ist es in solch seltenem Fall Sitte, daß der Bundespräsident die Patenschaft übernimmt – auf Elternwusch. Christian Wulff mußte also den Füller zücken, doch dann stockte dieser banale Behördenvorgang, weil herauskam, daß Müllers die „falsche“ Gesinnung haben. Mittlerweile ist es ein Fall mit landespolitischer Brisanz.
Der Streit in Lalendorf um die Ehrenpatenschaft des Bundespräsidenten für das siebte Kind der Familie Müller, die offen zugibt, im Umkreis radikal rechter Organisationen aktiv zu sein, zeigt eindrücklich, wie „Das linke Netz“ funktioniert. Storchmeister Mathias Bordkorb mag das alles wahnsinnig satirisch finden. Petra und Marc Müller dagegen ist das Lachen vergangen: Aufgrund der Diffamierung, der die Familie seit einigen Tagen ausgesetzt ist, gehen die Kinder nur noch ungern zur Schule. Auf eine Nachfrage bei Brodkorb, ob nicht genau dieser Fall beweise, daß linke Politiker im Schulterschluß mit Antifa-Journalisten wehrlosen Bürgern in die Suppe spucken, kam keine Antwort.
Aber der Reihe nach: Mitte November erschien im „blick nach rechts“ von Andrea Röpke und Andreas Speit ein Beitrag über „Familienförderung für Völkische“. Darin stellen die beiden bekannten Antifa-Journalisten mit Kontakten ins linksextreme Lager fest: „Beide Müllers scheinen politisch dem Deutschen Reich näher als der Demokratie.“ Das sieht auch Lalendorfs Ortsbürgermeister, Reinhard Knaack (Die Linke), so. Deshalb verweigerte er die Übergabe der Urkunde für die Patenschaft und schickte sie statt dessen nach Berlin zurück.
Bis hier her mag das Ganze ein ärgerlicher Vorgang für die Müllers sein, denn was kann das Kind dafür, daß die Eltern im Umfeld von NPD-Organisationen und Funktionären politisch beheimatet sind? Ein handfester Skandal ist die Denunziation durch Röpke und Co. aber noch nicht. Vermutlich machen sie den ganzen Tag nichts anderes, als irgend jemand anzuschwärzen. Zu einem Skandal wurde der „Fall Lalendorf“ erst, als Politiker aller etablierten Parteien sowie regionale und überregionale Medien sich in den letzten Tagen auf Familie Müller einschossen.
Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Norbert Nieszery, setzte sogar einen Brief auf, in dem er den Bundespräsidenten aufforderte, „die Ehrenurkunde für das siebente Kind der Familie von Petra und Marc Müller aus Lalendorf zurückzuziehen“, weil das Paar eine „lange rechtsextreme Vita“ habe.
Unterzeichnet haben den Brief auch die Landtagsabgeordneten Torsten Renz (CDU), Fritz Tack (Linke) und Ralf Grabow (FDP). Alle Nachfragen meinerseits, warum sie das getan haben, blieben bis jetzt unbeantwortet. Auskunftsfreudiger war allein Wilfried Baldermann (CDU), Amtsvorsteher in Krakow am See, wozu Lalendorf zählt: „Es besteht kein Zusammenhang zwischen Kinderreichtum und Rechtsextremismus.“ Dennoch wolle man Müllers nicht hofieren. Der Forderung von Nieszery schließt er sich nicht an, aber die Urkunde soll trotzdem nicht übergeben werden, so seine Meinung. Er arbeite nur ehrenamtlich und deshalb mache er eben keine Sachen mit, von denen er nicht überzeugt ist. Basta!
