Zweierlei Maß in Dessau

In der aktuellen Druckausgabe der Sezession untersuche ich den Fall "Emma West als Exempel", nämlich als mögliches Modell,...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

wie eine sich ver­schär­fen­de Repres­si­on bei zuneh­men­der “Mul­ti­kul­tu­ra­li­sie­rung” auch in Deutsch­land aus­se­hen könn­te. In engem Zusam­men­hang damit steht die poli­ti­sche Aus­schlach­tung des Mord­fal­les Ste­phen Lawrence.

Der ver­mut­lich aus Ras­sen­haß moti­vier­te Mord an dem jun­gen Schwar­zen im Jahr 1993 wur­de von der bri­ti­schen Pres­se und inter­es­sier­ten Lob­by­is­ten und Poli­ti­kern zum Fanal hoch­ge­schrie­ben, um den vor­geb­li­chen “insti­tu­tio­nel­len Ras­sis­mus” des gan­zen Lan­des anzu­pran­gern, ja sei­ne Geset­ze zu ändern. Der viel häu­fi­ger auf­tre­ten­de Fall, daß Wei­ße Opfer von Ein­wan­de­rer­ge­walt wer­den, die eben­falls unver­kenn­ba­re Züge von Ras­sen­haß trägt, wird dage­gen von der Pres­se in der Regel her­un­ter­ge­spielt. So kam es, daß Ste­phen Law­rence zur Iko­ne à la Mar­tin Luther King und Nel­son Man­de­la sti­li­siert wur­de, wäh­rend die wei­ßen Opfer ver­gleich­ba­rer Ver­bre­chen weit­ge­hend namen­los und unbe­kannt blieben.

Die­ses recht gut gemach­te Video betrach­tet etwa ein Dut­zend sol­cher Fäl­le im ent­spre­chen­den Kon­text – seit es hoch­ge­la­den wur­de, hat es bis dato schlap­pe 4,000 Zugrif­fe bekom­men, wäh­rend Emma Wests “tram expe­ri­ence” im sel­ben Zeit­raum mil­lio­nen­fach ange­klickt wur­de. Eines der genann­ten Opfer wur­de 2007 von zwei Schwar­zen in einem Bus in Croy­don ersto­chen, jenem Stadt­vier­tel, aus dem auch West stammt.

 

 

Die­se Ten­den­zen zei­chen sich klar auch in Deutsch­land ab. Auf das jüngs­te Bei­spiel wur­de ich durch Jür­gen Elsäs­sers Com­pact-Blog auf­merk­sam. Die Medi­en­re­so­nanz zu dem Gewalt­ver­bre­chen an dem Fuß­bal­ler André Schu­bert in Des­sau ist momen­tan nur spär­lich. Der 29jährige wur­de von einem sene­ga­le­si­schen Asyl­be­wer­ber mit einem Mes­ser in den Kopf gesto­chen, als die­ser ihn dar­an hin­dern woll­te, einem drit­ten Betei­lig­ten ein Han­dy zu stehlen.

Elsäs­ser dazu:

Nie­mand außer­halb von Des­sau nimmt Notiz davon! Die übe­r­e­gio­na­len Medi­en boy­kot­tie­ren den Fall oder ver­mi­schen ihn bis zur Unkennt­lich­keit mit ande­ren Vor­fäl­len.  Was also ist pas­siert? Tat­ort ist Des­sau, eine mit­tel­deut­sche Stadt mit 77.000 Ein­woh­nern, bekannt durch die Bau­haus-Archi­tek­tur, ansons­ten aber sehr ver­schla­fen. Am Mon­tag zur Mit­tags­zeit kurz vor 12 Uhr woll­te ein schwarz­afri­ka­ni­scher Asyl­be­wer­ber aus dem Sene­gal einem älte­ren Mit­bür­ger sein Han­dy klau­en, auf offe­ner Stra­ße. André Schu­bert, ein 29jähriger Spie­ler des ört­li­chen Fuß­ball­ver­eins ASV Vor­wärts, geht dazwi­schen. Da zückt der Dieb ein Mes­ser und rammt es dem Fuß­bal­ler in den Kopf. Das Mes­ser kann erst im Kran­ken­haus ent­fernt werden. (…)

Der Vor­fall spricht sich schnell her­um. Noch am sel­ben Abend demons­trie­ren 400 bis 500 Ein­hei­mi­sche gegen die Blut­tat – eine beacht­li­che Zahl für die Grö­ße der Stadt. Es gibt Paro­len wie „Kri­mi­nel­le Aus­län­der raus!“, nach dem Vor­ge­fal­le­nen abso­lut ver­ständ­lich. Die Mit­tel­deut­sche Zei­tung berich­tet mode­ra­te Stim­men aus dem Pro­test­zug: „Die demons­trie­ren auf unse­ren Stra­ßen. Das kön­nen wir auch.“ Man habe nichts gegen Aus­län­der, wenn die „nicht gera­de mit einem Mes­ser zu McDo­nalds gehen“, sagt Ver­samm­lungs­lei­ter Ralf Pflug. Vie­le mei­nen, „was dem André pas­siert ist, das geht gar nicht“.

