Rechte Intelligenz

pdf der Druckfassung aus Sezession 38 / Oktober 2010

von Erik Lehnert und Karlheinz Weißmann

Gerd Bergfleth wurde 1936 geboren, studierte Philosophie, Literaturwissenschaft und Gräzistik. Seine Heimat Dithmarschen ist ein Synonym für deutsche Widerständigkeit, dementsprechend hat man es bei Bergfleth mit einem ausgesprochenen und widerborstigen Einzelgänger zu tun, der sich altersgemäß, aber nur vorübergehend den Achtundsechzigern anschloß, um dann den Konflikt zwischen den eigenen und deren Anschauungen zu erkennen. Das hatte auch mit seiner Bezugnahme auf Georges Bataille zu tun, dessen Werk er in Deutschland herausgibt und zu erheblichen Teilen übersetzt hat. Bergfleths Theorie der Verschwendung geht ganz wesentlich auf diesen Einfluß zurück.


Den Ruf als Haupt­fi­gur der »Matthes-und-Seitz-Faschis­ten« (Die Zeit) ver­dankt Berg­fleth aller­dings sei­ner Kri­tik der pala­vern­den Auf­klä­rung (1984), einer scharf ratio­na­lis­mus­feind­li­chen Schrift, die ihn für Augen­bli­cke der Exis­tenz als ein­sa­mer Den­ker ent­riß und in Kon­takt mit der poli­ti­schen Gegen­sei­te brach­te. Sein Bei­trag in dem Sam­mel­band Die selbst­be­wuß­te Nati­on über »Erde und Hei­mat« zeig­te die Frucht­bar­keit der neu­en Ver­bin­dung. Nach Aus­kunft sei­nes Ver­la­ges arbei­tet er momen­tan an einem Buch über Ernst Jün­ger. (KHW)

Hell­mut Diwald wur­de 1924 in einem klei­nen Ort in Mäh­ren gebo­ren, 1938 zog die Fami­lie nach Nürn­berg. Als Sol­dat mach­te er das Not­ab­itur und beleg­te eini­ge Semes­ter Maschi­nen­bau. Nach dem Krieg schloß er das Stu­di­um als Inge­nieur ab und stu­dier­te anschlie­ßend Phi­lo­so­phie, Ger­ma­nis­tik und Geschich­te in Ham­burg und Erlan­gen. 1952 wur­de er bei Hans-Joa­chim Schoeps in Erlan­gen pro­mo­viert, war dort Assis­tent und habi­li­tier­te sich eben­falls in Erlan­gen 1958 in Geis­tes­ge­schich­te. Auf Anre­gung von Schoeps gab er eine Aus­wahl aus dem Nach­laß von Ernst Lud­wig von Ger­lach her­aus und lehr­te von 1965 bis 1989 in Erlan­gen Mitt­le­re und Neue­re Geschich­te. Noch vor Golo Manns berühm­ten Buch konn­te Diwald mit einer Wal­len­stein-Bio­gra­phie (1969) einen ers­ten, gro­ßen Buch­erfolg fei­ern. Bis zum Ende der sieb­zi­ger Jah­re galt Diwald als her­vor­ra­gen­der His­to­ri­ker, der es ver­stand, dem brei­ten Publi­kum Geschich­te auf hohem Niveau zu ver­mit­teln. Dar­an änder­te auch sei­ne kon­ser­va­ti­ve Hal­tung nichts (Die Aner­ken­nung, 1970). Zahl­rei­che Publi­ka­tio­nen in Zei­tun­gen und Zeit­schrif­ten sowie regel­mä­ßi­ge Fern­seh­auf­trit­te zeu­gen davon. Das änder­te sich 1978 mit Erschei­nen sei­ner Geschich­te der Deut­schen, in der er die Aus­beu­tung eines der »grau­en­haf­tes­ten Gescheh­nis­se der Moder­ne durch bewuß­te Irre­füh­run­gen, Täu­schun­gen, Über­trei­bun­gen« zur »tota­len Dis­qua­li­fi­ka­ti­on eines Vol­kes« beklag­te. Das wur­de als Tabu­bruch wahr­ge­nom­men und als Beginn einer »Re-Natio­na­li­sie­rung« bezeich­net. Die Pas­sa­gen wur­den bereits in der zwei­ten Auf­la­ge geän­dert. Diwald galt seit­dem als Revi­sio­nist und damit als Außen­sei­ter in der Geschichts­wis­sen­schaft. In der Fol­ge begann er sich poli­tisch stär­ker zu enga­gie­ren und bald kaum noch Rück­sich­ten zu neh­men. Er war Mit­be­grün­der der Zeit­ge­schicht­li­chen For­schungs­stel­le Ingol­stadt (1981) und des Deutsch­land­ra­tes in Bad Hom­burg (1983), dem außer­dem noch Hans-Joa­chim Arndt, Robert Hepp, Armin Moh­ler, Franz Schön­hu­ber, Wolf­gang Seif­fert und Ber­nard Will­ms ange­hör­ten, und er unter­stütz­te die Repu­bli­ka­ner als Bera­ter. Bei sei­nem Ein­tre­ten für die deut­sche Ein­heit konn­te sich noch auf ein recht intak­tes Netz­werk von Ver­la­gen stüt­zen, das es ihm ermög­lich­te, auch in den acht­zi­ger Jah­ren noch his­to­ri­sche Best­sel­ler zu schrei­ben. Sein Ziel war es, die deut­sche Iden­ti­tät und Ein­heit über den Weg des his­to­ri­schen Zusam­men­ge­hö­rig­keits­ge­fühls zu ret­ten (Mut zur Geschich­te, 1983). Unmit­tel­bar nach dem Zusam­men­bruch der DDR unter­nahm er mit Deutsch­land einig Vater­land (1990) sei­nen letz­ten Ver­such, Geschich­te im Sin­ne einer selbst­be­wuß­ten Nati­on zu schrei­ben und der Wie­der­ver­ei­ni­gung so einen natio­na­len Stem­pel auf­zu­drü­cken. Diwald starb 1993 in Würz­burg. (EL)

