Dschihad-Slapstick und Alarmismus

Apropos Terrorismus:  im Schlußkapitel von Deutschland schafft sich ab entwirft Sarrazin ein Zukunftsszenario,...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

in dem ein isla­mis­ti­scher Bom­ben­an­schlag in Ber­lin, der über 70 Men­schen­le­ben for­dert, das Land end­lich auf­rüt­telt und zum Umden­ken bringt. Der Mann ist ein unheil­ba­rer Opti­mist. Etwas ähn­li­ches ist, heu­te bei­nah ver­ges­sen, immer­hin bereits am 7. Juli 2005 in Lon­don gesche­hen, und hat nicht weni­ger als 56 Todes­op­fer und über 700 Ver­letz­te gefordert.

Das ist eine unge­heu­er­li­che Zahl, und nur vier fana­ti­sche  Selbst­mord­at­ten­tä­ter haben aus­ge­reicht, um die­se ruch­lo­se Tat durch­zu­füh­ren. Und was tut man heu­te im Ver­ei­nig­ten König­reich? Man dreht lus­ti­ge Fil­me über tol­pat­schi­ge Ter­ro­ris­ten von neben­an, die am Ende auch nur Men­schen sind wie Du und Ich. Auf die­sen Nen­ner könn­te man die bri­ti­sche Komö­die “Four Lions” brin­gen, die seit Ende April in den deut­schen Kinos läuft.

Als ich den Trai­ler vor eini­gen Mona­ten zum ers­ten Mal gese­hen habe, ist mir erst­mal ungläu­big der Mund offen­ge­stan­den, so sur­re­al depla­ziert wirk­te die blo­ße Idee auf mich. Und da ich ein ein­ge­fleisch­ter, mit­hin abge­brüh­ter Mon­ty Python’s-Fan bin, will das was hei­ßen. Mich stört aller­dings nicht der schwar­ze Humor oder die “Geschmack­lo­sig­kei­ten” des Films, son­dern eher, daß er so nied­lich gera­ten ist. Mein Pro­blem ist gänz­lich ande­rer Natur als das eines rou­ti­niert auf der Appease­ment-und-Duck-Dich-Schleim­spur rut­schen­den CSU-Poli­ti­kers, der den Start des Films brem­sen woll­te, weil, na was wohl,  “es sehr gefähr­lich sein könn­te, die­sen Film jetzt in deut­schen Kinos zu zei­gen” und “Öl ins Feu­er gegos­sen wer­den” könnte.

Da kann er sich beru­hi­gen, denn der Regis­seur Chris Mor­ris ver­riet dem links­li­be­ra­len Wie­ner Blatt Der Stan­dard, daß “auch vie­le Mus­li­me” den Film mögen wür­den.  Daß sie zumin­dest nicht aus­ge­ras­tet sind, wie sonst üblich, wun­dert auf den zwei­ten Blick schon weni­ger. Mor­ris gibt selbst zu, woge­gen sich sei­ne Sati­re wirk­lich richtet:

Stan­dard: Inter­es­san­ter­wei­se hat “Four Lions” bis­her kei­nen neu­en Kari­ka­tu­ren­streit ausgelöst.

Mor­ris: Vie­le Mus­li­me mögen den Film, weil er nichts belei­digt, was ihnen wirk­lich wich­tig ist. Ich belei­di­ge ja nicht die Reli­gi­on, dies ist eine Sati­re auf eine ver­bla­se­ne Ideo­lo­gie, die mit der Reli­gi­on nichts mehr zu tun hat. Die Kari­ka­tu­ren wur­den aus­drück­lich als Pro­vo­ka­ti­on ver­öf­fent­licht und nach­ge­druckt, sie stell­ten eine Her­aus­for­de­rung dar und wur­den auch als sol­che ange­nom­men. “Four Lions” for­dert nicht die Mus­li­me her­aus, son­dern unse­ren mas­sen­me­dia­len Mainstream.
(…)
Mein Prin­zip ist: Ich mache etwas lächer­lich, um Auto­ri­tät zu unter­mi­nie­ren. Im Fal­le von “Four Lions” geht es gegen einen bestimm­ten Main­stream des Umgangs mit dem radi­ka­len Islam, in dem sich Igno­ranz mit Didak­tik unheil­voll ver­mischt. Four Lions ist komisch, weil er real ist – und gera­de des­we­gen den Erwar­tun­gen zuwiderläuft.