Sym­pto­ma­tisch ist die Reak­ti­on des Ober­bür­ger­meis­ters von Des­sau, der rasch ver­such­te, den Fall her­un­ter­zu­spie­len, indem er als “Täter­ver­ste­her” auftrat:

Empö­rend ist, wie Ober­bür­ger­meis­ter Kle­mens Koschig die Tat und die anschlie­ßen­de Pro­test­de­mo beur­teilt: „Das Pro­blem ist, dass eini­ge Men­schen nach der Mes­ser­at­ta­cke in dem Täter immer nur den Schwarz­afri­ka­ner sehen. Ver­ges­sen wird, dass es sich bei ihm auch um einen kran­ken, depres­si­ven Mann han­delt.“ Was wäre wohl den den BRD-Medi­en los, wenn der OB bei einem umge­ker­ten Tat­vor­gang – Deut­scher als Täter, Schwarz­afri­ka­ner als Opfer – den Mes­ser­ste­cher so ver­harm­lost hätte?

Das war aber nur das ers­te Manö­ver der Offen­si­ve, nach der sen­ti­men­ta­len wur­de sogleich auf die Ein­schüch­te­rungs­tu­be gedrückt:

Im „Neu­en Deutsch­land“, einer von der Links­par­tei finan­zier­ten Tages­zei­tung, wird das Opfer und die um den Schwer­ver­letz­ten Trau­ern­den in den Ver­dacht des Rechts­extre­mis­mus gerückt. Ein Gewährs­mann des Blat­tes „ver­weist dar­auf, dass die ASG Vor­wärts ((der Ver­ein des Opfers)) wie­der­holt mit Rechts­extre­mis­mus in Ver­bin­dung gebracht wur­de. So arbei­te­te ein Sze­ne­mit­glied als Jugend­trai­ner. Der Anmel­der der jet­zi­gen Demo sei kürz­lich wegen einer mut­maß­lich rechts­extrem moti­vier­ten Kör­per­ver­let­zung ver­ur­teilt wor­den.“ Ekel­haft, wie hier Opfer zu Tätern gemacht wer­den. Im MDR war übri­gens zu hören: „Nach Infor­ma­tio­nen von MDR1 RADIO SACHSEN-ANHALT hat der Ver­fas­sungs­schutz aktu­ell kei­ne Erkennt­nis­se über Bestre­bun­gen im Fuß­ball­ver­ein gegen die frei­heit­lich-demo­kra­ti­sche Grundordnung.“

Sofort stan­den Anti­fa-Grup­pen Gewehr bei Fuß, um gegen den “ras­sis­ti­schen Bür­ger­mob” auf­zu­mar­schie­ren. Ein wie immer gegen die Wirk­lich­keit was­ser­dicht auto­im­mu­ni­sier­ter Auf­ruf auf Indy­me­dia zähl­te erst­mal aus­führ­lich ihre eige­nen für sich rekla­mier­ten Mär­ty­rer auf:

Alber­to Adria­no wur­de im jahr 2000 im Des­sau­er Stadt­park von 3 Nazis zusam­men­ge­schla­gen und erlag 3 Tage spä­ter sei­nen schwe­ren Ver­let­zun­gen im Kran­ken­haus. 2002 starb Mario Bich­te­mann in der glei­chen Poli­zei­zel­le wie Oury Jal­loh 5 Jah­re spä­ter an einem Schä­del­ba­sis­bruch. Der Dienst­grup­pen­lei­ter war damals wie im Fall Oury Jal­loh der im Revi­si­ons­pro­zess in Mag­de­burg Ange­klag­te Schu­bert. Oury Jal­loh wur­de am 7.1.2005 im Poli­zei­ge­wahr­sam in Des­sau ver­brannt, nach­dem er offen­sicht­lich zuvor in Ket­ten gelegt und kör­per­lich schwer miß­han­delt wurde.

Und han­del­te anschlie­ßend den aktu­el­len Fall im Stil von Radio Eri­wan ab:

Hin­ter­grund des­sen ist ein ras­sis­ti­scher Vor­fall am Mon­tag, in des­sen Zuge ein Afri­ka­ner im Knast gelan­det ist, nach­dem er bür­ger­li­chen Pres­se­be­rich­ten zu Fol­ge einen rech­ten Fuß­ball­fan mit einem Mes­ser ver­letzt haben soll.

Das erin­nert mich an den alten Witz aus der berühm­ten Samm­lung von Sal­cia Land­mann: ein Jude im Drit­ten Reich wehrt mit einem Stock die wüten­den Bis­se eines Wolfs­hun­des ab. Schlag­zei­le in der Zei­tung: “Jüdi­scher Hau­sie­rer beißt deut­schen Schäferhund.”