Hans Domizlaff, ein »Mann wie ein Oze­an­rie­se« (Armin Moh­ler), gebo­ren 1892 in Frank­furt a.M., mach­te sich schon in jun­gen Jah­ren einen Namen als Kunst­ma­ler. Nach dem Ers­ten Welt­krieg wand­te Domizlaff sich aller­dings dem Indus­trie­de­sign und der Wer­be­be­ra­tung zu und ent­warf ein Kon­zept der »Mar­ken­tech­nik« zuerst für die Fir­ma Reemts­ma, dann für Sie­mens, das in vie­lem bis heu­te Gel­tung bean­spru­chen kann. Den Grund­ge­dan­ken sol­cher Mar­ken­tech­nik hielt Domizlaff auch im poli­ti­schen Bereich für anwend­bar und schrieb 1932 ein Buch Pro­pa­gan­da­mit­tel der Staats­idee, das dazu hel­fen soll­te, der Wei­ma­rer Repu­blik im Kampf gegen ihre tota­li­tä­ren Fein­de jenes Anse­hen zu ver­schaf­fen, das sie benö­tig­te, um in den Köp­fen und Her­zen ihrer Bür­ger einen Platz zu fin­den. Nach Domizlaffs Aus­sa­ge soll sich Brü­ning leb­haft für sei­nen Plan inter­es­siert haben, aber der rasche Zusam­men­bruch der Demo­kra­tie mach­te jede prak­ti­sche Umset­zung unmöglich.
Schon in Pro­pa­gan­da­mit­tel kam ein aus­ge­spro­chen kon­ser­va­ti­ves – im Hin­blick auf mas­sen­psy­cho­lo­gi­sche Erwä­gun­gen könn­te man sagen: zyni­sches – Men­schen­bild zum Tra­gen, das bei Domizlaff aller­dings ein Wider­la­ger fand in sei­ner aus­ge­präg­ten Christ­lich­keit und einem pater­na­lis­ti­schen Ver­ständ­nis der sozia­len Ord­nung. Bei­de Aspek­te spiel­ten auch nach 1945 eine wich­ti­ge Rol­le in sei­nem Den­ken und meh­re­ren Schrif­ten, die nie für eine brei­te­re Öffent­lich­keit gedacht waren, son­dern als Pri­vat­dru­cke erschie­nen. Der eso­te­ri­sche Cha­rak­ter kam vor allem zum Aus­druck im Hin­blick auf das Bre­vier für Köni­ge (1950) und Die See­le des Staa­tes. Ein Regel­buch der Eli­te (1957). Das Regel­buch war im Grun­de ein Ver­such, die arca­na impe­rii zu klä­ren und die jun­ge Bun­des­re­pu­blik vor dem Schick­sal Wei­mars zu bewah­ren, das nach Mei­nung von Domizlaff an einem nai­ven Staats- und Poli­tik­ver­ständ­nis zu Grun­de gegan­gen war. Die Offen­le­gung von arca­na ist aller­dings immer ein Pro­blem und in ganz beson­de­rem Maß, wenn es um so heik­le Wahr­hei­ten wie die ging, die Domizlaff vor­zu­stel­len hatte.
Nach hef­ti­gen Pro­tes­ten muß­te das Regel­buch schließ­lich zurück­ge­zo­gen wer­den, und Domizlaff hat sich spä­ter nicht mehr expli­zit zu poli­ti­schen Fra­gen geäu­ßert. Sein sub­ku­ta­ner Ein­fluß darf aller­dings nicht unter­schätzt wer­den. Er starb 1971 in Ham­burg. (KHW)

Hen­ning Eich­berg
wur­de 1942 im schle­si­schen Schweid­nitz gebo­ren, ver­brach­te sei­ne Kind­heit nach der Flucht in der DDR, bevor sei­ne Fami­lie nach Ham­burg über­sie­del­te. Er kam ursprüng­lich aus dem Lager der Neu­tra­lis­ten und geriet dann an par­tei­po­li­tisch »unge­bun­de­ne Zir­kel der Rech­ten« um die Zeit­schrift Nati­on Euro­pa, wäh­rend die Mit­glied­schaft in der CDU zwi­schen 1964 und 1968 eher als Aus­gangs­punkt einer Unter­wan­de­rungs­stra­te­gie dien­te. Die hat­te auch mit Eich­bergs Plan zu tun, die Ideo­lo­gie­feind­schaft und Rück­wärts­ge­wandt­heit der deut­schen Rech­ten hin­ter sich zu las­sen. Er setz­te auf Ter­mi­no­lo­gie und Kon­zep­te, die sonst bevor­zugt von der Lin­ken ver­wen­det wor­den waren, zitier­te in der Aus­ein­an­der­set­zung Lenin oder Mao und über­nahm bestimm­te Argu­men­te – »Demo­kra­ti­sie­rung«, Kri­tik des »Estab­lish­ments« – nicht aus tak­ti­schen Grün­den, son­dern weil sie ihm zeit­ge­mäß erschie­nen. Was Eich­berg in den unru­hi­gen Jah­ren 1967/68 anstreb­te, war eine »Alter­na­tiv­par­tei «, weder bür­ger­lich noch mar­xis­tisch, die die Dyna­mik der jugend­li­chen Revol­te in sich auf­neh­men und sinn­voll umlen­ken soll­te. Er selbst woll­te nicht Füh­rer, son­dern Theo­re­ti­ker einer sol­chen Bewe­gung sein.
Deut­li­cher als in den Ver­öf­fent­li­chun­gen, die damals unter sei­nem Namen erschie­nen, wird das an jenen Tex­ten, die er als »Hart­wig Sin­ger« schrieb. Seit dem Früh­jahr 1967 hat­te er unter die­sem Pseud­onym in der Zeit­schrift Jun­ges Forum eine Rei­he von Auf­sät­zen ver­öf­fent­licht, die die Mög­lich­kei­ten eines »pro­gres­si­ven Natio­na­lis­mus« aus­lo­te­ten. Eich­berg inter­es­sier­te sich zwar auch für ver­schie­de­ne neo­kon­ser­va­ti­ve Bewe­gun­gen, aber sein Haupt­au­gen­merk galt damals den »euro­päi­schen Natio­na­lis­ten« und dem Ver­such, eine geschlos­se­ne rech­te Ideo­lo­gie zu schaf­fen. Die soll­te auf einer »neu­en Ratio­na­li­tät« beru­hen, die sich spä­ter an der Erkennt­nis­theo­rie des »Wie­ner Krei­ses« ori­en­tier­te und Ergeb­nis­se der Sozi­al- wie Natur­wis­sen­schaf­ten nut­zen, um mit dem unbrauch­bar gewor­de­nen Tra­di­ti­ons­be­stand – unter Ein­schluß des Chris­ten­tums – aufzuräumen.
Eich­berg beton­te das »Futu­ris­ti­sche« sei­nes Ent­wurfs, den er als Ergeb­nis der Ent­wick­lung eines spe­zi­fi­schen »okzi­den­ta­len Syn­droms« betrach­te­te. »Natio­na­lis­mus« war inso­fern weder Nost­al­gie noch »Blut und Boden«, son­dern eine revo­lu­tio­nä­re Kraft, die erst in der Indus­trie­ge­sell­schaft voll­stän­dig zur Durch­set­zung kam und »natio­na­le Iden­ti­tät« zum Bezugs­punkt einer neu­en Ord­nung mach­te. Vie­les von dem, was er vor­trug, war inspi­riert durch das fran­zö­si­sche Vor­bild einer neu­en rech­ten Intel­li­genz, da der »beton­te Irra­tio­na­lis­mus des deut­schen Natio­na­lis­mus« sei­ner Mei­nung nach ver­hin­der­te, eine adäqua­te Welt­an­schau­ung zu begründen.
Eich­bergs Ver­su­che, die fran­zö­si­schen Ansät­ze auf Deutsch­land zu über­tra­gen, schei­ter­ten in den sieb­zi­ger Jah­ren eben­so wie sei­ne Bemü­hun­gen, eine aka­de­mi­sche Lauf­bahn ein­zu­schla­gen. Dar­aus zog er zwei Kon­se­quen­zen: die Umdeu­tung des natio­nal­re­vo­lu­tio­nä­ren zu einem lin­ken Ansatz und die Über­sied­lung nach Däne­mark, wo er als Sport­so­zio­lo­ge an ver­schie­de­nen Uni­ver­si­tä­ten arbei­te­te. Obwohl das von Geg­nern aus dem anti­fa­schis­ti­schen Milieu immer wie­der in Abre­de gestellt wird, hat sich Eich­berg mit sei­ner »volk­li­chen«, an den skan­di­na­vi­schen Basis­na­tio­na­lis­mus anknüp­fen­den Welt­an­schau­ung und mit sei­ner theo­re­ti­schen Mate­ria­lis­mus-Kon­zep­ti­on ein­deu­tig auf die Sei­te der Lin­ken geschla­gen. (KHW)

