“Das ist Ihr Jargon!” – Aus einem Forschungsseminar über Rechtsextremismus

von Larsen Kempf

Als Störenfried wahrgenommen zu werden, weil man inhaltlich begründeten Widerspruch äußert, ist nicht das Schlechteste. 

Mit fre­chem „Ego-Non!“ saß ich unlängst in zwei Sit­zun­gen eines For­schungs­se­mi­nars zum The­ma „Rechts­extre­mis­mus“.

Der Aus­lö­ser des Semi­nars, mut­maß­lich, die CAM­PUS-Affä­re; oder in den Wor­ten eines Kame­ra­den: nicht gegen ein Phä­no­men, son­dern gegen Per­so­nen sei die­se Wis­sen­schaft gerich­tet. Abzu­se­hen also, daß etwas zu sagen war. Das Gefühl der bei­den Dozen­tin­nen: sicher kein gutes ange­sichts gleich drei­er Bedenkenträger.

Wäh­rend der ers­te Semi­nar­tag den „gro­ßen his­to­ri­schen Lini­en“ oder ver­schie­de­nen „his­to­ri­schen Wur­zeln“ nach­spü­ren soll­te, ver­such­te man am zwei­ten einen poli­tik­wis­sen­schaft­li­chen Zugriff auf aktu­el­le rechts­extre­me Phä­no­me­ne zu gewin­nen: Erschei­nungs­for­men, Wahr­neh­mung des Rechts­ter­ro­ris­mus, Ver­fas­sungs­schutz. Gera­de­zu fan­tas­tisch, dach­te ich, wie die his­to­ri­sche Kon­zep­tua­li­sie­rung rechts­extre­men „Gedan­ken­guts“ (immer die­ser Begriff) schon am ers­ten Semi­nar­tag nicht nur völ­ki­sches Den­ken und Ras­sis­mus, nein: auch völ­lig undif­fe­ren­ziert Natio­na­lis­mus oder gar den Kon­ser­va­tis­mus ein­fan­gen soll­te. Das bedeu­te­te, daß bereits die Infra­ge­stel­lung der „Kon­stru­iert­heit von Volk und Nati­on“ etwa ver­däch­tig war. Selbst­ver­ständ­lich durf­ten auch Feind­bil­der (Kom­mu­nis­mus) oder Ver­schwö­rungs­theo­rien als „Kern­ele­men­te“ sol­chen Den­kens nicht feh­len, was – wie konn­te es anders sein? – an einem Meis­ter­stück der poli­ti­schen Mimi­kry ver­an­schau­licht wur­de: Man­fred Klei­ne-Hart­la­ges Büch­lein über die Neue Welt­ord­nung.

So gestal­te­te sich das Semi­nar dann auch im poli­tik­wis­sen­schaft­lich zwei­ten Teil als Pro­ble­ma­ti­sie­rung der Pres­se­frei­heit, die ja auch für die Jun­ge Frei­heit gilt, der Ver­samm­lungs­frei­heit, die ja auch für „Nazi­auf­mär­sche“ gilt, oder der staat­li­chen Unfä­hig­keit, die NPD end­lich zu ver­bie­ten. Exklu­si­on und Inklu­si­on sind die wis­sen­schaft­li­chen Umschrei­bun­gen für die­je­ni­gen, die noch drin und die­je­ni­gen, die schon drau­ßen sind. Ich habe also gelernt, was ich ohne­hin schon wuss­te. Aus­schlie­ßungs­tak­tik wur­de dann auch fast hilf­los wir­kend beson­ders gegen­über den „Stö­ren­frie­den“ im Semi­nar geübt, die zum Teil nicht ein­mal mehr ihre Argu­men­te zu Ende spre­chen konn­ten. Eine Metho­de mit Sys­tem. Man kennt es aus ande­ren Zusam­men­hän­gen. Doch wenn die­ses Mus­ter im aka­de­mi­schen Umfeld Schu­le macht, braucht auch das Plä­doy­er eines der Pflicht­tex­te für die recht­li­che Exklu­si­on ima­gi­nier­ter Nazis nicht mehr zu verwundern.

