­ting, nicht anders, als wenn man Ziga­ret­ten oder T‑Shirts verkauft.

Und damit wären wir bei der eigent­li­chen Crux der Sache, die auch Brod­korb in sei­nen kri­ti­schen Anmer­kun­gen zu der Tagung offen­bar nicht auf­ge­fal­len ist: Wenn man dar­auf ver­zich­ten soll, “kom­pli­zier­te sozia­le Pro­zes­se auf ein­fa­che Erklä­rungs­mus­ter” zu “redu­zie­ren”, dann kann man sich auch den gan­zen Wahl­kampf schen­ken, der ja auf nichts ande­rem basiert. Man zei­ge mir ein ein­zi­ges Wahl­pla­kat einer belie­bi­gen Par­tei, das nicht mit Ver­schlag­wor­tun­gen, Ver­ein­fa­chun­gen und sons­ti­gen “anti-intel­lek­tu­el­len” Tak­ti­ken arbei­tet. Wie sonst soll man denn bit­te sei­ne Inhal­te in einer Blick­se­kun­de an den Mann und die Frau brin­gen? Etwa mit lan­gen Trak­ta­ten, die jeder Staats­bür­ger, vom Bau­ar­bei­ter bis zum Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor, mit dem gespitz­ten Blei­stift durch­ar­bei­ten muß, ehe er in die Wahl­zel­le gehen darf?

Nun stellt sich Dr. Bau­er einen im Gegen­satz zum Rechts­po­pu­lis­mus “guten Popu­lis­mus” vor, der so aus­se­hen soll:

Die rich­ti­ge Ant­wort der nicht-rechts­po­pu­lis­ti­schen Kräf­te müs­se näm­lich in der Ent­wick­lung eines “neu­en, unver­brauch­ten Typs” von Poli­ti­kern bestehen, die in den Bier­zel­ten stär­ker Kon­takt zur Basis such­ten. Gefragt sei mit­hin der “gute Populist”.

Nun: dar­auf ver­stan­den sich Strauß, Stoi­ber und Stra­che ja auch glän­zend. Aber selbst der “gute” SPD-Popu­list, der auf die­se Tour mit Ver­tre­tern sei­ner “Basis” einen trin­ken geht, muß ja irgend­wie ver­mit­teln, war­um man gera­de ihn und sei­ne Par­tei wäh­len soll. Wie macht er das denn? Mit “intel­lek­tu­el­len” Dis­pu­ten beim Okto­ber­fest? Mit mau­se­grau­em, “uncha­ris­ma­ti­schem” 08/15-Auf­tre­ten? Mit der Beto­nung, daß man doch eine seit Ewig­kei­ten im Sat­tel sit­zen­de Estab­lish­ment-Par­tei sei, die es die­sen bür­ger­be­weg­ten Empor­kömm­lin­gen und Nörg­lern schon zei­gen wer­de? Dr. Bau­er hät­te sich sei­nen Ser­mon spa­ren kön­nen: der “gute” Popu­list ist offen­bar vor allem des­we­gen “gut”, weil er links ist.

Und nun zum Schluß noch ein typi­scher Brodkorb:

Und schließ­lich hät­te es der Ver­an­stal­tung viel­leicht auch gut getan die Fra­ge zu erör­tern, ob es einen “guten Popu­lis­mus” über­haupt geben kann oder ob die­ser nicht sei­ner­seits eine Insze­nie­rung als Anti-Par­tei, cha­ris­ma­ti­sche Füh­rung sowie eine anti-intel­lek­tu­el­le Ver­kür­zung poli­ti­scher Dis­kur­se not­wen­dig zur Vor­aus­set­zung hat, weil er sonst eben gar kein Popu­lis­mus wäre. Ob dies jedoch einer auf­ge­klär­ten, am ratio­na­len Dis­kurs ori­en­tier­ten Demo­kra­tie über­haupt zuträg­lich wären, darf getrost bezwei­felt werden.