Johan­nes Gross wur­de 1932 in einer klei­nen rhei­ni­schen Ort­schaft gebo­ren, stu­dier­te nach dem Abitur Jura und Phi­lo­so­phie, um sich dann dem Jour­na­lis­mus zuzu­wen­den. In jun­gen Jah­ren hat­te er über Rüdi­ger Alt­mann Kon­takt zu Carl Schmitt gefun­den und gehör­te schon Ende der fünf­zi­ger Jah­re zu des­sen »Hof« (Dirk van Laak). Die Wert­schät­zung des Meis­ters wur­de nicht dadurch beein­träch­tigt, daß Gross einer libe­ra­len Umdeu­tung Schmitts zuneig­te, die es ihm einer­seits ermög­lich­te, als Bera­ter von Lud­wig Erhard (zusam­men mit Alt­mann) den Begriff der »for­mier­ten Gesell­schaft« zu lan­cie­ren, ande­rer­seits den Ruch des »Rech­ten« stets zu mei­den. Ent­spre­chend steil ver­lief sei­ne Kar­rie­re (trotz ’68), vom Res­sort­chef Poli­tik der Deut­schen Zei­tung über die Lei­tung der poli­ti­schen Abtei­lung des Deutsch­land­funks bis zur Chef­re­dak­ti­on des Wirt­schafts­ma­ga­zins Impul­se und Vor­stands­mit­glied­schaft bei Gru­ner + Jahr. Dane­ben mode­rier­te Gross zwi­schen 1977 und 1984 die Bon­ner Run­de des ZDF. Auf ernst­haf­ten Wider­stand traf er eigent­lich nur, als er 1983 zusam­men mit Peter Scholl-Latour die Chef­re­dak­ti­on des Stern über­neh­men soll­te und die­ser Schritt am Wider­stand der Beleg­schaft gegen den »Rechts­ruck« scheiterte.
Zu die­sem Zeit­punkt hat­te Gross unter Kon­ser­va­ti­ven vor allem einen Namen wegen sei­nes im FAZ-Maga­zin erschei­nen­den Notiz­buchs und des­sen glän­zen­den Apho­ris­men. Franz-Josef Strauß mein­te, Gross küs­se alle sei­ne Wor­te. Dar­in lag auch die Fest­stel­lung eines beson­ders hohen Maßes an Eitel­keit eines sehr begab­ten Man­nes, der aller­dings früh – in sei­nem Buch Die Deut­schen (1967) – hat­te erken­nen las­sen, daß die ent­schei­den­den poli­ti­schen Fra­gen erle­digt, jeden­falls kei­ne Anstren­gung von sei­ner Sei­te mehr wert sei­en. Gross starb über­ra­schend 1999. (KHW)

Robert Hepp wur­de 1938 in Lan­ge­nenslin­gen, einem klei­nen Ort in Ober­schwa­ben, gebo­ren, kam als Stu­dent in Kon­takt zu Armin Moh­ler, der ihn in den Kreis Carl Schmitts ein­führ­te und unter des­sen Ein­fluß er mit sei­nem Bru­der eine »Katho­li­sche«, dann »Kon­ser­va­ti­ve Front« bil­de­te. Hepp hat­te von früh an eine akti­vis­ti­sche Nei­gung, wur­de nach einem Eklat im Ober­se­mi­nar von Theo­dor Eschen­burg der Uni­ver­si­tät Tübin­gen ver­wie­sen und nähr­te sei­nen Wider­wil­len gegen eine kon­ser­va­ti­ve als defen­si­ve Pro­gram­ma­tik. Schon in einem Text von 1962 äußer­te er, daß es nötig sei, eine »neue Rech­te« zu for­mie­ren, die den Kampf gegen das libe­ra­le Estab­lish­ment genau­so füh­ren soll­te wie den gegen die Lin­ke. Danach ist Hepp in den sech­zi­ger Jah­ren nicht wei­ter poli­tisch her­vor­ge­tre­ten, son­dern kon­zen­trier­te sich auf den Abschluß sei­ner Dis­ser­ta­ti­on (1967 über »Poli­ti­sche Theo­lo­gie« in der Wei­ma­rer Repu­blik bei Hans-Joa­chim Schoeps) und sei­ne aka­de­mi­sche Lauf­bahn. 1977 erhielt er einen Ruf an die Uni­ver­si­tät Osna­brück als Ordi­na­ri­us für Sozio­lo­gie. Zu die­sem Zeit­punkt hat­te Hepp sei­ne publi­zis­ti­sche Tätig­keit schon wie­der auf­ge­nom­men, vor allem im Umfeld von Cri­ticón. Dabei fiel neben der Bril­lanz sei­ner Argu­men­ta­ti­on vor allem die Ten­denz zur Zuspit­zung auf. Bei­de Eigen­schaf­ten tra­ten auch an sei­nem Haupt­werk, dem 1988 erschie­ne­nen Buch Die End­lö­sung der Deut­schen Fra­ge, her­vor. Hepp ent­wi­ckel­te hier die Grund­zü­ge einer »poli­ti­schen Demographie«für Deut­sche mit dem Ziel, die abseh­bar kata­stro­pha­len Fol­gen des Gebur­ten­de­fi­zits und der ver­stärk­ten Ein­wan­de­rung zu thematisieren.
Einen prak­ti­schen Erfolg hat­te die­se Mah­nung in vor­letz­ter Stun­de aber nicht, und in der Fol­ge­zeit trat Hepp zwar noch mehr­fach mit aus­ge­spro­chen scharf for­mu­lier­ten Stel­lung­nah­men zur poli­ti­schen Ent­wick­lung her­vor (die auch lang­wie­ri­ge juris­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zun­gen zur Kon­se­quenz hat­ten), zog sich aber seit den neun­zi­ger Jah­ren mehr oder weni­ger skep­tisch aus der akti­ven Teil­nah­me an den Debat­ten zurück. (KHW)