Hin­wei­se dar­auf, daß die Semi­nar­lei­tung letzt­lich ein Feind­bild zeich­ne­te, wur­de von die­ser als Unsinn abge­tan: „Das ist Ihr Jar­gon!“ – natür­lich. Doch Wider­spruch blieb – nicht nur bei den „Stö­ren­frie­den“, die sich Anmer­kun­gen über die Absur­di­tä­ten und magi­schen Asso­zia­ti­ons­ket­ten nicht erspa­ren konn­ten. Dabei hät­te es so schön und ruhig sein kön­nen, wur­de doch bei Kaf­fee und Kuchen ein sorg­sam auf­ein­an­der abge­stimm­tes, in sich strin­gen­tes Feind­bild nach bes­ter aka­de­mi­scher Manier kon­stru­iert: der Recht­ex­tre­mist, der unter­schwel­lig und ganz bewußt unter­halb der jus­ti­zia­blen Schwel­le sein Unwe­sen treibt. Der die Jun­ge Frei­heit liest. Und der von Carl Schmitt und Ernst Jün­ger ideo­lo­gi­siert ist. Die­sen zu erken­nen, erfor­dert dann aller­dings ein der­art auf­ge­weich­tes Begriffs­spek­trum, daß man eher fra­gen muß: Wer gehört in einer plu­ra­len Gesell­schaft denn nicht mehr dazu? Und so kam am Ende Nazi raus, wo vor­her Nazi rein­ge­steckt wur­de. Na Bravo!

Zuge­ge­ben: Der hier beschrie­be­ne Ablauf war abzu­se­hen. Er war kal­ku­lier­bar. Und weil er bestä­tigt wur­de, darf man befürch­ten, daß er reprä­sen­ta­tiv ist: als emi­nen­ter Wider­spruch von Welt­an­schau­ung und Wis­sen­schaft. Zu ver­mu­ten wäre, daß die Semi­nar­lei­tung eine legi­ti­me „Stand­ort­ge­bun­den­heit des Semi­nars“ (die Frei­heit­lich Demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung) mit einem „welt­an­schau­lich-heils­ge­schicht­li­chen Demo­kra­tis­mus“ ver­wech­sel­te. Ja, mein Jar­gon. Die Absicht der welt­an­schau­li­chen Erzie­hung im Hin­ter­grund (mit einer Heils­ge­schich­te zur Demo­kra­tie und den gefähr­li­chen, ja patho­lo­gi­schen Abwe­gen) wirk­te auf die Vor­ge­hens­wei­se. Die FDGO als Refe­renz­mo­ment stellt die Fra­ge: wer gehört nicht mehr dazu, zwingt zur Auf­stel­lung kla­rer, jus­ti­zia­bler Kri­te­ri­en. Für alle ande­ren gilt die Unschulds­ver­mu­tung. Bil­det aller­dings der Rechts­extre­mis­mus das Refe­renz­kri­te­ri­um, stellt sich die Fra­ge anders: wer näm­lich alles noch zu die­ser mit Vor­lie­be patho­lo­gi­sier­ten Hal­tung gehört, zwingt zur Auf­wei­chung har­ter Kri­te­ri­en und ermög­licht die wil­des­ten Asso­zia­tio­nen mit soge­nann­tem „rechts­extre­mis­ti­schen Gedan­ken­gut“ – und das alles unter dem Anschein wis­sen­schaft­li­cher Legi­ti­mi­tät. Dabei soll­te Wis­sen­schaft­lich­keit doch dar­in bestehen, die Gren­zen der gewähl­ten Kate­go­rien offen zu legen und die­se zu dis­ku­tie­ren, nicht die eige­nen Begrif­fe zu dog­ma­ti­sie­ren. Doch die­se Dis­kus­si­on war aus­drück­lich kein The­ma des Seminars.

Wo immer mög­lich, muß­te also Ein­spruch erfol­gen. Nicht aus Spaß an der Pro­vo­ka­ti­on, son­dern aus Grün­den aka­de­mi­scher Red­lich­keit, die etwas ande­res ist als die inten­dier­te welt­an­schau­li­che Erzie­hung, die bei der Kon­zep­ti­on des Semi­nars schein­bar die Feder führ­te. Denn erst dadurch blieb das Semi­nar nicht das, als was es geplant war, blieb kei­ne Ver­an­stal­tung der Poli­ti­schen Bil­dung, in der sich dies­mal – gott­lob! – zumin­dest nicht alle lieb hatten.

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