Zur Erin­ne­rung: die Vor­stel­lung von der Herr­schaft durch einen “auf­ge­klär­ten, ratio­na­len Dis­kurs”, also eines “govern­ments by dis­cus­sion” ent­stammt nicht der Gedan­ken­welt der Demo­kra­tie, son­dern des zu ihr ursprüng­lich im Gegen­satz ste­hen­den Libe­ra­lis­mus.  Die­se laten­ten Gegen­sät­ze kön­nen jeder­zeit wie­der viru­lent wer­den, und das zeigt auch  das Bei­spiel Brod­korbs, der etwa furcht­ba­re Schwie­rig­kei­ten hat, einen kon­kre­ten Demos zu defi­nie­ren, und immer wie­der dar­um her­um­schwur­belt, z.B.:  “Denn in der Demo­kra­tie sind fast alle Men­schen im staats­po­li­ti­schen Sin­ne Bür­ger und somit für die Demo­kra­tie mit-ver­ant­wort­lich…” Müß­te das näm­lich nicht kor­rekt hei­ßen: “In der Demo­kra­tie sind fast alle Staats­bür­ger für die Demo­kra­tie im poli­ti­schen Sin­ne mit-verantwortlich” ?

Demo­kra­tie und Popu­lis­mus sind sia­me­si­sche Zwil­lin­ge, wenn sie in der Mas­sen­ge­sell­schaft nicht gar ident sind. Es kann kei­ne Demo­kra­tie geben ohne “Popu­lis­mus”, dabei Demo­kra­tie ver­stan­den im Wort­sin­ne als “Volks­herr­schaft” und mit frei­em Wahl­recht für jeden Staats­bür­ger. Das ist so zwin­gend logisch wie eine mathe­ma­ti­sche Glei­chung. Wer Ja zur “Demo­kra­tie” sagt, muß auch Ja zum “Popu­lis­mus” sagen. Nie­mand wird SPD wäh­len, weil er über einen “ratio­na­len Dis­kurs” nach­ge­grü­belt hat. Die bes­te Mög­lich­keit, den “Popu­lis­mus”, die “Insze­nie­rung als Anti-Par­tei”, die “cha­ris­ma­ti­sche Füh­rung” und die “anti-intel­lek­tu­el­le Ver­kür­zung”, also known as “Wahl­kampf” aus­zu­schal­ten, bestün­de schlicht dar­in, über­haupt das all­ge­mei­ne Wahl­recht abzu­schaf­fen. Dann könn­ten sich ja die Ver­tre­ter der  “cla­sa dis­cut­i­do­ra” gegen­sei­tig wäh­len und unge­stört end­lo­se “auf­ge­klär­te, ratio­na­le Dis­kur­se” füh­ren, wäh­rend sie in wei­ßen Gewän­dern über die Akro­po­lis wal­len, wie sie das ja auch gewiß Tag und Nacht im Sinn haben.

Das The­ma scheint nun übri­gens, viel­leicht auch im Zuge der Sar­ra­zin-Debat­te, gera­de wie­der “in” zu sein. Hier ein Arti­kel von Micha­el Wolff­sohn aus der Welt“Demo­kra­tie oder Popu­lis­mus?”.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (9)

Bauer Gerhard

29. September 2010 16:54

Vielleicht sind ja so Leute wie Axel Reitz gemeint?

Na ja, zwischen der NPD und Union ist viel Platz, vielleicht meint er auch die Trachten- und Schützenvereine, da sind sie doch allesamt beisammen und brüten dumpf über die Wiedererrichtung des ns-Reiches.

eo

30. September 2010 10:35

'Politikvertrottelung' -
der Begriff ist gut, das hat was.
Mein Kompliment,
Herr Lichtmesz.

Sebastian

30. September 2010 15:17

Der aus alledem zu ziehende Schluss (zumindest meiner Ansicht nach), dass aus der Ablehnung des plebejischen Populismus zwangsläufig auch eine Ablehnung des allgemeinen Wahlrechts folgen müsse, kann hier allerdings nicht gezogen werden. Zumal Brodkorb in diesem Fall und von seiner Warte aus betrachtet ja alles Recht hätte, die Sezession vom Diskurs auszuschließen und dem NPDVU-Narrensaum zuzuordnen, bei dem es noch nichtmal mehr lohnt auf inhaltlicher Ebene über ihn zu sprechen.