Gerd-Klaus Kal­ten­brun­ner wur­de 1939 in Wien gebo­ren, über­sie­del­te nach einem Stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaft 1962 nach Deutsch­land und arbei­te­te zunächst für ver­schie­de­ne Ver­la­ge als Lek­tor. Noch in die­ser Eigen­schaft gab er den Sam­mel­band Rekon­struk­ti­on des Kon­ser­va­tis­mus (1972) her­aus und konn­te damit weni­ge Jah­re nach ’68 die Grund­la­gen für einen mög­li­chen poli­ti­schen Gegen­ent­wurf lie­fern. Kal­ten­brun­ner ging dabei von der Ein­sicht aus, daß der Kon­ser­va­tis­mus zunächst die Hege­mo­nie im Geis­ti­gen erlan­gen müs­se, bevor poli­ti­sche Kon­se­quen­zen durch­setz­bar sei­en. Im Hin­ter­grund stand sei­ne Über­zeu­gung, daß die »öko­no­mi­schen Ver­hält­nis­se« nur den Rah­men für die ent­schei­den­den Ereig­nis­se abge­ben: Ideen und Uto­pien sie­gen dem­nach ein­fach dadurch, »daß sich genü­gend ›Ver­rück­te‹ fin­den, die bereit sind, dafür zu kämp­fen und sich, wenn’s sein muß, auch töten zu las­sen«. Kal­ten­brun­ner sah sei­ne Auf­ga­be im Bewah­ren der Tra­di­ti­on des Kon­ser­va­tis­mus sowie im gegen­warts­be­zo­ge­nen Wei­ter­den­ken. Die von ihm initi­ier­te und her­aus­ge­ge­be­ne Taschen­buch­rei­he Her­der­bü­che­rei Initia­ti­ve (1974–1988) dien­te die­sem Ziel. Auf hohem Niveau wur­den aktu­el­le Fra­gen von ver­schie­de­nen Autoren auf dem Hin­ter­grund der kon­ser­va­ti­ven Tra­di­ti­on bear­bei­tet. Kal­ten­brun­ners Ein­lei­tun­gen wur­den dabei lager­über­grei­fend als scharf­sin­nig und beden­kens­wert gelobt. Die schö­nen, oft mehr­deu­ti­gen Titel der ein­zel­nen Bän­de präg­ten sich ein: Die Zukunft der Ver­gan­gen­heit (1975), Tra­gik der Abtrün­ni­gen (1980), Unser Epi­go­nen-Schick­sal (1980). Bereits der ers­te Titel Plä­doy­er für die Ver­nunft: Signa­le einer Ten­denz­wen­de (1974) wur­de als »Ten­denz­wen­de« zu einem Schlag­wort unter Kon­ser­va­ti­ven und Rech­ten. Par­al­lel zu den aktu­el­len Ana­ly­sen küm­mer­te sich Kal­ten­brun­ner wei­ter­hin um die Quel­len des Kon­ser­va­tis­mus. Sein drei­bän­di­ges Werk Euro­pa. Sei­ne geis­ti­gen Quel­len in Por­traits aus zwei Jahr­tau­sen­den (1981–1985) und die Fort­set­zung Vom Geist Euro­pas (1987–1992) sind hier zu nen­nen. Mit dem Begriff Kon­ser­va­tis­mus war auch Kal­ten­brun­ner nicht glück­lich: Mit der Welt­be­wah­rung allein wäre es nicht getan und gebo­re­ne Kon­ser­va­ti­ve gebe es im Zeit­al­ter des Fort­schritts nicht mehr. Kal­ten­brun­ner bemüh­te sich des­halb um eine kon­ser­va­ti­ve Theo­rie. Nach dem 75. Band wur­de die Initia­ti­ve-Rei­he ein­ge­stellt. Kal­ten­brun­ner beschäf­tigt sich seit­her mit Bio­gra­phien zur Geschich­te des frü­hen Chris­ten­tums. Sei­ne letz­ten Ver­öf­fent­li­chun­gen tra­gen eso­te­ri­schen Cha­rak­ter: Johan­nes ist sein Name (1993) Dio­ny­si­us vom Areo­pag (1996). Kal­ten­brun­ner lebt zurück­ge­zo­gen im Schwarz­wald und publi­ziert nicht mehr. (EL)

Han­no Kes­t­ing wur­de 1925 in der Nähe von Gel­sen­kir­chen gebo­ren, erleb­te die bei­den letz­ten Kriegs­jah­re als Sol­dat; an den Fol­gen einer Ver­wun­dung litt er lebens­lang. Nach der Ent­las­sung aus bri­ti­scher Kriegs­ge­fan­gen­schaft nahm er ein­Stu­di­um in Hei­del­berg auf und gehör­te zum Umfeld des Sozio­lo­gen Alfred Weber. Mit Rein­hart Koselleck und Nico­laus Som­bart bil­de­te er die Basis­mann­schaft des »Archivs für Raum­pla­nung und Welt­bür­ger­krieg«, des­sen Kon­zep­ti­on aller­dings wesent­lich stär­ker von Carl Schmitt als von Weber beein­flußt war. Unter den drei­en hat Kes­t­ing sich der Leh­re Schmitts am stärks­ten geöff­net, was vor allem an sei­nem magis­tra­len Werk Geschichts­phi­lo­so­phie und Welt­bür­ger­krieg (1959) ables­bar wur­de, in dem er die The­se ver­trat, daß seit der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on eine glo­ba­le Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen ideo­lo­gi­schen Lagern geführt wer­de, bei dem letzt­lich die feind­li­chen Brü­der der lin­ken Par­tei – kapi­ta­lis­ti­sche Demo­kra­tie und Sowjet­sys­tem – über die rech­te Par­tei – zuletzt in Gestalt von Faschis­mus und Natio­nal­so­zia­lis­mus – gesiegt hätten.
Die tief pes­si­mis­ti­sche Welt­sicht die­ses Buches hat Kes­t­ing nicht gehin­dert, mit einem gewis­sen Geschick sei­ne beruf­li­che Lauf­bahn zu ver­fol­gen. Nach eini­ger Zeit auf ver­schie­de­nen Uni­ver­si­täts­stel­len über­nahm er kurz­zei­tig das Kul­tur­res­sort der Frank­fur­ter Rund­schau und kam dann 1964 als Assis­tent Arnold Geh­lens nach Spey­er. Dort habi­li­tier­te er sich mit einer Arbeit über Öffent­lich­keit und Pro­pa­gan­da (die erst post­hum ver­öf­fent­licht wur­de). 1968 erhielt er einen Ruf an die Uni­ver­si­tät Bochum und über­nahm ein Ordi­na­ri­at für Sozio­lo­gie. Aller­dings wand­te sich Kes­t­ing mit gro­ßer Schär­fe gegen die stu­den­ti­sche Lin­ke wie gegen den Oppor­tu­nis­mus sei­ner Kol­le­gen und iso­lier­te sich im Lehr­kör­per voll­stän­dig. Weni­ge Jah­re spä­ter, 1975, starb er an den Fol­gen einer Ope­ra­ti­on. (KHW)