Real? Real sind die 56 Toten und 700 Ver­letz­ten von Lon­don, die 191 Toten und 2500 Ver­wun­de­ten von Madrid, die 37 Toten und 180 Ver­let­zen von Mos­kau, die 23 Toten und 97 Ver­letz­ten in Alex­an­dria, die neun Toten und 150 Ver­letz­ten in der aus­tra­li­schen Bot­schaft in Jakar­ta, die zwei Toten und zwei Ver­letz­ten von Frank­furt, die Bom­ben von Stock­holm und Exe­ter und wie­der Lon­don, die Kopen­ha­ge­ner Atten­tat­vor­be­rei­tun­gen gegen die “Jyl­lands-Pos­ten”.

Komisch? Komisch ist das alles nicht. Aber Mor­ris gehört eben zu jener Sor­te Libe­ra­ler, denen weni­ger die Aus­brei­tung isla­misch-ter­ro­ris­ti­scher Netz­wer­ke schlaf­lo­se Näch­te berei­tet, als die Sor­ge vor “alar­mis­ti­schen” (vul­go: “islam­feind­li­chen”, “isla­mo­pho­ben” etc) Medi­en. Dem­entspre­chend kom­men­tiert der Stan­dard den Film:  “Komik als Waf­fe gegen eine alar­mis­ti­sche Öffent­lich­keit.”  Mor­ris’ mes­sa­ge ist also unge­fähr: “Beru­higt euch mal Leu­te, auch Isla­mis­ten sind nur Men­schen, und mei­ne Ter­ro­ris­ten sind so lus­tig-däm­lich, daß man sie knud­deln könn­te, außer­dem könnt ihr euch getrost ent­span­nen, wenn in der Nach­bar­schaft mal wie­der eine Moschee gebaut wird, denn die schrä­gen Ideen die­ser Bom­ben­le­ger-Vögel haben rein gar nichts mit dem Islam zu tun.”

Wie weit die­se Ver­blen­dung geht, wird in einem ande­ren Inter­view mit Mor­ris deutlich:

Es war ein Ver­such her­aus­zu­fin­den, was hier vor­geht.  Der “Krieg gegen den Ter­ror” nimmt so gro­ße Tei­le unse­res Lebens ein, beein­flußt unse­re Kul­tur so stark, bringt die­se gewal­ti­gen poli­ti­schen Müh­len zum lau­fen. (…) 7/7 (das Lon­do­ner U‑Bahn-Atten­tat) schlug an die­ser Stel­le mit einer ziem­li­chen Wucht ein, denn plötz­lich konn­te man all die­se Leu­te mit einem York­shire-Akzent sehen. Plötz­lich hat man es nicht mehr mit einer amor­phen ara­bi­schen Welt, zu tun, son­dern mit Bri­ten, die schon lan­ge Zeit hier leben, die Cur­ry machen und Teil der Land­schaft sind.

“Bri­ten” bezieht sich offen­bar dar­auf, daß alle vier Lon­do­ner Atten­tä­ter (drei Paki­sta­ni, ein Jamai­ka­ner) in Eng­land auf­ge­wach­sen sind, und drei von ihnen dort auch gebo­ren sind.  Sie besas­sen alle­samt bri­ti­sche Päs­se, wie der Atten­tä­ter von Stock­holm vom Dezem­ber 2010 einen schwe­di­schen Paß und der Mör­der Theo van Goghs einen nie­der­län­di­schen. Es ist so ein­fach zu begrei­fen: ein Kalb wird eben nicht zum Pferd, wenn es in einem Pfer­de­stall gebo­ren wird.