Allerdings fängt doch z.B. ein linker Kabberetist wie Volker Pispers tabuisierte intellektuelle Sehnsüchte ziemlich genau ein, wenn er sein Publikum auffordert, sich einzugestehen, dass man doch unmöglich der Meinung sein könne, dem allmorgendlichen BILD-Pöbel in der Straßenbahn das gleiche Stimmrecht zuzubilligen, wie einem selbst.

Das sagt, verkürzt gesprochen, letztlich nicht mehr, als dass 1848ff. (wie sattsam bekannt, nur selten verinnerlicht) eine originär linke Idee war, die nur aufgrund der wachsenden Salongfähigkeit nachfolgender Ideen mit noch höherem dissoziativem Potenzial zu einer "rechten" Idee werden konnte. Insofern sind natürlich auch JF und (mit Abstrichen, sonst hätte ich sie nicht im Abo) die Sezession nur "rechts" im linken und liberalen Kontext der Geistesgeschichte der letzten 200 Jahre und insofern "über Eck" immer noch mit Brodkorb und Co. verschwistert.

Oder anders: Ein bürgerlicher Intellektueller wie Brodkorb möchte ja eigentlich schon gerne mit anderen bürgerlichen Intellektuellen ins Gespräch kommen. Da fühlt er sich wohl. Letztendlich könnte man sein "Wagnis", ein kleines Stück weit aus der dumpf-antifaschistischen Einheitsfront auszubrechen, auch als Milieufrage betrachten.

Martin

30. September 2010 17:30

... ich bin der Meinung, dass Leuten wie Brodkorb viel zu viel Beachtung geschenkt wird und das das ping-pong Spiel zwischen Endstation rechts und Sezession und/oder anderen rechten eingestellt werden sollte.

Brodkorb wird durch einen Diskurs mit seinen Oberlehrerseiteninhalten ja fast schon geadelt - Das hat er als kompromissloser "linker" nicht verdient.

Nicht beachten und Solidarkaufen bei Thor Steinar ist stattdessen angezeigt.

FFlecken

30. September 2010 17:39

Also ist die Antwort der Linken auf mehr Zugluft außerhalb des Ideologiegebäudes, ein forcierter pseudodemokratisch-gefühliger ,,Treibhauspopulismus"- für die Menschen und mit viel Verständnis für die ,,Diskriminierten" natürlich. Na Danke...

Jene Veranstaltungen atmen doch, sogar aus der Distanz betrachtet, die pure Angst vor dem ,,was kommt" - nämlich dem Einbruch der Realität. Die kann man sicherlich analytisch unterschiedlich beurteilen, aber die argumentative Kraft des Establishments konnte mna in der Sarrazin-Debatte mit den Händen greifen...
Die Linke droht langsam an ihren inneren Widersprüchen der letzten Jahrzehnte zu kollabieren (wenn auch langsam...). Aber wenn sich ein Volk eine Partei wie die ,,Grünen" an der 20 % Schallmauer leisten kann, muß man wohl doch die Frage stellen, ob es immer noch nicht genug ist. Es kann kein Zufall sein, daß ausgerechnet in Deutschland eine Partei ihre global stärkste Position hat, die mehr denn je ein Synonym für Weltfremdheit und gesellschaftliche ,,Vertuntung" darstellt.
Den Rechten in einer Demokratie Populismus verbieten zu wollen, ist zudem nichts anderes als ein faktisches Politikverbot.

E. G.

1. Oktober 2010 01:34

Rechte holen immer nur "einfache" Erklärungen (und natürlich Lösungen) aus ihrer Tüte, während man selber mit einer "kritischen Gesellschaftsanalyse" angerückt kommt, die für die Welt und die Dinge in ihrer "Komplexität" allein das richtige Kaliber ist - das ist eine klassische Redefigur, mit der man einander im linken Lager gerne auf die Schultern klopft und zu seiner "Intellektualität" beglückwünscht. Ein Ärgernis ist diese Einbildung deswegen, weil der linke Gesellschaftsveränderer sich auch bei seinem (regelmäßigen) Versagen vor der Welt und den Dingen, wie sie sich dann wirklich entpuppen, immerhin noch lustvoll in seiner "Analysefähigkeit" suhlen kann, die grundsätzlich schon gut und richtig sei, mag auch irgendwo irgendwas übersehen worden sein, woran dann alles gescheitert sei. Man müsse indessen mit der Analyse noch weiter in die Tiefe bohren, dann komme man dem einen Fehler, dem letzten blinden Fleck schon auf die Spur und könne es beim nächsten Mal gescheit und richtig machen.