Erik von Kueh­nelt-Led­dihn, eigent­lich Erik Maria Rit­ter von Kueh­nelt-Led­dihn, nach sei­nem Selbst­ver­ständ­nis ein »katho­li­scher rechts­ra­di­ka­ler Libe­ra­ler«, gewann sei­ne poli­ti­schen Über­zeu­gun­gen aus der vita­len Tra­di­ti­on, in der er stand. 1909 gebo­ren, hat­te er den Unter­gang des Habs­bur­ger­rei­ches zwar nur als Kind erlebt, aber inner­lich nie akzep­tiert. Kueh­nelt-Led­dihn blieb zeit­le­bens Mon­ar­chist und – damit eng ver­bun­den – Ver­fech­ter eines Katho­li­zis­mus klas­si­scher Prägung.
Aus die­ser Ori­en­tie­rung resul­tier­te sei­ne Feind­se­lig­keit gegen­über jeder Art von Gleich­ma­che­rei oder Gott­lo­sig­keit, er bekämpf­te den »Demo­li­be­ra­lis­mus« eben­so wie den Faschis­mus oder Kom­mu­nis­mus. Sei­ne Sym­pa­thie gehör­te der alt­eu­ro­päi­schen socie­tas civi­lis, einer aris­to­kra­ti­schen, an den Glau­ben und die Geschich­te gebun­de­nen Ord­nung. Das erklär­te wei­ter die eigen­tüm­lich pro­west­li­che Aus­rich­tung Kueh­nelt-Led­dihns, die nicht nur mit sei­nem lebens­lan­gen Kampf gegen das sowje­ti­sche Sys­tem, son­dern auch mit der ursprüng­li­chen Ver­fas­sung der USA zu tun hat­te, in der er viel von dem ver­wirk­licht sah, was sei­nem Gesell­schafts­ide­al ent­sprach. Nach sei­nem Stu­di­um in Wien und Buda­pest (Jura, Theo­lo­gie, Ost­eu­ro­pa­kun­de; Pro­mo­ti­on in Staats­wis­sen­schaft und Volks­wirt­schafts­leh­re) war er 1937 in die Ver­ei­nig­ten Staa­ten gegan­gen und hat­te dort an ver­schie­de­nen katho­li­schen Hoch­schu­len gelehrt.
Erst nach dem Zusam­men­bruch der NSHerr­schaft kam Kueh­nelt-Led­dihn in sei­ne öster­rei­chi­sche Hei­mat zurück und leb­te ab 1947 als Pri­vat­ge­lehr­ter in Tirol. Neben meh­re­ren Roma­nen und ein­zel­nen Kampf­schrif­ten ver­öf­fent­lich­te er als Haupt­werk Frei­heit oder Gleich­heit (1953), eine schar­fe Abrech­nung mit den »Ideen von 1789«, vor allem dem Ega­li­ta­ris­mus. Das Buch ist wie alle spä­te­ren poli­ti­schen Arbei­ten Kueh­nelt-Led­dihns cha­rak­te­ri­siert durch außer­or­dent­li­chen Kennt­nis­reich­tum, einen sehr eigen­wil­li­gen Stand­punkt und gna­den­lo­se Urtei­le. Ernst Jün­ger sag­te über ihn: »Eine ein­sa­me Stech­pal­me, die im Humus des alten Öster­reich ver­wur­zelt ist. Ein Beleg dafür, daß es heu­te weder Schu­len, noch Eli­ten, son­dern nur noch Soli­tä­re gibt.« Kueh­nelt-Led­dihn starb 1999. (KHW)

Win­fried Mar­ti­ni wur­de 1905 in Han­no­ver gebo­ren, war nach dem Abitur kurz­zei­tig in der väter­li­chen Fabrik beschäf­tigt und stu­dier­te dann Recht­wis­sen­schaf­ten in Frank­furt am Main und Ber­lin. Sei­ne Pro­mo­ti­on gab er zuguns­ten des Jour­na­lis­mus auf und war von 1935 bis 1937 Nah­ost­kor­re­spon­dent der Deut­schen All­ge­mei­nen Zei­tung in Jeru­sa­lem. Nach einer Tätig­keit beim Aus­wär­ti­gen Amt arbei­te­te er als Kor­re­spon­dent in Stock­holm. 1943 erhielt er aus poli­ti­schen Grün­den Berufs­ver­bot, wur­de 1944 zur Wehr­macht ein­ge­zo­gen und geriet in ame­ri­ka­ni­sche Kriegs­ge­fan­gen­schaft. Als Unbe­las­te­ter konn­te er direkt nach Kriegs­en­de wie­der als Jour­na­list, unter ande­rem für Die Welt und Christ und Welt, arbei­ten und war Kom­men­ta­tor beim Baye­ri­schen Rund­funk. Er schrieb aber auch für Die Zeit und behan­del­te dort vor allem die The­men Juden­tum und ara­bi­scher Natio­na­lis­mus. Als Buch­au­tor sorg­te er mit zwei Publi­ka­tio­nen für Auf­se­hen, in denen er die »bei­den Grund­prin­zi­pi­en der Bun­des­re­pu­blik: die unbe­ding­te West­bin­dung und den eben­so unbe­ding­ten Anti­kom­mu­nis­mus« (Moh­ler) begründete.
In Das Ende aller Sicher­heit. Eine Kri­tik des Wes­tens (1954) stell­te er die Fra­ge nach der Kri­sen­an­fäl­lig­keit der Demo­kra­tie. Demo­kra­tie sei kein Selbst­zweck, son­dern müs­se am Kri­te­ri­um der Wehr­haf­tig­keit (gegen­über der kom­mu­nis­ti­schen Bedro­hung) gemes­sen wer­den. Mar­ti­ni bezwei­fel­te, daß die west­li­chen Demo­kra­tien dem Kom­mu­nis­mus auf Dau­er stand­hal­ten könn­ten. 1960 ana­ly­sier­te er unter die­ser Maß­ga­be die Bun­des­re­pu­blik: Frei­heit auf Abruf. Dar­in attes­tier­te er der Bun­des­re­pu­blik nur eine gerin­ge Lebens­er­war­tung. Mar­ti­ni nann­te die­se Kri­tik »kon­struk­ti­ven Pes­si­mis­mus«, weil nur so die Män­gel des Staa­tes recht­zei­tig erkannt und abge­stellt wer­den könn­ten. Sein Pes­si­mis­mus konn­te sich nicht bewei­sen, weil der Ernst­fall aus­blieb. Mar­ti­ni galt seit­dem als Eta­tist in der Nach­fol­ge Carl Schmitts, mit dem er einen umfang­rei­chen Brief­wech­sel führ­te. In sei­nem Buch Der Sie­ger schreibt die Geschich­te. Anmer­kun­gen zur Zeit­ge­schich­te (1991), einer Geschichts­be­trach­tung aus dem Blick­win­kel des Augen­zeu­gen, fin­den sich inter­es­san­te Ein­bli­cke in die Wirk­lich­keit des Drit­ten Rei­ches. Mar­ti­ni hoff­te wie vie­le ande­re, daß die Wie­der­ver­ei­ni­gung zu einer Nor­ma­li­sie­rung des Umgangs der Deut­schen mit ihrer Geschich­te füh­ren wür­de. Mar­ti­ni starb 1991 in Bad Endorf. (EL)