Wäh­rend sich nun die Des­sau­er Anti­fan­ten ver­eint mit ver­bün­de­ten Medi­en wie Neu­es Deutsch­land dar­über empö­ren, daß “Nazis” die Tat “instru­men­ta­li­sie­ren”  und “zu pau­scha­ler und ras­sis­ti­scher Stim­mungs­ma­che nut­zen” könn­ten, zei­gen sie ihrer­seits kei­ner­lei Hem­mun­gen, wenn es um Pau­scha­li­sie­run­gen und Instru­men­ta­li­sie­run­gen geht. Tei­le von Ber­lin waren die­ser Tage voll­ge­pflas­tert mit Pla­ka­ten, die geschmack­vol­l­er­wei­se die ver­kohl­te Lei­che von Oury Jal­loh zeig­ten, und zur Demo anläß­lich des Jah­res­ta­ges sei­nes Todes riefen.

Jal­loh ist bekannt­lich ein Säu­len­hei­li­ger der deut­schen Links­extre­mis­ten, ihr Ste­phen Law­rence oder Mumia Abu-Jamal, auf den sich alle ihre ver­sam­mel­ten Kom­ple­xe und Obses­sio­nen wer­fen. Sein Tod gilt den Anti­fan­ten als “Mord” und als Beweis für den nazi­ar­ti­gen “Ras­sis­mus” der deut­schen Poli­zei über­haupt. Die Poli­zei soll die dies­jäh­ri­ge Pro­test­de­mons­tra­ti­on in Des­sau nach Anga­ben eini­ger Orga­ni­sa­to­ren mit einem “wah­ren Gewalt­exzeß” beant­wor­tet haben. Dem folg­te ein Brand­an­schlag auf die ört­li­che Polizeiwache.

In die­sem Kli­ma ist es nicht ver­wun­der­lich, daß der schwer­ver­letz­te André Schu­bert über die Netz­sei­te des ASG Des­sau mit­tei­len ließ, er distan­zie­re sich, per­sön­lich und im Namen des Ver­eins, von allen fol­gen­den geplan­ten Demons­tra­tio­nen im Zuge der Gewalttat.

…unser Wir­bel­wind im Mit­tel­feld (bit­tet) aus­drück­lich dar­um NICHT zu der am Sams­tag ange­kün­dig­ten Demons­tra­ti­on zu gehen. Die ASG Vor­wärts Des­sau distan­ziert sich bereits jetzt von die­ser Ver­an­stal­tung und wird auch nicht die Ver­ant­wor­tung dafür übernehmen.

Damit wäre schon mal erfolg­reich ver­hin­dert, was Elsäs­ser hofft (und ich mit ihm, wenn ich opti­mis­ti­scher wäre):

Ich hof­fe sehr, dass jetzt nicht „die Rech­te“, son­dern die Bür­ger­schaft auf die Stra­ße geht – unab­hän­gig von links und rechts, ohne poli­ti­sche Paro­len, ohne Par­tei­fah­nen – und das Selbst­ver­ständ­li­che zum Aus­druck bringt: „GENUG IST GENUG!“

Schu­bert läßt außer­dem mitteilen:

Wei­ter­hin möch­te er nicht, dass die­ses Vor­komm­nis für poli­ti­sche Zwe­cke und ras­sis­ti­sche Anfein­dun­gen miss­braucht wird. Er möch­te nur wie­der schnell gesund wer­den, sich um sei­ne Fami­lie und den ASG-Nach­wuchs küm­mern und dass “800 Jah­re Anhalt” von Allen fried­lich und fröh­lich gefei­ert wer­den kann.

Poli­tisch Lied, gars­tig Lied, außer es wird auf dem lin­ken Loch gepfif­fen. Aus­ch­lag­ge­bend dürf­ten hier wohl die oben zitier­ten Warn­schüs­se gewe­sen sein, die das Neue Deutsch­land schon mal prä­ven­tiv Rich­tung ASG abfeu­er­te, indem mit der “Rechtsextremismus-Verdacht”-Keule gewun­ken wur­de. Schu­bert lief offen­bar tat­säch­lich in Gefahr, für sei­nen Mut unter Todes­ge­fahr auch noch als “Rech­ter” und damit indi­rekt als eigent­li­cher Täter stig­ma­ti­siert zu werden.

Damit wur­de mal wie­der jeder Ansatz, aus der Aus­län­der­ge­walt in Deutsch­land end­lich poli­ti­sche Kon­se­quen­zen zu zie­hen, im Keim erstickt. Ich weiß schon: was dem einen “Instru­men­ta­li­sie­rung” ist, ist dem ande­ren eine berech­tig­te Agen­da, was für einen “der Mob” ist, ist für den ande­ren die “enga­gier­te Bür­ger­schaft”.  Der Maß­stab dafür, wo die berech­tig­te Agen­da endet und die unzu­läs­si­ge “Instru­men­ta­li­sie­rung” beginnt, ist heu­te jedoch längst abhan­den gekom­men. Die Gewich­te sind mit kras­ser Ungleich­heit ver­teilt, zuguns­ten einer selbst­herr­li­chen, fana­ti­sier­ten, und rea­li­täts­blin­den Lin­ken und einer immer absur­der wer­den­den “anti­ras­sis­ti­schen” Ideologie.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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