Wie sieht es nun wirk­lich mit dem “alar­mis­ti­schen Medi­en­main­stream” aus? Die Lage ist in Eng­land ähn­lich wie in Deutsch­land: die Ankla­ge besorgt eine recht laut­hal­si­ge Bou­le­vard­blatt-Front, die das Unbe­ha­gen des gemei­nen Fuß­volks eben­so aus­drückt wie aus­beu­tet und kana­li­siert. Auf der ande­ren Sei­te steht ein links­li­be­ra­les Medi­en- und Polit­kar­tell, das abwie­gelt, beschwich­tigt, Poli­ti­cal Cor­rect­ness, Hete­ro­ge­ni­sie­rung und Ein­wan­de­rung for­ciert und jeden, der sich dage­gen stellt, platt­zu­ma­chen versucht.

Wie ich in die­sem Blog schon öfter auf­ge­zeigt habe, sind der Isla­mi­sie­rungs­pro­zeß und die Mul­ti­kul­tu­ra­li­sie­rung in Eng­land nicht nur erheb­lich wei­ter fort­ge­schrit­ten als in Deutsch­land, son­dern auch die direkt dar­aus resul­tie­ren­de öffent­li­che Repres­si­on, der Geor­ge Orwell kei­ne schö­ne­re Poin­ten hät­te lie­fern können.

Wir spre­chen hier von einem Land, in dem etwa eine  Innen­mi­nis­te­rin auf­for­de­te, den isla­mi­schen Extre­mis­mus und Ter­ro­ris­mus zukünf­tig als “anti-isla­mi­sche Akti­vi­tät” (!) zu bezeich­nen, weil die­se angeb­lich dem “wah­ren” Islam zuwi­der­lie­fen. Einem Land, in dem ein poli­ti­scher Redak­teur der BBC schon vor über zehn Jah­ren fol­gen­de Lösung der durch Ein­wan­de­rung ent­stan­de­nen Ras­sen­span­nun­gen vorschlug:

Die end­gül­ti­ge Ant­wort ist, offen gesagt, der ener­gi­sche Ein­satz der Staats­macht durch Zwang und Unter­drü­ckung. Es mag an mei­nem pres­by­te­ria­ni­schen Hin­ter­grund lie­gen, aber ich glau­be fel­sen­fest dar­an, daß Unter­drü­ckung ein groß­ar­ti­ges zivi­li­sie­ren­des Instru­ment zum Guten sein kann. Wenn man lan­ge genug ver­meint­lich natür­li­che Über­zeu­gun­gen nie­der­tram­pelt, kann man die­se fast aus­rot­ten. Die Poli­zei wird die neue Last als ers­te zu tra­gen haben, aber ein neu­es Ras­sen­be­zie­hungs­ge­setz wird auch Mil­lio­nen ande­ren Men­schen den Wil­len des Staa­tes auf­zwin­gen. (Dank an eigen­tüm­lich frei für die Übersetzung). 

Unge­ach­tet des­sen dreht man in Eng­land aber lie­ber Fil­me über rechts­fa­schis­ti­sche Alte-Schu­le-Dik­ta­tu­ren wie V wie Ven­det­ta.

Wenn sich dann ein­mal ein unab­hän­gi­ger Sen­der an die wirk­li­che tota­li­tä­re Gefahr von heu­te her­an­wagt, wie die Pro­duk­ti­on “Under­co­ver Mos­que” (2007) und ihre Fort­set­zung (2008), dann muß er mit mas­si­vem Wider­stand rech­nen. Die Sen­dun­gen zeig­ten “under­co­ver”, also getarnt und mit ver­steck­ter Kame­ra auf­ge­nom­me­ne mili­tan­te Pre­dig­ten von in Groß­bri­tan­ni­en wir­ken­den Ima­men, die unter ande­rem zum Dschi­had gegen Nicht-Mus­li­me in Eng­land auf­ru­fen und ihre Anhän­ger auf­for­dern, bis zur künf­ti­gen Macht­über­nah­me “einen Staat im Staa­te” zu bilden.