Gün­ter Maschke wur­de 1943 in Erfurt gebo­ren und kam 1949 als Adop­tiv­kind mit sei­ner Fami­lie nach Trier. Er ver­ließ mit der mitt­le­ren Rei­fe die Schu­le und absol­vier­te eine Leh­re als Ver­si­che­rungs­kauf­mann, schloß sich der ille­ga­len KPD an und besuch­te Vor­le­sun­gen an der Tech­ni­schen Hoch­schu­le in Stutt­gart. Maschke kam dadurch in Kon­takt mit der lin­ken stu­den­ti­schen Sze­ne, wech­sel­te nach Tübin­gen und hör­te Phi­lo­so­phie bei Ernst Bloch. Gleich­zei­tig arbei­te­te er als Redak­teur einer mar­xis­ti­schen Stu­den­ten­zei­tung und betei­lig­te sich an der »Sub­ver­si­ven Akti­on«, einem Vor­läu­fer der legen­dä­ren »Kom­mu­ne 1«. 1965 deser­tier­te Maschke aus der Bun­des­wehr und floh nach Paris, konn­te dort aller­dings kei­nen Unter­schlupf fin­den und kam über Zürich nach Wien, wo er bald zu den Zen­tral­fi­gu­ren der Neu­en Lin­ken gehör­te. Nach einer Anti-Viet­nam-Demons­tra­ti­on wur­de er 1967 ver­haf­tet. Ein Sitz­streik vor dem Poli­zei­ge­fäng­nis ver­hin­der­te die geplan­te Aus­lie­fe­rung an die Bun­des­re­pu­blik, und die öster­rei­chi­schen Behör­den erlaub­ten Maschke die Abrei­se nach Kuba, dem ein­zi­gen Staat, der bereit war, ihm Asyl zu gewähren.
Die Armut und der tota­li­tä­re Cha­rak­ter des dor­ti­gen Sys­tems behag­ten ihm aber so wenig wie der kapi­ta­lis­ti­sche West­deutsch­lands. Wegen »kon­ter­re­vo­lu­tio­nä­rer Ver­schwö­rung« erneut inhaf­tiert, schob ihn die kuba­ni­sche Regie­rung nach Madrid ab. Schließ­lich kehr­te Maschke in die Bun­des­re­pu­blik zurück, trat die aus­ste­hen­de Gefäng­nis­stra­fe an und arbei­te­te nach sei­ner Frei­las­sung als Jour­na­list. Vie­le sei­ner Arbei­ten dien­ten der Selbst­kri­tik, zuerst aus einer unor­tho­dox-lin­ken, dann aus einer libe­ra­len, zuletzt aus einer kon­ser­va­ti­ven Posi­ti­on. Sein Ori­en­tie­rungs­punkt wur­de Carl Schmitt, des­sen Schrif­ten er schon län­ger gekannt, aber als Äuße­run­gen des Fein­des wahr­ge­nom­men hat­te. Das änder­te sich dra­ma­tisch seit dem Ende der sieb­zi­ger Jah­re. Jeden­falls zeig­ten vie­le Tex­te, die er als Redak­teur der Frank­fur­ter All­ge­mei­nen ver­öf­fent­lich­te, einen zuneh­mend schär­fe­ren Ton. Maschke bedien­te sich einer an Schmitt geschul­ten Begriff­lich­keit und einer Lust, den Geg­ner zu rei­zen, die nur gedul­det wur­de, so lan­ge ihm der Ruf anhing, ein selt­sa­mer Lin­ker, aber eben doch ein Lin­ker zu sein. Das änder­te sich nach einem Gene­ral­an­griff auf Jür­gen Haber­mas, der Maschkes Aus­schei­den aus der FAZ erzwang.
Seit­dem hat Maschke als »hei­mat­lo­ser Rech­ter«, Exeget und Fort­set­zer Schmitts Außer­or­dent­li­ches geleis­tet und gehol­fen, die gro­ßen Kon­ter­re­vo­lu­tio­nä­re – allen vor­an Dono­so Cor­tés – der Ver­ges­sen­heit zu ent­rei­ßen. Sein prä­gen­der Ein­fluß auf das Pro­gramm des Wie­ner Karo­lin­ger-Ver­la­ges oder die von ihm mit her­aus­ge­ge­be­ne Zeit­schrift Etap­pe spre­chen für sich. (KHW)