Auf die "Analysefähigkeit" des breiten Durchschnitts des linken intellektuellen Lumpenproletariats braucht man nicht viel geben. Den Dreh, wie man das marxistische und marxoide Analysebesteck handhabt und ein bißchen mit "Gesellschaftskritik" klappern und rasseln kann, hat jeder nach der Lektüre einiger der Schriften und Papiere, die im gegnerischen Lager am Fließband produziert werden, schnell raus. Im Ernstfall läßt man dort die gesamte Analyse aber sowieso komplett zum Teufel fahren, und der tatsächliche Horizont, in dem gedacht (?) und gehandelt wird, schrumpft auf das so simple wie wirkungsvolle "Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft!" zusammen (wenn nicht ohnehin gleich die weniger poetische, aber inhaltlich gleichbedeutende Variante "Nazis aufs Maul!" bevorzugt wird).

Es steht nun außer Zweifel, daß sich in dieser Welt allerlei in der Tat als recht "komplex" zeigt, wenn man es näher betrachtet und dreht und wendet und in seine Einzelteile zerlegt - ebenso aber, daß sich das gleiche als ein Gesamtes wieder als ziemlich "einfach" darstellen kann, und desgleichen, daß die Einfachheit einer Sache ihrer Wahrheit und Richtigkeit nichts wegnehmen muß. Sogenannte "soziale Prozesse" müssen da nicht unbedingt eine Extrawurst gebraten bekommen. Man kann fragen, ob die Beschreibung eines "sozialen Prozesses" notwendig "komplizierter" ist als die Beschreibung, sagen wir, einer Murmel, eines Türknaufs oder eines Kondoms. Über ein Kondom, seine stoffliche Zusammensetzung, Beschaffenheit, Eigentümlichkeit in ihren sämtlichen Aspekten, ließe sich wohl eine mehrhundertseitige Abhandlung schreiben (die womöglich eine spannendere Lektüre wäre als eine mehrhundertseitige Abhandlung über "die Gesellschaft" aus irgendeinem Linksverlag).

Nehmen wir so einen "sozialen Prozeß", um den die linke Analyse einen großen Bogen macht: Wenn eine aus bestimmten anthropologischen Grundelementen aufgebaute, in der Verknüpfung und Verschlingung der Ahnenlinien ihrer Individuen biologisch zusammengeschlossene, durch kennzeichnende Muster und Merkmale eine Kultursystems in Spannung gehaltene, eingefaßte, nach innen durchgegliederte und nach außen abgegrenzte Bewußtseins-, Überlieferungs- und Schicksalsgemeinschaft - kurz: wenn ein Volk Auflösungserscheinungen zeigt und aus Mangel an funktionierenden Abwehr- und Selbsterhaltungsmechanismen auf seinem eigenen angestammten Territorium im Begriff ist, anderen, von auswärts einströmenden Völkern, die noch größeren Lebenswillen in sich haben, zu weichen, dann ist es, wenn es nicht aus sich selbst die Kraft zu einer Zeitenwende erzeugt, verratzt. Das ist eine ziemlich "einfache" Wahrheit (und den genauen Ursachen, Zusammenhängen und Wirkungen dieses Prozesses kann man noch immer in der Detailanalyse nachspüren). Daß man unschön auf den Boden knallt, wenn man in 10.000 Meter Höhe aus einem Flugzeug aussteigt, ist gleichfalls eine Wahrheit, die so einfach wie einleuchtend ist. (Die unerhörte "Komplexität" des Vorgangs eröffnet sich jedermann sogleich, wenn man bedenkt, was Geschwindigkeit, Fallwinkel, Bodenbeschaffenheit und andere "Parameter" für den genauen Verlauf des Geschehens bedeuten.)

