Es lebe der Volkstod!

Ein paar Bonbons für Freunde des schwarzen Humors, die sich in den letzten Wochen angehäuft haben.  Einige Leser des Blogs...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

schick­ten mir die­ser Tage Emails zu, die sie von einem Absen­der namens “Nazi-Leaks” erhal­ten hat­ten.  Ich weiß nicht, ob es sich um den “Nazi-Leaks” han­delt, jeden­falls gibt er sich dafür aus. Dar­in stand zu lesen:

Das deut­sche Volk und sei­ne faschis­ti­schen Aus­wüch­se mußt vernichtet
wer­den! … Wir haben Fascho Sei­ten gehackt und öffent­lich gemacht unter:
https://www.nazi-leaks.info/ .… Schaut nach ob auch in eurer Nähe ein Nazi wohnt und schlach­tet ihn ab!

Die Absen­der wol­len also nicht nur “die faschis­ti­schen Aus­wüch­se”,  son­dern das deut­sche Volk an sich “ver­nich­tet” sehen, wobei sie offen­bar schon­mal mit der Ver­nich­tung der deut­schen Spra­che einen Anfang set­zen woll­ten. Die­se Absicht hat man bei den Anti­fan­ten immer schon ver­mu­tet, wenn sie es nicht ohne­hin offen zuge­ben (“Deutsch­land ver­re­cke!”, “Nie wie­der Deutsch­land”, statt etwa “Nie wie­der Natio­nal­so­zia­lis­mus!”). “Anti­fa­schis­mus” ist heu­te bekannt­lich über wei­te Stre­cken iden­tisch mit deut­schem Selbst­haß. Bald dar­auf wur­de mir eine zwei­te Email des­sel­ben Absen­ders wei­ter­ge­lei­tet, mit dem Inhalt:

Bit­te schaue in den Lis­ten nach ob auch in dei­ner Nach­bar­schaft ein
Nazi­schwein lebt, damit du ihn ermor­den kannst.
Im Krieg und gegen Nazis sind alle Mit­tel erlaubt, zu des­sen Vernichtung.
Brand­an­schlä­ge, etc. sind legi­ti­me Mit­tel gegen die­se Pest!

Und nun kann ich es schon nicht mehr glau­ben, daß das wirk­lich von “Anony­mous” stam­men soll. Anti­fas pfle­gen zwar bekannt­lich die Kaker­la­ken-Spra­che, aber der­art plum­pe und buch­stäb­li­che Mord­auf­ru­fe sind nor­ma­ler­wei­se nicht ihr Stil.  Ich tip­pe, daß es von einem Agent Pro­vo­ca­teur vom ande­ren poli­ti­schen Ufer kommt.

Dann kam die nächs­te Geschich­te, von der ich zunächst auch dach­te, sie wäre ein Scherz.  Ein mis­sio­nie­ren­der Spin­ner, der sein Blog “Deut­sches Reich” nennt, und sei­ne State­ments mit Phra­sen wie “mit reichs­deut­schen Grü­ßen” unter­schreibt, bekommt eine E‑Mail von einem jun­gen Fräu­lein der “Lin­ken”, gebo­ren 1987 auf dem Staats­ge­biet der DDR, mit den fol­gen­den Worten:

“Löschen Sie mich umge­hend aus Ihren Ver­tei­ler. Es mag Sie viel­leicht über­ra­schen, aber ich bin eine Volks­ver­rä­te­rin. Ich lie­be und för­de­re den Volks­tod, beglück­wün­sche Polen für das erlang­te Gebiet und die Tschech/innen für die ver­dien­te Ruhe vor den Sudetendeutschen.
Ich tan­ze am 8.Mai mit Kon­fet­ti durch die Stra­ßen der Städ­te und dan­ke den Alli­ier­ten dafür, dass sie mir den Hin­tern vor den Nazis geret­tet haben.
Mit Gleich­ge­sinn­ten, der USA und Juden tref­fe ich mich dar­über hin­aus regel­mä­ßig, um mich mit ihnen über Leu­te wie sie zu amü­sie­ren – für jeden guten Witz gelan­gen sogar 50 Dol­lar in eine Spen­den­box für den Neubau/Renovierungen von Syn­ago­gen und jüdi­sche Zen­tren in der Republik.
(…)
In dem Sin­ne: Still not loving Germany!”

“Ich lie­be und för­de­re den Volks­tod”! Das ist aus dem Mund einer deut­schen Poli­ti­ke­rin schon ein star­kes Stück.  Die Sät­ze über die Polen und Tsche­chen zei­gen über­dies nicht gera­de eine wirk­lich anti-natio­na­le, inter­na­tio­na­le Posi­ti­on (die müß­te ja auch den pol­ni­schen Natio­na­lis­mus und eth­ni­sche Säu­be­run­gen an sich ableh­nen), son­dern eher eine exklu­siv gegen die Deut­schen gerich­te­te Spit­ze.  Woll­te die­ses Fräu­lein Löch­ner also gezielt den Frak­tur­schrif­ten­lieb­ha­ber ärgern, mit allem, was ihr gera­de ein­fiel, daß es zün­den würde?