Wil­liam S. Schlamm wur­de 1904 unter dem Namen Wil­helm Sieg­mund Schlamm als Sohn eines wohl­ha­ben­den jüdi­schen Kauf­manns in Gali­zi­en gebo­ren, geriet schon als Jugend­li­cher unter links­ra­di­ka­len Ein­fluß und schloß sich am Ende des Ers­ten Welt­kriegs der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei Deutsch­ös­ter­reichs an; als Funk­tio­när der Jugend­in­ter­na­tio­na­le wur­de der Sech­zehn­jäh­ri­ge von Lenin in Mos­kau emp­fan­gen. Nach dem Abitur arbei­te­te Schlamm als Redak­teur der Par­tei­zei­tung Rote Fah­ne und gehör­te zum revo­lu­tio­nä­ren Flü­gel der KP. Trotz­dem wur­de er 1928 wegen »Rechts­ab­wei­chung« aus­ge­schlos­sen, kam in Kon­takt zu Carl von Ossietz­ky und über­nahm 1933 die Chef­re­dak­ti­on der von Ber­lin nach Wien über­sie­del­ten Welt­büh­ne. Kurz dar­auf ging er selbst nach Prag ins Exil, 1938 floh er ange­sichts der dro­hen­den Beset­zung durch die Wehr­macht in die USA. Hier brach er end­gül­tig mit der Lin­ken, kam in Kon­takt mit einem ande­ren wich­ti­gen Rene­ga­ten, James Burn­ham, außer­dem mit dem geis­ti­gen Füh­rer der ame­ri­ka­ni­schen Kon­ser­va­ti­ven, Rus­sell Kirk, und dem Finan­zier der Bewe­gung, Wil­liam S. Buck­ley. Schlamm ver­an­laß­te Buck­ley, 1951 die bis heu­te ein­fluß­rei­che kon­ser­va­ti­ve Zeit­schrift Natio­nal Review zu grün­den und wand­te sich selbst einer schar­fen Agi­ta­ti­on gegen die kom­mu­nis­ti­sche Unter­wan­de­rung des Wes­tens, aber auch gegen den fata­len Ein­fluß des links­li­be­ra­len Estab­lish­ments, zu. 1959 kehr­te Schlamm nach Euro­pa zurück. Er glaub­te, daß der alte Kon­ti­nent noch gefähr­de­ter sei als die USA und setz­te sei­nen publi­zis­ti­schen Kampf fort, ver­schärf­te sogar den Ton­fall. Die Wir­kung sei­ner Deutsch­land-Ana­ly­se in dem Buch Die Gren­zen des Wun­ders (1957) war erheb­lich, öffent­li­che Vor­trä­ge oder Debat­ten (mit Erich Kuby zum Bei­spiel) zogen ein gro­ßes Publi­kum an. Sei­ne For­de­rung, daß die NATO kriegs­fä­hig und kriegs­be­reit wer­den müs­se, um dem Ost­block stand­zu­hal­ten, mach­te Schlamm zu einem der best­ge­h­aß­ten Män­ner der Pro­gres­si­ven; Rudolf Aug­stein rutsch­te der Satz her­aus: »Ich wünsch­te, ich wäre Jude, damit ich Schlamm an den Pelz könnte.«
In der Fol­ge­zeit gehör­te Schlamm zum Kern der kon­ser­va­ti­ven Publi­zis­tik West­deutsch­lands, ein eben­so gefürch­te­ter wie bewun­der­ter Pole­mi­ker, ver­füg­te er über eine viel­ge­le­se­ne Kolum­ne im Stern, dann in der Welt am Sonn­tag und schrieb meh­re­re Bücher, in denen er sich kri­tisch mit dem Link­s­trend der Gesell­schaft aus­ein­an­der­setz­te. Obwohl er die Rücken­de­ckung von Franz-Josef Strauß hat­te, fiel Schlamm Anfang der sieb­zi­ger Jah­re einer ideo­lo­gi­schen Front­be­gra­di­gung zum Opfer und ver­lor sei­ne Stel­lung im Sprin­ger-Kon­zern. Er grün­de­te dar­auf­hin die Zeit­schrift Zeit­büh­ne – eine Art Welt­büh­ne von rechts – die ohne Zwei­fel zu den ein­fluß­reichs­ten Orga­nen des kon­ser­va­ti­ven Flü­gels der Uni­on gehör­te, aller­dings der Spit­ze der »grund­sätz­lich oppor­tu­nis­ti­schen CDU« (Schlamm dixit) ein Dorn im Auge war, da Schlamm für eine bun­des­wei­te Aus­deh­nung der CSU als »vier­ter Par­tei« plä­dier­te. Schlamm starb 1978 in Salz­burg. (KHW)

Hans-Georg von Stud­nitz war »einer der letz­ten Ver­tre­ter des kon­ser­va­ti­ven Jour­na­lis­mus in Deutsch­land« (Cas­par von Schrenck-Not­zing). Ob als Redak­teur der Zeit oder von Christ und Welt, als Mit­ar­bei­ter von Welt und Welt am Sonn­tag: Sei­ne Stel­lung­nah­men hat­ten immer etwas Ein­deu­ti­ges, Ver­tei­di­gung der Über­lie­fe­rung unter über­lie­fe­rungs­feind­li­chen Bedin­gun­gen. Die Selbst­ver­ständ­lich­keit, mit der Stud­nitz sei­nen Stand­punkt bezog, ging dar­auf zurück, daß er ein »gebo­re­ner«, kein »gemach­ter « Kon­ser­va­ti­ver war. Für Stud­nitz war in jun­gen Jah­ren kei­ne ande­re Lauf­bahn als die des Offi­ziers denk­bar, was damit zusam­men­hing, daß der 1907 Gebo­re­ne aus einer preu­ßi­schen Sol­da­ten­fa­mi­lie stamm­te, die sich selbst­ver­ständ­lich als Stüt­ze der Hohen­zol­lern­mon­ar­chie betrachtete.
Stud­nitz war aber kein Nost­al­gi­ker, sah sich unter den Bedin­gun­gen der Wei­ma­rer Repu­blik klag­los nach einem zivi­len Beruf um, erlern­te den des Bank­kauf­manns, wech­sel­te dann jedoch in den Jour­na­lis­mus. Dabei kamen ihm Welt­ge­wandt­heit und Spra­chen­kennt­nis beson­ders zugu­te. Er arbei­te­te als Aus­lands­kor­re­spon­dent für den Scherl-Kon­zern (Hugen­berg), unter ande­rem als Bericht­erstat­ter aus Spa­ni­en wäh­rend des Bürgerkriegs.
Nach Beginn des Zwei­ten Welt­kriegs hat­te man Stud­nitz die »Auf­sicht« über die Zei­tun­gen im besetz­ten Hol­land über­tra­gen. Die­se Posi­ti­on ver­lor er rasch wie­der, nach­dem er dafür gesorgt hat­te, daß jüdi­sche Mit­ar­bei­ter gedeckt wur­den, und wei­ter erlaub­te, daß man den Lesern Mit­tei­lung über die Zen­sur­maß­nah­men der deut­schen Behör­den mach­te. Stud­nitz wur­de in die Pres­se­ab­tei­lung des Aus­wär­ti­gen Amtes ver­setzt, wo er bis zum Kriegs­en­de ver­blieb; sei­ne Auf­zeich­nun­gen aus der End­pha­se des Krie­ges ver­öf­fent­lich­te er spä­ter unter dem Titel Als Ber­lin brann­te. Er starb 1993.
Nach 1945 spiel­te Stud­nitz eine wich­ti­ge Rol­le für den Wie­der­auf­bau der west­deut­schen Publi­zis­tik und berich­te­te schon für die Zeit über das Nürn­ber­ger Tri­bu­nal. Er schrieb außer­dem wäh­rend der sech­zi­ger Jah­re meh­re­re Bücher (Bis­marck in Bonn, 1964; Glanz und kei­ne Glo­ria, 1965; Ret­tet die Bun­des­wehr!, 1967; Ist Gott Mit­läu­fer?, 1969), in denen er sich nicht nur als kon­ser­va­ti­ver Beob­ach­ter des Zeit­ge­sche­hens, son­dern auch als scharf­zün­gi­ger Pole­mi­ker erwies. Stud­nitz starb 1993. (KHW)