Falls das Stückchen oben (auch) "Belehrung" oder "Aufklärung" fürs andere Ufer sein will, ist es natürlich in den Wind geschissen. Ob nun so ein Brodkorb sich herabläßt, a bisserl mehr zu "differenzieren" als andere, tut im ganzen gesehen auch nichts. Der hartgesottene Feind der Rechten wird sich nicht davon beeindrucken lassen, wenn man ihm beweist, daß er in Wahrheit der Simpel und der Gimpel ist, für den er seinen Gegner hält. Es wird blindlings weitermarschiert, ohne Rücksicht auf Verluste. Am besten aber wird der Linke noch immer von der Wirklichkeit selbst geheilt, wenn das "revolutionäre Subjekt", als das er den Migranten für die Schaffung seines nachvölkischen Traumlandes einer strahlenden Zukunft auserwählt hat, höchstpersönlich ihn unsanft aus seinen schönen Träumen weckt und, ungeduldig und wenig zart, wie es eben manchmal so ist, bereits den Rohbau seines armseligen kleinen Traumlandes in Schutt und Asche legt. Bedauerlich nur, wenn bei dieser Roßkur nebenbei Deutschland draufgehen sollte.

albino

1. Oktober 2010 10:20

Es scheint, als löse sich die Linke langsam aus der sarrazinbedingten Schockstarre, in die sie vorübergehend verfallen war. Nun wird wieder geholzt, was das Zeug hält. Sarrazin wird mit "Europas neuen Populisten" (die Vorsilbe "Rechts-" spart man inzwischen schon ein, ist ja eh klar, woher der Wind weht) und der US-Tea-Party in den gleichen Rassisten-Sack gesteckt, auf den man ungehemmt draufprügeln darf, weil man ja immer den richtigen trifft.

Kennzeichnend für diese Geisteshaltung ist der Kommentar von Gunter Hofmann von der ZEIT auf Deutschlandradio Kultur (https://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/1279488/), in dem die gleiche Geisteshaltung erkennbar wird wie bei Dr. Werner T. Bauer.

Hofmann labert von der üblen "Kehrseite" von Liberalität und Meinungsfreiheit (nur zu dumm aber auch, dass die für alle gilt, auch für "falsche" Meinungen), und auch er bemüht die "komplexe Politik", die wir uns "uns einfach malen (lassen) von Simplifikateuren". ZEITgeistkonforme Leerhülsen, soweit das Auge blickt.

Dann noch das hier:

Nahezu immer bilden den gemeinsamen Nenner die Ressentiments gegen Fremde mit der "falschen" Religion.

Wenn ich mir in Erinnerung rufe, was die asoziale Meute an Linksextremisten, Feministinnen und Abtreibungsfans den Teilnehmern des "Marschs für das Leben" an vulgären Beschimpfungen und geschmacklosen Beleidigungen zugerufen hat, dann frage ich mich, ob dieser Hass auf die "falsche" Religion (das Christentum) oder auf Religion an sich so viel besser ist als die Abneigung der "Populisten" gegen den Islam. Aber vielleicht fehlt mir zur Verständnis dieser linken Dialektik ja einfach nur der nötige ideologische Hintergrund...

eo

2. Oktober 2010 10:42

Dieser ausgeprägte,
maßlose Haß der Linken
auf das Eigene, das eigene Volk,
die eigenen Wurzeln usw. ist ein Zeichen
von Geistesverwirrung, wenn nicht schlimmeres.
Wie eine solche Geisteskrankheit zustande kommt,
beschreibt sehr überzeugend Konrad Lorenz
in den 'Acht Todsünden' Kapitel VII
'Vom Abreißen der Tradition'

Olaf

2. Oktober 2010 13:55

Den Zuhörern der SPD- Tagung wünscht man, wenigstens freien Eintritt gehabt zu haben. Herrn Brodkorb wünscht man, als "nicht offen sozialistisch" angesehen zu werden.
Uns Deutschen wünsche ich mir, daß wir Lösungen für die Probleme unserer Zeit finden.
Ein Glas Sekt zum 03.10., zum Wohle!

PS. So habe ich es auch in den Kommentarbereich beim Storch eingegeben, wurde natürlich nicht freigeschaltet.

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