Offen­bar ja, wie man die­sem unbe­hol­fe­nen Radio-Inter­view ent­neh­men kann (auch  der Inter­view­er bekennt sich stolz dazu, ein “Volks­ver­rä­ter” zu sein). Danach woll­te Löch­ner den gan­zen Begriff des “Volks­to­des” ledig­lich durch Über­spit­zung “ad absur­dum” füh­ren. Aus­buch­sta­biert heißt das, daß es “Völ­ker” nur für Leu­te mit “völ­ki­schen Reflek­ti­ons­krei­sen” gibt, und wer wie Löch­ner nicht aner­kennt, daß es ein deut­sches Volk gibt (ein tsche­chi­sches und pol­ni­sches aber schon?) und die­se Vor­stel­lun­gen “dekon­stru­ie­ren” will, für den kann es logi­scher­wei­se auch kei­nen “Volks­tod” geben.  Wie Löch­ner sich selbst unfrei­wil­lig tref­fend sagt, “da steckt ne gesam­te Ideo­lo­gie, ne gesam­te Vor­stel­lung dahinter”.

Ganz glaub­wür­dig ist das frei­lich nicht. In ihrer Ant­wort an den “reichs­deut­schen” Blog­ger wie auch in ver­gleich­ba­ren State­ments von Links­au­ßen schwin­gen stets bei­de Bedeu­tun­gen mit, die ernst­ge­mein­te und die “dekon­struk­ti­ve”, mal mehr zur einen, mal mehr zur ande­ren Sei­te schlen­kernd. Wenn Anti­fan­ten “gegen Volk und Vater­land” demons­trie­ren, dann weiß man nie so recht, ob sie nun die Begrif­fe oder die Tat­sa­chen mei­nen (in der Regel wohl eher letz­te­res). Also: 1. Die Deut­schen sol­len ruhig aus­ster­ben und ihre Nati­on soll ver­schwin­den. 2. Aber das ist nicht schlimm, denn die “Deut­schen” und ihre “Nati­on” exis­tie­ren “eigent­lich” gar nicht (das ist dann oft auch die pas­sen­de Aus­re­de, sie­he Löchner.)

Das ist die­sel­be Form von alter­nie­ren­dem Psy­cho­krieg, wie er auf der kom­ple­men­tä­ren Sei­te geführt wird: 1. Min­der­hei­ten und eth­ni­sche Grup­pen exis­tie­ren “eigent­lich” gar nicht, wer­den zu Frem­den “kon­stru­iert” 2. Wo sie aber in der Öffent­lich­keit nicht ver­tre­ten sind, fehlt es an “Diver­si­ty”, “Viel­falt”, “Bunt­heit”, “Inte­gra­ti­on” usw, was sofort per Quo­te beho­ben wer­den muß. Man muß wirk­lich ein Lin­ker sein, um nicht den schrei­en­den Wider­spruch zwi­schen bei­den Axio­men zu erkennen.

Die abschlie­ßen­de Fol­ge der Live-Sati­re ist nun voll­ends nicht mehr zum Lachen, eher zum Zehen­nä­gel­ein­rol­len. Die NPD stell­te im Land­tag von Meck­len­burg-Vor­pom­mern den Antrag, “den bio­lo­gi­schen Fort­be­stand des deut­schen Vol­kes zu bewah­ren”, wahr­schein­lich aus purer Knöp­fedrü­cker­lust. Die­se For­de­rung ist nun für jeden his­to­risch bewuß­ten Men­schen weder extra­va­gant, noch zwangs­läu­fig natio­nal­so­zia­lis­tisch. Viel­mehr galt die Wohl­fahrt und das Bestehen des eige­nen Vol­kes und sei­ner Kul­tur seit jeher zu den selbst­ver­ständ­li­chen Inhal­ten einer natio­nal­staat­li­chen Poli­tik, gera­de in Demo­kra­tien. Und sie ist fast über­all auf der Welt die selbst­ver­ständ­li­che Norm, nur eben dort nicht, wo der Libe­ra­lis­mus die Demo­kra­tie aus­ge­he­belt hat.

Das Ergeb­nis kam wie erwar­tet, aller­dings in sel­ten schö­ner Rein­form. Das Video wur­de am 16. Novem­ber 2011 auf­ge­nom­men, und Anfang Febru­ar auf You­tube hoch­ge­la­den. Es ist auch ein Mus­ter­bei­spiel jenes ritua­lis­ti­schen, offen­bar stark lust­be­setz­ten Empö­rungs­dampf­ab­las­sens, wie es in den Land­ta­gen heu­te üblich ist. Dar­in erklärt Ste­fa­nie Dre­se, stell­ver­tre­ten­de Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de der SPD, gebo­ren 1976 auf dem Staats­ge­biet der DDR,  die “demo­kra­ti­schen Frak­tio­nen des Land­tags” (also nicht nur die SPD, son­dern auch CDU, Grü­ne, und Lin­ke), in deren Namen sie sprä­che, wür­den die­ses Ansin­nen geschlos­sen und “mit aller Nach­drück­lich­keit und auf das Schärfs­te” ablehnen.