Angesprochen auf die Probleme der älteren Kinder der Müllers, betont Baldermann: „Niemand wird hier diskriminiert.“ Die Kinder könnten ganz normal leben, Sport- oder Musikvereine besuchen und so weiter. Auch das ist nur seine Meinung. Die Kinder selbst empfinden die Situation etwas anders. Gegenüber der JF sagte die Mutter: „Unsere älteren Kinder wollen mittlerweile nicht mehr in die Schule gehen. Unser 14jähriger Sohn klagt über Bauchschmerzen, wenn er morgens los soll.“
Was ist also geschehen? „Das linke Netz“ hat einen Anlaß gefunden, um mit geballter medialer und politischer Macht einer Familie das Leben schwer zu machen, die zwar ziemlich seltsame politische Ansichten haben mag, sich aber ansonsten im Dorf nichts zuschulden kommen lassen hat. Am Mittwoch setzte das Bundespräsidialamt dem Theater dann ein Ende und schickte die Urkunde der Familie zu. Am meisten haben sich damit jene CDU-Politiker blamiert, die den Linken rückgratlos hinterhergekrochen sind.
Die Patenschaft übernimmt der Bundespräsident übrigens für das Kind und nicht für die Eltern. Als einziger in diesem Streit wies darauf der Landesvorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Rainer Becker, hin. „Ein Neugeborenes in diesem Sinne für seine Eltern auch nur mittelbar ‚haftbar’ zu machen, erinnert an die so genannte Sippenhaft, die in der Historie eher den Nationalsozialisten zuzuordnen war“, kritisierte er den Umgang der etablierten Politik und Medien in einer Pressemitteilung. „So intensiv die politische Auseinandersetzung mit nationalsozialistischem Gedankengut erfolgen sollte, so wichtig bleibt es, diese Menschen nicht auszugrenzen“, so Becker weiter.
Er hatte erkannt, worum es in dem Streit eigentlich geht. Hätte nämlich Ortsbürgermeister Knaack Gewissenskonflikte mit dem Überreichen der Urkunde gehabt, so hätte er dies im Stillen mit dem Bundespräsidialamt klären können. „Und es hätte sich sicherlich eine Lösung finden lassen, den Bundespräsidenten in seiner Neutralität nicht zu diskreditieren und die teilweise schulpflichtigen Kinder der Familie nicht öffentlich bloßzustellen.“ Doch bestimmte Kreise, eben dieses „linke Netz“, dessen Existenz Scharniere wie Mathias Bordkorb bestreiten, hatten andere Interessen.
Wir können es auch ruhig in aller Deutlichkeit beim Namen nennen, dies sind niedere Interessen. Einige Journalisten und Politiker profilierten sich hier, indem sie eine wehrlose Familie an den Pranger stellten. Harte Attacken zwischen öffentlichen Personen gehören zum Geschäft der Politik dazu. Niemand braucht sich hier über Beleidigungen verwundern. Es ist das normalste der Welt, daß linke Netze gegen rechte, konservative oder liberale Institutionen in Stellung gebracht werden. Schmutzig wird die Sache erst, wenn sich öffentliche Personen – gleich welcher Couleur – private Opfer herauspicken und sich an der Erniedrigung dieser aufgeilen.
Der traurige Höhepunkt im „Fall Lalendorf“ war eine Überschrift der taz zu einem Artikel von Röpke und Speit: „Keine Urkunde fürs siebte Nazi-Kind“, hieß es dort. Wir lernen also: Selbst das knapp ein halbes Jahr alte Kind ist schon ein „Nazi“. Becker von der Kinderhilfe meinte, Bürgermeister Knaack hätte das neugeborene Kind zumindest fahrlässig „für seine ganz persönliche politische Auseinandersetzung ‚missbraucht’.“ Das trifft die gesamte Brisanz jedoch noch nicht ganz, denn dieser unwichtige linke Bürgermeister aus diesem Kaff war ja nur der Anfang. Noch verwerflicher ist es, daß der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag auf diesen Zug aufsprang. Die Anfrage an ihn, warum er in dieser Weise gehandelt hat, ließ er übrigens von seiner Pressetante abwimmeln.
Im nächsten Sommer ist Landtagswahl in Meck-Pomm. Jetzt weiß man zumindest schon mal, daß sich die SPD nicht zu schade ist, den Wahlkampf auf dem Rücken von Kindern auszutragen. Das ändern will auch der Storchmeister nicht.