Die lan­des­zu­stän­di­ge Poli­zei brach nicht nur die Ermitt­lun­gen gegen die isla­mi­schen Füh­rer rasch ab, son­dern wur­de auch noch von Anwäl­ten des Crown Pro­se­cu­ti­on Ser­vice gedrängt, den Fern­seh­sen­der Chan­nel 4 wegen “Auf­het­zung zum Ras­sen­haß” zu belan­gen. Das Video sei ten­den­zi­ös und ver­fäl­schend geschnit­ten und sei außer­dem “dazu geeig­net, den Zusam­men­halt der Gemein­schaft” ‑lies: die Lüge von einer Gemein­schaft der “Mul­ti­kul­tu­rel­len” – zu “unter­gra­ben” (“suf­fi­ci­ent to under­mi­ne com­mu­ni­ty cohe­si­on”).

Die Medi­en­auf­sichts­be­hör­de Ofcom wies die Beschwer­de der Poli­zei aller­dings zurück, und Chan­nel 4 schlug mit einer Ver­leum­dungs­kla­ge gegen die Poli­zei und den CPS zurück. Hier hat­ten die Fil­me­ma­cher nach einem zähen Hick­hack noch ein­mal gewon­nen, aber die direkt vom Staat aus­ge­hen­de Ten­denz der Ver­harm­lo­sung und Ver­schleie­rung trat unver­kenn­bar zu Tage.

Und, um auf den Aus­gangs­punkt zurück­zu­kom­men: so respekt­los “Four Lions” (ist der Titel eine Anspie­lung auf die heral­di­schen drei Löwen des König­reichs Eng­land?)  auf der Ober­flä­che daher­kommt, so kon­form geht er eben mit den Ver­harm­lo­sern und Ver­tu­schern, die gegen­über den soge­nann­ten “Alar­mis­ten” dominieren.

Es ist viel­leicht ein Art von Stock­holm-Syn­drom, als Bri­te nach fast sech­zig Toten und wach­sen­der ter­ro­ris­ti­scher Gefahr im eige­nen Land die Täter als knud­de­li­ge, all­zu-mensch­li­che Dep­pen hin­zu­stel­len, und den reli­gi­ös-kul­tu­rel­len Mist, auf dem sie gewach­sen sind, den Bli­cken zu ent­zie­hen. Der Wes­ten gleicht bald nur mehr einer gro­ßen Schafs­her­de, die sich lethar­gisch nach der Rei­he abschlach­ten läßt, und aus Feig­heit und Hoff­nung, vor dem Kon­flikt und der Gewalt ver­schont zu wer­den, die ande­re Wan­ge hin­hält. Selbst die­je­ni­gen, die die Din­ge kla­rer sehen, wagen kaum auf­zu­ste­hen, und sich guten Gewis­sens zur Wehr zu set­zen. Man muß an die berühm­ten Ver­se aus Yeats apo­ka­lyp­ti­schem Gedicht “The Second Coming” denken:

The best lack all con­vic­tion, while the worst /Are full of pas­sio­na­te intensity.

Die Bes­ten sind des Zwei­fels voll, die Ärgsten
Sind von der Kraft der Lei­den­schaft erfüllt.

Ich für mei­nen Teil kann nur sagen, daß mich die “Anti-Alar­mis­ten” nicht über­zeu­gen. Im Gegen­teil: die Absur­di­tät und Unzu­läng­lich­keit ihrer Gegen­ma­nö­ver schreit zum Him­mel, daß etwas faul ist nicht nur im Staa­te Eng­land. Wenn über­haupt, dann gibt es zuwe­nig Alarm und “Alar­mis­mus”. Es ist eher an der Zeit, daß man­chen Leu­ten, den meis­ten Leu­ten, das Lachen end­lich ver­geht. Mir ist es in die­ser Hin­sicht schon lan­ge im Hals ste­cken geblie­ben. Gegen den fal­schen Dschi­had-Humor sei zum Schluß emp­foh­len: die augen­öff­nen­de Ana­ly­se “Das Dschi­had-Sys­tem” von Man­fred Klei­ne-Hart­la­ge, und als Roß­kur die Auf­sät­ze des “Stars” der “Counterjihad”-Szene, des bril­li­an­ten nor­we­gi­schen Blog­gers Fjordman.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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