Fried­rich Ten­bruck wur­de 1919 gebo­ren und ver­starb 1994; sei­ne Fami­lie setz­te in die Todes­an­zei­ge »Ein Leben für die Wis­sen­schaft ist zu Ende gegan­gen«. Das traf den Kern, denn Ten­bruck trat nur sel­ten poli­tisch her­vor, son­dern kon­zen­trier­te sich in ers­ter Linie auf sei­ne Dis­zi­plin, die Sozio­lo­gie. Aller­dings führ­te ihn deren Ent­wick­lung – Ten­bruck sprach von einem »bei­spiel­lo­sen Auf­stieg« – zu einer Außen­sei­ter­po­si­ti­on. Er ging zwar nicht so weit wie sein Freund Hel­mut Schelsky – der »Anti-Sozio­lo­ge« –, aber sei­ne Kri­tik des Fachs hat­te doch etwas Prin­zi­pi­el­les, ging über das Bekla­gen von Ver­ein­nah­mung oder Ver­fall des Niveaus in For­schung und Leh­re hin­aus. Was Ten­bruck unter der Über­schrift »Die unbe­wäl­tig­ten Sozi­al­wis­sen­schaf­ten oder die Abschaf­fung des Men­schen« behan­del­te, war eine Zurück­wei­sung des Anspruchs sei­ner Dis­zi­plin, mit Hil­fe von Sche­ma­ti­sie­run­gen die gesell­schaft­li­che Wirk­lich­keit zu erfas­sen, wäh­rend es doch nur dar­um ging, durch Begrif­fe wie »Herr­schaft«, »Schicht«, »Rol­le«, die Wirk­lich­keit zu ver­stel­len und der Sozio­lo­gie einen Deu­tungs­an­spruch zu ver­schaf­fen, der mit Macht­aus­übung viel, mit Wis­sen­schaft sehr wenig zu tun hatte.
Das Ethos der Wis­sen­schaft war es, das Ten­bruck trieb, ein Wider­wil­le gegen die Ideo­lo­gi­sie­rung, jenen Pro­zeß, den er in sei­ner Zeit als Assis­tent Max Hork­hei­mers in Frank­furt wäh­rend der sech­zi­ger Jah­re genau beob­ach­tet hat­te und für fatal hielt. Fatal auch des­halb, weil in allen »neu­en Lagen … die alten Fra­gen« ste­cken, die die Lin­ke erle­digt geglaubt hat­te, und die sich nicht erle­di­gen las­sen. Wahr­schein­lich erklärt die­se Ein­sicht, war­um Ten­bruck in sei­nen letz­ten Jah­ren immer deut­li­cher zur Ver­tei­di­gung des Chris­ten­tums oder doch der christ­li­chen Tra­di­ti­on über­ging. Ein Weg, der sich schon ange­deu­tet hat­te, als er 1978 auf dem  Kon­greß »Mut zur Erzie­hung« sprach und dort erklär­te: »Ohne erzo­ge­ne Men­schen ist kein Staat zu machen, und ohne die ein­ge­üb­te Ver­traut­heit mit über­lie­fer­ter Kul­tur ist nicht zu erzie­hen.« (KHW)

Gün­ter Zehm wur­de 1933 im säch­si­schen Crim­mit­schau (Sach­sen) als Sohn eines Tex­til­in­ge­nieurs gebo­ren; der Vater fiel im Krieg. Nach dem Abitur begann er 1952 ein Stu­di­um zuerst der Jour­na­lis­tik, spä­ter der Phi­lo­so­phie in Leip­zig. Zehm gehör­te bald zum Umfeld Ernst Blochs, des­sen Lieb­lings­schü­ler er wur­de. 1956 ging er als Dozent für Phi­lo­so­phie an die Fried­rich-Schil­ler-Uni­ver­si­tät Jena. Weil Zehm sich kri­tisch zur Nie­der­schla­gung des Ungarn-Auf­stan­des und über den Man­gel an Mei­nungs­frei­heit in der DDR äußer­te, wur­de er 1957 durch die Staats­si­cher­heit ver­haf­tet. Das Gericht ver­ur­teil­te Zehm wegen »Boy­kott­het­ze« zu vier Jah­ren Zucht­haus (Wald­heim, Tor­gau). Nach einer Amnes­tie 1960 ent­las­sen, floh Zehm in den Wes­ten, nahm das Stu­di­um der Phi­lo­so­phie (bei Theo­dor W. Ador­no) und der Kunst­ge­schich­te in Frank­furt a. M. und der Bio­lo­gie in Bonn wie­der auf. Die Dis­ser­ta­ti­on befaß­te sich mit Sartre.
Seit 1963 arbei­te­te Zehm für die Tages­zei­tung Die Welt, zuerst als Kor­re­spon­dent (USA, Mexi­ko), danach als Feuil­le­ton­re­dak­teur, schließ­lich als Lei­ter des Feuil­le­tons und stell­ver­tre­ten­der Chef­re­dak­teur. In die­sen Jah­ren, zwi­schen 1977 und 1989, war es ihm mög­lich, in der Zei­tung vie­len Kon­ser­va­ti­ven – gele­gent­lich sogar Carl Schmitt – ein Forum zu ver­schaf­fen. Dann wur­de auch die­se Bas­ti­on geschleift: Auf­grund sei­ner mitt­ler­wei­le als inop­por­tun betrach­te­ten Hal­tung zur Vor­herr­schaft der Lin­ken, zur deut­schen Tei­lung und der kom­mu­nis­ti­schen Herr­schaft im Ost­block wur­de Zehm aus dem Sprin­ger-Ver­lag herausgedrängt.
Eine gewis­se Genug­tu­ung bedeu­te­te dem­ge­gen­über, daß er nach der Wen­de an die Uni­ver­si­tät Jena als Pro­fes­sor für Phi­lo­so­phie zurück­keh­ren konn­te; sei­ne Dar­stel­lung der Phi­lo­so­phie liegt seit 2004 in mitt­ler­wei­le sechs Bän­den vor. Dane­ben ist Zehm wei­ter publi­zis­tisch tätig und zeigt sich in sei­ner Pan­kraz-Kolum­ne (seit 1975 in der Welt, dann im Rhei­ni­schen Mer­kur und seit 1995 in der Jun­gen Frei­heit) als der, der die Din­ge »immer aus eigen­sin­ni­gen, nie­mals kon­for­mis­ti­schen Blick­win­keln« (Lorenz Jäger) betrach­tet. (KHW)

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