Man kann getrost davon aus­ge­hen, daß die Par­tei­en­ver­tre­ter nicht nur in Schwe­rin so reagie­ren wür­den. Dies ist also die Hal­tung der herr­schen­den, sich “demo­kra­ti­schen” nen­nen­den Eli­ten der Bun­des­re­pu­blik gegen­über ihrem Staats­volk, das eben immer noch weit­ge­hend den “Demos” stellt, was von den Grün­dern des Staa­tes auch nicht anders gedacht wurde.

War­um nun die­se Ableh­nung “aufs Schärfs­te”? Weil die “demo­kra­ti­schen Frak­tio­nen” so pfif­fig-iro­nisch sind wie Chris­tin Löch­ner und Begrif­fe wie “deutsch”, “Volk” oder “bio­lo­gisch” rein “dekon­struk­tiv” betrach­ten und “ad absur­dum” füh­ren wol­len? Nein, weit gefehlt, sie leh­nen expli­zit die Sache sel­ber ab, und zwar weil (*Phra­sen­schwein­chen an*) in den Wor­ten Dre­ses ein sol­ches Ansin­nen “ras­sis­tisch und men­schen­ver­ach­tend, eng­stir­nig und rück­wärts­ge­wandt zugleich” sei.

… und zeigt ein­mal mehr auf erschre­cken­de Wei­se das Gedan­ken­gut der NPD und ihre geis­ti­ge Nähe zur NS-Ideo­lo­gie. (…) Sie stel­len somit das deut­sche Volk über alle ande­ren Men­schen. Gera­de die­se Arro­ganz und der damit ver­bun­de­ne Grö­ßen­wahn der Über­le­gen­heit ande­ren Völ­kern gegen­über hat der Mensch­heit in der Ver­gan­gen­heit immer wie­der Tod, Zer­stö­rung und Unglück gebracht.

Das eige­ne Staats­volk also zugrun­de gehen zu las­sen (der “Volks­tod” oder wie immer man es nen­nen will, ist eine unbe­streit­ba­re demo­gra­phi­sche Tat­sa­che, an der kei­ne Rhe­to­rik etwas ändern kann) wäre dem­nach “anti­ras­sis­tisch und men­schen­lie­bend, groß­her­zig und vor­wärts­ge­wandt zugleich”, wäh­rend schon das blo­ße Ansin­nen, als Volk zu über­le­ben und sei­ne Eigen­art sowie ein posi­ti­ves Selbst­wert­ge­fühl zu bewah­ren, Zei­chen von “Arro­ganz”, “Grö­ßen­wahn” und Selbst­über­he­bung sei. Und die­se Poli­tik der Deutsch­land- und Deut­schen­ab­schaf­fung füh­re dann wohl zu Leben, Auf­bau und Glück (Wer will, kann hier unschwer den Schat­ten typi­scher “Umerziehungs”-Axiome erken­nen, die den lan­ge, lan­ge nach dem Krieg gebo­re­nen Gene­ra­tio­nen in ihrer plat­test­mög­li­chen Form in Fleisch und Blut über­ge­gan­gen sind.)…

Ach was, ich gebe es auf. Ich wer­de der­glei­chen nicht mehr kom­men­tie­ren. Es pas­siert jeden Tag, und es fällt kaum mehr jeman­dem auf, weil eine mas­sen­wahn­ar­ti­ge Demenz um sich greift, inner­halb derer nie­mand mehr klar sehen kann. Wir kochen schon längst wie der Frosch im Was­ser aus der bekann­ten “urban legend” vom Koch­topf­ex­pe­ri­ment. Wir ver­fau­len lang­sam in einer wohl­tem­pe­rier­ten Höl­le, die wir immer noch für einen Bade­ort an der Côte d’A­zur der Post­his­toire hal­ten. Gehir­ne wie die zitier­ten sind in der Über­zahl und sie sind unre­for­mier­bar, unheil­bar. Wen die Göt­ter ver­der­ben wol­len, den schla­gen sie mit Blind­heit. “La colè­re des imbé­ci­les rem­plit le mon­de”, schrieb Ber­na­nos:  Die Rase­rei der Dum­men über­flu­tet die Welt. Sol­len sie also mei­net­we­gen end­lich zugrun­de­ge­hen, wenn sie sich nichts mehr wün­schen als das. In Wirk­lich­keit sind ihre Äuße­run­gen nicht nur ideo­lo­gi­sche Dumm­hei­ten, Infan­ti­lis­men und Rase­rei­en; sie sind auch fre­vel­haf­te Fri­vo­li­tä­ten, die man sich leistet,“weil es die Pro­duk­ti­ons­mit­tel” erlau­ben, und denen ein gött­li­ches Straf­ge­richt sicher ist.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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